1. Herr Seydlitz auf dem Falben
Herr Seydlitz auf dem Falben
Sprengt an die Front heran,
Sein Aug’ ist allenthalben,
Er mustert Roß und Mann,
Er reitet auf und nieder
Und blickt so lustig drein,
Da wissen’s alle Glieder:
Heut wird ein Tanzen sein.
Noch weit sind die Franzosen;
Doch Seydlitz will zu Ball,
Die gelben Lederhosen,
Sie sitzen drum so prall;
Schwarz glänzen Hut und Krempe,
Im Sonnenschein zumal,
Und gar die blanke Plempe
Blitzt selbst wie Sonnenstrahl.
Sie brechen auf von Halle,
Die Tänzer allbereit,
Bis Gotha hin zu Balle
Ist freilich etwas weit.
Doch Seydlitz, vorwärts trabend,
Spricht: »Kinder, wohlgemut!
Ich denk’, ein lust’ger Abend
Macht alles wieder gut.«
Die Nacht ist eingebrochen;
Zu Gotha, auf dem Schloß,
Welch Tanzen da und Kochen
In Saal und Erdgeschoß,
Die Tafel trägt das Beste
An Wein und Wild und Fisch –
Da, ungebetne Gäste
Führt Seydlitz an den Tisch.
Die Witz- und Wortspieljäger
Sind fort mit einem Satz,
Die Schwert- und Stulpenträger,
Sie nehmen hurtig Platz;
Herr Seydlitz bricht beim Zechen
Den Flaschen all’ den Hals,
Man weiß, das Hälsebrechen
Verstund er allenfalls.
Getrunken und gegessen
Hat jeder, was ihm scheint,
Dann heißt es: »Aufgesessen
Und wieder nach dem Feind!«
Der möchte sich verschnaufen
Und hält bei Roßbach an,
Doch nur, um fortzulaufen
Mit neuen Kräften dann. –
Das waren Seydlitz’ Späße;
Bei Zorndorf galt es Zorn,
Als ob’s im Namen säße,
Nahm man sich da aufs Korn;
Das slawische Gelichter –
Herr Seydlitz hoffte traun
Noch menschliche Gesichter
Aus ihnen zuzuhaun.
Des Krieges Blutvergeuden,
Die Fürsten kriegten’s satt;
Nur Seydlitz wenig Freuden
An ihrem Frieden hat;
Oft jagt er drum vom Morgen
Bis in die Nacht hinein,
Es können dann die Sorgen
So schnell nicht hinterdrein.
Er kam nicht hoch zu Jahren,
Früh trat herein der Tod:
Könnt’ er zu Rosse fahren,
Da hätt’s noch keine Not;
Doch auf dem Lager, balde
Hat ihn der Tod besiegt,
Der draußen auf der Halde
Noch lang’ ihn nicht gekriegt.
2. Seydlitz und der Bürgermeister von Ohlau
In Ohlau der Bürgermeister der Stadt
Eine weiße Zippelmütze hat;
Gegenüber im Kommandantenhaus
Sieht Seydlitz morgens zum Fenster hinaus.
Und jeden Morgen, unentwegt,
Sich auch Zippelmütz’ ins Fenster legt,
Und wenn der Seydlitz drüben schmaucht,
Auch Zippelmütze sein Pfeifchen raucht,
Und wenn der Seydlitz zum Räuspern ruckt,
Hat Zippelmütze schon ausgespuckt.
Das ärgert den Seydlitz. »Philistergesicht.
Affront dazu; das lieb’ ich nicht.«
Und er nimmt Pistolen links von der Wand,
Zielt hinüber mit sichrer Hand,
Zielt und schießt auf dreißig Schritt,
Eine zweite Kugel und nun eine dritt’,
Es spritzt der Kalk – der drüben heiter
Zieht seine Mütze, raucht aber weiter,
Und Seydlitz lacht: »Verfluchte Visage.
Aber der Kerl hat Courage.«
Das war im Frieden. Nun steht die Schlacht:
Seydlitz wartet und Seydlitz wacht,
An strahlt ihn der Ruhm, er steigt zu Pferde,
Hundert Schwadronen, es donnert die Erde;
Gestern in Ohlau im Fenster liegen,
Heute bei Zorndorf siegen, siegen –
Wie kam der Wandel! Fragt nicht wie.
Klein im Kleinen, im Großen Genie.
3. Und Calcar, das ist Sporn
In Büchern und auf Bänken,
Da war er nicht zu Haus,
Ein Pferd im Stall zu tränken,
Das sah schon besser aus;
An schnallt er die silbernen Sporen,
Blaustählern war der Dorn –
Zu Calcar war er geboren,
Und Calcar, das ist Sporn.
Es sausen die Windmühlflügel,
Es klappern Leiter und Steg,
Da, mit verhängtem Zügel,
Geht’s unter dem Flügel weg,
Und bückend sich vom Pferde,
‘nen vollen Büschel Korn
Aus reißt er aus der Erde –
Hei, Calcar, das ist Sporn.
Sie reiten über die Brücken,
Und Friedrich scherzt: »Je, nun,
Hie Feind in Front und Rücken,
Seydlitz, was würd’ Er tun?«
Der, über die Brückenwandung
Spornt er halblinks nach vorn,
Der Strom schäumt auf wie Brandung –
Ja, Calcar, das ist Sporn.
Und andre Zeiten wieder;
O kurzes Heldentum,
Zu Tode liegt er danieder
Und lächelt: »Was ist Ruhm?
Ich höre nun allerwegen
Eines stärkeren Reiters Horn,
Aber auch ihm entgegen –
Denn Calcar, das ist Sporn.«
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