Die Helferin der Hexe
Das Schiff hatte einmal mehr starke Schlagseite nach links, doch die heftigen Bewegungen hatten aufgehört. Maddie konnte sich nicht erinnern, dass sie schrittweise nachgelassen hatten; es hatte sich angefühlt, als hätten sie binnen Minuten geendet. Ihr taten die Ohren weh, aber das Knarren und das Heulen und das, was sich angehört hatte wie reißendes Metall, waren verstummt. Nicht ein einziges Mal, nicht einmal dann, als die Bewegungen des Schiffs am allerheftigsten gewesen waren, hatte sie im Theater jemanden schreien hören. Kein Geschrei, kein Flehen um Erbarmen, keine Gebete. Die Anwesenden waren seekrank geworden. Selbstverständlich waren sie seekrank geworden. Der Geruch von Erbrochenem hing dick im Raum, doch Maddie gab sich alle Mühe, ihn zu ignorieren. Eine plötzliche Welle der Euphorie überrollte sie. Sie hatte nach wie vor ein Problem, daran bestand kein Zweifel. Sie befand sich noch immer auf einem Schiff, das ins Nirgendwo abtrieb, doch sie war am Leben, und das war zumindest etwas. Sie hatte die Entscheidung getroffen, auf dem Schiff zu bleiben – wer geht, wird sterben –, und jetzt würde sich zeigen, ob es die richtige Entscheidung war.
»Ist jemand verletzt?« Eine bebende Stimme. Sie klang, als gehöre sie Eleanor.
Ein Stöhnen von links.
Sie kämpfte sich auf die Füße – den Sturm hatte sie auf dem Fußboden unter einer Sitzreihe durchgestanden – und richtete den Blick auf die Bühne. Sie war in Dunkelheit gehüllt, trotzdem war in der Mitte ein Schatten zu erkennen. Maddie würde den Freunden helfen, doch zuerst musste sie nachsehen. Sie ging langsam auf die Stufen zu, die auf die Bühne führten, umrundete den Müll, der auf dem Fußboden verstreut war: Tüten, vereinzelte Wasserflaschen und groteskerweise eine ganze Salami. Sie zuckte zusammen, als sie auf etwas Feuchtem ausrutschte.
Irgendwo stöhnte eine Frau, doch Maddie ignorierte sie und setzte ihren Weg auf die Bühne fort. Celine saß noch immer in ihrem Rollstuhl (wie kam es, dass dieser während des Sturms nicht umgekippt war?), und ihr Kopf hing ihr auf die Brust – genau wie an dem Abend, an dem das Schiff stehen geblieben war.
»Celine.«
Keine Antwort.
»Celine.«
Und dann hob sie wie eine Puppe, die zum Leben erwacht, ruckartig den Kopf. »Madeleine, dachten Sie, Sie würden sterben?«
»Ja.«
»Beängstigend, nicht wahr?« Ihre Stimme war kalt.
»Celine, was zum Teufel geht vor sich? Wer … sind Sie?«
»Ich bin Celine del Ray, Medium der Sterne.«
»Die Celine, die ich kenne, hätte schon längst allen gesagt, dass sie sich verziehen sollen. Sie hätte sich nicht die Mühe gemacht, alle diese Leute zu versammeln. Niemals. Die Celine, die ich kenne, hätte dieses verdammte Schiff als Allererste verlassen.«
»Sie haben mich durchschaut. Nennen Sie mich, wie Sie wollen. Jessie oder Stacy oder Tommy. Oder Nonanthla oder Hiroko oder Jeremiah. Was auch immer Sie bevorzugen. Ihre Seele, meine Seele, alles nur alte Seelen. Was hat es mit Ihrer Materie schon auf sich?«
»O Gott.«
»Er auch. Hirnschaden. Das kann die Persönlichkeit verändern. Das denken Sie doch, oder?«
»Celine … ich habe gesehen … ich habe gesehen …« Ich habe Lizzie Bean in Ihrer Badewanne sitzen sehen.
»Geister? Gespenster? Dämonen?« Sie lachte. »Das hat Spaß gemacht. Das hat mir gefallen. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich Papa Noakes richtig hingekriegt habe. Ich habe von Celine nicht viel bekommen, mit dem ich arbeiten konnte.« Celine tätschelte ihr Haar, brachte ein paar abtrünnige Strähnen wieder in Ordnung. »Was möchten Sie vom Leben, Maddie? Ich habe über Sie nachgedacht, habe versucht, Sie zu durchschauen.«
»Zuerst mal möchte ich von diesem Schiff runter.«
»Dieser Wunsch wird bald in Erfüllung gehen.«
»Wie denn?«
Zu Maddies Überraschung gähnte Celine. Ein gewaltiges, kieferverrenkendes Gähnen. »Gehen Sie jetzt, Maddie. Es wird Zeit, sich in Bewegung zu setzen. Sie haben noch gar nichts gesehen. Das war erst ein Appetithappen. Beim Hauptgericht wird Ihnen Hören und Sehen vergehen.«