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Der Pathologe Thimm stand mit Antonio Dellongas Herz in der linken Hand vor dem Sektionstisch, Spülwasser tropfte von seinem Gummihandschuh auf den grauen Zementboden. »Die Katheterspitze hat die Herzkammer schon vorher durchbohrt«, sagte er zu Bertram. »Das Blut ist durch das Loch durchgeschossen, als man den Katheter entfernt hat.«

Mit einem flachen Messer schnitt er den prallgefüllten Herzbeutel auf. »Das Blut im Herzbeutel hat das Herz geradezu erdrückt, fast gleichzeitig ist er gestorben. Es war ein Sekundentod.« Er hielt die Hand mit dem Herz seinem Assistenten hin, der es mit kaltem Wasser aus einem Gummischlauch abspülte.

»Du hast dir nichts vorzuwerfen. Im wesentlichen.« Thimm versuchte ein Mitgefühl in seiner Stimme zu unterdrücken. »Er wäre auf jeden Fall gestorben. Bei jeder Kammerkontraktion wurde durch die Druckerhöhung etwas Blut an dem Katheter vorbei in den Herzbeutel gepreßt. Sein Tod war nur mehr eine Frage der Zeit.«

»Nein«, sagte Bertram.

»Durch deine Anordnung wurde die Sache lediglich beschleunigt, Johannes. Du hast nicht wissen können, daß die Katheterspitze schon durch war. Deine Annahme vom Katheter war klinisch richtig.«

»Es war ein Fehler«, sagte Bertram.

»Eine Unzulänglichkeit, die man dir nicht anlasten kann.«

»Ich brauche kein Mitleid. Diese Unzulänglichkeit hat das Leben dieses Mannes gekostet. Du versuchst mich zu schonen, wozu? Wir beide kennen die Wahrheit.«

»Du bist immer so gescheit«, sagte Thimm gereizt. »Beantworte mir die Frage: Woher hättest du wissen können, daß der Katheter schon durch war? Jedenfalls nicht gleich bei der ersten Untersuchung. Du sagtest, du hättest ihn zuvor nicht gesehen.«

Bertram nickte müde. »Es kommt nicht darauf an, was ich nicht getan habe. Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es mir denken können. Jetzt ist es zu spät.«

»Sogar dann gab es nur noch die Möglichkeit, ihn operieren zu lassen, den Katheter nicht anzurühren, bevor man den Brustkorb und den Herzbeutel aufgemacht hatte, um das Loch zu schließen. Was aber nicht schon bedeutet, daß er durchgekommen wäre.«

»Es war seine Chance«, sagte Bertram kühl.

Der Pfleger, der hinter Thimm stand, hatte das gleichgültige Gesicht einer Toilettenfrau. Bertram verspürte wieder den Reiz in seinen Augen und dachte, daß er viel zu lange nicht mehr im Sektionssaal gewesen war. Früher hatte er tagtäglich einen Teil seiner Zeit hier verbracht, er hatte nach Bestätigung gesucht und aus den Fehlern gelernt, ein junger, strebsamer Arzt. Jetzt kam er viel zu selten her, das letzte Mal, als Stephan Elisabeth Kerckhoff seziert hatte.

Der Chefarzt
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