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Isa ist ratlos. Glücklich, aber total durcheinander. »Stell dir vor, ich soll nach München ziehen!«, empfängt sie mich nervös an der Wohnungstür. Zum Glück bin ich auf das Gespräch vorbereitet, sonst würde es mir sicher schwerfallen, aus Isas Gestammel die nötigen Informationen herauszusortieren. Tom hat ihr zwar nicht gleich einen Heiratsantrag gemacht, aber klargestellt, dass er fest auf eine gemeinsame Zukunft baut. Wenn ich es richtig verstehe, hat er schon von Hochzeit gesprochen, die er als obligatorischen Schritt ansieht.

»Bist du jetzt verlobt oder nicht?!«, frage ich verwirrt. DAS will man doch wissen!

Isa lacht fast hysterisch. »Das ist doch jetzt nicht die Frage! Ich muss erst mal entscheiden, ob ich im nächsten Monat nach München ziehen will!«

Mindestens eine Stunde diskutieren wir das Für und Wider. Natürlich will Isa Tom nicht verlieren. Aber soll sie hier echt alles hinschmeißen? Ist es tatsächlich so leicht, einen PJ-Platz in München zu bekommen, wie Tom glaubt? Will sie ihre Freundinnen verlassen? Wie wird sie, die so schwer auf Fremde zugehen kann, sich in dem neuen Umfeld einleben? Ich kann ihr gar nichts raten; klar würde ich sie schrecklich vermissen – aber wo Isa glücklicher wäre, kann ich wirklich nicht objektiv beurteilen!

Der Sonntag vergeht mit wilden Argumentationen. Jenny findet Tom mal wieder viel zu vereinnahmend und rät Isa dringend, sich noch nicht so festzulegen. Aber Isa ist kein Freigeist wie Jenny; ich habe das Gefühl, dass sie lediglich Angst vor dem Neuanfang in einer bayerischen Klinik hat, ein so frühes Bekenntnis zu lebenslanger Zweisamkeit mit Tom aber ganz wunderbar findet.

Mitten in unserer Diskussion klingelt es, vor der Tür steht Jennys Verehrer aus dem Asia-Imbiss. »Jetzt schlägt’s aber 13, meine Liebe!«, flüstere ich. »Ist deine Männersammlung denn immer noch nicht komplett?!« Jenny aber grinst nur und nimmt dem Jungen die Tasche ab. »Soll ich sie für euch zubereiten?«, fragt er hoffnungsvoll. Doch Jenny komplimentiert ihn lächelnd aus der Wohnung. »Die sind leider nicht zum Essen …«

Etwas verstört verschwindet der Junge. Wir sind nicht weniger irritiert, als Jenny die Tasche leert und drei frische Hühnerbrüste auf den Tisch legt. »Jetzt wird genäht, Mädels, wir wollen doch Sabrina ausstechen!«

Eine prima Idee! Ich vertage das Staunen darüber, dass ausgerechnet der sorglosen Jenny so eine brillante Arbeitsvorbereitung einfällt, und wir machen uns ans Werk. Gerade ich, die ich überhaupt noch keine OP-Erfahrung habe, kann von der zusätzlichen Übungsstunde nur profitieren. Isa verschärft die Bedingungen, indem sie Handschuhe austeilt und verbietet, dass wir im Sitzen nähen. »Ich schwöre, Lena, das Nähen ist im OP viel schwieriger als im Nähkurs für Medizinstudenten.«

Tatsächlich. Im Kurs habe ich ohne Handschuhe geübt und gemütlich auf einem Hocker gesessen. Mit Handschuhen rutscht der Faden ziemlich schlecht und vom Stehen vor dem niedrigen Tisch tut mir bald der Rücken weh. »Und was noch schlimmer ist«, warnt Isa, »im OP schauen dir alle zu …«

Eine Weile nähen wir hochkonzentriert, die Unterhaltung verstummt. Es dauert, bis ich endlich mit einer Naht zufrieden bin, doch Isa und Jenny loben mich überschwänglich. Ich bin in Fahrt. Ich könnte alles zunähen – Geschirrtücher, die Asia-Tasche, Jennys Zigarettenschachtel, die Blätter von Isas Topfpflanzen, unsere Lehrbücher. Ich muss mich richtig bremsen. Jetzt könnte mein erster OP-Einsatz aber wirklich mal kommen!

»Das würde mir entsetzlich fehlen«, sagt Isa leise. »Ihr … und eure herrlich schrägen Ideen.«

»Und mir wird fehlen, was für Kinkerlitzchen DU immer schon schräg findest!«, entgegnet Jenny lachend. Und dann schnappt sie unsere Übungs-Hühnchen vom Tisch und zaubert daraus ein traumhaftes Abendessen.

Am Montagmorgen legt Isa eine Zeitung auf den Frühstückstisch und fragt empört, wie wir das ganze Wochenende ihre Umzugspläne diskutieren konnten, ohne zu erwähnen, dass sie hier nicht nur zwei Freundinnen, sondern auch zwei so gefragte VIPs zurücklassen würde! Jenny und ich stürzen uns auf die Zeitung. Die erste Seite des Berlin-Teils füllt ein fröhlicher Artikel über das Magazin-Jubiläum, eine Fotostrecke zeigt, welch hochkarätige Gäste den Empfang beehrten. Auf dem untersten Foto stehen wir neben dem Damenklobesucher und lächeln um die Wette. Der Schauspieler ist natürlich das Hauptmotiv, unter dem Bild steht auch nur sein Name. Aber ich – die sonst allen Fotos in Vernichtungsmission hinterherpirschen muss, weil Bilder von mir stets nach Verbrecherkartei oder Alkoholwarnkampagne aussehen – bin einfach fabelhaft vorteilhaft getroffen. Keine roten Flecken, kein schiefes Grinsen. Jenny und ich flankieren den Schauspieler, als hätten wir nie etwas anderes gemacht als einen hervorragenden Eindruck – und als könnte man uns besten Gewissens jederzeit wieder dafür engagieren.

»Herrlich«, freut sich Jenny, »ich sehe aus wie ein verwöhntes It-Girl und du wie eine schrecklich teure Schauspielerin!« Dann legt sie das Blatt amüsiert zur Seite und Isa faltet es, um sich das Bild – sollte sie im nächsten Monat nicht mehr bei uns sein – in München über ihr Bett zu hängen. Ich beschließe heimlich, noch mindestens zehn Zeitungen zu kaufen. Wenn man einmal im Leben vorteilhaft abgelichtet wurde, sollte man keine Kosten und Mühen scheuen!

Das Foto ist auch in der Klinik bereits Gespräch; Schwester Jana empfängt uns mit stolzem Grinsen und hat die Zeitung schon überall rumgezeigt. Dr. Gode lächelt uns zur Morgenbesprechung breit an und erklärt, er habe bereits alle Kollegen damit neidisch gemacht, dass er die hübschesten PJlerinnen des Jahrgangs auf seiner Station versammelt habe. Jenny kokettiert ein wenig mit ihrer neuen Berühmtheit, selbst Felix hat die Zeitung gekauft. (Nur gut, dass Björn nicht mit auf dem Bild ist.) Mir wird es aber langsam peinlich, als mich Herr Kohler bei seiner Entlassung um ein Autogramm bittet.

Dass Felix der Chirurgie einen Besuch abstattet, um Jenny zu gratulieren, bleibt übrigens nicht unbemerkt. Als er verschwunden ist, fragt Schwester Jana neugierig: »Wie läuft es denn?«

Doch damit ist sie bei Jenny an der falschen Adresse. »Das geht ja wohl keinen was an«, entgegnet meine Freundin – zwar grinst sie, aber wer sie kennt, weiß, dass sie von solchen Vertraulichkeiten nichts hält.

»Denk nur dran, Mäuschen«, mahnt Jana besorgt, »du bist im Dienst!« Jenny lacht. Sie hat heute absolutes Oberwasser.

Die Arbeit geht mir so flott von der Hand, wie es für eine Lokalberühmtheit angemessen ist. Ich darf die gute Frau Schneider nach einer letzten Kontrolluntersuchung entlassen. (Und ich stelle mir nur ganz kurz vor, wie sie gleich zu Hause einen formvollendeten Kopfsprung in ein Schwimmbassin voll duftendem Kaffee macht.) Auch Frau Jahn scheint meine Warnungen ernst genommen zu haben und wirkt stabiler. Ich gebe außer der Thrombosespritze nur noch ein leichtes Schmerzmittel. Heute Nachmittag wird ein Physiotherapeut Frau Jahn besuchen und ihr den Umgang mit den Gehstützen zeigen.

»Wann darf ich raus?«, fragt sie und wirft einen besorgten Blick zu dem Schrank, in dem ich ihr Arbeitsmaterial eingeschlossen habe. Ich wünschte, sie könnte mal eine wache Stunde an etwas anderes denken als an ihre desolate Firma. Aber ich kann sie doch nicht permanent sedieren! »Morgen oder übermorgen«, antworte ich vage. »Aber Sie müssen sich weiter schonen!« Sie nickt schnell, als wolle sie mich loswerden. Mach dir nichts vor, Lena, diese Frau wird sich nicht eine einzige Minute ausruhen, sobald sie deinen Einflussbereich verlassen hat!

»Ich habe es immerhin nur mit dem Knie, mein Kopf ist vollkommen in Ordnung!«, beteuert Frau Jahn. »Und ich MUSS mich ums Geschäft kümmern! Ich muss hier raus, solange ich noch irgendwas retten kann!«

Ich WEISS! Aber ich versuche doch, DICH zu retten! Auch seelischer Druck kann die Rehabilitation gefährden und Frau Jahn macht jetzt schon einen so angespannten Eindruck! Darf ich sie entlassen, wenn ich weiß, dass sie sofort zum Schreibtisch humpeln und sich mit der Firmenrettung die Nächte um die Ohren schlagen wird?

Von heilungsgefährdendem Stress will Frau Jahn nichts hören. Stattdessen wird sie energisch. »Wenn Sie mich nicht gehen lassen, entlasse ich mich selbst, sobald ich wieder zwei Schritte laufen kann.«

Keine Sorge, ich lasse dich gehen. Keine Krankenkasse der Welt zahlt unnütze Kliniktage. Aber es tut mir nicht gut, zu wissen, dass ich sie in einen Alltag entlassen muss, vor dem ich sie eigentlich nur schützen möchte.

Vor der Mittagspause suche ich das Gespräch mit Dr. Gode. Ich berichte von Frau Jahns Arbeitssituation und den Sorgen, die ich mir um ihre Genesung mache. Dr. Gode gibt mir recht – eine Ausheilung unter geistigem Vollstress kann schwierig werden; eine Patientin, die nur in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sein wird, kann ich aber nicht unnötig hierbehalten. Ich schlage vor, dass wir für Frau Jahn eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme empfehlen. Sie könnte einen Monat zur Kur fahren und sich in Ruhe auskurieren.

Dr. Gode schüttelt den Kopf. »Und dann kommt sie nach vier Wochen zurück und ihr Geschäft ist ruiniert?« Ich weiß nichts zu entgegnen. Kann eine Firma wirklich so wichtig sein? »Frau Jahn ist ein erwachsener, voll zurechnungsfähiger Mensch. Sie können nicht über sie bestimmen, Frau Weissenbach. Sie müssen hinnehmen, was die Patientin entscheidet.« Das stimmt natürlich. Trotzdem. Dr. Gode wirkt gelassen. »Was ist das Schlimmste, was passieren kann?«

Ich schnappe nach Luft: »Dass der Heilungsprozess viel länger dauert? Dass sich die Wunde entzündet? Dass sie nie wieder richtig laufen kann, wenn sie die Reha nicht in Ruhe durchführt?« Was soll ich denn NOCH sagen?!

Dr. Gode bleibt ruhig. »Und was ist das Schlimmste, was geschehen kann, wenn sie noch vier Wochen nicht in ihre Firma zurückkehrt?«

Ich weiß. Frau Jahn glaubt, ihr droht der Ruin. Dr. Gode nickt. »Nun raten Sie mal, wie sich die Patientin entscheiden wird.« Ich hasse es, dass er recht hat.

Erst auf dem Weg zur Mittagspause fällt mir wieder ein, dass Ruben und ich uns am Freitag ein wenig im Unguten getrennt haben. Wird er mir nachtragen, dass ich mich für meinen beleidigten Abgang nicht entschuldigt habe?

Am Tresen steht gerade niemand, ich nutze die Gelegenheit, um ein paar Worte mit Ruben zu wechseln. »Tut mir leid, dass ich so komisch reagiert habe«, sage ich leise.

Und zum Glück ist Ruben versöhnlich; er lächelt mich an und entgegnet: »Tut MIR leid, dass ich mich eingemischt habe. Aber Papi will nur dein Bestes, das weißt du hoffentlich.« Ich nicke. Natürlich. Er grinst. »Und deshalb drückt Papi jetzt mal beide Augen zu und macht keine noch so winzige Bemerkung zu der albernen Szene, die er gleich nicht zu sehen bekommt.«

Wie bitte? Ruben nickt unmerklich in Richtung Eingang. Ich drehe mich um – und mein Herz klopft bis zum Hals. Tobias. Hilfe, wie hast du mir gefehlt! Er kommt herüber, ich bleibe einfach stehen. Wenigstens eine Sekunde neben ihm stehen, dabei kann doch niemand, niemand etwas vermuten.

Er tritt zu uns an den Tresen. »Hallo!«, seine Stimme ist warm wie immer. Ich lächle den Tresen an; das Glücksgrinsen will einfach nicht aus meinem Gesicht verschwinden. Ich strahle die Auslage an, als wäre sie aus Gold. Tobias wird ja wohl wissen, dass ich nicht den Sandwiches verliebte Augen mache.

»Na, Herr Doktor?« Ruben stellt Tobias einen Kaffee hin. »Hatten Sie Wochenenddienst?«

Tobias nickt. »Leider …«

Das ging an mich. Achtung, lieber Oberarzt, eigentlich ist es nicht deine Art, über Extraschichten zu klagen. Offenbar hat er das auch gemerkt, denn er fügt hinzu: »Doch die Patienten können es sich ja auch nicht aussuchen.« Schon besser, das klingt viel mehr nach dir.

»Aber einsam ist es, oder?«, grinst Ruben. »Es gibt sicher Dinge, die man lieber tun würde …« Nein, Ruben, du alter Teufel! Er weiß doch nicht, dass DU es weißt!

Tobias wirft mir einen Blick zu, ganz kurz, aber auch nicht eben unauffällig. Er lächelt – so lieb, dass ich ganz deutlich verstehe, was er mir über die Dinge, die er lieber getan hätte, jetzt nicht sagen kann. Und ich werde schon wieder rot. Dann sieht er auf und antwortet Ruben: »Wenn man sich für den Arztberuf entscheidet, sollte es nichts geben, was man lieber tun möchte.«

Ruben zieht eine Zeitung unter dem Tresen hervor. Mir wird unbehaglich, ich ahne, was kommt. »Auch der Arztberuf hat ja wirklich schöne Seiten, Herr Dr. Thalheim«, grinst Ruben und schlägt wie beiläufig die Berlin-Seite auf. Hilfe, nein, Schluss jetzt!

Doch Tobias überrascht mich immer wieder. Er wirft einen kurzen Blick auf mein Foto und sagt cool: »Ich weiß.« Damit nimmt er seinen Kaffee und geht.

»Ruben, du Satansbraten, das wirst du mir büßen!«, zische ich grinsend. Er zuckt die Schultern. »Eine minimale Entschädigung steht mir ja wohl zu!«

Ich leere meinen Kaffeebecher in einem Zug und verlasse hoch erhobenen Hauptes den Tresen. Das Echo des zwar gut verpackten, aber wunderbar liebevollen Oberarztkompliments hallt in meinem Kopf wider bis zur Chirurgiestation.

»Zack, zack«, ruft mir die schneidende Stimme der Oberärztin entgegen, als ich aus dem Fahrstuhl komme. »Wenn Sie EINMAL pünktlich sind, können Sie ja auch mal zeigen, was Sie können.« Werde ich diese EINE EINMALIGE Verspätung denn niemals los? Egal, jetzt ist keine Zeit, beleidigt zu sein. Ich folge Dr. Thiersch eilig in die Aufnahme. Dort liegt eine etwa 20-jährige Frau und krümmt sich vor Schmerzen. »Akute Appendizitiszeichen, Laborwerte und Sonografie sind eindeutig«, hackt Dr. Thiersch in die Luft. »Für eine Appendektomie vorbereiten, das Team ist gleich so weit.« Sie drückt mir die Akte der Patientin in die Hand und will den Raum verlassen. Ich soll allein? Aufklären, die Anästhesistin kommen lassen, die Patientin in den OP begleiten? Eine PJlerin darf doch gar nicht allein …

»Können Sie das oder nicht?«

Natürlich kann ich. »Das Aufklärungsgespräch darf ich aber nicht …« Schon wieder unterbricht sie mich.

»Das hier ist eine Not-OP, klar? Aufklärung habe ich durchgeführt.« Schnell, Lena, jetzt oder nie! »Darf ich assistieren?«, frage ich hastig.

Dr. Thiersch runzelt die Stirn. »Glauben Sie, ich hole jetzt jemanden aus der Mittagspause, nur um SIE zu ärgern?«

Aha. Heißt das, ich darf? Wahrscheinlich. Schon ist sie aus dem Raum gestiefelt und ich bin mit der Patientin allein. Übernehmen, Lena, du weißt, was ansteht.

»Eine Schwester bitte!«, rufe ich in den Flur. »OP-Kleidung. Und ein Zimmer vorbereiten!« Für eine Millisekunde leuchtet ein Bild in meinem Kopf auf – ich bin vielleicht sieben und brülle über den elterlichen Wohnungsflur: »Schnell, ein Notarzt zu mir, wir müssen amputatieren!« Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie es sein würde, wirklich hier zu stehen, aber ganz ganz kurz sehe ich mich wie aus der Vogelperspektive hier auf dem Krankenhausflur und schicke einen Gruß durch die Zeit an das kleine Mädchen.

Zurück ins Zimmer, ein Blick in die Akte: Anna Zietler, 26. »Wie geht es Ihnen, Frau Zietler?«, frage ich und nehme ihre Hand. Sie keucht, die Bauchschmerzen müssen furchtbar sein. »Keine Angst«, sage ich so ruhig ich kann. »Eine Blinddarm-OP ist so ziemlich die häufigste Not-OP, die Chirurgen können das im Schlaf.«

Dass ICH so was noch nie gemacht habe, erwähne ich natürlich nicht. Blitzschnell rattert es in meinem Kopf. Offene Appendektomie, was kann da schiefgehen? Wundheilungsstörung, postoperativer Ileus, Verletzung von anderen Darmabschnitten, Gefäßen oder Nerven. Jetzt bin ich doch dankbar, dass ich nur assistieren darf. Wäre das was für mich – Chirurgin? Jedesmal das Risiko, dass man durch eine minimale Unsicherheit oder ein winziges Versehen jemanden lebensgefährlich verletzt, statt ihn zu retten? Im OP zu stehen und zu wissen, jetzt kommt es darauf an, dass deine Hand nicht um einen Mikrometer verzittert? Die Patientin drückt meine Hand fest, ich merke, wie stark ihre Schmerzen sind.

»Haben Sie alles verstanden?«, frage ich. »Soll ich irgendwas noch mal erklären?« Sie schüttelt den Kopf. Ich erwidere den Druck ihrer Hand. Wir werden es schaffen.

Die Anästhesistin steckt den Kopf zur Tür herein. »Ist sie ansprechbar?« Sie wedelt mit ihrem Fragebogen. Ich verneine. »Irgendwo dort draußen wartet ihr Mann. Es wäre besser, wenn Sie so viel wie möglich mit ihm abklären.« Das klang souverän. Die Anästhesistin nickt. »Bis gleich!« Sie hat auch nicht gespürt, dass ich zum ersten Mal Anweisungen erteile. Eine Schwester bringt die OP-Kleidung, sie hilft mir, Frau Zietler umzuziehen und auf eine Trage zu betten. Dann übernimmt sie die persönlichen Sachen der Patientin und geht, um ein Zimmer vorzubereiten. Frau Zietler wird von einem Pfleger zur Patientenschleuse in den OP-Bereich gefahren und ich eile in die Umkleide.

Im Einleitungsraum der Anästhesie treffe ich die Patientin wieder. Die Anästhesistin hat bereits mit Frau Zietlers Mann den größten Teil ihres Bogens ausgefüllt und nur noch wenige Fragen. Anna Zietler antwortet, so gut sie kann, und verzieht immer noch schmerzhaft ihr Gesicht. Ich nehme ihre Hand. Die Anästhesiepflege schließt die Patientin an das Narkoseüberwachungssystem an und legt einen Venenkatheter an der Hand. Die Anästhesistin hält Frau Zietler eine Sauerstoffmaske vor das Gesicht. Dann werden die Medikamente zum Einschlafen verabreicht und endlich wird der Druck an meiner Hand weniger. Nur eine halbe Minute, dann liegt die Hand schlaff auf der Decke.

»Wenn ich intubiere, müssen Sie aber rausgehen«, sagt die Anästhesistin. »Schließlich werden Sie auch schon sehnsüchtig im Waschraum erwartet.« Ich nicke und will den Raum verlassen, ich sollte mich wirklich schleunigst waschen. »Ich heiße übrigens Miriam, wir sind uns noch gar nicht vorgestellt worden«, lächelt die Narkoseärztin. Ich sage meinen Namen und erwähne endlich auch, dass ich PJlerin bin. »Ach«, lacht Miriam, »ich habe mich schon gewundert, dass Sie hier so lange Händchen halten.« Wer mich kennt, weiß, dass ich mir prompt vornehme – falls es mich in die Chirurgie verschlägt – auch in zwanzig Jahren noch jeden Patienten Händchen haltend in den OP zu begleiten.

Nebenan sind schon alle bereit, der Chirurg, der sich neben mir die Hände wäscht, grinst mich an. »Erster Einsatz?« Ich nicke. »Irgendwas, was Sie gern ausprobieren würden?« Ich starre ihn an. Er lacht wieder. »Schneiden dürfen Sie nicht, aber halten und tupfen, okay? Und wenn Sie sich gut anstellen, zunähen.« Ich nicke, mehr bringe ich nicht fertig.

Nach dem Waschen folge ich dem Chirurgen in den OP-Saal. Die Schwester steht schon fertig im grünen Kittel am OP-Tisch. Auch ihr Auftritt entspricht irgendwie nicht meiner Vorstellung von der Ernsthaftigkeit der Situation. »Und ich hab noch nicht mal Mittag gegessen«, seufzt sie, als sie mir in den OP-Kittel hilft und die sterilen Handschuhe überstreift.

Hallo? Solltet ihr nicht über die Patientin sprechen, über das, was gleich passieren wird, meinetwegen sogar ein kurzes Gebet – aber nicht über Mittagessensentzug! Bleib cool, Lena, sagt die innere Stimme, die wissen alle, was sie tun. Ich beschließe, die allgemeine Lockerheit als gutes Zeichen zu nehmen – aber an den Flachsereien kann ich mich nicht beteiligen.

Die Patientin ist bereits steril mit grünen Tüchern abgedeckt. Mein Platz ist auf der linken Tisch-Seite, zwischen dem assistierenden Chirurgen und der instrumentierenden OP-Schwester, der Chirurg postiert sich rechts. Und dann geht es los. Diesmal wirklich.

Der Chirurg lässt sich das Skalpell reichen, setzt es an der Haut an und ruft »Schnitt!« in Miriams Richtung. Noch habe ich nichts zu tun und kann mich ganz darauf konzentrieren, die Eindrücke zu verarbeiten. Ich weiß, was getan werden muss, was hier geschieht. Ich habe tausendmal die Zeichnungen betrachtet, zahllose OP-Videos gesehen.

Nichts hat mich auf das hier vorbereitet, das Atmen der anderen, den Blutgeruch. Das Einzige, was mir helfen würde, wäre, dass mir endlich jemand was zu tun gibt.

Nach der Öffnung des Bauchraums werden die Haken angesetzt, ich greife wie automatisch zu. Halten, nicht ziehen, nicht zu heftig, nur festhalten, ruhig. Der assistierende Chirurg entnimmt einen Abstrich.

»Kompresse!«, sagt der Chirurg barsch. Ich? Ich kann doch nicht loslassen! Ruhig, Lena, du bist nicht gemeint. Die Schwester reicht die Kompresse, der Chirurg fasst damit nach der Appendix. »Klemmen!« Der Chirurg beginnt mit der Skeletierung. Niemals, in keinem Video meines Studiums, sah das SO aus!

Die Tabaksbeutelnaht wird vorgelegt – und jetzt wird es eng. Der Chirurg zu meiner Rechten hält den Braunolstiel, auf dem die Appendix liegt, während der Chirurg gegenüber sie vorsichtig abträgt. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, im Weg zu sein. Wo soll ich denn nur mit meinen Ellbogen hin? Ruhig, Lena, sage ich mir zum tausendsten Mal.

»Jetzt blutet’s hier ein bisschen«, sagt der Chirurg in Richtung des Tuches, hinter dem Miriam an ihrem Überwachungsmonitor sitzt. »Ein bisschen«?! Ist der noch gescheit?! Es blutet wie verrückt! Miriam spritzt einen Blutdrucksenker. »Besser?«, fragt sie, jemand antwortet: »Ja, besser«. Nur bei mir nicht. Absolut gar keine Besserung. Meine Beherrschung reicht gerade dafür, dass ich das nicht laut sage. Ruhig, Lena! Es ist nicht mehr viel. Absetzen der Appendix, Nahtverschluss, Tabaksbeutelnaht zuziehen und Z-Naht drübersetzen. So technisch klingt es gar nicht schlimm. Machbar. Bauchraum verschließen, Hautnaht. Das wäre dann vielleicht schon deine Aufgabe! Hat der Chirurg gerade etwas zu mir gesagt? Plötzlich höre ich ihn wie durch Watte. Vorher habe ich ihn doch trotz der Haube ausgezeichnet verstanden? Und woher kommt dieses Rauschen? Erst als die Ränder meines Sichtfeldes seltsam schwammig werden, merke ich, was los ist.

Mir wird nicht schlecht, aber immer schwummriger. Das Rauschen in meinen Ohren wird lauter und lauter … Nein, bitte nicht! »Übernehmen«, sagt eine Stimme, sehr weit weg. Ich sehe Punkte, schwarzes Wabern, es dröhnt in meinem Kopf. Jemand nimmt mir die Haken aus der Hand, dann schiebt er mich weg. Loslassen, Lena, jetzt!

Ich lehne an der Wand, atme, das Rauschen wird langsam leiser. »Na?« Vor mir steht der Chirurg. »Das Zunähen versuchen wir dann beim nächsten Mal!« Wie? Was? Ich bin hier, ich bin fit! Ich versuch’s. Die Patientin wird hinausgeschoben. Ist etwa schon alles vorbei? War ich wirklich ausgeschaltet? Er lächelt. »Ausziehen, waschen, fertig. Sie haben’s geschafft.«

Ich fühle mich als Versager. Das soll es jetzt gewesen sein? Ich habe die Hälfte der OP nicht mitgekriegt? Die Chirurgen lachen. »Was haben Sie erwartet?«, fragt der eine jovial. »Das passiert fast jedem!« Ach, Mann, aber MIR sollte es nicht passieren!

»Beim nächsten Mal«, sagt der andere und klopft mir auf den Arm. »Immerhin sind Sie ja nicht schon beim Aufschneiden umgekippt.«

»Und nicht mal auf den OP-Tisch gefallen!«, lacht die OP-Schwester. Gut, schön, vielen Dank, dass ihr es alle so locker nehmt. Aber mir wird das sicher noch eine Weile zu schaffen machen.

Als ich den OP-Bereich verlasse, fällt mein Blick wieder auf das Zeitungsfoto, das Schwester Jana an ihrem Tresen aufgestellt hat. »Du hast ja keine Ahnung!«, sage ich zu der grinsenden Papier-Lena.

Meine Freundinnen umarmen mich fröhlich, mein Aussetzer hat sich schon rumgesprochen. »Willkommen im Club«, grinst Jenny. »Das feiern wir heute Abend!« Immer schön, eine Freundin zu haben, die auch der mieseste Reinfall zu einer Party inspiriert. Schade, dass ich mich nicht mal eine Sekunde zur Nachlese zurückziehen kann. Schon schreit die Arbeit; Frau Schneider und Herr Kohler warten auf ihren Arztbrief und die Zukunft von Frau Jahn ist auch noch nicht endgültig besprochen. Also erst eine halbe Stunde Schreibarbeit und dann schnellstens zur Visite rennen! Wie schaffen eigentlich Leute ohne Glückskuli diesen ausufernden Papierkram?

Dr. Gode hat recht, Frau Jahn will von einer Kur nichts hören. »Das wäre schön«, sagt sie leise. »Aber es würde bedeuten, dass ich meine Firma den Bach runtergehen lasse. Und das tue ich für nichts in der Welt.«

Ich hasse es, dass ich sie nicht überzeugen kann. Aber ich habe heute keine Kraft mehr, zu diskutieren.

Am Abend hoffe ich nichts mehr, als dass ER auf mich wartet. Doch sein Wagen steht noch abgeschlossen am Parkplatzrand. Meine Freundinnen haben es eilig. »Vergiss nur nicht unsere Ohnmachtsparty!«, ruft Jenny mir zu. Ich gehe langsam. Immer langsamer. Endlich höre ich Schritte hinter mir. Nein, das sind zu viele. Ich höre Tobias’ Stimme, mit wem redet er? Als ich mich umdrehe, läuft Dr. Gode neben Tobias, ausgerechnet.

»Sie sind ja noch da!«, ruft der fröhliche Stationsarzt in meine Richtung. »Soll ich Sie mitnehmen?«

Nein, du sollst gehen! Ich weiß, du willst nett sein, aber du verdirbst mir gerade den Abend, auf den ich mich den ganzen Tag gefreut habe. Ich lehne höflich ab und schleiche weiter, so langsam ich kann. Dr. Gode bringt Tobias zum Auto. Mann, will er ihn auch noch anschnallen? Er wünscht einen schönen Abend und knallt Tobias’ Wagentür zu. Dann spaziert er zu seinem eigenen Auto. Kann ein Mensch noch langsamer laufen? Mein Blick wandert zwischen ihm und dem grünen Wagen hin und her. Tobias sollte jetzt abfahren. Er muss ja. Und als Dr. Gode ihm noch einmal winkt, tut er es auch. Dr. Gode schließt sein Auto auf. »Wollen Sie wirklich nicht mit?« Nein danke, du Blödmann. Ich schüttle den Kopf. Es dauert noch eine gefühlte Ewigkeit, bis auch Godes Auto vom Parkplatz kurvt. Und was mache ich jetzt?

Ich schleiche in Richtung S-Bahn, unendlich enttäuscht. Wieder ein Abend ohne ihn – und das nach dem schrecklich langen Wochenende. Ich versinke in tiefstes Selbstmitleid … so tief, dass ich den grünen Wagen, der mich überholt, fast übersehe. Tobias bremst am Straßenrand und öffnet die Beifahrertür. Mein Herz macht einen Satz, ich springe ins Auto.

»Ich konnte ihn einfach nicht loswerden«, sagt er.

»Macht nichts«, entgegne ich. »Hauptsache, du bist jetzt da!«

Er gibt Gas, ich lehne mich zurück, überglücklich, dass ich den schon abgeschriebenen Abend nun doch noch geschenkt bekomme. Und jetzt? Wohin? Werden wir endlich mal wieder eine halbe Stunde für uns haben? Gerade als ich mir ausmale, wie ein perfekter gemeinsamer Abend aussehen könnte, sieht er mich an. »Es ist idiotisch, Lena«, sagt er. »Wir müssen damit aufhören. Es ist nicht gut für dich. Unsere Arbeit leidet darunter. Ich habe das ganze Wochenende nur an dich gedacht.«

In einem anderen Universum hätte das ein zauberhaftes Kompliment sein können, hier und jetzt hat es etwas Verzweifeltes. Und irgendwie macht es mich wütend. »Dann lass mich hier aussteigen und ich sprech dich nie wieder an!« Wer hat das gesagt? Ich? Spinnst du, Lena?!

»Wenn ich das könnte, würde ich es tun!«, sagt er und klingt fast wütend. Und dann gibt er Gas. Was ist denn jetzt? Wenn du mich loswerden möchtest, musst du schon anhalten. Nein, du WILLST doch nicht aussteigen, Lena! Du willst, dass er dieses entschlossene Gesicht macht und aufgebracht und zu schnell die Kurven nimmt.

Wir fahren durch die Stadt, allmählich scheint Tobias sich zu beruhigen. Irgendwann sieht er mich wieder an. »Entschuldige. Ich hasse einfach diese Heimlichkeiten!« Ich nicke. Was soll ich sagen? Dass ich sie herrlich finde, weil ich endlich mal zeigen kann, was ich in der Spionageschule gelernt habe?

Eine Minute später bremst er vor einer kleinen Steintreppe. Wortlos steigt er aus, öffnet meine Tür.

»Was machen wir denn jetzt?«, frage ich verwirrt.

Er nimmt meine Hand. »Jetzt lassen wir uns das alles egal sein.«

Am Ende der steilen Treppe stehen wir auf einer Art Aussichtsplattform. Unter uns liegt Berlin, es funkelt und wirkt riesengroß. In der Mitte der Plattform steht ein rundes Gebäude, gedämpftes Licht dringt heraus, doch es stört nicht. Ich trete an das Eisengeländer und sehe über die Stadt.

»Schau mal da!« Tobias’ Stimme ist plötzlich ganz nah. Er steht hinter mir, zeigt über meine Schulter. »Erkennst du es?« Ein hell erleuchtetes Bauwerk. Ein Wagen mit Blaulicht fährt gerade vor. St. Anna. Ich bin überrascht, wie klein es von hier aus wirkt. Tobias legt den Arm um mich, ich lehne mich an ihn, könnte für immer hier stehen bleiben. Hinter der Klinik rattert ein beleuchteter S-Bahn-Zug vorbei, ich versuche, die Stationen zu verfolgen, um herauszufinden, wo unsere Wohnung liegt. Vergeblich, Berlin ist zu groß.

»Ich kann meine Wohnung nicht finden!« Ehe ich es mich versehe, habe ich schon wieder ausgesprochen, was ich denke, jetzt hält er mich garantiert für kindisch.

Doch er lacht, überlegt kurz und zeigt dann vage in eine Richtung. »Dort hinten muss es sein. Schau mal, mein Haus sieht man dafür ausgezeichnet.« Ha ha, ich KENNE ja dein Haus nicht! Er deutet nach links, schemenhaft erkenne ich ein Altbauviertel, mehr nicht. »Ich würde so gerne deine Wohnung sehen«, sage ich, wieder ohne zu überlegen.

»Sie ist wirklich unspektakulär«, antwortet er. Warum? Will er mich dort nicht haben? Versteht er nicht, dass ich irgendwas brauche? Ich möchte die Gewissheit haben, dass ich wenigstens in seinem Feierabendleben einen Platz bekommen kann! Und nicht das blöde Gefühl kriegen, er wolle uns nie mehr Nähe zugestehen als das hier.

»Du siehst sie schon noch«, sagt er und ich fühle mich mal wieder wie das blöde Kätzchen. Zu sehr angeschmiegt, am Nackenfell weggesetzt. (»Pah«, schnaubt der Kopfteufel, »wahrscheinlich hat er überhaupt keine Wohnung. Er lebt in seinem Auto und kuschelt sich dort allabendlich in seinen Kittel gehüllt zwischen Vordersitzen und Rückbank zusammen.«)

»Komm, es wird kalt!«, sagt Tobias.

Na toll, war es das schon wieder? Ich stolpere enttäuscht in Richtung Treppe. »Was ist?«, fragt er hinter mir. Was soll schon sein?! Ich gehe verdrießlich nach Hause in mein Bett! Doch als ich mich umdrehe, steht er vor dem runden Bau in der Mitte der Plattform und hält mir die Tür auf. »Keinen Hunger?«

Das runde Haus ist ein Restaurant, winzig klein, aber fast leer. Warum? Wissen die Berliner nicht, wie herrlich die Aussicht, wie romantisch die kleinen Nischen hier sind? Halt, stopp, wenn sie es alle wüssten, wäre es nicht so einsam, die Aussicht verstellt und die Romantik flöten. Ich geniere mich kurz für meine abgeliebte Jeans. Typisch Lena: Wenn du dich in schicke Strickkleid-Schale wirfst, geht alles schief und wenn du romantisch ausgeführt wirst, hast du garantiert nicht mal eine saubere Jeans an. Aber weder Tobias noch der Kellner scheinen sich daran zu stören. Wir bestellen Pasta, Tobias sucht Wein aus und ich habe noch niemals niemals niemals so gut gegessen.

»Glückwunsch! Auf deine erste halbe OP!«, sagt Tobias, als wir anstoßen. Leise Musik spielt, wir unterhalten uns und durch zeitlichen Abstand und zwei Glas Wein bin ich fast mit meinem Aussetzer versöhnt. Tobias findet es ebenfalls nicht schlimm, dass ich nicht bis zum Zunähen durchgehalten habe. Dann hebt er das Glas in Richtung Krankenhaus und sagt: »Und jetzt können sie uns alle gestohlen bleiben!«

Nach dem herrlichen Essen bleiben wir sitzen, solange es mit einigem Anstand vertretbar ist. Auf dem Heimweg sprudelt es immer noch in mir. Tobias fährt mich nach Hause, wir küssen uns zum Abschied. Ich werde ganz übermütig, wenn ich daran denke, dass wir uns vielleicht morgen in der Klinik wiedersehen und wortlos aneinander vorbeigehen werden. Dass all die anderen dort keine Ahnung haben. »Halt die Augen offen!«, sage ich draufgängerisch. »Vielleicht gebe ich dir morgen mal ein geheimes Zeichen!«

Er küsst mich und lacht. »Untersteh dich!« Dann steigt er ins Auto und braust davon und ich sehe ihm nach. Wie immer ziemlich durcheinander, aber verrückt glücklich.