Arthur

Arthur bestand sein Examen mit Auszeichnung; doch da er erst sechzehn war, wurde er für ein weiteres Jahr zu den Jesuiten in Österreich geschickt. In Feldkirch lernte er ein milderes System kennen, das Biertrinken und geheizte Schlafsäle gestattete. Man unternahm lange Spaziergänge, bei denen die englischen Schüler neben einem deutschsprachigen Jungen gehen sollten, sodass sie gezwungen waren, deren Sprache zu sprechen. Arthur ernannte sich zum Redakteur und alleinigen Autor des Feldkircher Anzeigers, einer handgeschriebenen Zeitschrift für Literatur und Wissenschaft. Er spielte auch Fußball auf Stelzen und lernte das Bombardon spielen, ein Instrument, das sich zweimal um den Brustkorb wand und einen Ton von sich gab wie beim Jüngsten Gericht.

Bei seiner Rückkehr nach Edinburgh stellte er fest, dass sein Vater in einer Heilanstalt war und offiziell an Epilepsie litt. Es gab also kein Einkommen mehr, nicht einmal ab und zu ein paar Kupfermünzen für Aquarellbilder von Elfen. Darum war Annette, die älteste Schwester, bereits in Portugal, wo sie als Gouvernante arbeitete; Lottie würde ihr bald nachfolgen, und sie würden Geld nach Hause schicken. Der andere Ausweg der Mama war die Aufnahme von Logiergästen. Arthur fühlte sich dadurch beschämt und gekränkt: Es ging doch nicht an, dass seine eigene Mutter auf den Status einer Zimmerwirtin herabsank.

»Aber Arthur, wenn niemand Logiergäste aufnähme, hätte dein Vater nie bei Großmutter Pack gewohnt, und ich wäre ihm nie begegnet.«

Dies war für Arthur ein noch stärkeres Argument gegen Logiergäste. Er wusste, an seinem Vater durfte er keinerlei Kritik üben, also schwieg er. Aber es war Unsinn, so zu tun, als hätte die Mama keine bessere Partie machen können.

»Und wenn das nicht geschehen wäre«, fuhr sie fort, wobei sie ihn mit ihren grauen Augen anlächelte, denen er nie den Gehorsam verweigern konnte, »dann hätte es nicht nur keinen Arthur gegeben, sondern auch keine Annette, keine Lottie, keine Connie, keinen Innes und keine Ida.«

Das war unbestreitbar wahr und zugleich ein unlösbares metaphysisches Rätsel. Er wünschte, Partridge wäre da, um mit ihm die Frage zu erörtern: Kann ein Mensch er selbst bleiben, oder zumindest hinreichend er selbst, wenn er einen anderen Vater hätte? Wenn nicht, so folgte daraus, dass auch seine Schwestern nicht sie selbst geblieben wären, vor allem Lottie nicht, die er am liebsten hatte, obwohl Connie als die Hübschere galt. Selbst anders zu sein, konnte er sich gerade noch vorstellen, doch an Lottie konnte er auch unter Aufbietung all seiner Phantasie kein Jota ändern.

Vielleicht hätte Arthur den Umgang der Mama mit den beschränkten Lebensumständen leichter hingenommen, wenn er nicht schon ihren ersten Zimmerherrn kennengelernt hätte. Bryan Charles Waller: nur sechs Jahre älter als Arthur, aber bereits approbierter Arzt. Noch dazu ein Dichter mit publizierten Werken und einem Onkel, dem Der Jahrmarkt der Eitelkeiten zugeeignet war. Arthur störte weder, dass der Bursche belesen, ja gelehrt, noch dass er ein glühender Atheist war; hingegen störte ihn die Art, wie dieser Zimmerherr viel zu ungezwungen und charmant durchs Haus ging. Wie er »Das ist also Arthur« sagte und ihm lächelnd die Hand reichte. Wie er anderen zu verstehen gab, er sei ihnen bereits einen Schritt voraus. Wie er seine zwei Londoner Anzüge trug und sich in allgemeinen Redensarten und Epigrammen erging. Wie er sich Lottie und Connie gegenüber verhielt. Wie er sich der Mama gegenüber verhielt.

Auch Arthur gegenüber verhielt er sich ungezwungen und charmant, was bei dem großen, linkischen, störrischen, eben erst aus Österreich zurückgekehrten ehemaligen Schuljungen keinen Anklang fand. Waller tat, als verstünde er Arthur, selbst wenn Arthur sich offenbar selbst nicht verstand, wenn er an seinem eigenen Kamin stand und sich so albern vorkam, als wäre ein Bombardon zweimal um seinen Leib gewunden. Er hätte gern ein Protestgeschmetter angestimmt, vor allem, wenn Waller vorgab, ihm geradewegs in die Seele zu schauen und – was das Ärgerlichste war – das, was er dort fand, ernst und zugleich nicht ernst zu nehmen, wobei er immerfort lächelte, als wäre all die Verwirrung, die er dort erspähte, weder überraschend noch wichtig.

Viel zu ungezwungen und charmant, diese Einstellung zum Leben, verdammt nochmal.