Siebenunddreißig
Zweihundert Kilometer durch die Röhre, dachte sie. In räumlichen Begriffen war das fast nichts. Die Raketen hätten die Entfernung innerhalb eines Lidschlags zurücklegen müssen. Doch das Hypernetz schien sich jedem Versuch aktiv zu widersetzen, es schneller als mit der normalen Geschwindigkeit einer Kollapswelle zu durchqueren. Nach Tunguskas Telemetriedaten entfernten sich die Raketen vom Schiff und folgten den Beschleunigungskurven, die aufgrund ihrer Masse und des Schubs zu erwarten waren, genauso, als wären sie im Normalraum unterwegs. Eine Zeit lang war es sogar möglich, sie mit einem elektromagnetischen Echo zu orten oder das akustische Signal zu empfangen, das von ihren Triebwerken erzeugt und in einem sich ausdehnenden Kegel von den Tunnelwänden reflektiert wurde. Doch dann geschah etwas Seltsames mit ihnen. Sie wurden langsamer und ihre Beschleunigungskurven flacher, als würden sie von einem kosmischen Sirup aufgehalten. Das schwache Flüstern der Daten von den Raketen meldete keine Anomalien … aber die Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegten, reichte nicht mehr aus, um Niagaras Schiff abzufangen.
Tunguska starrte mit offenkundiger Enttäuschung auf die taktischen Anzeigen, die, wie Auger vermutete, weniger seiner Information dienten, sondern vielmehr ihretwegen sichtbar dargestellt wurden. »Das habe ich befürchtet«, sagte er. »Jetzt lässt sich nicht mehr abschätzen, ob sie Niagara rechtzeitig erreichen werden.«
»Werden wir es merken, wenn es geschieht?«, fragte sie.
»Würden Sie es gerne wissen?«
»Ich würde gerne wissen, ob wir erfolgreich waren, bevor …« Sie sprach nicht weiter. Es war nicht nötig, dass sie das Offensichtliche beim Namen nannte.
»Auf diesen Luxus werden Sie vermutlich verzichten müssen. Wir können nur raten, wie schnell sich der Antimaterie-Feuerball rückwärts durch den Tunnel ausbreiten wird, aber vermutlich wird es sehr schnell gehen. Uns wird keine Zeit mehr bleiben, den Sieg zu feiern. Dafür werden wir glücklicherweise genauso schnell sterben.«
Auger musste nicht daran erinnert werden, dass sie praktisch ihr eigenes Todesurteil unterschrieben hatte, falls auch nur eine der Raketen durchkam. Sie versuchte, dieses Wissen beiseite zu drängen, aber es schob sich immer wieder in den Vordergrund ihrer Gedanken.
»Werden Sie etwas spüren?«, wollte Floyd von Tunguska wissen.
»Ich werde eine Ahnung haben«, sagte er. »Wenn der Feuerball die Hülle meines Schiffs trifft, müssten die Informationen der Sensoren meinen Kopf einen Augenblick vor der Vernichtungswelle erreichen.«
»Gibt Ihnen das genug Zeit für einen Gedanken?«, fragte Auger, die ihre Hand fest mit Floyds verschränkte. »Genug Zeit, um einen Hauch von Trost zu finden, dass unser Opfer sich gelohnt hat?«
»Vielleicht.« Tunguska sah sie lächelnd an. »Schließlich muss es kein besonders komplizierter Gedanke sein.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie beneide«, sagte Auger.
»Vielleicht wäre es besser für Sie, es nicht zu tun. Ich könnte die Verbindung zwischen meinen neuralen Maschinen und den Hüllensensoren unterbrechen, aber ich glaube, dass ich nicht den Mut dazu aufbringe.« Er blickte wieder auf eine der Darstellungen an der Wand und musterte sie mit plötzlicher Unruhe.
»Was ist los?«, fragte Auger.
»Nichts, was ich nicht hätte erwarten müssen. Jetzt sind die Telemetrie-Übertragungen aller Raketen verstummt.«
»Heißt das, die Raketen sind tot?«, fragte Floyd.
»Nein. Jedenfalls nicht zwangsläufig. Es heißt nur, dass die Daten, die sie senden, nicht mehr zu uns gelangen. Wahrscheinlich können auch die Raketen unsere Signale nicht mehr hören. Sie müssten auf autonome Steuerung umgeschaltet haben.«
»Irgendwie fand ich es besser, als wir noch wussten, dass sie definitiv irgendwo da draußen sind«, sagte Floyd.
»Ich auch«, erwiderte Tunguska. Dann legte er seine Hand auf die von Floyd und Auger, und die drei saßen schweigend da, um darauf zu warten, dass etwas geschah – oder dass alles vorbei war.
Die Stille konnte Auger überhaupt nicht ertragen. Sie hinterließ ein Vakuum in ihrem Kopf, in das viel zu leicht bestimmte Gedanken einsickern konnten. Sie wünschte sich den entspannenden Rhythmus eines normalen menschlichen Gesprächs, den Klatsch und Smalltalk. Sie wollte in der Lage sein, an etwas anderes zu denken als die tödliche Wand aus wütendem Licht, die Explosion, die vielleicht schon in diesem Augenblick auf sie zuraste, schneller, als sich Informationen über ihre Bewegung ausbreiten konnten. Schneller, als die mögliche Botschaft, dass sie erfolgreich gewesen waren. Wie lange war es her, dass die Raketen gestartet waren? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren; es hätten Minuten oder Stunden sein können. Doch als sie versuchte, etwas zu sagen, kamen ihr die Worte jedes Mal banal und unangemessen vor. Wenn jeder Moment ihr letzter sein konnte, gab es nichts, das die nötige Würde hatte, um dieser Situation gerecht zu werden. Schweigen war besser. Schweigen hatte eine eigene Würde.
Sie sah die anderen beiden an – Floyd und den Slasher – und wusste, dass sie auf ihre Weise denselben Gedanken nachhingen. Als wollten sie genau dies stumm bestätigen, wählten sie alle genau diesen Moment, um sich fester die Hände zu drücken.
Plötzlich veränderte sich schlagartig etwas mit den Darstellungen an der Wand. Kaum hatte Auger es bemerkt, als sich auch schon die Schlussfolgerungen in ihrem Kopf entfalteten. Eine der Raketen musste ihr Ziel getroffen haben, und nun hatte das Schiff das sich nähernde Höllenfeuer registriert …
Doch die Stimmen in ihrem Kopf, die seit einiger Zeit geschwiegen hatten, sagten ihr, dass etwas ganz anderes geschehen war.
Es war ebenfalls schlimm, aber es hatte eine andere, nicht ganz so scharfe Geschmacksnote.
Im nächsten Augenblick – nach dem nächsten Ticken des mahlenden Uhrwerks ihres Bewusstseins – führte das Schiff eine Reihe extremer Ausweichmanöver aus. Auger blieb gerade noch genug Zeit, um zu spüren, wie sich ihr Gewicht gefährlich zur Seite verlagerte, als ihr Gewand zu einem dämpfenden Kokon erstarrte und sich die Möbel, der Boden und die Wände in eine schützende Matrix verwandelten.
Dann kam der furchtbare Moment, als das Schiff ihr einen Atemapparat in die Mundhöhle zwang.
Sie erlebte vorübergehend das betäubende Gefühl, dass es in Wirklichkeit äußerst angenehm war, sich hilflos fallen zu lassen und anzuvertrauen …
Zwei oder drei fehlende Einzelbilder des Bewusstseins.
Informationen tröpfelten in ihren Schädel, von Cassandras Maschinen übermittelt. Sie sprachen mit Tunguska und dem übrigen Schiff.
Eine ihrer eigenen Raketen hatte sie soeben ins Visier genommen. Die sonderbaren räumlichen Eigenschaften des Hypernetztunnels hatten ihr Navigationssystem verwirrt, während die chaotischen Echos aus EM-Signalen es veranlasst hatten, die Botschaft zu ignorieren, dass Tunguskas Schiff keine feindliche Einheit war. Es blieb keine Zeit, die Strahlenwaffen auszurichten und abzufeuern. Das Schiff hatte sich verbogen, um die Rakete im letzten Moment vorbeisausen zu lassen, wie ein gelenkiger Fechter, der einem tödlichen Stich auswich. Nachdem das Projektil in den Tunnel hinter dem Schiff geflogen war, hatte ein Notfall-Vernichtungsbefehl seinen winzigen, mordlustigen Verstand erreicht und es zur Selbstdetonation veranlasst.
Die Explosion hatte eine örtliche Veränderung der Tunnelgeometrie zur Folge, und Schockwellen breiteten sich in alle Richtungen aus. Gleichzeitig wurde die Strahlungsenergie in einem Sturm aus kurzwelligen Photonen hin und her geworfen, die sich durch die schützende Panzerung von Tunguskas Schiff und in das weiche organische Gewebe seiner Passagiere fraßen.
Da es weitere Gefahr spürte, hielt das Schiff seine Insassen weiterhin in der G-Dämpfung gefangen, während es mit jedem verfügbaren Sensor in den vorderen Bereich des Tunnels horchte, um Informationen über dessen Zustand zu erhalten. Die Schwingungen durch die Explosion der Rakete hatten die Akustik geblendet. Hektisch schaltete das Schiff auf Backup-Systeme um, auf die es sich während eines normalen Fluges niemals verlassen hätte. Neutrinolaser und elektromagnetische Breitband-Impulse leuchten den hellen Schlund aus.
Zwei weitere Raketen rasten ihnen auf der Suche nach einem Ziel entgegen.
Befehle zur vorzeitigen Detonation wurden mit maximaler Leistung gesendet. Die Strahlenwaffen waren jetzt bereit zum Feuern, falls sich die Raketen nicht von selbst vernichteten.
Eins der zwei Projektile wurde von einer kontrollierten Explosion zerfetzt, und Dämpfungsfelder grenzten den Vernichtungsradius ein. Die zweite Rakete ignorierte den Befehl und stürzte sich mit erhöhter Beschleunigungsrate auf sein Opfer. Das Schiff wich aus und verbog sich, wobei es sämtliche Sicherheitsgrenzen der strukturellen Belastung überschritt. Schrille Meldungen über irreparable Schäden hämmerten auf Augers Gehirn ein. Das Schiff konnte noch etwas mehr Belastung aushalten – aber nicht viel mehr.
Die Strahlenwaffen richteten sich auf die dritte fehlgeleitete Rakete aus. Sie feuerten und trafen das Ziel in nur zwei Kilometern Entfernung vom Schiff. Da in diesem Fall keine Dämpfung aktiviert wurde, war die folgende Explosion die bisher schwerste.
Sie rasten mitten in den Feuerball hinein. Das Schiff schrie und wand sich in cybernetischen Qualen.
Dann war es hindurch.
Schneller als Sprache gelangte ein Gedanke in Augers Kopf.
»Wir haben sechs Raketen auf den Weg geschickt«, teilte Tunguska ihr mit. »Drei sind zurückgekommen. Das heißt, dass da draußen noch drei unterwegs sind.«
Blitzschnell formulierte die Maschinenwolke in ihrem Kopf eine Erwiderung. Kam sie von Auger oder hatte Cassandra sich eingemischt? Sie konnte es nicht sagen. »Wie viele weitere Treffer können wir uns erlauben?«
»Keinen«, antwortete Tunguska.
In den folgenden fünf Minuten kamen ihnen zwei weitere Raketen entgegen. Die erste war nicht mehr voll funktionsfähig, nachdem sie durch Berührungen mit der Tunnelwand beschädigt worden war. Die Strahlenwaffen töteten sie mit lichtschneller Effizienz in fünfundsechzig Kilometern Entfernung, der äußersten Erfassungsdistanz.
Die zweite Rakete gehorchte dem Selbstvernichtungsbefehl und verpuffte in einer gedämpften Detonation, die nur geringfügigen Schaden anrichtete.
»Eine ist immer noch da draußen«, sagte Tunguska.
»Vielleicht war es doch keine so gute Idee«, stellte Auger trocken fest.
»Es war die einzige Chance, die wir hatten«, erwiderte Tunguska phlegmatisch.
Während der nächsten quälenden zehn Minuten kehrte tatsächlich auch die sechste Rakete zurück. Sie näherte sich mit hoher Geschwindigkeit auf direktem Kollisionskurs. Sie machte keine Anstalten, dem Vernichtungsbefehl Folge zu leisten, auch nicht, als sie bereits sehr nahe war. Tunguskas Strahlenwaffen rissen die Hülle auf, aber der Sprengkopf weigerte sich, zu detonieren. Die Rakete flog eine Haarnadelkurve, dann raste sie im rechten Winkel in die Tunnelwand. Obwohl das Schiff halb blind war, konnten die akustischen Sensoren ihre Bahn weiterverfolgen, als sie sich in die gespannte Trennschicht der künstlichen Raumzeit bohrte. Irgendwo tief drinnen explodierte sie schließlich, worauf sich die gesamte Wandung nach außen wölbte.
»Das war Nummer sechs«, sagte Auger. »Die letzte. Damit hätten wir es überstanden.«
»Nein«, sagte Tunguska. »Zumindest können wir uns nicht sicher sein. Diese letzte Rakete … sie war keine von unseren.«
»Aber Sie haben doch sechs …«
»Von denen fünf zurückgekehrt sind. Die letzte war ein Geschenk von Niagara. Das bedeutet, er weiß, dass wir hier sind.«
Als Tunguskas Schiff durch das Portal kam, hatten die automatischen Reparatursysteme die schwersten Schäden behoben, die das Schiff im Tunnel erlitten hatte. Einiges ließ sich nicht ohne Hinzuziehung von Spezialisten richten, aber das musste warten, bis das Schiff einen Stützpunkt der Kommunitäten aufsuchen konnte. Vorläufig war es in der Lage, die Verfolgung fortzusetzen, wenn auch mit reduzierter Effektivität, während sich der Sog-Antrieb langsam erholte.
»Es wäre schön, wenn wir wüssten, welche Route Niagara genommen hat«, sagte Tunguska.
Auger beugte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf der gepolsterten Fläche des gewachsenen Tisches ab. Das Schiff hatte die Insassen aus seinem schützenden Griff entlassen und allen UR verpasst. Nun schwammen die winzigen Maschinen durch ihre Körper und bemühten sich hektisch, die genetischen Schäden zu korrigieren, die die ungedämpfte Strahlung der Raketenexplosionen verursacht hatte. »Ich dachte, Sie hätten gehofft, ihn zwischen den Portalen zu erwischen.«
»Richtig«, sagte der Slasher. »Und es hätte sogar gelingen können. Bedauerlicherweise war Niagara ein wenig zu schnell. Vermutlich hat er ein paar Sicherheitslimits überschritten, nachdem er wusste, dass wir ihn jagen.«
»Der Raketenangriff ist für uns buchstäblich nach hinten losgegangen«, sagte Floyd.
»Andererseits könnte uns das geholfen haben«, sagte Tunguska. »Vielleicht glaubt Niagara jetzt, dass sein Konterschlag uns vernichtet hat. Bei dem akustischen Lärm kann er kein Echo mehr von uns empfangen haben.«
»Also könnte es so oder so ausgehen«, sagte Auger. »Alles hat seine Vor- und Nachteile, nicht wahr?«
»Ich gestehe, dass es mehrere unbekannte Faktoren gibt.«
»Aber es wäre hilfreich, wenn wir wüssten, welchen Ausgang er benutzt hat«, bemerkte Auger.
Der Hypernetztransit hatte sie über mehrere tausend Lichtjahre durch die Galaxis geführt. Genauer musste Auger es gar nicht wissen. Vor ihnen lag noch mindestens ein weiterer Transit, möglicherweise waren sogar mehrere nötig. In Anbetracht der verknoteten Topologie der Hypernetzverbindungen konnten sie sonstwo landen, falls es ihnen gelang, Niagaras Spur zur AGS weiter zu verfolgen.
»Selbst wenn Niagara die nächste Penetration vor unserem Eintreffen vollzogen hat«, sagte Tunguska, »hoffe ich, dass es unmissverständliche Anzeichen gibt, welches Portal er angesteuert hat.«
»Und?« Auger trommelte ungeduldig mit einem Fingernagel auf dem Tisch.
Tunguska hatte bereits eine Darstellung der unmittelbaren Umgebung mit den vier benachbarten Portalen aufgerufen. Alle waren an anonymen Felsen verankert, die zu einem kompakten dunklen Doppelsternsystem gehörten, in dessen Ekliptik es nie zur Entstehung von größeren Planeten gekommen war. Es war eine lebensfeindliche Hölle, in der es von Hochenergiepartikeln wimmelte, die von der verzerrten Magnetosphäre der siamesischen Zwillingssonnen verschluckt und wieder ausgespuckt wurden.
»Bei maximalem Schub und mit abgeschalteten Sicherheitsdrosslungen hätte er jedes der drei Portale kurz vor unserem Auftauchen erreichen können«, sagte Tunguska. »Er muss davon überzeugt gewesen sein, dass der Molotow-Apparat diese extreme Beschleunigung aushält, ohne dass die Eindämmung versagt … aber vielleicht war er auch einfach nur bereit, dieses Risiko einzugehen.«
»Können Sie eine Triebwerksspur erkennen?«, fragte Auger.
»Nein. Hier gibt es zu viel Hintergrundstrahlung, um eine Ionisierungssignatur erkennen zu können.«
»Was ist mit den Portalen?«, fragte sie. »Hat das Personal nicht gesehen, welches er benutzt hat?«
»Hier gibt es kein Personal«, sagte Tunguska. »Abgesehen von Routinebesuchen zu Wartungszwecken arbeiten diese Portale vollautomatisch.«
»Haben vielleicht die Maschinen …?«
»Von allen drei kommen die gleichen Daten«, sagte Tunguska, der ihren Fragen immer schon einen Schritt voraus zu sein schien. »Alle wurden für die Penetration und den kontrollierten Kollaps aktiviert. Niagara hat das Signal an alle drei geschickt – wie jemand, der alle Türen in einem Korridor öffnet, um zu verschleiern, durch welche er tatsächlich hinausgegangen ist.«
»Schlauer Bursche«, sagte Floyd. »Das muss man ihm lassen.«
Auger vergrub das Gesicht in den Händen. Sie verspürte unendliche Verzweiflung, die beinahe in Wut auf Tunguska umschlug. Trotz seiner hochgezüchteten Technik, trotz seiner gelassenen Slasher-Weisheit war er machtlos gegen einen einzigen intelligenten Gegner. Sie wusste, dass es ungerecht war, aber sie konnte nicht anders. Von einem Zauberer erwartete sie Wunder und keine Entschuldigungen.
»Das ist gar nicht gut«, sagte sie. »Gibt es nicht irgendeinen anderen Hinweis? Er hat nur ein Schiff. Nur eins dieser Portale wurde tatsächlich benutzt.«
»Das ist der einzige Strohhalm, an den wir uns klammern können«, sagte Tunguska. »Zufällig weist eins der Portale eine leicht abweichende Kollapssignatur als die anderen beiden auf, die er hätte benutzen können. Wenn ich um Geld wetten müsste, würde ich sagen, dass es das ist, durch das er sein Schiff gequetscht hat.«
»Wie viel Geld?«, fragte sie lächelnd.
»Das sage ich Ihnen lieber nicht.«
»Also gut«, sagte Auger. »Wenn das der einzige Hinweis ist … dann müssen wir ihm auf jeden Fall folgen. Wenn wir drinnen sind, können wir ihn dann mit einem Echo orten?«
»Vielleicht«, sagte Tunguska. »Aber wenn es kein Echo gibt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass wir die falsche Tür gewählt haben. Er könnte uns einfach nur zu weit voraus sein.«
»Gibt es irgendwelche anderen Möglichkeiten?«
»Nein. Deshalb befinden wir uns bereits im Anflug auf das Portal mit der abweichenden Signatur. Sobald der Antrieb vollständig repariert ist, gehen wir auf maximale Verfolgungsgeschwindigkeit.«
»Gut«, sagte Auger. »Ich würde lieber einem Phantom nachjagen als hier herumzusitzen und nur darüber zu diskutieren.«
»Allerdings könnte es darauf hinauslaufen, dass wir wirklich nur einem Phantom nachjagen. Selbst wenn diese Signatur real sein sollte, lässt sie sich gerade noch erfassen. Wenn Niagara nur eine Stunde schneller gewesen wäre, hätten wir sie nicht mehr bemerkt.«
»Dann sollten wir keine Sekunde mehr verlieren.«
»Das ist das Problem.« Tunguska ersetzte die schematische Darstellung der vier Portale durch eine Karte des galaktischen Hypernetzes, die wie gesprungenes Glas aussah. Er zoomte einen kleinen Bereich heran und markierte einen Knotenpunkt aus vier Strängen. »Hier sind wir jetzt«, sagte er. »Und das ist – soweit wir es abschätzen können – der Punkt, wo Niagara nach einem achtstündigen Transit herauskommen wird.«
Er lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen Teil der Karte, ein paar Minuten weiter auf dem großen Ziffernblatt der galaktischen Uhr.
»Auch das ist ein Knotenpunkt mit mehreren Portalen«, sagte Auger.
»Insgesamt sechs, einschließlich des Portals, durch das wir eintreffen werden. Dort gibt es keine AGS, also kann das nicht Niagaras endgültiges Ziel sein. Er wird dort in ein weiteres Portal einfliegen.«
»Dann können wir nur hoffen, dass unser Trick zweimal funktioniert.«
»Ich fürchte, daraus wird nichts«, sagte Tunguska. »Der zeitliche Abstand zwischen seinem Aufbruch und unserem Eintreffen wird zu groß sein. Zwischen den Portalen werden wir keine Unterschiede in den Signaturen mehr ausmachen können, auch wenn sein Schiff nur eins von ihnen benutzt haben kann.«
»Und das bedeutet?«
»Sofern er auf dem Weg von hier nach dort nicht sehr großes Pech hat, haben wir ihn verloren.«
»Wir dürfen ihn nicht verlieren«, sagte Auger. »Dieser Fall darf einfach nicht eintreten.«
»Vielleicht müssen wir damit leben. Er kennt den Weg zur AGS. Wir nicht. So einfach ist das.«
»Cassandra hätte sich die Dokumente gründlicher ansehen müssen«, sagte Auger, während sie das seltsame Gefühl hatte, sich selbst tadeln zu müssen, weil ihr ein schwerer Fehler unterlaufen war oder sie etwas Entscheidendes übersehen hatte.
»Sie hat getan, was sie konnte«, sagte Tunguska. »Seinerzeit hatte sie nur eine vage Vorstellung, dass sie vielleicht von strategischer Bedeutung sein könnten. Wir können uns bereits glücklich schätzen, dass wir überhaupt etwas haben.«
»Glücklich?«, gab Auger zurück. »Wir können gar nichts mit der Fracht anfangen.«
»Tut mir Leid«, sagte Tunguska. »Wenn es etwas geben würde, das ich tun könnte … Aber wir werden die Verfolgung natürlich fortsetzen und darauf hoffen, dass wir Glück haben.«
»Mehr können Sie nicht bieten?«
»Ich fürchte, nein.«
Niemand sagte etwas, bis Floyd eine Hand hob. »Dürfte ich vielleicht einen kleinen Beitrag leisten?«