DREIZEHN

 

 

 

 

 

 

 

»Hoheit ... oder sollte ich lieber Majestät sagen?« Anbiedernd verneigte sich der ehemalige Große Sehende des Re und lächelte Prinz Sethherchepeschef verschwörerisch zu.

»Bis jetzt noch Hoheit«, erwiderte Sethi und legte sich bequem zurück. »Doch wenn die Götter mir gnädig sind, dann bald Majestät.« Er grinste selbstzufrieden. »Wie kommt es, dass du dich hier bei mir in Per-Ramses sehen lässt? Ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört.«

»Stimmt, mein Prinz. Ich musste vorsichtig sein. Ramses hatte seine Wachhunde auf mich losgelassen. Ich durfte mir keinen Fehler erlauben. Nacht war bereits festgenommen worden, doch zum Glück ist Ramses rechtzeitig zu den Göttern gegangen, bevor der Prozess gegen ihn aufgenommen werden konnte.«

»Das ist richtig, Ramose. Nacht hofft jetzt sicher, dass er auch niemals aufgenommen werden wird, wenn ich die Doppelkrone trage, und ich halte mein Wort. Nach meiner Thronbesteigung werde ich ihm seine Freiheit zurückgeben und ihn begnadigen.«

»Das wird ihn freuen, zu hören.«

»Du hast mir noch nicht auf meine Frage geantwortet, was dich nach Per-Ramses verschlagen hat?«

Ramose zuckte mit den Schultern. »Wie ich bereits sagte, Hoheit, ich musste mich in der letzten Zeit ruhig verhalten, aber nun gibt es dafür keinen Grund mehr. Ich bin gekommen, um meinem zukünftigen König zu dienen.« Er neigte den Kopf.

Sethherchepeschef grinste breit. »Hast du Angst, dass ich mein Versprechen nicht halte?«

»Nein, mein Prinz, ganz und gar nicht, doch es gibt ein paar Dinge, die die Vollendung deines Planes scheitern lassen könnten.«

»Was?« Sethi klang verärgert. »Was sollte das wohl sein?«

»Hori«, erwiderte der ehemalige Hohepriester gelassen und griff nach einer Dattel. »Bis jetzt ist er der Thronfolger und noch mit dem Krieg gegen die Fremdländer beschäftigt. Was wird aber sein, wenn er rechtzeitig in Abydos erscheint, um das Ritual der Mundöffnung an der Mumie seines Vaters vorzunehmen?«

»Das lass meine Sorge sein.« Die Stimme des Prinzen hatte sich merklich abgekühlt. »Weder Hori noch einer von Ramses’ Brüdern wird rechtzeitig in Abydos erscheinen.«

»Also gut, Hoheit. Vielleicht gelingt es dir, Ramses vor Beendigung des Kriegs beizusetzen, doch was ist mit Chaemwaset? Der Nomarch des thebanischen Gaus wird auf jeden Fall in der heiligen Stadt des Osiris erscheinen. Und er hat genauso viel Anspruch auf die Krone wie du – wenn nicht sogar ein wenig mehr.«

»Hüte deine Zunge, Priester!«, zischte Sethherchepeschef und funkelte Ramose böse an.

Dieser ließ sich nicht einschüchtern. Er widmete sich einer weiteren Dattel, bevor er weitersprach: »Chaemwaset ist Ramses’ Halbbruder und zudem mit Bakenwerel vermählt, einer Tochter von Osiris Ramses VI. und seiner Großen Königlichen Gemahlin. Und vergiss nicht seinen Sohn Amuni, der mit Ramses’ Tochter Titi verheiratet ist. Ihre Ansprüche sind, mit Verlaub, bei Weitem höher als die deinen, Hoheit, denn du hast nicht einmal eine Gemahlin, die neben dir auf dem Thron der Beiden Länder sitzen wird. Dir dürfte bekannt sein, dass die Beiden Länder nur von einem Königspaar regiert werden dürfen.«

Sethis Zorn war, während Ramose gesprochen hatte, erneut aufgeflammt, verrauchte aber sehr schnell, denn der alte Priester hatte recht. Seit alters her gab es stets neben dem Pharao eine Große Königsgemahlin, die alles Böse vom Herrn der Beiden Länder abhielt. Er war zwar zweimal verheiratet gewesen, doch beide Frauen waren gestorben. Wehmütig überkamen Sethi die Erinnerungen an seine erste Gemahlin, die ein paar Monate nach ihrer Niederkunft ihr Leben gelassen hatte. Er verdrängte diesen traurigen Gedanken und sah dem degradierten Ramose fest in die Augen.

»Am Tag meiner Krönung werde ich eine Frau neben mich befehlen, die von da an meine Große Königliche Gemahlin sein wird.«

Ramose lächelte unverhohlen. »Du denkst an die Zweite Prophetin des Osiris, habe ich recht? – Hoheit, ich weiß, was du für diese Frau empfindest, doch sie ist die Gemahlin eines anderen.«

»Das ist mir egal, Ramose. Das allein war der Grund für all das, was ich getan habe. Soll ich nun kurz vor dem Ziel aufgeben?«

»Nein, Hoheit, doch bedenke: Es ist selbst dem Herrn der Beiden Länder nicht erlaubt, eine verheiratete Frau zur Gemahlin zu nehmen. Allerdings bist du nach deiner Krönung der Herr über Leben und Tod. Tue es, wenn es dich nach ihr verlangt, aber nicht am Tag deiner Krönung. Du würdest nicht nur die Götter, sondern auch dein Volk erzürnen.«

»Das Volk?« Sethherchepeschef lachte verächtlich auf. »Es wird den Staub unter meinen Sohlen küssen, wenn ich ihnen das Getreide aus meinen Lagerhäusern zur Verfügung stelle, aber du hast recht. Vielleicht sollte ich wirklich ein paar Wochen warten. Ich habe nun schon mehr als sechs Jahre gewartet. Es kommt in der Tat nicht mehr auf ein paar Monate an. Sollen die beiden Priester ordnungsgemäß das Ewige Haus meines Neffen in Abydos verschließen. Ich kann mich solange gedulden.« Der Prinz grinste hinterhältig. »Doch dann gehört sie mir!«

Ramose konnte sich ein belustigtes Grunzen nicht verkneifen. Sethi war endlich über Ramses’ Westliches Haus in Abydos informiert, doch noch immer ahnte er nicht, wer Meritusir war und dass sie auch ihm, dem zukünftigen Hohepriester des Osiris, gehören würde.

»Also hast du noch immer keine Gemahlin, die neben dir sitzen wird, wenn du den Doppelthron besteigst«, kam er zum Thema zurück.

»Es wird sich schon eine finden«, erwiderte der Prinz gelassen.

»Doch es wäre gut, wenn sie aus königlichem Geblüt wäre«, ließ Ramose nicht locker.

»Ist das nicht einerlei?«

»Möglich, Hoheit, doch es wäre besser. Immerhin wird durch die königlichen Frauen das Anrecht auf die Herrschaft weitergegeben. Und in deinem Falle ...« Ramose setzte eine besorgte Miene auf.

»Ich werde darüber nachdenken, Ramose, oder könnte es sein, dass du mir nicht nur gute Ratschläge erteilst, sondern auch schon eine Gemahlin für mich im Auge hast?« Stirnrunzelnd musterte Sethi sein Gegenüber mit leicht zusammengekniffenen Augen.

Vielsagend schmunzelte Ramose. »Es wird sicher nicht Isis sein, denn ihr Lebenswille ist gebrochen, sodass sie nicht einmal mehr die Kraft aufbringen wird, um für die Doppelkrone für ihren Sohn zu kämpfen. Nubchesbed ist da weitaus gefährlicher, doch diese wirst du sicher nicht heiraten wollen. Sie ist zu alt.«

Sethi zog wie zur Bestätigung des Gesagten ein langes Gesicht. »Ich hoffe, du hast mir noch einen besseren Vorschlag zu unterbreiten.«

»Ich habe an Ramses’ Halbschwester Bintanat gedacht. Sie wurde durch ihren Halbbruder wegen Meineids verurteilt und auf Lebenszeit in den Harim Mer-ur verbannt. Ich glaube kaum, dass es dir schwerfallen wird, sie zu deiner rechtmäßigen Gemahlin und treu ergebenen Verbündeten zu machen.«

Überrascht blickte Sethi von seinem Weinbecher auf, den er sich gerade an den Mund geführt hatte. »Bint-a-nat?«, wiederholte er, jede Silbe betonend. »Meine kleine verliebte Nichte hatte ich schon fast vergessen.« Nachdenklich sog er die Luft ein und stieß sie wieder aus. »Doch sie liebt Amunhotep.«

»Na und, Hoheit? Da wird doch etwas zu machen sein, oder?« Ramose machte ein zuversichtliches Gesicht. »Nachdem du Amunhotep seines Amtes enthoben und mich in dieses berufen haben wirst, wird er sicher nicht noch wort- und tatenlos zusehen, wenn du ihm auch seine Gemahlin nimmst. Ich denke, es wird sich schon alles von allein regeln.« Heimtückisch grinste er Sethi an.

»Du bist ein kluger, aber auch sehr hinterhältiger Mann«, stellte Sethherchepeschef fest. »Ich sollte mich vor dir in acht nehmen.«

»Mitnichten, Hoheit. Ich tue alles nur, um dir zu dienen.« Ergeben senkte er den noch immer kahl rasierten Schädel und verharrte so einen Moment, bevor er ihn wieder hob. »Und ich hoffe, dass du dich erkenntlich zeigen wirst.«

 

* * *

 

Zwei Tage später befand sich Sethi an Bord seiner Prunkbarke und ließ sich von den Ruderknechten geschwind ins Faijum bringen, um sich mit Bintanat zu treffen. Eile war geboten, denn er wollte Per-Ramses nicht zu lange fernbleiben, um weder Nubchesbed noch Nehi die Möglichkeit zu geben, in seiner Abwesenheit gegen ihn zu arbeiten.

Nubchesbed hatte sich nach seiner Regierungsübernahme zurückgezogen, doch Sethherchepeschef war sich sicher, dass sie der Festigung seiner Macht nicht tatenlos zusehen würde. Zusammen mit Nehi und anderen königstreuen Beamten konnte sie ihm gefährlich werden. Das hatte sie bereits bewiesen, als sie nach Nachts Festnahme eine Botschaft an Ramses verfasst hatte, in der sie ihn mit all den Unterschlagungen in Verbindung bringen wollte und Ramses gebeten hatte, ihn, Sethherchepeschef, festnehmen und verhören zu lassen.

Wütend knirschte Sethi bei diesem Gedanken mit den Zähnen.

Glücklicherweise gab es genug ihm treu ergebene Beamte, und so hatte dieses Schreiben den Pharao nie erreicht.

Bis jetzt hatte er die alleinige Kontrolle über das verwaiste Land. Nach außen gab er sich als loyaler Vertreter des Regenten und zukünftigen Pharaos, sodass die verblendeten Höflinge und hohen Würdenträger, die nichts von seinen wahren Absichten ahnten, ihm bisher wohl gesonnen waren und sich anbiederten.

»Wenn ihr wüsstet«, murmelte er leise vor sich hin. »Wenn ich erst die beiden Kronen trage, werde ich schon die Spreu vom Weizen trennen.«

Sie hatten den Harim Mer-ur erreicht.

In den Strahlen der untergehenden Sonnenbarke verließ Sethi sein Schiff und begab sich in die für ihn zurechtgemachten Gemächer.

Kurz darauf stand die Verwalterin vor ihm.

»Es ist uns eine Ehre, Hoheit, dich in dieser schweren Zeit bei uns begrüßen zu dürfen«, säuselte die robuste Frau und verneigte sich tief vor dem Prinzen. »Darf ich den Grund für dein Kommen erfahren?«

»Du darfst«, erwiderte Sethi, über die Unterwürfigkeit der Vorsteherin sichtlich amüsiert. »Ich will sichergehen, dass nach der Krönung des neuen Pharaos genug edles Leinen bereitgehalten wird, um den Wünschen Seiner Majestät entsprechen zu können.«

Dieser Grund war so fadenscheinig, dass selbst der gut geschulten Frau der Mund sprachlos offen stand, doch pflichtschuldig nickte sie.

»Es wird das Auge Deiner Hoheit erfreuen, was für edles, feines Leinen die Damen dieses Harims zu weben verstehen. Es ist eines Königs würdig.«

»Das hoffe ich für sie.« Sethi machte eine Pause und betrachtete seine gepflegten Hände. »Wie geht es eigentlich Prinzessin Bintanat?«

Die Harimsvorsteherin schluckte. »Du meinst die Dienerin, Hoheit? Sie kommt gewissenhaft ihrer Arbeit nach, auch wenn sie das nicht von Anfang an getan hat. Doch die langen Jahre harten, entbehrungsvollen Lebens haben sie demütig werden lassen.«

»Ich will sie sehen!«

«Wie du befiehlst, Hoheit.« Die Frau verneigte sich und wartete auf ihre Entlassung. »Dann gehe und hole sie!«

Verneigend zog sich die Vorsteherin zurück.

Kurze Zeit später wurde dem Prinzen Bintanat gemeldet.

Als die in Ungnade gefallene Prinzessin das Zimmer betrat, musste Sethi zweimal hinschauen, bevor er sie erkannte.

Bintanats einst so strahlende Schönheit war einer unterwürfigen, gebeugten Gestalt gewichen. Das rabenschwarze, glänzende Haar war kurz geschnitten und hing zerzaust und glanzlos um ihre eingefallenen Wangen. Sie trug ein derbes, halblanges Kleid und an den Füßen einfache Sandalen aus Papyrusrinde.

Sethi schluckte bestürzt.

Als er Bintanat vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen hatte, war sie zweiundzwanzig Jahre alt gewesen. Heute erschien sie ihm doppelt so alt.

»Komm näher, Bintanat, und sieh mich an!«, forderte er sie auf.

Gehorsam kam die Prinzessin seinem Befehl nach, während ihre Augen ihn stumpf und teilnahmslos anblickten. Als sie ihn schließlich erkannte, kam Leben in sie.

»Du? – Was willst du von mir?«, fauchte sie ihn an. Mit einem Mal war sie wieder die Bintanat, die Sethherchepeschef von früher kannte.

»Ist das etwa die richtige Begrüßung einer verurteilten, niederen Dienerin für einen königlichen Prinzen und den Regenten der Beiden Länder?«

Überrascht sah Bintanat ihn an. »Ich verstehe nicht ganz«, sagte sie verunsichert.

»Ach, wusstest du es nicht?« Sethi schmunzelte belustigt. »Ich habe nach Ramses’ Tod die Regentschaft übernommen.«

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Nein, es hat mir niemand gesagt. Ich wusste auch nicht, dass du mich hier erwartest.« Ihr Erstaunen legte sich und wich einer unübersehbaren Gehässigkeit. »Na, Sethherchepeschef, hast du endlich diese Meritusir zur Frau bekommen oder liegt sie noch immer in den Armen von Amunhotep?« Bei der Erwähnung des Namens des Osiris-Hohepriesters wurde ihr Blick wehmütig.

»Noch immer in ihn verliebt, liebe Nichte?« konterte Sethi schadenfroh, und ihm entging nicht, wie Bintanat die Zähne zusammenbiss. »Doch wenn es dich befriedigt, meine Liebe, auch ich habe nicht die Frau bekommen, die ich mir erträumt habe. Ramses verwehrte sie mir. Sie hingegen verschmähte mich und nahm Amunhotep zum Gemahl.«

Auf Bintanats Gesicht zeigte sich ein hämisches Grinsen. »Also wurdest auch du in gewisser Weise von Ramses bestraft.«

»So könnte man das sagen, aber nun ist er zu den Göttern gegangen, und niemand wacht mehr über seinen Einzigen Freund und dessen Frau.«

»Wie soll ich das verstehen?« Bintanat sah ihren Onkel aus leicht zusammengekniffenen Augen fragend an. »Ist Amunhotep bei Hori in Ungnade gefallen?«

»Nein, mein Herz, bei Hori sicher nicht, aber bei mir«, bekannte Sethi, der sich seiner Nichte nun offenbaren wollte.

Was konnte er schon verlieren? Bintanat war wegen falscher Beschuldigungen und Meineid vom Pharao bestraft worden. Wer würde ihr glauben, wenn sie ausplaudern würde, was er ihr zu sagen hatte?

»Doch nicht du bist der rechtmäßige Thronfolger, sondern Hori«, riss sie ihn aus seinen Überlegungen.

»Das stimmt, doch ich bin der derzeitige Regent, und der rechtmäßige Regent ist nicht da. Sollte er nicht in Abydos zur Beisetzung seines Vaters erscheinen, werde ich die Mundöffnung vornehmen und mich somit für die Thronfolge legitimieren.«

Bintanat öffnete vor Verwunderung den Mund. Sie benötigte einen kurzen Moment, bevor sie antwortete: »Du willst dir die beiden Kronen aufs Haupt setzen lassen?« Sie rang nach Luft. »Das ... das ist ungeheuerlich«, stieß sie mühevoll hervor.

»Ach wirklich? Wäre es für dich auch ungeheuerlich, wenn du dadurch deine Freiheit wiedererlangen würdest?«

»Diesen Traum habe ich schon lange ausgeträumt.«

»Das glaube ich dir nicht. Spätestens als dich die Nachricht erreichte, dass Ramses getötet wurde, hast du ihn wieder zu träumen begonnen.«

Bintanat schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich? Hori hätte keinen Grund, mich zu begnadigen. Er ist Ramses’ Sohn und sein Thronerbe!«

»Aber ich habe einen Grund dazu, und ich biete dir noch mehr, meine Liebe.« Belustigt sah Sethherchepeschef zu seiner Nichte, die ihn verständnislos, aber auch neugierig anstarrte. »Wenn ich den Thron der Beiden Länder besteige, brauche ich an meiner Seite eine Große Königsgemahlin. Wie du weißt, bin ich nicht verheiratet, obwohl ich das in der Zwischenzeit wieder einmal war, aber auch meine zweite Frau ist zu den Göttern gegangen. Ich mache dich zu meiner Gemahlin. Wenn die Zeit reif ist, wirst du den Platz räumen und ihn Meritusir überlassen. Bist du dazu bereit?«

Bintanat war unfähig, zu antworten. Ungläubig blickte sie ihren Onkel an und brachte kein Wort heraus. Stattdessen stammelte sie unverständliche Worte, die Sethherchepeschef köstlich amüsierten. Als sie sich nach einer Ewigkeit endlich gefasst hatte, sah sie ihm fest in die Augen.

»Du willst mich hier also herausholen, damit ich dir auf den Thron verhelfe«, fasste sie das soeben Gehörte noch einmal zusammen, »doch wenn die Zeit gekommen ist, verstößt du mich, um diese Meritusir an deine Seite zu holen? Habe ich das richtig verstanden?«

Sethi nickte. »Das ist es, was ich von dir will, wobei das Wort verstoßen nicht richtig gewählt ist. Du wirst nur zu gegebener Zeit einsehen, dass dich die Aufgaben einer Großen Königlichen Gemahlin überfordern. Also wirst du mich bitten, eine andere dazu zu ernennen. Du hast dann auch weiterhin einen festen Platz an meiner Seite, aber nur an zweiter Stelle.«

Bintanat seufzte. »Und was ist mit Amunhotep? Hast du nicht selbst gesagt, dass die beiden verheiratet sind? Wie also willst du an die Frau kommen, wenn Amunhotep noch lebt?«

Sethi kicherte vergnügt. »Ich bin dann Pharao, meine Liebe, der Herr über Kemi und jedes Lebewesen in den Beiden Ländern. Was ich sage und anweise, sind göttliche Befehle, denen sich kein Sterblicher zu widersetzen hat. Und komme mir jetzt nicht mit der Maat. Das habe ich schon tausend mal tausend Male gehört!«

Nachdenklich runzelte die Prinzessin die Stirn. »Also nimmst du sie dir, obwohl ihr Gemahl noch lebt«, stellte sie nüchtern fest und hob den Blick zur Decke, um ein wenig Bedenkzeit zu bekommen. Dann sagte sie: »Wenn ich das für dich tun soll, Sethi, wenn ich für dich gegen die göttlichen Regeln verstoßen soll, dann fordere ich eine Gegenleistung von dir.« Herausfordernd sah sie ihn an und registrierte, dass er überrascht die linke Augenbraue in die Höhe zog. »Wenn du dich in den Armen der von dir heiß begehrten Frau vergnügst, verlange ich, dass du mir ebenfalls dieses Vergnügen gönnst, und zwar mit dem Mann, den ich heiß begehre.«

Sethherchepeschef war etwas irritiert. »Soll ich Amunhotep in dein Bett befehlen?«, fragte er und schüttelte verständnislos den Kopf.

»Dir wird schon etwas einfallen, geliebter Onkel. Tue du das für mich, und ich tue alles für dich, was du von mir wünschst.«

»Ich soll also Amunhotep zu deinem willigen Diener machen und zulassen, dass du ihm vor meiner Nase deine Beine öffnest?«

»Ja, Sethherchepeschef, das ist meine Bedingung. Du musst einfach nur wegschauen oder die Augen verschließen. Dann wird es dich auch nicht stören, was ich für Spielchen mit dem Hohepriester treiben werde.«

Nachdenklich stützte der Prinz den Kopf in die rechte Handfläche und betrachtete seine Nichte.

Bintanat wollte ihn erpressen, obwohl er derjenige war, der die Macht in Händen hielt. Nur durch sein Wort würde sie ihre Freiheit wiedererlangen. Trotzdem musste er sich eingestehen, dass auch er sie brauchte. Sie war der Schlüssel zu seiner Thronbesteigung, denn Ramose hatte recht – ohne eine Gemahlin konnte ein Pharao nicht die Beiden Länder regieren. Und seine Herrschaft mit einem Verstoß gegen die Maat zu beginnen, wäre sicher nicht ratsam.

Er nickte bedächtig. »Ziehe dich wieder zurück und halte den Mund über das, was wir besprochen haben, Bintanat. Ich werde noch einmal über alles nachdenken und dich meine Entscheidung wissen lassen. Sollte ich mich mit deiner Forderung einverstanden erklären, wirst du es rechtzeitig erfahren, wenn nicht, wird es dir auch nichts nützen, über das zu reden, worüber wir hier gesprochen haben. Denn bitte vergiss nicht, liebe Nichte: Du wurdest wegen falscher Beschuldigungen und Meineid verurteilt. Im Wiederholungsfall droht dir eine weitaus härtere Strafe als die, die dir durch Ramses auferlegt wurde.«

Mit einer Handbewegung gebot er Bintanat, zu gehen, was diese wortlos tat. Zuvor jedoch bedachte sie ihn mit einem bitterbösen Blick, der Sethherchepeschef köstlich amüsierte.