FÜNFZEHN
Sethis großer Tag war gekommen, auf den er jahrelang hingearbeitet hatte. Heute sollten ihm endlich die Beiden Kronen aufs Haupt gesetzt werden. Nubchesbed hatte sich zwar geweigert, ihm bei seiner Krönung als Göttin Isis zur Verfügung zu stehen, und auch Ramses’ Witwe kam dafür nicht in Betracht. Dennoch blickte Sethi freudig dem Ereignis entgegen, denn keine Geringere als Meritusir würde die Rolle der Göttin übernehmen.
Und so stand die Zweite Prophetin des Osiris auf dem Vorhof von Opet-sut und wartete darauf, die vorgeschriebenen Worte zu sprechen. Sie trug ein eng anliegendes weißes Kleid und an den Füßen mit Edelsteinen besetzte Sandalen. Ihren Kopf zierte eine schulterlange Perücke, die durch einen Stirnreif mit dem Abbild eines Throns bekrönt wurde, dem Hieroglyphenzeichen der Göttin Isis. Ein mehrreihiger Halskragen aus Lapislazuli und Gold sowie passende Arm- und Fußreife vervollständigten ihre Erscheinung, die der der Göttin, die sie verkörperte, in nichts nachzustehen schien.
Hoch erhobenen Hauptes trat sie vor den Thron des Pharaos. »Majestät. Die Götter haben bestimmt, dass die Beiden Länder nur von einem Königspaar regiert werden können. Deshalb, Bintanat, trete vor und stelle dich hinter den Thron deines Gemahls Usermaatre Achenamun Ramses-Sethherchepeschef Meriamun, so wie ich hinter dem Thron meines Gemahls Osiris stehe.«
Meritusir wurde übel, als sie den Namen der Prinzessin aussprach. Auch die Würdenträger hielten entsetzt die Luft an, als Bintanat in die Mitte des Hofes vor den Thron des Pharaos trat. Gemurmel wurde hörbar, verstummte aber sofort, als der Herrscher seinen Blick drohend über die Masse schweifen ließ.
Nachdem Bintanat sich neben Meritusir aufgestellt hatte, erhob sich Sethherchepeschef und kam die Stufen hinunter, um seiner Großen Königsgemahlin die Doppelfederkrone aus zwei aufrecht stehenden Straußenfedern aufs Haupt zu setzten.
»Hiermit ernenne ich dich zur Herrin der Beiden Länder«, proklamierte er salbungsvoll. Er nahm Meritusir die Krone aus den Händen und setzte sie Bintanat auf die hundertzöpfige Perücke, die durch einen dicken Goldreif gehalten wurde.
»Ich werde den König vor allem Unheil beschützen, damit er seiner göttlichen Pflicht, die Beiden Länder im Sinne von Maat zu regieren, nachkommen kann«, erwiderte Bintanat pflichtgemäß und verneigte sich vor Sethi, der von diesem Tag an als Ramses VIII., Ramses-Sethherchepeschef, regieren würde.
Dann zeigten sie sich gemeinsam ihrem Volk, das bei ihrem Anblick in brandenden Jubel ausbrach.
Erneut hatte die Maat über das Chaos gesiegt. Das von den Göttern geliebte Rote und Schwarze Land hatte wieder einen Pharao. Der Fortbestand der Beiden Länder war gesichert.
Nach dem Krönungszeremoniell begab sich Ramses-Sethherchepeschef in seinen Palast, um die Huldigungen und Geschenke seiner Untertanen entgegenzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wollte er auch die hohen Würdenträger in ihren Ämtern bestätigen oder sie derer entheben, um die Posten neu zu besetzen.
Während dieser endlosen Stunden, in denen die obersten Priester aller Götter des Landes, die Nomarchen und Abgesandten der Vasallen ihm seine Aufwartung machten, musste sich Ramses-Sethherchepeschef des Öfteren ein Gähnen verkneifen. Erst als die beiden obersten Propheten des Osiris vor seinem Thron auf die Knie fielen, wurde er wieder munter. Doch schon mussten sich Meritusir und Amunhotep wieder erheben, denn die Schlange der Wartenden, die sich ihrem neuen Gott zu Füßen werfen wollten, war noch lang.
Als der letzte Abgesandte seinen Kniefall vor ihm gemacht hatte, gab Ramses-Sethherchepeschef seinem Obersten Herold ein Zeichen, dass für heute Schluss sei. Er hatte keine Lust, sich noch weitere Stunden anstarren zu lassen. Viel lieber wollte er sich endlich auf dem Fest zu seinen Ehren amüsieren. Er wollte essen und trinken und anschließend Bintanat zu seiner Frau machen. Die Ernennungen und Degradierungen konnten bis zum nächsten Morgen warten. Sollten doch all diese Speichellecker noch eine weitere Nacht um ihr angesehenes Amt bangen oder sich in der Hoffnung verzehren, ein besseres zu bekommen als das, welches sie bereits bekleideten. Sethi war das einerlei.
Er erhob sich und begab sich in seine privaten Gemächer, um sich für das Fest neu zu kleiden.
* * *
Am nächsten Morgen trat Ramses-Sethherchepeschef zum ersten Mal seinem göttlichen Vater Amun-Re in seinem goldenen Schrein gegenüber. Er hatte zwar die Nacht vor seiner Krönung vor dem geöffneten Naos gewacht und gebetet, doch das morgendliche Ritual war etwas völlig anderes. Es ging darum, den Gott zu erwecken und ihn zu lobpreisen. Die Statue des Amun musste gewaschen, gesalbt und gekleidet werden. Der Gott musste mit Nahrung versehen und mit Weihrauch, Gebeten und Gesang eingeladen werden, den angebrochenen Tag in seinem Tempel zu verbringen.
Nesamun selbst hatte Sethi Tage zuvor in die heiligen Riten eingeführt, die ab nun er, Ramses-Sethherchepeschef, täglich zu zelebrieren hatte, soweit es seine Zeit erlaubte.
Res Barke stand bereits hoch am Himmel, als er wieder aus dem Heiligtum trat. Unverzüglich begab er sich in seinen Palast zurück, um mit Bintanat zu speisen und im Anschluss die Ämter neu zu vergeben.
Als das Frühstück beendet war, wurde ihm ein Bote aus dem östlichen Delta gemeldet, der sich bäuchlings vor ihm auf die bunt gemusterten Fliesen des Gemaches warf.
»Erhebe dich und sage mir, was du für Nachrichten bringst!«, forderte er ihn hoheitsvoll auf.
Gehorsam erhob sich der Mann, blieb aber mit gesenktem Blick vor dem Pharao stehen. »Majestät, Prinz Prehi lässt dich grüßen und wünscht dir und deiner Großen Königlichen Gemahlin Leben, Heil und Gesundheit für die bevorstehende Herrschaft. Weiterhin soll ich dir ausrichten, dass er zusammen mit den Bootstruppen und den Divisionen des Ptah und des Seth die Feinde aus Kemi verjagt hat. Sie wurden in einer letzten großen Schlacht vernichtend besiegt. Seine Hoheit hat Hunderte von Gefangenen gemacht und dazu noch dreiundzwanzig seetüchtige Schiffe erbeutet. Hinzu kommen zahlreiche Waffen, darunter auch viele aus Eisen.«
Ramses-Sethherchepeschefs Augen leuchteten auf. »Richte dem Prinzen und den Soldaten aus, dass sie sich meines Dankes sicher sein können. Ich werde sie belohnen, wenn ich wieder in Per-Ramses bin.« Mit einer Handbewegung gebot er dem Mann, sich zurückzuziehen.
Der Bote verneigte sich und verschwand, während Sethi seine Gemahlin triumphierend anstrahlte.
»Es herrscht Frieden, Bintanat. Der Krieg ist vorbei. Ist das nicht ein gutes Zeichen für mein Erscheinen auf dem Thron der Beiden Länder?«
Die Königin sagte kein Wort und knabberte appetitlos an einem Stückchen Melone. Sie hatte geglaubt, dass Sethi sie nur für seine Legitimierung auf dem Thron benötigen würde, doch am Abend zuvor war er in ihrem Schlafgemach erschienen und hatte seine ehelichen Rechte eingefordert. Bintanat musste sich zwar eingestehen, dass Sethherchepeschef ihr nicht weh getan hatte. Im Gegenteil, er war sehr zärtlich und liebevoll gewesen, doch eigentlich stand ihr nicht der Sinn nach ihrem Onkel, sondern nach Amunhotep.
»Was ist los, meine Schöne, hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Nein«, erwiderte sie verstimmt und sah Sethi mürrisch an. »Ich würde es für mich als gutes Zeichen werten, wenn du nachher den Hohepriester des Osiris seines Amtes enthebst und ihn zu meinem Diener machst.«
Ramses-Sethherchepeschef lachte schallend. »Ach, ist es das, was dir auf den Magen geschlagen ist, meine Liebe? Und ich dachte schon, du wärst noch so immer beeindruckt von der vergangenen Nacht, dass du mir nicht antworten kannst.«
Sie schnitt ihm ein Gesicht.
»Na, so schlimm kann es für dich nicht gewesen sein. Immerhin hat sich noch keine Frau bei mir beschwert. Zudem hatte ich den Eindruck, dass es dir gefallen hat.«
»Wenn du das sagst«, konterte Bintanat. »So toll bist du nun aber auch nicht im Bett. Oder hattest du ernsthaft geglaubt, du wärest mein erster Mann?« Ein schadenfrohes Grinsen malte sich ihr ins Gesicht.
»Nein, meine Liebe, das habe ich sehr wohl bemerkt, doch es stört mich nicht weiter. Wir sind jetzt vermählt, und es wird Zeit, dass ich ein paar Söhne zeuge. Bisher haben meine Gemahlinnen mir nur Töchter geboren, doch um meine Thronfolge zu sichern, benötige ich Söhne.«
»Du erwartest doch hoffentlich nicht von mir, dass ich diejenige bin, die deine Brut austrägt?«, zischte Bintanat und funkelte Sethi wütend an. »Hole dir dafür diese Meritusir in dein Bett und gib mir ihren Gemahl!«
Sethherchepeschefs Miene wurde schlagartig kalt. »Hüte deine Zunge, Bintanat. Bedenke, dass ich dich jederzeit wieder dahin zurückschicken kann, wo ich dich herausgeholt habe, und niemand, aber auch wirklich niemand wird es mir verbieten. Also sei gehorsam und komme deinen Pflichten nach. Dann werde ich mich eines Tages auch erkenntlich zeigen und die Augen verschließen, wenn du einen anderen Mann als mich in dein Bett lassen wirst.«
Beleidigt senkte die Königin den Blick und schluckte. »Wie du befiehlst, Majestät. Ich werde gehorchen.«
»Gut, dann haben wir uns also verstanden!« Sethi erhob sich und sah von oben auf Bintanat herab. »Beeile dich beim Ankleiden. In einer Stunde will ich mit dir an meiner Seite in den Thronsaal treten!« Er drehte sich um und war kurz darauf aus dem Gemach verschwunden.
* * *
Eine Stunde später klopfte der Oberste Herold mit seinem Amtsstab dreimal auf den vergoldeten Boden des Thronsaals im Palast von Theben. Augenblicklich fielen die geladenen Würdenträger auf die Knie. Als sie sich wieder erheben durften, warfen sie ihrem neuen Herrscherpaar verstohlene Blicke zu und warteten gespannt auf das, was kommen sollte.
Als Erstes wurde die persönliche Dienerschaft des Herrn der Beiden Länder in ihre neuen Ämter berufen und die des zu den Göttern gegangenen Königs dieser enthoben. Einzig Prinz Merenptah verblieb als Oberst der Leibwache des Pharaos, wurde aber dem bisherigen Hauptmann von Ramses-Sethherchepeschefs Getreuen unterstellt. Dafür wurde das Amt des Obersten Königlichen Arztes an Hui vergeben, den Leibarzt von Sethi, der seine Freude über diese Ernennung nicht verbergen konnte. Freudestrahlend trat er vor seinen Gebieter, um die Zeichen seiner neuen Würde zu empfangen.
Das alles war nicht ungewöhnlich. Den Anwesenden fiel aber auf, dass sie Nehi nicht in der Nähe des Pharaos erblicken konnten. Wenig später erfuhren sie dann, warum.
»Der Wesir Nehi möge vortreten«, befahl Ramses-Sethherchepeschef mit kraftvoller Stimme.
Ein Raunen wehte durch den Saal.
Gelassen trat der Aufgerufene vor den Thron, wo Ramses-Sethherchepeschef von ihm den einstmals von seinem Vorgänger verliehenen Amtsstab und Ring zurückforderte.
Würdevoll kam Nehi dieser Aufforderung nach und verneigte sich. Er war jetzt einundsiebzig Jahre alt und hatte unter zwei Pharaonen als Wesir gedient. Nach dem Bekanntwerden, dass Sethherchepeschef das Ritual der Mundöffnung vorgenommen hatte, war ihm bewusst gewesen, dass damit seine letzten Stunden als Pharaos oberster Beamter angebrochen waren. Mit einer schlichten Handbewegung wurde ihm erlaubt, sich wieder an seinen Platz zurückzubegeben.
Bedächtig ließ Ramses-Sethherchepeschef den Blick über die versammelten Würdenträger schweifen, die gespannt die Luft anhielten. Dann öffnete er langsam den Mund und verkündete den Namen des Mannes, der Nehi in seinem verantwortungsvollen Amt nachfolgen sollte.
Überraschte Ausrufe wurden laut. Neugierig reckten viele die Hälse, um den Glücklichen mit eigenen Augen zu sehen, der vom Pharao mit so viel Vertrauen geehrt wurde.
Ein mittelgroßer Mann Mitte vierzig trat aus der Menge heraus vor den Thron und verneigte sich ehrerbietig. Sowohl sein leicht angegrauter Kinn- und Backenbart als auch die syrische Frisur ließen keinerlei Zweifel an seiner Herkunft aufkommen. Er war zwar kemitisch gekleidet, doch stand es außer Frage, dass er ein Fremdländischer war.
Bei seinem Anblick wurde Meritusir speiübel. Unwillkürlich begann sie zu taumeln und musste sich am Arm ihres Gemahls festhalten, um nicht zu fallen. Der Name des mächtigsten Mannes nach Ramses-Sethherchepeschef lautete nicht nur Senbi, es war tatsächlich ihr ehemaliger Herr! – Doch schien sie eine der wenigen zu sein, die den Kaufmann wiedererkannte.
Hoheitsvoll nahm Senbi aus Sethis Händen die Zeichen seiner neuen Würde entgegen, wofür er sich überschwänglich bedankte. Dann stellte er sich rechter Hand hinter den Thron des Pharaos.
»Das kann nicht sein«, hauchte Meritusir, der jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Flehend glitt ihr Blick zu Amunhoteps Gesicht. »Das ist mein Peiniger! – Wie kann Sethherchepeschef einem Mann, der wegen Vergewaltigung und Mordversuch zum Tode verurteilt wurde, das Amt des Wesirs übertragen?«
Amunhotep schien nicht bewusst gewesen zu sein, dass es sich bei dem soeben ernannten Wesir um jenen Senbi handelte, der seine Gemahlin monatelang gequält und gedemütigt hatte. Er hatte den Kaufmann niemals kennengelernt, doch nun musterte er ihn mit zusammengekniffenen Augen. Meritusir hatte ihm im Laufe der Zeit immer mehr Scheußlichkeiten erzählt, die ihr dieser Mann zusammen mit seinen beiden Gehilfen angetan hatte.
Unwillkürlich ballte Amunhotep die Fäuste.
Dann schluckte er die aufkommende Wut herunter und legte liebevoll den Arm um seine Frau.
Trotz der vereinzelt aufgekommenen Unruhe hatte Ramses-Sethherchepeschef mit der Neubesetzung der Posten in der Zwischenzeit fortgefahren.
Der Vizekönig von Kusch wurde in seinem Amt bestätigt genau wie Prinz Chaemwaset, der Nomarch des thebanischen Gaus. Dafür enthob Sethi Thotmose, den Obersten Richter von Theben, seiner Position. An seine Stelle trat Nachtanch, der Medjai-Hauptmann von Theben, der nun zwei ehrenvolle Ämter innehatte. Die gesamte hohe Priesterschaft des Amun-Re wurde in ihren Ämtern bestätigt und Prinz Chaemwaset für den von den Göttern gerichteten Senenmut zum Vierten Propheten ernannt. Nefertem, der Hohepriester des Ptah, musste weichen und Platz machen für Ptahhotep, der sein Glück kaum fassen konnte. Auch Chaemwasets Sohn Nebmaatre wurde seines Amtes als Erster Prophet des Re enthoben. An seine Stelle trat wieder Ramose. Sethi hatte tags zuvor ein Gespräch unter vier Augen mit Chaemwasets Sohn geführt, in dem er dem jungen Mann die Stellung des zweiten Gottesdieners angeboten hatte, aber Nebmaatre hatte dankend abgelehnt. Er wollte niemandem im Wege stehen.
Anschließend glitt Ramses-Sethherchepeschefs Blick über die Würdenträger und blieb an Meritusir und Amunhotep haften. »Ich bestätige die gesamte hohe Priesterschaft des Großen Gottes Osiris in ihren Ämtern.«
Überrascht sahen sich Meritusir und Amunhotep an. Mit dieser Entscheidung hatte keiner von beiden gerechnet. Ihre Freude dauerte jedoch nicht lange.
»Amunhotep soll vor meinem Thron erscheinen!«, hörten sie die Stimme von Ramses-Sethherchepeschef.
Gelassen trat Amunhotep vor den Thron und verneigte sich.
»Ich entbinde dich von deinen Pflichten als Oberster Vorsteher über die königlichen Bauarbeiten«, erklärte Ramses-Sethherchepeschef. »Allerdings wirst du noch deinen unerfüllten Pflichten in Abydos nachkommen! Hast du mich verstanden?«
Amunhotep bejahte, denn er wusste, was Sethi damit meinte. Dann griff er nach dem Ring an seinem Finger und reichte ihn dem neu ernannten Wesir zusammen mit dem dazugehörigen Amtsstab. Dabei trafen sich sein und Senbis Blick, in dem er außer Kälte und Niedertracht nichts Freundliches entdecken konnte.
Senbi ging es nicht anders. Er wusste von Sethherchepeschef, dass Satra nun einen neuen Namen trug und mit dem Hohepriester des Osiris vermählt war. Er taxierte sein Gegenüber genau und hasste den Mann, ohne ihm jemals zuvor begegnet zu sein.
Als sich Amunhotep zu seinem Platz in der Menge der Würdenträger zurückbegab, folgte Senbi ihm mit den Augen, bis er die verhasste Frau fand, der er acht Jahre in der Fremde zu verdanken hatte.
Du Miststück!, durchzuckte es ihn. Wie gerne würde ich dich meinen beiden Gehilfen übergeben, damit sie dich zu Tode prügeln.
Er knirschte bei dieser Vorstellung genüsslich mit den Zähnen, während sein Blick fest auf ihr geheftet blieb und jeder ihrer geschmeidigen Bewegungen folgte, als sie vom Pharao aufgerufen wurde und zum Thronpodest schritt.
»Ich ernenne dich zur Obersten Magierin Meiner Majestät«, tönte Ramses-Sethherchepeschef durch den Saal. Er stand auf und ging auf die Priesterin zu. In seinen Händen hielt er eine prachtvolle Kette, an der drei goldene Fliegen befestigt waren – die höchste Auszeichnung, welche man tapferen Soldaten verlieh, die ihre Feinde wie eine lästige Fliege umschwirrt und ihnen unentwegt zugesetzt hatten. »Ich überreiche dir das Ehrengold, Meritusir, denn dir allein ist es zu verdanken, dass die feindlichen Schiffe im Delta vernichtend und ohne Verluste besiegt wurden«, sagte er, während er Meritusir die Kette um den Hals legte. »Möge deine Magie mich und die Beiden Länder auch in Zukunft vor allem Unheil bewahren.«
Meritusir war sprachlos. Sie verneigte sich und stolperte benommen zu ihrem Gemahl zurück.
Die Würdenträger machten ihr respektvoll Platz, denn es war inzwischen im gesamten Land bekannt, dass diese Frau den Fluss zum Brennen gebracht hatte. Und wer außer einer großen Magierin konnte schon so etwas zustande bringen?
Es folgten weitere Ernennungen und Degradierungen, doch die von Ramose erhofften blieben aus, denn Sethi hatte sich alles noch einmal in der Nacht zuvor genau durchdacht.
Dem neuen Pharao war bewusst, dass er mit Bintanats Krönung die Beamten und Würdenträger überraschen und mit Senbis Ernennung zum Wesir all jene, die den Kaufmann wiedererkannten, schockieren würde. Er wollte sie nicht alle vor den Kopf stoßen, indem er auch noch Amunhotep seines Amtes enthob. Ramose musste sich eben noch ein wenig gedulden. In Heliopolis sollte er sein altes Amt erhalten, doch auf das des Hohepriesters von Abydos würde er noch etwas warten müssen.
Ganz bewusst hatte Sethi auch die Mitglieder der königlichen Familie in ihren Ämtern belassen, um sich deren Loyalität zu sichern. Einzig Nehi hatte er degradieren müssen. Der alte Wesir konnte ihm gefährlich werden. Gleiches befürchtete er von Nubchesbed, die er zu gegebener Zeit zusammen mit Ramses’ Gemahlinnen, seinen Nichten und deren unmündigen Kindern auf die Harims des Landes verteilen würde. Sollten sie dort alt und grau werden. Hauptsache, sie konnten ihm nicht mehr gefährlich sein.
* * *
»Ich hätte nie geglaubt, dass Sethi dich in deinem Amt belässt«, meinte Meritusir, als sie abends zusammen mit Amunhotep im Bett lag. »Wenn ich vergessen könnte, dass er Senbi zum Wesir ernannt hat, würde ich beinahe sagen, dass ich ihm unrecht mit all dem getan habe, was ich von ihm gedacht habe. Doch er hat einen wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes verurteilten Mann in das höchste Amt des Landes berufen. Das sagt wohl einiges aus.«
»Das stimmt, Meritusir, doch mache dir keine Gedanken deswegen. Dieser Senbi wird es nicht wagen, die Hand gegen dich zu erheben. Dafür wird wiederum Sethi sorgen. Niemals wird er es zulassen, dass dir jemand etwas Böses antut.«
»Vielleicht weiß er überhaupt nicht, was er für eine Schlange an seiner Brust nähren wird?«, gab sie zu bedenken und strich Amunhotep mit dem Zeigefinger über die haarlose Brust. »Senbi hat sich in dieser langen Zeit ziemlich verändert. Selbst ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt, doch seine Stimme werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen können.«
»Möglich, dass Ramses-Sethherchepeschef nicht weiß, wer Senbi wirklich ist, doch ehrlich gestanden glaube ich das nicht. Ich frage mich nur, wie die beiden zusammengefunden haben und warum er ihm den höchsten Posten im Land anvertraut.« Amunhotep machte eine Pause und sah nachdenklich an die Decke. »Und vergiss bitte nicht, dass er ganz genau weiß, wer seine Große Königsgemahlin ist und was sie verbrochen hat.«
Meritusir nickte und ließ sich von Amunhotep in den Arm nehmen. »Senbi – dieser böse Dämon der Unterwelt«, murmelte sie und schmiegte sich an ihren Gemahl. »Wenn es nicht gegen die Maat und meine persönliche Einstellung verstoßen würde, würde ich ihn eigenhändig erwürgen für das, was er mir angetan hat. Zumindest wünsche ich ihm die Pest an den Hals.«
Schmunzelnd strich Amunhotep ihr über den Rücken. »Belege ihn doch mit einem bösen Zauber, meine kleine Magierin«, schlug er vor. »Das dürfte dir doch nicht schwer fallen, nachdem du sogar das Wasser des Nil zum Brennen gebracht hast.«
»Du weißt genau, dass das nichts mit Zauberei zu tun hatte«, erwiderte sie gereizt. »Selbst der dümmste Bauer hätte das fertiggebracht. Und außerdem habe nicht einmal ich die Krüge in den Fluss entleert, sondern die Soldaten waren es.«
»Ja, liebe Schwester, aber sie haben überall herumerzählt, dass du vorher die Hände über den Krügen ausgebreitet und Beschwörungsformeln gemurmelt hast, in denen du Seth gebeten hättest, das Schwarze Blut des Gottes Geb zum Brennen zu bringen und hinterher die Flammen zu löschen.«
»Das ist Unsinn, Amunhotep!« Meritusir hatte sich aus Amunhoteps Armen gelöst und stützte den Kopf auf ihren rechten Arm. »Vielleicht hat uns wirklich der Große Gott Seth geholfen, das alles verzehrende Feuer zu löschen. Es stimmt auch, dass er mir den Weg gewiesen hat, doch es ist Öl, ganz gewöhnliches Öl. Ich gab ihm den Namen das Schwarze Blut des Gottes Geb, da es sich im Innern der Erde befindet. Die Leute in der Wüste haben es Wasser des Seth genannt, weil sie es fürchten, doch in meiner Sprache heißt es schlicht und einfach Erdöl. Das hat nichts mit Zauberei zu tun.«
»Ich weiß, Meritusir, du hast es mir gesagt, und ich glaube dir, weil mir bekannt ist, wer du bist. Alle anderen wissen das nicht und würden es deshalb nie verstehen.« Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie näher zu sich heran. »Trotzdem bist du ab heute die Oberste Magierin Seiner Majestät.«
Meritusir musste plötzlich lachen. »Und auch noch Vorsteher über die königlichen Bauarbeiten und Zweite Prophetin des Großen Gottes Osiris. Und das alles als Frau! Wenn man in dreitausend Jahren irgendeinen Hinweis darauf finden sollte, werden die Gelehrten ganz schön dumm aus der Wäsche schauen.«
Sie kicherte vergnügt vor sich hin und kuschelte sich an ihren Gemahl. Kurze Zeit später waren beide tief und fest eingeschlafen.