9
Als der nächste Tanz
begann, befand sich Demon, und das hatte er Mrs. Pemberton zu
verdanken, auf der anderen Seite des Raumes, weit weg von Flick.
Nur Sekunden, nachdem sie beide die Tanzfläche verlassen hatten,
war die Frau des Vikars zu ihnen gekommen und hatte mit
unwiderstehlicher Energie darauf bestanden, Demon mitzunehmen, um
ihn anderen Gästen vorzustellen.
Die »anderen« waren
die versammelten Matronen der Gegend. Demon war belustigt, als er
feststellte, dass der einzige Grund, warum die Frauen mit ihm
sprechen wollten, der war, ihn darin zu bestätigen, Flick den Hof
zu machen.
»Sie ist ein so
hübsches kleines Ding und recht gut gestellt.« Mrs. Wallace von den
Hadfield-Wallaces aus Dullingham nickte ernst. »Und so erfahren,
wie Sie sind, ist Ihnen das sicher nicht entgangen – sie ist etwas
Besseres.«
Demon lächelte. Er
war es zufrieden, sich von ihnen von der Richtigkeit seines
Vorhabens überzeugen zu lassen. Dabei brauchte er gar nicht mehr
überzeugt zu werden, doch es würde seinem Vorhaben nur nützen, wenn
er die Unterstützung der Matronen bekam.
Weil er so groß war,
konnte er Flicks leuchtendes Haar in der Menge gut ausmachen. Und
während die Damen ihn weiter ermunterten, begann er, ungeduldig zu
werden. Er verstand sehr gut die Gründe hinter ihren Bemerkungen –
diese Gründe versammelten sich gerade um Flick wie Bienen um den
Honigtopf.
Die Söhne dieser
Matronen schienen entschlossen, Flick für sich zu gewinnen, und für
ihre liebevollen Mütter war das ziemlich deutlich. Daher war es in
ihrem Interesse, dass Demon mit Flick tanzte, sie umwarb, weit weg
von ihren Söhnen mit ihren verklärten Blicken, damit diese Söhne
sich schnell wieder erholten und sich dem wirklichen Geschäft der
bevorstehenden Saison widmeten – nämlich, eine passende Frau zu
finden.
Flick war natürlich
sehr passend, doch die Damen hatten schon begriffen, dass ihre
Söhne bei ihr keine Chance hatten, genau wie sie begriffen hatten,
dass ihre Töchter keine Möglichkeit hatten, Demons Blicke auf sich
zu ziehen. Daher war es für alle besser, ihn und Flick so schnell
wie möglich zusammenzubringen, damit es keinen Streit gab und die
beiden den Hochzeitsplänen der Ladys nicht in die Quere kommen
konnten.
Das also war ihre
Strategie. Und da ihre Pläne und die seinen übereinstimmten, war
Demon nur zu gern bereit, ihnen zu versichern, was seine Absichten
waren. »Ihr Wissen über Pferde ist sehr groß.« Er machte diese
Bemerkung ganz nebenbei, dennoch mit anerkennender Stimme. »Und
natürlich ist sie das Mündel des Generals.«
»In der Tat.« Mrs.
Wallace nickte zustimmend. »Sehr passend.«
»Ein glücklicher
Umstand«, stimmte Mrs. Pemberton zu.
Mit einer eleganten
Verbeugung verließ Demon die Damen und war sicher, dass sie alle
einander perfekt verstanden hatten. Er schlenderte an der Seite des
Raumes entlang und betrachtete die Tänzer. Flick konnte er nicht
entdecken.
Er blieb stehen und
sah noch einmal genauer nach – sie war nicht da.
Er entdeckte den
General, der sich mit einer Gruppe älterer Männer unterhielt –
Flick war nicht bei ihm.
Demon unterdrückte
einen Fluch auf die Milchgesichter, denen man nicht trauen konnte,
dann ging er, so schnell er konnte, zu der Stelle, an der er sie
zum letzten Mal gesehen hatte – am anderen Ende des Raumes. Er kam
dort an und fragte sich, was sie sich wohl dachte. Sicherlich hatte
ihr Verschwinden nichts mit Bletchley und dem Syndikat zu
tun?
Der Gedanke, dass
sie vielleicht jemanden identifiziert hatte und ihm dann gefolgt
war, schickte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Schnell
schob er diesen Gedanken von sich – das war wenig wahrscheinlich.
Die Tür lag dort, wo sich die Matronen versammelt hatten, und er
war ganz sicher, dass er sie da nicht gesehen hatte. Aber die
einzige andere Tür führte zu den anderen Räumen des
Hauses.
Wohin, zum Teufel,
war sie gegangen?
Er suchte die Menge
noch einmal ab, als eine Bewegung am Rande seines Gesichtsfeldes
seine Aufmerksamkeit erregte. Die Spitzengardine des langen
Fensters in einer Ecke des Raumes bewegte sich in einem leichten
Wind. Das schmale Fenster, das bis fast zum Fußboden reichte, stand
ein wenig offen. Er konnte sich nicht hindurchzwängen, doch Flick
war wesentlich kleiner als er.
Es dauerte fünf
Minuten, bis er wieder das andere Ende des Raumes erreicht hatte,
lächelnd und nickend wich er den Einladungen zu einer Unterhaltung
aus. In der Eingangshalle angekommen, schlüpfte er durch die
Haustür und ging um das Haus des Vikars herum.
Der Garten hinter
dem offenen Fenster war leer. Der Mond schien voll und rund, sein
silbernes Licht erhellte den Weg und die üppigen Blumenbeete, die
die Wiese einrahmten. Mit gerunzelter Stirn suchte Demon die
Schatten ab, aber es gab keine Nischen, keine Bänke unter
überhängenden Ästen – und keinen Engel in blassblauer Seide, der
die Nacht genoss.
Der Garten lag still
vor ihm, kaum ein Wind wehte. Ein Anflug von Furcht erfasste ihn.
Er wollte sich gerade umwenden und den Weg zurückgehen, um
nachzusehen, ob Flick mittlerweile vielleicht in den Salon
zurückgekehrt war, ehe er in Panik geriet, als sein Blick auf die
Hecke fiel, die an einer Seite der Wiese angrenzte.
Ein Weg führte neben
der Wiese an der Hecke entlang. Die Hecke war sehr hoch, er konnte
nicht darüber sehen. Leise schlich er an der grünen Wand entlang
und fragte sich, ob er sich richtig erinnerte, dass dahinter ein
kleiner Hof lag …
Die Öffnung in der
Hecke lag im Schatten, er trat hindurch. Und dann sah er
sie.
Der kleine Hof war
ein gepflastertes Viereck, in dessen Mitte eine alte Magnolie
stand, deren Äste über einen Weiher hingen. Flick ging langsam vor
der Magnolie auf und ab. Das Mondlicht ließ das Blau ihres Kleides
fast verschwinden und hüllte es in ein überirdisches
Silber.
Demon beobachtete
sie. Der Schwung ihrer Hüften, die ungekünstelte Anmut ihrer
Bewegungen verzauberte ihn. Bis zu diesem Augenblick war ihm gar
nicht bewusst gewesen, wie sehr die Furcht ihn gepackt hatte, er
merkte es erst, als seine Anspannung sich löste und durch die
Erleichterung ersetzt wurde.
Flick fühlte seinen
Blick und sah auf. Sie blieb stehen und erstarrte – doch als sie
ihn erkannte, entspannte sie sich wieder. Sie sagte
nichts.
»In diesem Kleid im
Mondlicht siehst du aus wie ein silberner Geist.« Der gekommen war, um sein sterbliches Herz zu
stehlen. Seine Stimme klang verräterisch tief.
Falls sie das
bemerkt hatte, ließ sie sich jedoch nichts anmerken. Sie blickte an
ihrem Kleid hinunter und hielt den Rock ein wenig hoch, um
nachzusehen. »Die Farbe ist wirklich ein wenig blass. Mir gefällt
sie.«
Ihm gefiel sie auch
– sie war von dem gleichen, blassen, reinen Blau wie ihre Augen.
Das Kleid war den Preis, den er dafür gezahlt hatte, wert.
Natürlich würde sie niemals erfahren, dass er das Kleid bezahlt
hatte. Clotilde war eine ausgezeichnete Schneiderin, und er nahm
sich vor, ihr ein Geschenk zu machen, um ihr so seine Anerkennung
zu zeigen.
Er zögerte … aber
sie waren beide allein im Mondschein – die Geigen waren nur ein
leises Flüstern in der Nacht. Langsam ging er auf sie zu und sah
sie eindringlich an.
Flick fühlte, wie er
näher kam, groß, elegant – gefährlich. Der Mond ließ sein Haar
silbern aufleuchten und verlieh seinem Gesicht eine gewisse Härte.
Die kantigen Linien schienen hervorgehoben, das Gesicht wie aus
Stein gemeißelt, die Augen lagen im Schatten unter den schweren
Lidern.
Warum seine
Anwesenheit sie gleichzeitig beruhigen und aufregen konnte, das
wusste sie nicht. Ihre Nerven spannten sich an, ihre Sinne regten
sich … Die Sehnsucht, die sie gefühlt hatte, als sie miteinander
tanzten, kehrte zurück.
Sie war hierher
gekommen, um allein zu sein, um die kühle Luft zu genießen, um
ihren heißen Kopf, ihren erhitzten Körper abzukühlen. Sie war
hierher gekommen, um nachzudenken. Über ihn. Ein Teil von ihr
fragte sich, ob sie ihn heute Abend richtig verstanden hatte. Der
andere Teil wusste, dass es so war. Aber sie konnte es noch immer
nicht glauben.
Es war wie ein
Märchen.
Und jetzt war er
hier … ihre Nerven erbebten, noch ehe sie diesen Gedanken gefasst
hatte. Abrupt rief sie sich wieder ins Gedächtnis, dass sie ja
eigentlich böse war auf ihn. Sie verschränkte die Arme vor der
Brust und hob das Kinn, als er noch näher kam, und ihre Augen zogen
sich zusammen. »Du hast dich mit Mrs.
Pemberton verbündet – Foggy hat mir erzählt, dass Mrs. Pemberton
durch dich die Nachricht an den General geschickt
hat.«
Er blieb vor ihr
stehen. »Mrs. Pemberton hat das Bild von dir gezeichnet, wie du zu
einer alten Jungfer wirst – und das schien mir kein so guter
Gedanke zu sein.«
Seine tiefe Stimme
ging ihr unter die Haut, und es gelang ihm mühelos, ihren Ärger zu
vertreiben. Sie unterdrückte einen Schauer und stieß ein unwilliges
Geräusch aus. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Abend wie
dieser hier daran etwas ändern könnte.« Sie deutete in Richtung auf
das Haus. »Ganz sicher werde ich dort drinnen keinen Ehemann
finden.«
»Nicht?«
»Du hast sie doch
gesehen. Sie sind so jung!«
»Ah – du meinst
sie.«
Seine Stimme wurde
noch tiefer, und sie fühlte, wie er ein Netz aus Faszination um sie
wob. Er zog die Mundwinkel hoch, nur ein wenig. »Nein.« Seine
Stimme war nur noch ein leises Brummen, das sie näher zu ihm trieb.
»Ich stimme dir zu – ganz sicher solltest du keinen von ihnen
heiraten.«
Die Pause, die
seinen Worten folgte, dehnte sich aus, dann hob er den Blick und
sah ihr in die Augen. »Es gibt allerdings noch eine
Alternative.«
Mehr sagte er nicht,
doch das, was er nicht ausgesprochen hatte, war deutlich, sie las
es im Ausdruck seines Gesichtes und in seinen Augen. Er beobachtete
sie mit ruhigem Blick. Die Nacht hielt sie beide in ihrer sanften
Dunkelheit gefangen, und es war so still, dass Flick fühlte, wie
das Schlagen ihres Herzens die Stille erfüllte.
Plötzlich war Musik
zu hören.
Sehnsuchtsvolle Töne
wehten über die Wiese, flogen über die Hecke. Die ersten Noten
eines Walzers erreichten sie – Demon legte den Kopf ein wenig
schief, dann streckte er ihr die Hände entgegen, und dabei gab er
ihren Blick nicht einen Augenblick lang frei.
»Komm – tanze einen
Walzer mit mir.«
Das Netz zog sich
enger um sie. Sie fühlte seine Berührungen, aber er drängte sie
nicht, es war ihre Entscheidung, einen Schritt nach vorn zu machen
und seine Einladung anzunehmen, wenn sie das wollte.
Flick fragte sich,
ob sie es wohl wagen würde. Ihre Sinne sehnten sich nach ihm – sie
wusste, wie es sich anfühlte, wenn sie an seiner warmen Brust lag,
wie es sein würde, wenn er die Arme um sie schloss, wie ihre Hüften
sich gegen seine muskulösen Oberschenkel drängen würden. Aber
…
»Ich weiß nicht, wie
man das macht.«
Ihre Stimme klang
überraschend gelassen, und seine Lippen verzogen sich noch ein
wenig mehr.
»Ich werde dir
alles, was du wissen musst, beibringen.« Ein Anflug von Spott lag
in seiner Stimme.
Es gelang ihr, den
Schauer zu unterdrücken, der ihr bei seinen Worten durch den Körper
rinnen wollte. Sie wusste sehr gut, dass sie nicht nur vom Walzer
sprachen – das war nicht die Einladung, die sie in seinen Augen und
in seiner Haltung las. Diese Hände, diese Arme, dieser Körper – sie
wusste, was er von ihr wollte. Und ganz tief in ihrem Inneren
wusste sie, dass sie sich davon niemals würde abwenden können –
nicht, ohne es versucht, ohne ihn berührt zu haben. Nicht, ohne zu
wissen.
Sie machte einen
Schritt nach vorn, streckte die Arme aus und hob ihm ihr Gesicht
entgegen. Er zog sie an sich und legte einen Arm besitzergreifend
um sie, seine andere Hand griff nach der ihren. Er zog sie so nahe,
bis sie einander berührten, bis die Seide ihres Mieders sich gegen
seine Brust schmiegte. Sein Lächeln wurde breiter. »Entspanne dich
und folge einfach meinen Schritten.«
Er trat zurück, dann
zur Seite, und noch ehe sie so richtig wusste, wie ihr geschah,
wirbelte sie bereits herum. Am Anfang machte er kleine Schritte,
bis sie den Rhythmus begriffen hatten, dann drehte und schwang er
sie im Takt der Musik mühelos herum.
Plötzlich änderte
sich der Rhythmus der Musik. Sie wurde langsamer, und auch sie
tanzten langsamer. Er zog sie noch näher an sich, und sie legte den
Kopf an seine Brust. »Gibt es nicht ein Gesetz, nach dem ich keinen
Walzer tanzen darf, ehe jemand anderes erklärt, damit einverstanden
zu sein?«
»Das zählt nur bei
einem förmlichen Ball. Junge Damen müssen ja irgendwo lernen,
Walzer zu tanzen, denn sonst würde doch kein Gentleman mit ihnen
tanzen.«
Sie unterdrückte
eine spöttische Bemerkung – immerhin war sie ihm nicht einmal auf
die Füße getreten. Sie drehten sich langsam zur Musik, die sanft
und leise erklang.
Sie war es, die sich
noch enger in seine Arme schmiegte, fasziniert von der glatten
Seide zwischen ihnen. Und von der Wärme seines
Körpers.
Er entzog sich ihr
nicht. Seine Finger schlossen sich fester um ihre, er nahm ihre
Hand und legte sie auf seine Schulter. Sein Arm schlang sich um
sie, seine Hand lag unter ihrer Taille, und er hielt sie so fest,
dass sie sich bewegten, als seien sie eins.
Dort, wo er sie
berührte, brannte ihre Haut, und auch dort, wo seine Schenkel sich
zwischen ihre drängten, als er sie in eine langsame Drehung führte.
Ihre Brüste schmiegten sich an seinen Oberkörper; sie presste die
Wange an seine Brust und lauschte dem Schlag seines
Herzens.
Endlich endete die
Musik mit einem kleinen Akkord, den sie allerdings ignorierten. Sie
tanzten langsamer und blieben dann stehen. Lange standen sie
einfach nur so da und hielten einander in den Armen.
Dann hob Flick den
Kopf und sah in sein Gesicht. Seine Verlockung, sein Versprechen
hüllte sie ein wie ein schimmernder Schleier. Eine leichte Röte
überzog ihre Haut. Sie war sicher, dass sie sich das nicht nur
einbildete. Sie besaß nicht genug Erfahrung, um sich so etwas nur
vorzustellen, sie wusste allerdings, dass das, was sie fühlte,
wirklich war, dass sie fühlte, was sein könnte.
Warum er das wollte,
davon hatte sie keine Ahnung.
Also stellte sie ihm
einfach die Frage, während sie ihm tief in die Augen sah. »Warum
tust du das?«
Nachdenklich
betrachtete er sie, dann zog er eine Augenbraue hoch. »Ich habe
geglaubt, dass es offensichtlich ist.« Nach einem kurzen Augenblick
fügte er hinzu: »Ich umwerbe dich, ich mache dir den Hof, nenne es,
wie du willst.«
»Aber
warum?«
»Warum schon? Weil
ich dich zu meiner Frau machen möchte.«
»Warum?«
Er zögerte, dann gab
er ihre Hand frei. Er legte die Finger unter ihr Kinn und hob ihr
Gesicht zu sich hoch. Seine Lippen legten sich auf
ihre.
Es begann wie eine
sanfte Zärtlichkeit. Doch damit war keiner von ihnen zufrieden. Ob
sie es nun war, die den Kuss eindringlicher machte, oder er, war
unmöglich zu sagen – doch plötzlich waren seine Lippen härter,
fester, verlangender, und die ihren wurden sanfter, nachgiebiger,
einladender.
Wagemutig öffnete
sie ihm ihre Lippen, ein wenig nur und dann noch ein wenig mehr,
und die Erregung erfasste ihren ganzen Körper, als er sofort
reagierte. Er legte den Kopf ein wenig schief, schmeckte sie und
nahm sich dann wie ein Eroberer noch mehr.
Ein Schauer rann
durch ihren Körper, während er seine Arme fester um sie schloss.
Sie seufzte und fühlte, wie sein Kuss leidenschaftlicher wurde –
ihrer beider Atem vermischte sich, alles in ihrem Kopf drehte
sich.
Wieder war sie es,
die den nächsten Schritt tat, die in all ihrer Unschuld die Arme
hob und sie um seinen Hals schlang, um sich dann an ihn zu
schmiegen. Sie fühlte ein Beben in seiner Brust – ein Stöhnen, das
nicht bis zu seinen Lippen kam.
Ihr Kuss wurde
wild.
Heiß.
Hungrig.
Seine Lippen
brannten auf den ihren, seine Leidenschaft überwältigte sie und
führte sie in Versuchung. Sie fühlte es ganz deutlich unter seiner
nur mühsam aufrechterhaltenen Kontrolle, hinter seiner eleganten
Fassade. Noch kühner geworden, streckte sie die Hand
aus.
Er
erstarrte.
Im nächsten
Augenblick trat sie unsicher ein wenig zurück, und zwischen ihnen
entstand ein kleiner Abstand. Ihre Brüste schmerzten eigenartig,
ihre Haut brannte. Sie blinzelte und sah ihn dann an – er atmete
genauso heftig wie sie. Doch er erholte sich schneller, während
sich in ihrem Kopf noch immer alles drehte.
Er zog die Hände von
ihr zurück, und es war ganz unmöglich, in seinen Augen etwas zu
lesen. »Wir sollten wieder ins Haus gehen.«
Noch ehe sie
überhaupt Zeit hatte, darüber nachzudenken, und lange, bevor sie
sich wieder gefangen hatten, waren sie schon zurück im Salon. Sie
mischten sich unter die anderen Gäste, während sie noch immer
versuchte, ihre Fassung wieder zu finden. Er war neben ihr, elegant
wie immer, kühl und kontrolliert, während ihre Lippen prickelten
und ihr Atem noch immer etwas zu flach ging. Und in ihrem Körper
verspürte sie einen heftigen Schmerz, weil ihr etwas versagt
geblieben war.
Am nächsten Morgen
trat Flick mit einem Stapel Bücher unter dem Arm aus der Seitentür
des Hauses. Sie blickte vor sich hin, während sie ihre Handschuhe
anzog, und lief gegen eine harte Wand.
Sie zog scharf den
Atem ein. Doch glücklicherweise war es eine Wand aus Muskeln und
Armen, die sich um sie schlossen und verhinderten, dass sie und die
Bücher zu Boden fielen.
Sie holte tief Luft,
ihre Brüste drängten sich gegen Demons Rock, dann blies sie eine
Locke ihres Haares nach hinten, die ihr ins Gesicht gefallen war,
und ihr Atem strich über die blonden Locken über seinem
Ohr.
Er erstarrte am
ganzen Körper.
Verlegen gab er sie
wieder frei, hielt sie an den Oberarmen fest und schob sie von
sich.
Sie blinzelte, und
er sah sie verärgert an.
»Wo willst du
hin?«
Der Ton seiner
Stimme, als hätte er das Recht, ihr diese Frage zu stellen, machte
sie widerspenstig. Sie reckte die Nase in die Luft und ging um ihn
herum. »Zur Leihbücherei.«
Er unterdrückte
einen Fluch, wandte sich auf dem Absatz um und folgte ihr. »Ich
werde dich in meinem Wagen hinfahren.«
Nicht einmal »Guten
Morgen, meine Liebe, wie geht es dir« hatte er gesagt. Und das nach
der letzten Nacht. Vollkommen unbeeindruckt schaute Flick vor sich
hin und widerstand dem Wunsch, ihn anzusehen, während er neben ihr
herging. »Ich bin sehr gut in der Lage, die Bücher allein
zurückzubringen und mir neue Bücher auszusuchen, vielen
Dank.«
»Was du nicht
sagst.«
Er klang genauso
störrisch wie sie.
Sie öffnete den
Mund, um ihm zu widersprechen – dann entdeckte sie die Schwarzen,
die er vor seinen Wagen gespannt hatte. Ihr Gesicht wurde weich,
und ihre Augen leuchteten. »Oh – was für Schönheiten!« Ihre Stimme klang bewundernd. Es
waren Pferde, die perfekt zueinander passten und die ungeduldig mit
den Hufen im Kies scharrten. »Sind sie neu?«
»Ja.« Demon
schlenderte neben ihr her, während sie um den Wagen herumging und
die Pferde bewunderte. Als sie kurz Luft holte, warf er lässig ein:
»Ich dachte, ich mache eine kurze Ausfahrt mit ihnen, nur um sie an
den Verkehr in der Stadt zu gewöhnen.«
Mit großen Augen
betrachtete sie das glänzende Fell der Schwarzen und hörte gar
nicht auf das, was er sagte, und er nutzte diesen Augenblick, nahm
ihre Hand und half ihr in den Wagen.
»Sie halten die
Köpfe so stolz.« Sie setzte sich neben ihm zurecht. »Wie laufen sie
denn?«
Sie wartete seine
Antwort gar nicht erst ab, sondern plauderte weiter, und als sie
ihm all ihre Fragen gestellt hatte, fuhren sie bereits die Einfahrt
vom Haus hinunter. Demon richtete seine Aufmerksamkeit auf die
Pferde und wartete darauf, dass sie sich bewusst wurde, was sie
tat, und mit ihm zu schimpfen begann, weil er ihre Unaufmerksamkeit
ausgenutzt hatte. Stattdessen legte sie die Bücher neben ihn auf
den Sitz und lehnte sich mit einem leisen Seufzer
zurück.
Erst als sie nach
einer Weile noch immer nichts sagte, warf er ihr einen schnellen
Blick zu. Sie saß lässig da, eine Hand auf der Seitenlehne, und
hatte den Blick nicht auf die Pferde gerichtet, sondern auf seine
Hände.
Sie beobachtete, wie
er die Zügel hielt und wie seine Finger die Leine aus Leder
bewegten. In ihren Augen lag ein freudiges Leuchten, auf ihrem
Gesicht ein sehnsüchtiger Ausdruck.
Er sah wieder nach
vorn, dann biss er die Zähne zusammen.
Noch nie in seinem
Leben hatte er einer Frau erlaubt, seine Pferde zu
lenken.
Die Schwarzen waren,
auch wenn er sie noch nicht lange besaß, sehr gut eingespielt, und
bis jetzt hatten sie sich auch sehr gut benommen. Und er würde ja
immerhin neben ihr sitzen.
Doch wenn er es ihr
einmal erlaubte, würde sie erwarten, dass er es immer wieder
tat.
Wenn sie ritt, hielt
sie die Zügel gefühlvoller als er.
Er lenkte die Pferde
aus der Einfahrt des Herrenhauses, dann rollte der Wagen über die
Straße nach Newmarket, doch er verminderte das Tempo nicht.
Stattdessen holte er tief Luft und wandte sich dann an Flick.
»Möchtest du die Zügel halten?«
Der Ausdruck auf
ihrem Gesicht war Belohnung genug für die Überwindung seiner
überkommenen Vorurteile – Überraschung wich eifriger Freude, die
sie jedoch sehr schnell wieder dämpfte.
»Aber …« Sie sah ihn
an. Hoffnung kämpfte in ihrem Blick mit der bevorstehenden
Enttäuschung. »Ich habe noch nie ein Paar Pferde
gelenkt.«
Er zwang sich dazu,
leichtfertig mit den Schultern zu zucken. »So schwierig ist das gar
nicht, und auch kein so großer Unterschied dazu, nur ein Pferd zu
lenken. Hier – schiebe die Bücher ein Stück zur Seite und rücke
näher.« Das tat sie, sie rutschte an ihn heran, bis ihre Schenkel
einander berührten. Er ignorierte die Wärme, die sofort in seine
Lenden schoss, legte die Zügel in ihre schmalen Hände und hielt den
Lederriemen noch so lange fest, bis er sicher war, dass sie die
Pferde unter Kontrolle hatte.
»Nein.« Gekonnt zog
er die Zügel über ihre linke Handfläche. »So, damit du gleichzeitig
mit einer Hand die Kontrolle über beide Pferde hast.«
Sie nickte und war
so aufgeregt, dass er sich fragte, ob sie überhaupt noch sprechen
konnte. Er lehnte sich zurück, legte einen Arm über die Lehne des
Sitzes hinter ihr, bereit, zuzugreifen, wenn es nicht richtig lief,
dann beobachtete er sie und sah ab und zu auf den Weg vor ihnen. Er
kannte den Weg sehr gut, genau wie sie.
Sie hatte ein paar
Schwierigkeiten, die beiden Pferde um eine Kurve zu führen, und er
biss die Zähne zusammen, und es gelang ihm, sich zurückzuhalten und
nicht seine Hand auf ihre zu legen. Danach gewöhnte sie sich
langsam daran, und während sie durch die Felder weiterfuhren,
entspannten sie sich beide.
Es hatte auch seine
Vorteile, stellte er sehr schnell fest, sich von einer Dame fahren
zu lassen – einer Dame, die ihn ganz sicher nicht in den
Straßengraben fahren würde. Er konnte sie die ganze Zeit über
beobachten – ihr Gesicht, ihre Gestalt, die sich im Augenblick
unter einem hübschen Kleid aus Batist verbarg. Ihre herrlichen
goldenen Locken wehten leicht im Wind und rahmten ihr zierliches
Gesicht ein.
Es war ein Gesicht,
auf dem eine leichte Röte der Freude lag, eine Erregung, die er
verstand. Sie war aufgeregt und begeistert. Und er fühlte sich
deswegen sehr selbstgefällig.
Sie warf ihm einen
fragenden Blick zu, als die ersten Ställe der Rennbahn in Sicht
kamen. Von jetzt an würden andere Pferde ihren Weg kreuzen,
Menschen und sogar Hunde – alles Eindrücke, auf die die beiden
Schwarzen reagieren würden. Demon nickte, setzte sich gerade und
nahm ihr die Zügel wieder aus der Hand. Dann ließ er die beiden
Pferde wissen, dass er wieder die Führung hatte.
Flick lehnte sich
mit einem aufgeregten Seufzer zurück. Sie hatte sich schon immer
gewünscht, einmal einen Zweispänner zu fahren. Und dazu noch Demons
Schwarze! Sie waren das perfekteste Paar, das sie je gesehen hatte.
Zwar waren sie nicht so kräftig wie seine Braunen, doch sehr
elegant mit ihren schlanken Fesseln und den glänzenden, gebogenen
Hälsen.
Und sie hatte diese
Pferde gelenkt! Sie konnte es kaum erwarten, dem General davon zu
erzählen. Und Dillon – der würde vor Neid ganz grün werden. Noch
einmal seufzte sie, dann sah sie sich mit einem zufriedenen Lächeln
um.
Erst jetzt erinnerte
sie sich an ihre Unterhaltung und begriff, dass er sie regelrecht
entführt hatte. Weggelockt. Sie war mit verlockenden Versprechungen
dazu gebracht worden, in den Wagen eines Gentleman einzusteigen,
der sie dann in die Stadt gefahren hatte.
Sie warf ihrem
Entführer einen schnellen Blick von der Seite zu. Er sah nach vorne
auf die Straße, und an seinem Gesichtsausdruck konnte sie nicht
erkennen, was er dachte. Sie konnte auch nicht einfach behaupten,
dass er all das geplant hatte, dass er mit voller Absicht an diesem
Morgen die Schwarzen vor seinen Wagen gespannt hatte, um sie
abzulenken.
Doch sie könnte
wetten, dass es so gewesen war.
Aber jetzt, nachdem
sie die Ausfahrt so sehr genossen hatte, wäre es kindisch, einen
Streit anzufangen. Also lehnte sie sich zurück und genoss die Fahrt
und sah zu, wie er die Pferde geschickt durch den immer dichter
werdenden Verkehr lenkte, ehe er vor der Leihbücherei anhielt, kurz
vor der High Street, auf halbem Weg in die Stadt.
Wie immer zog der
Anblick des Gespanns eine Anzahl Jungen an. Nachdem Demon ihr aus
dem Wagen geholfen hatte, wählte er zwei der Jungen aus, gab ihnen
strenge Anweisungen und überließ dann seine Pferde ihrer
Obhut.
Das überraschte
Flick, doch war sie klug genug, sich nichts anmerken zu lassen. Sie
nahm ihre Bücher und ging auf die Bücherei zu. Demon folgte ihr,
streckte die Hand über ihre Schulter und öffnete die Tür für
sie.
Sie betrat den
weiten Vorraum, in dem zwei Gentlemen vor Geschichtsbüchern saßen,
den schmalen Gang, der in den hinteren Teil des Raumes führte und
an dem zu beiden Seiten Regale mit Büchern standen.
»Hallo, Mrs.
Higgins«, flüsterte Flick der großen, gutmütigen Frau zu, die
hinter einem Tisch in der Nähe des Eingangs saß und über dieses
Reich herrschte. »Ich bringe diese Bücher zurück.«
»Gut, gut.« Mrs.
Higgins hob die Nase mit ihrem Lorgnon und sah sich die Titel an.
»Ah ja, hat dem General die Biografie des Majors
gefallen?«
»Das hat sie. Er hat
mich gebeten, nachzusehen, ob es noch mehr Bücher dieser Art
gibt.«
»Sie werden alles,
was wir in dieser Richtung haben, im zweiten Gang finden, meine
Liebe – ungefähr in der Mitte …« Mrs. Higgins hielt inne, sah an
Flick vorbei, hob langsam die Hand und nahm ihr Lorgnon ab, um
besser sehen zu können, wer ihr Reich betreten hatte.
»Mr. Cynster
begleitet mich«, erklärte Flick. Sie drehte sich zu Demon um und
deutete auf die Stühle im vorderen Teil des Raumes. »Möchtest du
hier auf mich warten?«
Demon blickte zu den
beiden alten Herren, dann sah er sie mit ausdruckslosem Gesicht an.
»Ich komme mit dir.«
Und das tat er. Er
folgte ihr auf dem Fuß, während sie durch die Gänge mit den
Bücherregalen ging.
Flick versuchte,
nicht auf ihn zu achten und sich stattdessen auf die Bücher zu
konzentrieren, doch die Novellen und die Helden der Literatur
konnten nicht mit ihm konkurrieren. Je mehr sie versuchte, ihn zu
ignorieren, desto mehr drängte er sich in ihr Bewusstsein. Und
genau das konnte sie gar nicht brauchen.
Sie war sowieso
schon viel zu verwirrt.
Nachdem sie die
Stunden bis zur Morgendämmerung damit verbracht hatte, sich noch
einmal ihren zweiten Tanz ins Gedächtnis zu rufen, diesen
erstaunlichen Walzer und alles, was er ihr im Mondschein gesagt
hatte, hatte sie beim Frühstück den festen Entschluss gefasst, die
ganze Sache hinter sich zu lassen – zu warten und zu sehen, was als
Nächstes geschehen würde.
Sie würde darauf
warten, dass er den nächsten Schritt tat – und dann beurteilen, ob
dieser Schritt einen Sinn ergab.
Sie vermutete, dass
sie ihn falsch verstanden hatte, aus Mangel an Erfahrung hatte sie
vielleicht seinen Worten und seinem Verhalten mehr Bedeutung
beigemessen, als er es beabsichtigt hatte. Er war daran gewöhnt,
mit den erfahrenen Ladys der gehobenen Gesellschaft zu tändeln.
Zweifellos war die Bedeutung dieses zweiten Tanzes und des Walzers
und seiner Worte im Mondschein – und natürlich auch sein Kuss –
nicht mehr als nur die Art von Tändelei, die in der gehobenen
Gesellschaft üblich war. Es war die Art, wie die Ladys und die
Gentlemen seines Standes sich an einem solchen Abend unterhielten.
So eine Art kultivierter Neckerei. Je mehr sie darüber nachdachte,
desto wahrscheinlicher schien ihr das.
Und falls das so
war, sollte sie der Sache auf keinen Fall eine größere Bedeutung
geben.
Entschlossen blieb
sie vor dem Regal stehen, in dem ihre Lieblingsbücher standen –
Bücher von Miss Austen und Mrs. Radcliffe. Sie ignorierte das
missbilligende Geräusch hinter ihr und suchte die Reihen der Bücher
ab.
Demon lehnte sich
gegen das Regal, schob die Hände in die Taschen und sah ihr mit
zynischem Blick zu. Wenn ihr der Sinn nach Romantik stand, warum,
zum Teufel, las sie dann Bücher?
Die Tatsache, dass
das so war, kam seinen Plänen nicht sehr entgegen. Er sah ihr zu,
wie sie Bücher aus dem Regal zog, darin blätterte und einige davon
wieder zurückstellte, andere in der Hand behielt, und er fragte
sich, ob es wohl eine Möglichkeit gab, seinen Plan ein wenig
voranzutreiben. Doch leider war sie jung und unschuldig – und
eigensinnig und störrisch. Und das bedeutete, wenn er sie zu sehr
drängte, wenn er zu schnell vorging, würde sie vielleicht nervös
werden und sich zurückziehen.
Und das würde alles
nur noch mehr verzögern. Er hatte schon viel zu oft mit nervösen
Pferden zu tun gehabt, um den Wert der Geduld zu schätzen. Und
natürlich gab es diesmal keine Frage, ob er Erfolg haben würde – er
hatte die Absicht, ihr seinen Ring an den Finger zu schieben, ganz
gleich, wie lange der Weg dahin auch dauern würde.
Diesmal weigerte er
sich, an die Möglichkeit einer Niederlage zu denken. Als er beim
letzten Mal im Herrenhaus gewesen war, bereit, sich auf dem Altar
der Ehe zu opfern, hatte er nicht gewusst, auf was er sich einließ.
Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, sondern hatte instinktiv
auf die Situation reagiert. Und als er feststellte, dass Flick die
Dinge ins richtige Licht gerückt hatte und keine Notwendigkeit
bestand, sie zu heiraten, hatte ihm das einen Schrecken eingejagt.
Er war benommen gewesen, doch nicht vor Freude, und vollkommen
enttäuscht, und diese Tatsache hatte ihn noch mehr
erschüttert.
Das hatte ihn zum
Nachdenken gebracht. Und die nächsten vierundzwanzig Stunden lang
hatte er genau das getan: beharrlich seine wirklichen Wünsche von
den praktischen Gründen getrennt, hinter denen er sie versteckt
hatte, nur um dann festzustellen, dass wieder einmal, wie sonst
auch, sein Instinkt ihn nicht getrogen hatte.
Er wollte dieses
Mädchen heiraten – der Grund dafür kümmerte ihn nicht -, und
nachdem er sie auf so unschuldige Weise kompromittiert hatte, war
dies ein angenehmer, wenn auch nicht perfekter Weg gewesen, um
seine Ansprüche anzumelden. Sein Wunsch, sie zu heiraten, war gar
nicht so unschuldig – selbst zu diesem Zeitpunkt waren seine
Gedanken von seinem Verlangen geleitet worden. Seine Enttäuschung
war so deutlich gewesen, dass er sich verletzt fühlte, und das
hatte ihn noch mehr geärgert.
Keine Frau hatte ihm
je das Gefühl einer solchen Unsicherheit eingeflößt und ihn in
seinem Verlangen leiden lassen, ohne dass er sicher war,
Erleichterung zu finden.
Seine plötzliche
Empfindsamkeit – sein Verlangen nach einem Engel – war etwas, mit
dem er schnell abschließen wollte. Wenn er sie erst einmal
geheiratet und mit ihr geschlafen hatte, würde er sich ganz sicher
besser fühlen, er würde wieder ganz der alte, selbstsichere,
selbstständige Mann mit gesundem Selbstvertrauen sein.
Und deshalb war er
entschlossen, sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen, bis sie
einverstanden war und ihn heiraten würde. Er konnte nur hoffen,
dass es nicht zu lange dauern würde.
Mit drei Büchern
unter dem Arm ging Flick weiter den Gang hinunter. Demon stieß sich
von dem Regal ab und folgte ihr. Sie hielt inne, wählte ein
Kochbuch aus. Er warf einen Blick auf den Titel. Italienische Rezepte der Renaissance.
»Hast du die
Absicht, einen italienischen Grafen einzuladen?«
Sie warf ihm einen
Blick zu. »Das ist für Foggy – sie liest liebend gern Rezepte.« Das
Buch war groß und schwer, und sie versuchte, es unter den Arm zu
klemmen.
»Komm.« Er griff
nach dem Buch.
»Oh – danke.« Mit
einem dankbaren Lächeln reichte sie ihm das Kochbuch und die drei
Romane.
Demon presste die
Lippen zusammen und sagte sich, dass niemand seiner Bekannten,
nicht einmal Reggie, in diesen Laden kommen und ihn hier entdecken
würde, wie er an den Regalen entlangwanderte, beladen mit
Kochbüchern und Romanen, und einen Engel über sich verfügen
ließ.
Flicks nächstes Ziel
waren die Biografien. »Der General liebt es, über Gentlemen zu
lesen, die mit Pferden zu tun haben. Das letzte Buch, das ich für
ihn ausgeliehen habe, handelte von einem Major der Kavallerie.« Mit
gerunzelter Stirn betrachtete sie die Reihen der Bücher. »Kennst du
ein Buch, das ihn interessieren könnte?«
Demon warf einen
Blick auf die ledergebundenen Bände. »Ich lese nicht sehr
viel.«
»Oh?« Sie zog die
Augenbrauen hoch und sah ihn an. »Was tust du denn dann an einem
ruhigen Abend?«
Ihre Blicke hielten
die seinen gefangen. »Aktive Dinge sind mehr nach meinem
Geschmack.«
Ein verwunderter
Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. »Aber du musst dich doch auch
manchmal entspannen.«
Er zog die
Mundwinkel ein wenig hoch, sein Blick wurde viel sagend, und seine
Stimme ein wenig tiefer. »Die Aktivitäten, die ich vorziehe,
entspannen mich garantiert.«
Eine leichte Röte
überzog ihre Wangen. Einen Augenblick hielt sie seinem Blick noch
stand, dann zog sie hochmütig eine Augenbraue hoch und wandte sich
ab.
Demon verkniff sich
ein Lächeln und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die
Bücher. Wenigstens sah sie in ihm jetzt nicht länger den gutmütigen
Onkel. »Wie wäre es denn mit dem hier?« Er streckte die Hand aus
und griff nach einem der Bände.
»Colonel J. E. Winsome: Memoiren eines
Pferdekommandanten«, las Flick, als er ihr das Buch reichte.
Sie öffnete es und überflog schnell die Inhaltsangabe auf der
ersten Seite. »O ja! Das ist perfekt. Es handelt von der Kavallerie
im Krieg auf der Halbinsel.«
»Ausgezeichnet.«
Demon reckte sich. »Können wir jetzt gehen?«
Zu seiner
Erleichterung nickte Flick. »Ja, das ist alles.«
Sie führte ihn
zurück in den vorderen Teil des Ladens.
Mrs. Higgins
schürzte die Lippen in schweigender Missbilligung, als Demon die
Bücher auf ihren Tisch legte. Flick schien das nicht zu bemerken,
sie plauderte fröhlich, während Mrs. Higgins die Titel der Bücher
auf eine Karte schrieb. Demon trat einen Schritt zurück, sah sich
noch einmal um – er würde diesen Laden nicht wieder betreten, wenn
sich das vermeiden ließ.
Einer der alten
Gentlemen in dem gepolsterten Lehnsessel war aus seinem
Dämmerzustand aufgewacht, warf ihm einen misstrauischen Blick zu
und runzelte dann die Stirn.
Demon wandte sich
wieder an Flick und nahm ihr den Stapel Bücher ab. »Komm – ich
fahre dich nach Hause.«
Flick lächelte,
verabschiedete sich von Mrs. Higgins und ging vor ihm her zur Tür.
Demon folgte ihr. Sein Blick lag auf ihren Hüften, und in Gedanken
schmiedete er Pläne, wie er all ihre Bedürfnisse nach romantischen
Geschichten erfüllen würde.