12
»Wir helfen dir in deinen Anzug«, sagt Randa.
Die Luft hier unten ist kalt und häufig feucht, während über die Welt dort oben gnadenlos kalter Wind hinwegfegt. Manchmal ist mir morgens sogar in meinem Anzug kalt, und heute friere ich sogar extrem. Als Tana und Randa mir jetzt aus dem Krankenhemd helfen und mir beim Anziehen assistieren, zittere ich vor Kälte. Erst als sie den Anzug schließen, stellt sich der Stoff auf meine Körpertemperatur ein. Aber ich bin immer noch so schwach vom langen Liegen, dass ich Mühe habe, mich auf den Beinen zu halten.
»Ich brauche wirklich keinen Rollstuhl«, sage ich schon zum dritten Mal zu Randa. »Danke – echt – d-das ist nett von dir«, stottere ich, »aber ich muss das Blut in meinen Beinen spüren. Ich muss fest auf den Füßen stehen können.« Ich muss stark sein.
Castle und Adam warten in meinem Zimmer auf mich.
Während ich mit Kenji sprach, haben die Mädchen Castle informiert, dass ich aufgewacht sei. Und nun warten die beiden Männer. Auf mich. In dem Zimmer, das ich mit Tana und Randa bewohne. Und ich fürchte mich so vor dem, was mir womöglich bevorsteht, dass ich mich vielleicht verirren werde. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nichts Erfreuliches zu hören bekomme.
»Du kannst nicht alleine zu unserem Zimmer gehen«, widerspricht Randa. »Du kannst doch kaum aufrecht –«
»Ich schaffe das schon«, sage ich störrisch. Versuche zu lächeln. »Ich krieg das schon hin, wenn ich dicht an der Wand bleibe. Sobald ich mich bewege, geht bestimmt alles besser.«
Die beiden werfen sich einen Blick zu und betrachten dann prüfend mein Gesicht. »Was macht deine Hand?«, fragen sie gleichzeitig.
»Fühlt sich gut an«, versichere ich ihnen. »Viel besser. Wirklich. Vielen vielen Dank.«
Die Schnitte sind fast verheilt, und ich kann die Finger wieder bewegen. Ich betrachte den neuen dünneren Verband, der meine Knöchel schützt. Die Zwillinge haben mir erklärt, dass die Schockwirkung durch meinen Fluch meine »Gabe« wesentlich dramatischer war als die äußeren Verletzungen.
»Also gut, gehen wir«, sagt Randa kopfschüttelnd. »Wir bringen dich zu unserem Zimmer.«
»Nein – bitte – ich schaffe –«, versuche ich zu protestieren, aber die beiden haben mich schon an den Armen gepackt, und ich bin zu schwach, um mich zu wehren. »Das ist nicht nötig –«
»Blödsinn«, erwidern die beiden unisono.
»Ich möchte euch nicht so viel Mühe –«
»Absoluter Unsinn«, verkünden sie im Chor.
»Ich – ich bin wirklich nicht –« Doch sie führen mich schon aus dem Zimmer und den Gang entlang, und ich stolpere zwischen ihnen einher. »Ich verspreche euch, dass mir nichts passiert«, mache ich noch einen Versuch. »Ganz sicher.«
Die beiden werfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu. Dann lächeln sie mich an, nicht unfreundlich, doch danach entsteht ein unbehagliches Schweigen, während wir durch die Korridore wandern. Ich sehe Leute auf uns zukommen und senke sofort den Kopf. Will jetzt mit niemandem Blickkontakt haben. Möchte mir nicht mal vorstellen, was die über meine Tat gehört haben. Ich habe die schlimmsten Befürchtungen von allen bestätigt.
»Die fürchten sich nur vor dir, weil sie dich nicht kennen«, sagt Randa leise.
»Genau«, bekräftigt Tana. »Wir selbst kennen dich ja noch kaum und finden dich toll.«
Ich laufe rot an und frage mich, warum Verlegenheit sich immer wie Eiswasser in meinen Adern anfühlt. Als sei mein Inneres gefroren, während meine Haut dagegen glüht.
Ich hasse das.
Ich hasse dieses Gefühl.
Tana und Randa bleiben abrupt stehen. »Da sind wir«, sagen sie wie aus einem Munde.
Ich schaue auf und erblicke die Tür zu unserem Zimmer. Versuche mich von den beiden zu befreien, aber sie halten mich fest. Bestehen darauf, bei mir zu bleiben, bis ich unversehrt im Zimmer angekommen bin.
Ich füge mich.
Und klopfe an meine eigene Zimmertür, weil ich nicht weiß, was ich ansonsten tun sollte.
1mal.
2mal.
Ich warte ein paar Sekunden, harre meines Schicksals und spüre plötzlich die Energie der Zwillinge an meinen Seiten. Die beiden lächeln mich an, ermutigend, schützend, stärkend. Sie versuchen mir Kraft zu geben, weil sie wissen, dass ich mich einer unangenehmen Situation stellen muss.
Dieser Gedanke tut mir gut.
Wenn auch nur für einen flüchtigen Moment.
Ich denke mir, so muss es sich anfühlen, Freundinnen zu haben.
»Ms Ferrars.«
Castle streckt den Kopf durch die Tür. Nickt mir zu. Schaut auf meine verletzte Hand. Dann wieder auf mein Gesicht. »Sehr gut«, sagt er, eher zu sich selbst. »Gut, gut. Ich freue mich, dass es Ihnen besser geht.«
»Ja«, bringe ich mühsam hervor. »Ich – d-danke, ich –«
»Ihr beiden«, sagt er zu Tana und Randa. Wirft ihnen ein warmes, herzliches Lächeln zu. »Danke für alles. Ich übernehme jetzt.«
Die Zwillinge nicken. Drücken kurz meinen Arm, bevor sie loslassen. Ich gerate einen Moment ins Schwanken, stabilisiere mich dann. »Alles okay«, sage ich zu den beiden, als sie mich stützen wollen. »Es geht schon.«
Sie nicken wieder. Winken mir noch kurz zu, ziehen sich dann zurück.
»Kommen Sie rein«, sagt Castle zu mir.
Und ich folge ihm.