1.
In England wüten zwei Tyrannen:
Der König Jakob und die Pest,
Und jener immer rafft von dannen,
Was diese noch am Leben läßt.
Im Staube liegt die heil’ge Sache
Des Volks und bettelt vor dem Thron,
Schon aber weben Haß und Rache
Dein Siegeskleid – Revolution.
Schon atmet Cromwell, schon allnachtens
Tritt Englands Zukunft vor ihn hin
Und legt die Keime künft’gen Trachtens
In seinen ruhmbegier’gen Sinn,
Schon graut der Tag, nur noch ein kurzes,
So steigt die Sonne blutigrot,
Doch für die Zeichen nahnden Sturzes
Ist jede Stuart-Seele tot.
An Jakobs Hof drückt ihren Stempel
Die Lust noch auf jedwede Stirn,
Noch ist sein Schloß ein Bacchustempel,
Die Flasche gilt, es gilt die Dirn,
Und rast die Pest, ein jedes Opfer
Scheint nur zu rufen: ›Frisch gelebt!
Wer weiß es, ob der Tod den Klopfer
Nicht bald an deiner Türe hebt.‹
Es ist, als ob das nahe Sterben
Dem Leben voll’re Reize leiht,
Man jagt in Lust darum zu werben,
Genuß ist Losungswort der Zeit.
Bei Hof ist Ball. Sieh, scheint nicht eben
Die Schönheit selbst daher zu schweben?
Wer anders kann sie sein, die Schlanke,
Zu der, wenn sie vorüberrauscht,
Ein jeder Sinn sich und Gedanke
Hinneiget und gefangen lauscht.
An ihrer Schönheit stumpft der Hohn;
Mehr als ein König auf dem Thron,
Wenn seine Blicke zornig irren,
Vermag ihr Auge zu verwirren,
Das bloße Flattern ihrer Locken
Macht schon des Höflings Zunge stocken,
Und selbst der Neid, auf den sie späht,
Bewundert ihre Majestät.
Was ist’s, das bis ins tiefste Herze
Die Welt bei Hofe selbst durchbebt,
Wenn anmutvoll, in leichtem Scherze,
Die Lady Essex näherschwebt?
Ist’s jener Tugend hoher Geist,
Der selbst die Spötter schweigen heißt
Und Ehrfurcht auch von dem ertrotzt,
Der schier von allen Lastern strotzt?
Wie, oder ist es nur ein Grauen,
Das sich in alle Herzen bahnt,
Weil man die finstren Mächte ahnt,
Die hier im Busen Hütten bauen?
Das ist’s. Ein Ahnen flüstert leis:
All dieser Stolz ist Ätna-Eis,
Ist Lüge, die zu leugnen strebt
Die Lavaglut, die drunter lebt.
2.
Der Herbst ist da. Die Lust, zu jagen,
Lockt aus der Stadt nach Windsor-Schloß,
Und jetzt, vorbei an Heck’ und Hagen,
Bricht Jakob und sein Jägertroß.
Welch Leben das! Die Rosse schäumen,
Die Meute klafft, die Pfeife gellt,
Der Wald erwacht aus seinen Träumen
Und schauert, wenn ein Opfer fällt.
Schon dunkelt’s. Doch das Blutvergeuden
Es dauert fort bis in die Nacht,
Bis Dürsten nach des Mahles Freuden
Dem Durst nach Blut ein Ende macht.
Heim ruft das Horn. Bald in den Räumen
Des Schlosses lärmt man beim Bankett,
Man zecht, und statt der Rosse Schäumen
Schäumt Wein und Lust jetzt um die Wett’,
Toaste schallen hunderttönig,
Der Wein verschwistert Alt und Jung,
Und lüstern bringt zuletzt der König
Den Damen seine Huldigung.
»Die Schönen hoch!« Der trunkne Alte,
Matt blinzelnd ruft er’s durch den Saal,
Sie aber, der sein Hoch erschallte,
Die Lady Essex fehlt beim Mahl.
Dieweil der königliche Zecher
Umsonst nach ihren Zügen gafft,
Leert sie den ysopbittren Becher
Zurückgewiesner Leidenschaft.
Sie, die bei tausend Huldigungen
Ihr Herz mit kaltem Stolz bewährt,
Sieht jeden Sieg, den sie errungen,
In Niederlage jetzt verkehrt,
Sie glüht, und hinter Teppichwänden
Hervor aus wohlgeborgnem Schrank
Nimmt sie den aus ital’schen Händen
Heut erst erkauften Liebestrank.
»Der tu’ es!«
Und schon weiter bauend,
Das Fläschchen in gekrampfter Hand,
Stutzt plötzlich sie, sich selbst erschauend
Genüber in der Spiegelwand.
Es ist, als fasse sie ein Staunen
Vor ihrem eignen Ebenbild,
Sie hört den Stolz im Busen raunen:
»Du bist es, draus dir Rettung quillt.«
Hin klirrt das Glas in Splitterscherben:
»Fahr wohl! … Du kümmerlicher Saft
Sollst nicht um Liebe für mich werben
Und spotten meiner eignen Kraft.
Traun, ob der alte Höllenmeister
Auch selber dich bereitet hätt’,
Gilt’s Herrschaft über Sinn und Geister,
Ich biete dir und ihm die Wett’;
Nur fort der letzte Rest von Lüge,
All Schein und Maske fahre hin,
Sehn soll er meine wahren Züge,
Und siegen werd’ ich, wie ich bin …«
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