12

 

Man hat erst dann richtig gelebt, wenn man einen amphibischen Mentor, der ausdrücklich kein Engel ist, auf dem Rücksitz seines Motorrads mitgenommen hat. Mein Leben war jetzt, Gott sei Dank, vollkommen.

Eigentlich machte mir die Fahrt nicht viel aus. Sich auf dem Motorrad zu unterhalten, ist ausschließlich Notfällen vorbehalten, deshalb konnte ich ein bisschen Zeit mit mir selbst genießen. Genauer gesagt: Ein Genuss war es ab da, wo sich mein Verstand komplett mit unbedeutenden Themen beschäftigte. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass Clarence meine Taille dermaßen fest umklammern und ängstlich vor sich hinstammeln und gleichzeitig in meinem Kopf rumstochern konnte, aber ganz sicher war ich mir nicht.

Statt mir über wichtige Dinge den Kopf zu zerbrechen, dachte ich an nichts. An den ruhigen Abend in Boston, die kühle Luft und den Fahrtwind im Gesicht. Eine Welt voller Möglichkeiten hatte sich mir aufgetan, und ich fühlte mich frei und glücklich.

Zumindest ganz kurz fühlte ich mich glücklich. Dann setzten sofort wieder Schuldgefühle ein. Für mich hatte sich eine neue Welt aufgetan, aber Bose steckte immer noch im gleichen Loch - nur dass jetzt auch noch ihre Schwester tot war. Ich hatte versucht, sie zu beschützen, wie ich es versprochen hatte, aber die Umsetzung war lausig gewesen. Der einzige Vorteil war, dass Johnson ihr nichts mehr anhaben konnte. Aber sein Tod hatte sie letztlich auch nicht gerettet, sondern sie nur davor bewahrt, noch mehr Leid zu ertragen. Das hatte ich in ihren Augen gesehen.

Meine Schuld war nur umso ausgeprägter: Obwohl ich um Rose weinte, vermochte ich das Schwindelgefühl nicht abzuschütteln, das mir sagte, dass ich hier richtig war, dass ich meinen Platz gefunden hatte. Dass ich endlich meine Berufung gefunden hatte und all mein Scheitern bald endgültig der Vergangenheit angehören würde.

Der Auftrag war gefährlich, klar. Aber er war wichtig. Und abgesehen von der Tatsache, dass mir alles andere als wohl in meiner Haut war, war es doch ein schönes Gefühl, ich zu sein, selbst im Körper einer anderen.

So schön, dass sich die Schuldgefühle nur so auftürmten.

»Bieg hier ab«, befahl Clarence, als ich vor einer blinkenden Ampel das Gas wegnahm. Ich folgte seinen Richtungsangaben, bis ich schließlich in einer düsteren Gasse hielt. Die Mülltonnen quollen über mit stinkendem Unrat, und ich fragte mich, was wir an einem so düsteren Ort nur wollten.

»Es ist Zeit, dich vorzubereiten«, sagte Clarence, drehte sich dann um und marschierte weiter die Gasse entlang. In Schlaglöchern hatte sich fauliges Wasser gesammelt, die Oberfläche war ölverschmutzt. Der Geruch nach Schimmel und Fäkalien hing zwischen den Ziegelmauern, und ich folgte ihm vorsichtig und hoffte, nicht in die stinkende Suppe zu treten.

Ich folgte Clarence herzklopfend. Nicht weil ich zimperlich war, sondern aus einer Vorahnung heraus. Erst vor wenigen Stunden hatte ich mich in vergleichbaren Umständen befunden, und ich rechnete jede Sekunde damit, dass mich eine weitere Bestie aus dem Schatten heraus anfallen würde.

Clarence eilte eine dunkle Straße hinab, bog dann wiederin eine Gasse ab, die bemerkenswerterweise noch dreckiger war als die vorherige. Ich suchte mir einen Weg um Haufen von Müll, Schutt und Abfällen und vermied es weitgehend, dabei Luft zu holen.

Er bewegte sich schnell, umrundete den Haufen einer leicht grünen und sehr widerlichen Substanz und steuerte schließlich auf eine Stahltür zu. Er schob eine Metallplatte zur Seite, ein beleuchtetes Nummernfeld tauchte auf. »So, da wären wir.«

»Hightech«, murmelte ich.

»Hast du erwartet, dass sich die Tür kraft eines Wunders öffnet? Unser Gefecht mag ja himmlisch sein, unsere Mittel aber sind auf der Höhe der Zeit.«

Er tippte eine Zahlenkombination ein, und die massive Tür schwang lautlos nach innen auf. Sie führte in einen kohlrabenschwarzen Korridor. »Sollen wir?«

Widerstrebend folgte ich ihm. Das wenige Licht, das von draußen hereinfiel, wurde durch den dumpfen Schlag ausgelöscht, den die hinter uns zufallende Tür verursachte. Die Luft hier war abgestanden, kein Windhauch regte sich. Ich schluckte; meine Haut wurde plötzlich klamm, als mir einfiel, wie ich das letzte Mal in solch pechschwarzer Umgebung erwachte.

Vielleicht war ich doch nicht so bereit, wie ich gedacht hatte.

Vor mir hörte ich Clarence, dann das metallische Klicken, als der Schalter eines Sicherungskastens umgelegt wurde. Uber uns erwachte eine Reihe Neonlampen zum Leben, und weiter hinten fing ein Ventilator an zu summen, die Luft durchzuwirbeln und ein paar meiner Ängste wegzuwehen. Graffiti zierte die Wände des schmalen Gangs, aber der Schmutz und der Gestank der Gasse blieben draußen.

Wir gingen weiter, unsere Schritte hallten vom Beton der Wände und des Bodens wider. Bald wurde der Neonschein vom gedämpften Licht gelber Glühbirnen abgelöst, die in regelmäßigen Abständen angebracht waren. Und wir liefen immer weiter durch diese gelbstichigen Lichtflecke, bogen um eine Ecke, dann um die nächste Ecke, drangen immer tiefer in dieses Labyrinth vor.

Schließlich kamen wir zu einem alten Aufzug. Ich beugte mich vor und umklammerte das Drahtgitter, während ich in den Schacht hinabsah, der offenbar in völliger Dunkelheit endete. Das Kabel, das vor unseren Augen herumbaumelte, schien kaum dazu geeignet, seine Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.

»Hast du was von Hightech gesagt?«

Clarence zuckte mit den Schultern und blies durch die Lippen. »Ah. Wird renoviert. Aber wer hat für so etwas schon Zeit.«

Ich war versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass Gott die nötige Zeit hätte. Dies war allerdings nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze.

»Gute Entscheidung.«

»Jetzt hör endlich damit auf!«

»Dann hör du auf, so laut zu denken.«

Ich runzelte die Stirn, aber er lachte bloß leise und zeigte dann auf ein weiteres Gerät, das hinter einer Stahlplatte versteckt war. »Du bist dran«, sagte er.

Ich beruhigte meine flatternden Nerven und drückte eine Hand auf das kühle Glas. Ein biometrischer Scanner trat in Aktion. Ich hörte ein kurzes Surren und Klicken, dann setzte sich die winzige Metallkabine in Bewegung, fuhr aus der Tiefe hoch und blieb schließlich vor uns stehen. Clarence ergriff die Initiative, zog das Gitter auf und holte mit dem Arm weit aus. »Bitte nach Ihnen.«

Ich sog tief Luft ein, blickte zu dem windigen Kabel und ging rein.

Immerhin stand Gott auf meiner Seite, oder? Zumindest derzeit.

Gesteuert wurde der Aufzug durch einen alten Mechanismus. Clarence drehte den Zeiger abwärts, von 1 auf B3. Der Kasten ruckelte, und unser Abstieg begann. Die Welt - beziehungsweise das Gebäude - rauschte an uns vorbei wie ein Daumenkino.

Trotz der hochtechnologischen Einstiegsprozedur hatte der Bau nichts Aufsehenerregendes an sich. Die Etagen, an denen

wir vorbeikamen, waren leer, aber sauber, der Schutt am Eingang diente im Wesentlichen zur Tarnung. Aber es waren keine bemalten Fenster oder Statuen zu sehen. Das Ganze wirkte wie ein Bunker. Ich schlang die Arme fest um mich und fühlte mich mit jedem Zentimeter, den wir tiefer in das Gebäude fuhren, mehr fehl am Platz.

Obwohl mir das alles wie eine Beise ohne Ende vorkam, hielt der Aufzug schließlich quietschend. Ich musste Clarence gar nicht erst fragen, ob wir an unserem Ziel angekommen waren. Das war offensichtlich. Ein erhöhtes Podium stand wie ein Boxring genau in der Mitte eines gewaltigen Baums. Darum herum befanden sich allerlei Trainingsgeräte: Boxsack, Heimtrainer, Trainingsbank. Wären nicht Morgenstern, Breitschwert und andere mittelalterlich anmutende Waffen hinter dem Bing an der Wand zu sehen gewesen, hätte mich der Baum an das billige Fitnessstudio erinnert, in das Joe immer ging, bevor meine Mutter starb.

Der Geruch erinnerte mich an meine Kindheit, an den Mief von abgestandenem Schweiß und Leder. Eine Riesenwelle des Bedauerns zerrte an meinem Herzen. Ich musste die Augen fest zusammenpressen, um eine Sehnsucht zurückzudrängen, die so stark war, dass meine Knie nachzugeben drohten.

Ich atmete durch und zwang mich dazu, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Mein altes Leben war vorbei. Und wenn ich meine neue Existenz in den Griff kriegen wollte, und mochte sie auch noch so heikel sein, so musste ich mich auf das Wesentliche konzentrieren. Ich musste kämpfen - sowohl gegen mich als auch gegen die Dämonen, die das Leben auf Erden zur Hölle machen wollten.

»Schlappmachen gilt nicht, was?«, sagte ich zu Clarence und nickte kurz zur Einrichtung hinüber.

Mit undurchdringlicher Miene hatte er mich beobachtet. Hat-

te er meine Erinnerungen gesehen, meinen Verlust gespürt? Ich fragte nicht, und nach einem kurzen Moment kniff er die Augen leicht zusammen. »Bist du müde?«

Ich überlegte und kam zu dem Schluss, dass ich nicht müde war. Ganz und gar nicht.

»Hätte mich auch gewundert«, nickte er wissend. »Kann sein, dass du hin und wieder gern ein Nickerchen machen würdest, aber du brauchst es eigentlich nicht. Nicht mehr. Nicht, solange du dich nicht ernsthaft verletzt.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich?«

»Schlaf ist angenehm, ein Luxus. Was dein Körper braucht und was er sich wünscht, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Hab ich nicht recht, Zane?«

Entgeistert drehte ich mich um und sah einen Mann aus dem Dunkeln auftauchen. Bis dahin hatte ich ihn nicht bemerkt, deshalb nahm ich an, er sei durch eine Seitentür hereingekommen. Denn einen Mann wie ihn hätte ich nicht übersehen. Nicht in einer Million Jahren.

Seine Brust fesselte mich zuerst. Nackt, nur eine Handvoll Härchen. Die Haut hatte die Farbe von Milchkaffee und schien selbst in der schwachen Beleuchtung zu schimmern. Diese makellose Brust wurde schmaler, wo die Bauchmuskulatur sich dem grauen Stoff der Jogginghose näherte. Sie hing ihm tief auf den Hüften, und ich konnte nicht umhin, die feinen Härchen zu bemerken, die pfeilgerade abwärts zeigten auf das, was darunter verborgen lag.

Als er auf mich zukam, musste ich schlucken. Mein Blick wurde magnetisch von der Ausbuchtung zwischen seinen Schenkeln angezogen. Ich zwang meine Augen, ihre Vergnügungsreise fortzusetzen. Mein Blick wanderte über seine muskulösen Beine, bis ich ein ledernes Holster mit einem Messer entdeckte, mit dem man einen Elefanten hätte ausweiden können.

Ich atmete tief durch, rief mir in Erinnerung, weshalb ich eigentlich hier war. Dann trat ich innerlich einen Schritt zurück und musterte nun nicht mehr seinen Körper, sondern das Gesicht. Zerfurcht, starke Kieferpartie, durchdringende grüne Augen. Er hatte den Kopf kahl rasiert, und der silberne Diamantknopf in seinem linken Ohr funkelte, wenn er sich bewegte, barfuß, lautlos.

Eine Katze, dachte ich, korrigierte mich aber gleich wieder. Katzen verbindet man mit Weiblichkeit, dieser Mann aber hatte so gar nichts Weibliches an sich. Ich konnte sein Testosteron förmlich riechen, und jeder Funken Weiblichkeit in mir reagierte darauf.

Er war groß, hielt sich kerzengerade, wie ein Soldat, die Muskeln angespannt. Bestimmt konnte er ohne Weiteres einen Kleinlaster durchs Zimmer werfen.

Unmittelbar vor mir blieb er stehen und ließ seinen Blick über mich gleiten, vom Kopf zu den Füßen und wieder zurück. Ich vibrierte. Zu behaupten, das Gefühl hätte mir bloß gefallen, wäre die Untertreibung des Jahres. Aber irgendwoher aus den Tiefen dieses sinnlichen Wirbelsturms kämpfte sich ein Hauch von gesundem Menschenverstand nach oben. Das bin nicht ich. So extrem reagierte ich nicht auf jeden attraktiven Mann, der mir über den Weg lief. War das Alice? Lag es an ihm? Oder hatten mir meine neuen Lebensumstände nicht nur unerwünschte Gefahren, sondern auch unerwartete Freuden beschert?

»Womit?«, fragte Zane Clarence über meinen Kopf hinweg. Widerstrebend schob ich jegliches Lustgefühl beiseite. Mir wurde klar, dass er den Baum in wenigen Sekunden durchquert hatte, während ich scheinbar eine Ewigkeit in seiner Männlichkeit geschwelgt hatte. Natürlich hatte er auf Clarence’ Frage reagiert, eine Frage, die ich schon wieder vergessen hatte.

»Mit unserer Lily«, wiederholte Clarence dankenswerterweise.

»Ich habe ihr gerade erklärt, dass es einige Dinge gibt, die ihr Körper begehrt, aber nur wenige, die er wirklich braucht.«

Der Mann trat einen weiteren Schritt auf mich zu; seine Katzenaugen nahmen jeden Zentimeter von mir in sich auf.

Gelüste. Oh ja, damit kannte ich mich aus!

Ich spannte die Muskeln an und zwang mich, nicht wegzusehen und ruhig zu atmen, obwohl mein Blut unter seinem Blick brodelte, als hätte er mich berührt. Als wären seine glühend heißen Fingerspitzen über meine Haut getanzt.

»Oui, rna cherie«, sagte er mit starkem Cajun-Einschlag. »Aber schenk dem alten Trottel nicht allzu viel Beachtung.« Er beugte sich vor, ich spürte seinen Atem, als er mir ins Ohr flüsterte: »Du bist am Leben, oder etwa nicht? Und manchmal erfüllt das einen Wunsch ebenso wie ein Bedürfnis.«

Zane schaute wieder zu Clarence. »Sie ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Bist du dir sicher, dass sie die Bichtige ist?«

Der lüsterne Schleier, der sich über mich gelegt hatte, löste sich langsam auf. Von Zane durchdringend begutachtet zu werden, war das eine. Etwas ganz anderes war es, wenn eine solche Musterung nicht aus lasziven, sondern aus rein praktischen Gründen erfolgte.

»Ich bin mir sicher«, antwortete Clarence. »Wenn ich mich irren würde, wäre sie nicht mehr bei uns, oder?«

»Ich hoffe, du hast recht«, entgegnete Zane beinahe wehmütig.

»Wer bist du?«

»Ich werde dich viele, viele Dinge lehren«, antwortete er.

Benommen wandte ich mich an Clarence. »Aber ich dachte …«

»Ich bin dein Hauptkontakt, Kleine. Aber schau ihn dir doch einmal an. Von wem würdest du deine Kampffähigkeiten lieber vervollkommnen lassen? Von ihm oder von mir?«

»Alles klar.« Ich wischte mir die Hände an der Jeans ab. »Hervorragend.« »Wann willst du beginnen?«, fragte Clarence.

»Gegen den Grykon hat sie gesiegt?«

»Letztlich schon. Bei ihrer ersten Begegnung hat sie es versäumt, die Kreatur zu eliminieren. Es freut mich, sagen zu können, dass sie diesen Fehler vor wenigen Stunden korrigiert hat.« Er blickte kurz finster drein. »Und noch so einiges mehr.«

»Sie muss lernen, nicht zu zögern. Jeder Irrtum, jedes Mitleid wäre fehl am Platz. Zögern ist eine Einladung, und der Feind hat bereits zu viele Siege verbucht.«

»Sie steht direkt vor euch«, meldete ich mich zu Wort.

»In der Tat, ma fleur«, nickte Zane. »Stolz und vom Kampf gezeichnet.«

Ich zuckte zusammen. Offenbar wusste er von der Wunde an meinem Arm, obwohl er sie unmöglich gesehen haben konnte.

»Deinen Mantel«, sagte er und nickte zu einer Bank. »Und das Hemd.«

Ich verzog das Gesicht, schälte mich dann aus den Kleidungsstücken, sodass ich in Jeans und Tanktop vor den beiden stand.

»Ich verstehe«, murmelte er mit Blick auf die Verletzung, die dem Grykon sei Dank Alice’ Arm verunzierte.

»Du heilst nun schneller, Lily, und die meisten Wunden werden am Morgen weg sein. Diese allerdings«, und er strich dabei mit einem Finger meinen Arm entlang, »wurde dir mit Gift zugefügt.«

Ich rollte die Schultern nach hinten, entschlossen, kein Bedauern zu zeigen. »Ich bin doch eine Kriegerin, oder? Jetzt sehe ich auch aus wie eine.«

»Mir wäre ein reibungsloser Übergang lieber. Und ganz bestimmt will ich dich weder tot noch verletzt sehen müssen.«

»Dafür ist es zu spät«, widersprach ich. »In beiderlei Hinsicht.«

Amüsiert verzog er die Lippen, doch das erregte meine Aufmerksamkeit nicht annähernd so sehr wie das, was er mit dem Messer machte. Er schlitzte seine Fingerspitzen auf und musterte mich düster und ernst, während er über die Wunde strich. Ich brauchte ihn gar nicht erst zu fragen, was er da trieb - ich konnte spüren, wie sich die Haut unter seiner Berührung schloss.

»Wie …«

Aber er legte nur einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. »Ein Geschenk, rria chere. Von mir an dich.«

»Dann sag ich einfach danke.«

Er neigte den Kopf. »Die Kreatur, die dich verletzt hat, hatte nur deshalb die Gelegenheit dazu, weil du sie in der Zeremonienkammer verschont hast.«

»Nun ja … genau genommen schon«, gab ich zu.

»Und warum hast du die Kreatur nicht umgebracht, als du erwacht bist?«

»Ich hatte doch keine Ahnung, was los war! Ich saß in der Falle. Ich hatte Angst.« Beim Gedanken an die Szene, wie diese Bestie den Raum betreten hatte und auf mich losgestürzt war, bekam ich eine Gänsehaut. »Wir haben miteinander gekämpft, und dann konnte ich sie mit einem Kerzenständer aus dem Verkehr ziehen. Anschließend bin ich abgehauen.«

»Flucht ist nicht deine Mission.«

»Ich wusste doch nicht mal, dass ich überhaupt eine Mission habe!«, fauchte ich zurück.

»Dein Verstand muss sich auf das Jetzt konzentrieren«, fuhr er fort, als hätte ich gar nichts gesagt. »Auf das Ziel.«

»Und das Ziel wäre?«

»Du musst töten, Lily. Du musst jede einzelne Mission erfüllen, ausnahmslos. In diesem Krieg werden keine Gefangenen gemacht. Der einzige Weg, die Oberhand zu erringen, ist: siegen. Töten oder getötet werden.« Er sah mir fest in die Augen. »Hast du verstanden?«

»Allerdings.«

»Dann ist jetzt deine Mission, diesen Dämon da zu töten.«