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Isak hielt vor Lord Bahls Zelt inne und blickte zur Adlerstandarte auf, die im Wind flatterte, als wolle sie ihren Fesseln entkommen. Am Horizont schnitt helles Orange durch die Wolken. Darüber war der Himmel hinter verwirbelten Wolken mit einer goldenen Aura von roten und rosafarbenen Flecken übersät. Es war ein wunderschöner Anblick, der gar nicht zu diesem trüben Tag und der bitteren Kälte passen wollte.

Er warf die Kapuze seines schweren Umhangs zurück und spürte den Wind über seinen frisch geschorenen Schädel wehen. Er hatte sich den ganzen Tag vor der Kälte versteckt. Es erschien ihm darum richtig, sich für einen Augenblick ihrer Umarmung auszuliefern, bevor die Nacht anbrach. Die Dämmerung war stets Isaks liebste Zeit gewesen. Man durfte ihr nicht vertrauen, denn sie spielte dem Geist Streiche, aber trotzdem liebte er sie.

General Lahk hatte Isak mitgeteilt, dass er sein Abendessen mit Lord Bahl einnehmen würde – was bedeutete, dass offenbar etwas vor sich ging, denn er aß meistens mit seinem Lord und keiner von ihnen musste den anderen herbeibitten.

»Lord Isak«, rief jemand hinter ihm. Isak drehte sich um und sah Sir Cerse nahen. »Habe ich beim heutigen Abendessen die Ehre Eurer Anwesenheit?«

Wie es schien, hatte Isak bei dem Oberst der Palastwache richtig gelegen. Er wusste zwar, dass der junge Mann ehrgeizig war und sich politisch betätigte, aber trotzdem glaubte er, dass man Sir Cerse wohl vertrauen konnte. Er war von niederer Abstammung aus Amah, einer äußerst loyalen Region. Die Gewichtigkeit der Einladung zum Abendessen war ihm augenscheinlich nicht entgangen. Macht lockte im inneren Kreis des Lords der Farlan, und man gab ihm eine Gelegenheit, sich würdig zu erweisen.

»Unter anderem, vermute ich.« Noch während er sprach, traten Lordprotektor Ked und Graf Vesna von zwei Seiten aus der wachsenden Dunkelheit. Beide waren gegen die Kälte in einfache Umhänge aus schwerem Tuch gehüllt. Sie waren allein und versuchten unauffällig zu bleiben. Isak nickte beiden zu, dann trat er vor den drei Männern in das Zelt.

Im Innern saßen bereits Bahl und Lordprotektor Torl. General Lahk stand über einen dampfenden Topf gebeugt und füllte etwas in Schüsseln, das wie Wildeintopf roch.

Isak blieb plötzlich stehen, als sein Blick auf eine Frau mit kupferfarbenem Haar fiel – das Letzte, was er hier mitten in der Einöde erwartet hatte, war eine mysteriöse und wunderschöne Frau. Er beachtete Sir Cerses höfliches Husten hinter sich und fing Bahls Blick ein, in der Hoffnung, er würde ihre Anwesenheit erklären.

Bahl konnte das Interesse des Krann nicht übersehen. »Eine der Agentinnen meines Haushofmeisters«, sagte er beiläufig. »Sie bringt mir Neuigkeiten, die dich nicht betreffen.«

Isak erinnerte sich an Bahls Warnung nach dem Kampf, dass es Geheimnisse gab, von denen er nichts wusste. Er nickte zustimmend und ging weiter hinein, damit die anderen eintreten konnten.

»Meine Lords, Herren«, grüßte Bahl, sobald alle vier im Innern angekommen waren und der Eingang gegen den Wind verschlossen worden war.

Isak hörte von draußen das Geräusch von Stiefeln auf Gras. Vermutlich waren dies Geister, die Lauscher abhalten sollten.

»Bitte, nehmt Platz, denn wir müssen dringend etwas besprechen.«

Es gab genug Hocker für alle. Bahl saß in einem Feldstuhl mit Armlehnen, der für den Transport leicht zusammengefaltet werden konnte, aber dennoch stark genug war, um sein Gewicht zu tragen.

Isak nahm eine gehäufte Schüssel Eintopf entgegen und ergriff einen harten Brotlaib, dann setzte er sich zu Bahls Linken. Der General hielt kurz inne, bevor er sich mit ausdruckslosem Gesicht – wie immer – einen anderen Platz suchte. Isak hoffte, die anderen würden dies nicht als absichtliche Beleidigung betrachten – Bahls Miene verriet nie etwas, darum wollte Isak in der Lage sein, die Gesichter der anderen zu sehen. Er hatte dem General gegenüber nicht absichtlich unhöflich sein wollen. Vesna sicherte sich den Platz auf Isaks anderer Seite.

»Sir Cerse, Ihr dürft hier als Gleichberechtigter sprechen«, sagte Bahl leise und der Oberst nahm die Ehre mit einem dankbaren Nicken zur Kenntnis. Als einziger Mann ohne höfischen Rang hätte er sonst schweigen müssen, wenn man ihn nicht gezielt ansprach.

Bahl verlor keine Zeit. »Die Malich-Sache ist noch nicht beendet. Jeder wird bemerkt haben, dass nicht alle dem Ruf zu den Waffen gefolgt sind, und ebenso auffällig sind die Probleme, die unsere Kavallerie mit den Vollblutpferden hatte. Meine Autorität wiegt an manchen Stellen noch nicht schwer genug.«

»Mein Lord«, unterbrach Ked ihn vorsichtig. »Ich habe meinen besten Mann auf den jungen Wolf angesetzt, aber er berichtet nichts von derart großer Bedeutung. Certinse ist heute nach Lomin aufgebrochen.«

»Ich habe ebenfalls nichts davon gehört, dass die Verdächtigten …«, begann Torl.

Bahl hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Ich auch nicht, und dennoch kehren sie nicht in den Schoß der Gemeinschaft zurück. Es scheint, meine Lords haben etwas Überzeugungsarbeit nötig, und genau die werden wir nun leisten.«

»Lesarl?«, fragte Isak mit einem vorsichtigen Lächeln und blickte auf die Frau, die entspannt auf einer Seite des Zeltes hockte. Er bemerkte, dass Ked gequälte Resignation zeigte. Er hatte gewiss gehofft, die Zeit drastischer Maßnahmen wäre vorüber gewesen.

»Legana hat andere Pflichten«, sagte Bahl. »Sie kehrt nach Helrect zurück, wo sie dem Weißen Zirkel beitreten wird. Wir besitzen wenig Wissen über den Kreis und seine Ziele, einfach weil es so schwer ist, ihn zu unterwandern. Nur wenigen weiblichen Agenten sind Leganas Begabungen zu eigen. Sie für diese Angelegenheit zu verschwenden wäre töricht. Auf jeden Fall wird Lesarl seine Gefühle für Herzog Certinse für den Augenblick zügeln müssen. Ich vernichte mächtige Familien nicht leichtfertig, denn das würde uns, so denke ich, irgendwann wieder einholen.«

»Und Grafen?«, fragte Vesna leise.

»Kinbe und Solsis sollten beide verschwinden. Es gibt keinen Zweifel, dass sie des Mordes und der Ketzerei schuldig sind, aber wir haben nicht genug Beweise für einen öffentlichen Prozess. Das sollte Herzog Certinse eine deutliche Warnung sein. Danach müssen wir sehen, wie er reagiert. Ich werde Lordprotektor Nelbove bereits im Griff haben, wenn seine Tochter Certinse heiratet. Seine Allianz mit Malich diente zu jedem Zeitpunkt nur der Vermehrung seines Reichtums.«

»Herzog Vilan und seine Marschalle«, sagte Sir Cerse. »Der Graf hat zweideutige Briefe an meinen Vorgänger gesandt – sie wurden erst aufgehalten und bis sie dann zugestellt werden konnten, war der Oberst gestorben, und ein Verwandter in der Stadt hatte seine persönlichen Papiere eingefordert. Es gibt keinen Anlass für Vilan zu ahnen, seine Briefe könnten nicht verbrannt worden sein, wie es sicher mit den anderen geschehen ist. Ich kenne ihn seit Jahren, darum bezweifle ich, dass er eine wichtige Rolle in der Intrige spielt, aber es könnte eine Warnung für alle sein, die darüber nachdenken, Ränke zu schmieden.«

Der grauhaarige Torl blinzelte überrascht. Vilan war einer seiner Untertanen – und ein sehr wichtiger dazu. »Ich hatte keine Ahnung«, sagte er und sah Bahl an. »Es stimmt, ich habe mich nie gut mit Vilan verstanden, aber ich hatte keinen Grund, ihn des Verrats zu verdächtigen. Seine Familie hat die meine stets unterstützt. Er ist mein Cousin zweiten Grades.« Der Lordprotektor rieb sich die Nasenwurzel und seufzte schwer. Isak sah ihn an, von der Wirkung dieser Neuigkeit auf das Gesicht des sonst so ausdruckslosen Soldaten gefesselt. »Wenn Ihr so freundlich wäret, mir die Dokumente zu zeigen, Sir Cerse?«

Der Ritter nickte. »Natürlich, Herr. Sie liegen in Tirah unter Verschluss. Wenn es Euch hilft: Es werden versteckte Waffenlager in Eurer Jagdhütte und dem Riverbree-Anwesen erwähnt. Ich nehme an, dass dies Mitteilungen sind, die er nicht hätte weitergeben sollen.«

»Vilan war der Einzige, der außerhalb der Familie davon wusste. Verflucht soll er sein! Ich werde mich um ihn kümmern, aber es soll wie ein Unfall aussehen. Die Vilans haben meiner Familie über die Jahre gute Dienste geleistet. Ich will nicht, dass ihr Ruf wegen eines Mannes befleckt wird.«

»Darf ich eine Frage stellen?«, bat Isak. Er blickte in die erwartungsvollen Gesichter und spürte, wie ihm die Erinnerung an seine Darbietung auf dem Schlachtfeld die Kehle zuschnürte. Seit er wieder zu sich gekommen war, hatte er versucht, nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. »Ich bin sicher, dass Ihr alle mit Auseinandersetzungen dieser Art aufgewachsen seid, aber ich bin es nicht. Es ist offensichtlich, dass es unloyales Verhalten gibt, und Probleme mit dem Kult von Nartis, aber ich weiß immer noch nicht, was Malich eigentlich getan hat. Könnte mir das vielleicht jemand kurz erklären, bevor wir beschließen, wen es zu morden gilt?«

Ein bellendes Lachen erklang von Seiten des Lordprotektors Ked, jedoch kein spottendes, sondern ein brüderliches, als hätte Isaks Frage ihn wieder menschlich werden lassen. Lächeln zeigte sich ringsum und die ernste Laune schien vertrieben.

Der Oberst räusperte sich, um Bahls Aufmerksamkeit zu erregen. »Ich denke, dass ich vielleicht am besten dafür geeignet bin, mein Lord. Ich weiß genug, um eine kurze Zusammenfassung zu geben.« Sein Tonfall war respektvoll, aber fest. Er gewöhnte sich langsam an seine Stellung im inneren Kreis Bahls. Er konnte recht gut erahnen, welche Art von Mann der Lord schätzte.

Bahl bedeutete Sir Cerse, zu sprechen. »Der Skandal kam durch einen Kardinal des Nartis-Kultes ans Licht, Kardinal Disten«, sagte er. »Er war einst Kaplan eines Kavallerieregiments in Amah. Er entdeckte, dass Dämonenanbeter einen Kult verbreiteten, der sich einem Wesen namens Azaer weihte. Es geschah vorrangig unter den Kardinälen, aber sie übernahmen langsam die Kontrolle des gesamten Kultes von Nartis. Es wurde gemunkelt, dass der Plan von der Herzogswitwe Certinse ausging, die ihre Befehle unmittelbar von Malich erhielt. Ich hörte, dass die Männer, die Lordprotektor Suils Leiche fanden, auf dem Weg waren, um ihn wegen Hochverrates zu verhaften. Man bereitete sich auf eine umfassende Rebellion vor, als Kardinal Disten die Intrige im letzten Sommer aufdeckte.«

»Aber wie kann sich ein Farlan gegen den Erwählten von Nartis auflehnen?« Isak konnte sich die Frage nicht verkneifen.

»Zuallererst, Ihr mögt mir verzeihen, mein Lord, kann sich nicht einmal ein Weißauge mit Lord Bahls Fähigkeiten einer ganzen Armee entgegenstellen. Die Gefahr war groß, denn sie hatten ihre Truppen mit Nekromantie verstärkt und dazu kam noch die Unterstützung der Adeligen, die sie unter Kontrolle hatten.«

»Aber sicher sind die meisten noch loyal?«

»Möglicherweise, aber da einer der ihren durch eine gefälschte Wahl zum Obersten Kardinal des Nartis wurde, haben sie großen Einfluss auf das Volk und können Lord Bahl zum Verlorenen erklären.«

Isak war verwirrt. »Was heißt das?«

»Verloren bedeutet: von den Göttern verlassen. Wir sind zwar Diener der Götter, aber sie zollen uns nur selten Aufmerksamkeit. Nartis ist wie jeder andere Gott des Höheren Kreises. Die Erwählten müssen ihre Stellung und sich selbst schützen können, sonst sind sie der Segnungen nicht würdig. Wenn der Kardinal Lord Bahl zum Verlorenen erklärte, so könnten sie denen, die loyal sind, befehlen, sich ihnen anzuschließen oder fernzubleiben. Es würden sicher nicht alle gehorchen, aber eine ausreichende Menge schon. Lord Bahl ist der Anführer des Nartis-Kultes, aber die Kardinäle sprechen mit heiliger Macht. Mit geschicktem Vorgehen und Magie könnten sie die Stimmung der Menge sogar gegen den Erwählten Lord der Farlan wenden.

Je nachdem, welchen Gerüchten man Glauben schenken möchte, war der halbe Stamm darin verwickelt. Die meisten Gerüchte waren falsch – aus eitler Rache oder Familienfehden entstanden, so ist das höfische Leben nun einmal – aber einige müssen wahr sein. Ich glaube, dass ein großer Teil von Geweihten beteiligt war.«

Sir Cerse blickte zu Bahl und wartete auf einen Kommentar, aber er erntete nur einen ausdruckslosen Blick. Er hustete und fuhr schnell fort. »Um Lord Bahl im Kampf besiegen zu können, hätte Malich mindestens einen Herzog und fünf mächtige Lordprotektoren kontrollieren müssen. Nur so hätte er darauf hoffen können, die loyalen Truppen zu besiegen. Wir erfahren vielleicht nie, wie viele wirklich darin verwickelt waren, aber durch das Misstrauen wird der Stamm erheblich geschwächt. Viele halten keine angemessene, rechtmäßige Menge an Vieh, Soldaten und Kriegsvorräten bereit …« Seine Stimme verklang, und im Zelt breitete sich wieder Trübsal aus.

Isak sah in die Gesichter, die zu Boden starrten. Bahls ohnehin ernste Miene spiegelte sich auf den Gesichtern Torls, Vesnas und Sir Cerses wieder – sogar auf dem der hübschen Meuchlerin Legana. Lordprotektor Ked, sonst ein ruhiger und bedachter Mann, presste die Kiefer aufeinander und Wutfalten zeigten sich auf der Stirn.

Überrascht erkannte Isak, dass ihr Leid nicht von der Aufgabe herrührte, die vor ihnen lag, sondern daher, dass ihre eigenen Leute sich so gegeneinander und gegen den Willen des Gottes wenden konnten.

Aufruhr gab es immer, aber den Sturz der ganzen Nation zu planen war noch etwas anderes. Der Stamm war stark geblieben, weil man sich aufeinander verlassen konnte – eine vielleicht überhebliche und Fremden gegenüber feindliche Lebensart, aber sie hatte ihn dennoch geschützt.

»Danke«, sagte er leise. »Jetzt weiß ich, was auf dem Spiel steht. Natürlich werde ich dabei sein. Ich tue alles, was nötig ist.«

Die Gesichter zeigten nun Anerkennung und Entschlossenheit. In den nächsten Stunden schrieb jeder der Männer eine schmerzlich lange Liste, während draußen der Winter seinen Griff um die Berge verstärkte, die sie Heimat nannten.

 

Ein leises Klopfen erklang an der Tür des Esszimmers. Amanas blickte seine Frau fragend an, doch ihrem Ausdruck nach zu urteilen wusste auch sie nicht, wer es war. Der Schlüsselmeister verbrachte oft ganze Tage in der heraldischen Bibliothek oder bei offiziellen Anlässen. Das Abendessen jedoch war ihre gemeinsame Zeit. Sie speisten an jedem Abend zusammen und ungestört, wenn keine Sache von Leben und Tod dazwischenkam. Amanas war zwar zerstreut, doch er wusste, dass dies seiner Frau wichtig war. Besucher hielt er zu dieser besonderen Zeit nach Kräften ab. Die Abende waren ihm heilig.

Der Diener trat ein und warf der Dame einen bangen Blick zu, um dann zu sagen: »Ich bitte um Vergebung für die Unterbrechung, Herr, aber da ist ein Besucher, der euch dringend zu sprechen wünscht.«

Amanas hatte keine Zeit zu antworten, da klang schon eine Stimme durch die offene Tür und ein Mann trat ins Essgemach. »Ich bitte um Entschuldigung, meine liebe Dame«, sagte er, verbeugte sich tief und küsste theatralisch ihre Hand. Der Mann war groß und schlank, mit grauen Strähnen im Haar. Er war modisch gekleidet, wenn auch etwas jugendlich. »Ich befürchte, die Angelenheit kann nicht warten. Ich muss Euch den Ehemann für eine Weile entführen.«

Jelana Amanas nickte knapp, stand auf und klopfte ihrem Mann im Gehen auf die Schulter. Sie sprach kein Wort mit dem Neuankömmling. Nachdem sie gegangen war, setzte sich der Mann auf ihren Platz und lehnte sich vor, die Finger verschränkt. Er studierte Amanas mit einem lauernden Ausdruck, der den Schlüsselmeister an den Haushofmeister erinnerte.

»Nun, Amanas, wie ist das Leben in der heraldischen Bibliothek?«

»So wie immer, Tänzer. Ich hoffe, du hast mein Essen aus gutem Grund unterbrochen?«

Der Mann, den man Tänzer nannte, kicherte bei der Erwähnung dieses Namens. Er war einer von Lesarls persönlichen Beratern, ein Mitglied des intimsten Hofstaates des Haushofmeisters. Nur wenige kannten diesen Namen. Er war für Angelegenheiten reserviert, die abseits der Öffentlichkeit stattfanden.

»Du hast einige Akten, die dich mein Auftraggeber vor einigen Jahren anzulegen bat. Du hast sie doch nicht zerstört?«

»Akten?«, fragte Amanas. Einen Augenblick lang hatte er keine Ahnung, wovon Tänzer sprach, dann erinnerte er sich. »Die Malich-Affäre? Ja, die habe ich noch, aber ich verabscheue es, wenn der Haushofmeister mich als seinen persönlichen Erpresser nutzt. Warum brauchst du sie? Nun, da Malich tot ist, droht doch gewiss kein Bürgerkrieg mehr?«

»Ich habe gerade Nachricht von der Armee in Lomin erhalten. Herzog Lomin ist tot.«

»Ermordet?«, fragte Amanas erschrocken.

»Von Elfen, nicht von Farlanhand. Das Problem ist sein Sohn, der Erbe Lomin. Er hat den Namen Herzog Certinses angenommen.« Tänzers Augen verengten sich. »Die Certinse-Familie kontrolliert nun einen Lordprotektor, ein Fürstentum, die Ritter der Tempel unmittelbar – und könnte bald auch die Kardinäle des Nartis-Kultes beherrschen.«

Amanas seufzte und stand auf. Er nahm eine Öllampe von der Kommode und wies damit zur Tür. »Nun, dann kommst du lieber mit mir. Wir haben eine lange Nacht vor uns.«