KAPITEL 16
Die Welt als Polder:
Was bedeutet das alles für uns?
Einleitung- Die drängendsten Probleme ■ Wenn wir das nicht in den Griff bekommen ... ■ Leben in Los Angeles ■ Einwände ■ Vergangenheit und Gegenwart ■ Anlässe zur Hoffnung
Bisher haben wir uns in diesem Buch immer wieder mit der Frage befasst, warum es Gesellschaften in Vergangenheit und Gegenwart gelungen oder nicht gelungen ist, ihre ökologischen Probleme in den Griff zu bekommen. Das nun folgende letzte Kapitel beschäftigt sich mit der praktischen Bedeutung dieser Erkenntnisse: Welche Lehren können wir heute aus alledem ziehen?
Zunächst möchte ich darlegen, welchen wichtigen ökologischen Problemen unsere heutigen Gesellschaften gegenüberstehen und in welchen Zeiträumen sie zur Bedrohung werden können. Als Einzelbeispiel für die Auswirkungen, die sich aus diesen Problemen ergeben können, werde ich die Region untersuchen, in der ich seit 39 Jahren zu Hause bin: den Süden Kaliforniens. Danach beschäftige ich mich mit den häufigsten Einwänden, mit denen heute versucht wird, die Bedeutung der Umweltprobleme herunterzuspielen. Da mein Buch zur Hälfte den historischen Gesellschaften gewidmet war, aus deren Schicksal wir für die heutige Zeit etwas lernen können, werde ich die Unterschiede zwischen der Welt der Vergangenheit und unserer Zeit betrachten und mich der Frage widmen, welche Lehren wir aus der Geschichte ziehen können. Und für alle, die nun fragen, was der Einzelne denn tun könne, biete ich am Ende in dem Abschnitt »Weiterführende Literatur« einige Vorschläge an.
Nach meinem Eindruck lassen sich die schwersten ökologischen Probleme, mit denen die Gesellschaften in Vergangenheit und Gegenwart sich auseinander setzen müssen, in zwölf Kategorien einteilen. Acht davon gab es auch früher schon, vier jedoch (Nummer 5, 7, 8 und 10 - Energie, Obergrenze der Fotosynthese, giftige Chemikalien und Veränderungen der Atmosphäre) sind erst in jüngerer Zeit zum Problem geworden. Die ersten vier betreffen die Zerstörung oder den Verlust natürlicher Ressourcen; bei drei weiteren geht es um Obergrenzen für die Nutzung natürlicher Ressourcen; dann folgen drei gefährliche Dinge, die wir herstellen oder transportieren; und die beiden letzten sind Bevölkerungsfragen. Beginnen wir also mit den natürlichen Ressourcen, die wir zerstören oder verlieren: natürliche Lebensräume, wild wachsende Nahrungsmittel, Artenvielfalt und Boden.
1. Wir zerstören immer schneller natürliche Lebensräume oder verwandeln sie in Lebensräume menschlichen Zuschnitts, beispielsweise in Städte und Dörfer, Ackerland und Weiden, Straßen und Golfplätze. Insbesondere die Zerstörung von Wäldern, Feuchtgebieten, Korallenriffen und Meeresboden hat zu zahlreichen Diskussionen geführt. Wie ich im vorangegangenen Kapitel erwähnt habe, wird weltweit bereits mehr als die Hälfte aller ursprünglich vorhandenen Waldflächen anderweitig genutzt, und wenn die Umwandlung sich mit der derzeitigen Geschwindigkeit fortsetzt, wird innerhalb der nächsten 50 Jahre ein weiteres Viertel der noch verbliebenen Wälder anderen Zwecken dienen. Dieser Waldverlust stellt einen Verlust für uns Menschen da, insbesondere weil die Wälder uns Holz und andere Rohstoffe liefern, aber auch weil sie ökologisch nützlich sind - sie schützen unsere Wassereinzugsgebiete, verhindern die Bodenerosion, sind eine entscheidende Station im Wasserkreislauf, der für einen großen Teil unserer Niederschläge verantwortlich ist, und bilden den Lebensraum für die meisten landlebenden Pflanzen- und Tierarten. Waldzerstörung war ein wichtiger und manchmal sogar der wichtigste Faktor beim Zusammenbruch aller Gesellschaften früherer Zeiten, die in diesem Buch beschrieben wurden. Wie ich in Kapitel 1 im Zusammenhang mit Montana erläutert habe, ist außerdem nicht nur die Zerstörung und Umwandlung der Wälder von Bedeutung, sondern auch der Strukturwandel in den bewaldeten Lebensräumen, die uns noch verbleiben. Unter anderem führt diese veränderte Struktur zu einem anderen Ablauf von Waldbränden, sodass Wälder, Buschlandschaften und Savannen stärker durch seltene, dafür aber katastrophale Brände gefährdet sind.
Außer den Wäldern werden auch andere wertvolle natürliche Lebensräume zerstört. Unter den Feuchtgebieten der Erde ist der Anteil, der vernichtet, geschädigt oder umgewandelt wurde, sogar noch größer als bei den Wäldern. Feuchtgebiete sind von Bedeutung für die Qualität unserer Wasserversorgung, sie bilden die Lebensgrundlage für die wirtschaftlich wichtige Süßwasserfischerei, und selbst die Meeresfischerei braucht Mangrovensümpfe, die den Lebensraum für die Jungtiere vieler Fischarten bilden. Etwa ein Drittel aller Korallenriffe - die mit ihrem unverhältnismäßig hohen Anteil aller im Meer beheimateten Arten das Gegenstück zu den tropischen Regenwäldern bilden - sind bereits schwer geschädigt. Setzt sich die derzeitige Entwicklung fort, ist bis zum Jahr 2030 ungefähr die Hälfte der noch verbliebenen Riffe verloren. Schäden und Zerstörungen entstehen hier vor allem durch das Dynamit, das zunehmend in der Fischerei eingesetzt wird, sowie durch Algen (»Seetang«), die ein Riff überwuchern, wenn die großen Pflanzen fressenden Tiere, die sich normalerweise von ihnen ernähren, abgefischt werden, aber auch durch ausgewaschene Sedimente und die Giftstoffe aus benachbarten Landstrichen, die gerodet oder in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden, und durch das Ausbleichen der Korallen, das auf die steigenden Wassertemperaturen zurückzuführen ist. Seit einiger Zeit weiß man, dass auch die Netzfischerei in flachen Meeren große Teile des Meeresbodens und die von ihm abhängigen Arten vernichtet.
2. Wilde Lebensmittel, insbesondere Fische und in geringerem Umfang auch Muscheln, stellen einen beträchtlichen Anteil der von Menschen verbrauchten Proteinmenge dar. Letztlich erhalten wir diese Proteine kostenlos (abgesehen von den Kosten für Fang und Transport der Fische), und damit vermindert sich unser Bedarf an tierischem Protein, das wir in Form von Haustieren selbst heranzüchten müssen. Etwa zwei Milliarden Menschen, die meisten von ihnen sehr arm, sind auf die Proteinversorgung aus dem Ozean angewiesen. Bei richtiger Bewirtschaftung könnte man die Fischbestände auf einem konstanten Niveau erhalten und auf unbegrenzte Zeit weiter nutzen. Leider hat aber die so genannte Tragödie des Gemeineigentums (Kapitel 14) alle Bemühungen um eine nachhaltige Fischwirtschaft regelmäßig zunichte gemacht, und die wichtigsten Fischgründe sind in ihrer Mehrzahl bereits zusammengebrochen oder befinden sich in steilem Niedergang (Kapitel 15). In der Vergangenheit haben unter anderem die Gesellschaften auf der Osterinsel, Mangareva und Henderson sich durch Überfischung selbst geschadet.
Mittlerweile werden Fische und Garnelen zunehmend in Aquakulturen gezüchtet. Für die Zukunft ist dies im Prinzip eine viel versprechende Methode, denn sie ist der billigste Weg zur Produktion tierischen Proteins. In der Form, wie die Aquakultur heute praktiziert wird, lindert sie aber das Problem der abnehmenden Wildfischbestände nicht, sondern sie trägt in mehrfacher Hinsicht sogar zu seiner Verschlimmerung bei. Die Fische, die in der Aquakultur heranwachsen, werden meist mit gefangenen Wildfischen gefüttert und verbrauchen deshalb mehr (bis zum 20fachen) an Wildfischfleisch, als sie selbst an Fleisch liefern. Außerdem enthalten sie höhere Giftstoffkonzentrationen als wilde Fische. Regelmäßig entkommen aus den Kulturen einige Fische, die sich dann mit wilden Exemplaren paaren und deshalb für die Wildfischbestände eine genetische Gefahr darstellen: In den Kulturen werden speziell ausgewählte Fische für Stämme gezüchtet, die schnell heranwachsen, dafür aber in freier Wildbahn nur schlecht überleben können (Kulturlachse haben in der Wildnis eine fünfzigmal schlechtere Überlebensrate als ihre wilden Vettern). Die Abfälle aus der Aquakultur führen zu Wasserverschmutzung und Eutrophierung. Die im Vergleich zur Fischerei geringeren Kosten der Aquakultur lassen die Fischpreise sinken und veranlass-ten die Fischer anfangs dazu, die Wildfischbestände noch stärker auszubeuten, um ihr Einkommen trotz sinkender Kiloerträge konstant zu halten.
3. Wilde Tier- und Pflanzenarten, Populationen und genetische Vielfalt sind zu einem beträchtlichen Teil bereits verloren, und wenn es so weitergeht wie bisher, wird auch ein großer Teil dessen, was bisher erhalten geblieben ist, im nächsten halben Jahrhundert verschwinden. Manche Arten, beispielsweise große, essbare Tiere oder Pflanzen mit essbaren Früchten oder gutem Holz, sind für uns von offenkundigem Nutzen. Zu den vielen Gesellschaften vergangener Zeiten, die sich selbst durch die Ausrottung solcher Arten schädigten, gehörten die von der Osterinsel und Henderson, die wir bereits ausführlich erörtert haben.
Gehen aber kleine, nichtessbare Arten verloren, hört man häufig die Frage: »Was macht das schon? Sind Ihnen die Menschen wirklich weniger wichtig als ein paar mickrige, nutzlose kleine Fische oder Unkräuter, beispielsweise der Flussbarsch oder das Läusekraut?« Wer so fragt, vergisst aber, dass die gesamte, aus wilden Tier- und Pflanzenarten bestehende Natur uns ganz umsonst viele Dienste leistet, die wir selbst nur mit sehr hohen Kosten oder in vielen Fällen überhaupt nicht zuwege bringen könnten. Die Beseitigung zahlreicher kleiner Arten führt regelmäßig zu großen, gefährlichen Auswirkungen auf die Menschen, ganz so, als würde man nach dem Zufallsprinzip viele der kleinen Nieten entfernen, die ein Flugzeug zusammenhalten. Für dieses Prinzip gibt es buchstäblich unzählige Beispiele, von denen ich einige nennen möchte: Regenwürmer sind von Bedeutung für die Regeneration des Bodens und die Aufrechterhaltung seiner Struktur (dass der Sauerstoffgehalt in der luftdicht abgeschlossenen »Biosphäre 2« sank, was die menschlichen Bewohner gefährdete und einem meiner Kollegen dauerhafte Schäden zufügte, lag unter anderem an dem Fehlen geeigneter Regenwürmer, die zu einem anderen Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre beigetragen hätten): Bodenbakterien fixieren den Stickstoff, einen unentbehrlichen Nährstoff für Nutzpflanzen, den man ansonsten unter hohem Kostenaufwand mit Düngemitteln zuführen muss; Bienen und andere Insekten bestäuben kostenlos unsere Pflanzen, während es sehr kostspielig wäre, jede Blüte einer Nutzpflanze von Hand zu befruchten; Vögel und Säugetiere nehmen wilde Früchte mit und verbreiten die Samen (die Forstwissenschaftler haben bis heute nicht herausgefunden, wie man die wirtschaftlich wichtigste Baumart der Salomonen aus Samen heranzüchten kann - in der Natur werden diese Samen von Fledermäusen, die heute der Jagd zum Opfer fallen, im Gelände verteilt; Wale, Haie, Bären, Wölfe und andere Raubtiere im Meer und an Land werden dezimiert, was zu Veränderungen in der gesamten unter ihnen stehenden Nahrungskette führt; und wilde Pflanzen und Tiere zersetzen Abfallstoffe, verwerten Nährstoffe und versorgen uns damit letztlich mit sauberem Wasser und sauberer Luft.
4. Ackerböden, die dem Nutzpflanzenanbau dienen, werden durch Wasser- und Winderosion zerstört; dieser Vorgang läuft um den Faktor 10 bis 40 schneller ab als die Neubildung von Boden, und im Vergleich zur Bodenerosion auf bewaldeten Gebieten ist sie um den Faktor 500 bis 10 000 stärker. Da die Bodenerosion so viel schneller voranschreitet als die Bodenneubildung, geht unter dem Strich Boden verloren. So ist beispielsweise in Iowa, das unter allen US-Bundesstaaten die höchste landwirtschaftliche Produktivität aufweist, in den letzten 150 Jahren ungefähr die Hälfte des Oberbodens durch Erosion verschwunden. Als ich das letzte Mal in Iowa war, zeigten mir die Gastgeber auf einem Friedhof ein besonders spektakuläres Beispiel für diese Bodenzerstörung. Im 19. Jahrhundert hatte man dort mitten im landwirtschaftlichen Gebiet eine Kirche gebaut, die auch seither immer als Kirche diente, während das Land in der Umgebung als Acker genutzt wurde. Da der Boden auf den landwirtschaftlichen Flächen viel schneller erodiert war als auf dem Friedhof der Kirche, ragt dieser heute wie eine kleine Insel ungefähr drei Meter hoch aus dem Meer der umgebenden Felder heraus.
Darüber hinaus wird der Boden von den Menschen durch die Landwirtschaft, aber auch auf andere Weise geschädigt: Er versalzt, wie es in Kapitel 1 für Montana, in Kapitel 12 für China und in Kapitel 13 für Australien beschrieben wurde; er verliert seine Fruchtbarkeit, weil ihm die Nährstoffe durch die Landwirtschaft viel schneller entzogen werden, als sie sich durch Verwitterung des darunter liegenden Gesteins regenerieren; und in manchen Gebieten nimmt der Säuregehalt des Bodens zu, während er umgekehrt in anderen immer alkalischer wird. Insgesamt führten diese verschiedenen Effekte dazu, dass weltweit ein Anteil der landwirtschaftlichen Flächen, der nach verschiedenen Schätzungen zwischen 20 und 80 Prozent liegt, bereits schwer geschädigt ist, und das in einer Zeit, in der eine wachsende Bevölkerung nicht weniger, sondern mehr landwirtschaftliche Nutzflächen braucht. Wie die Waldzerstörung, so haben auch Bodenprobleme zum Zusammenbruch aller früheren Gesellschaften beigetragen, von denen in diesem Buch die Rede war.
Die drei nächsten Probleme haben mit Obergrenzen zu tun - bei Energie, Süßwasser und Photosynthesekapazität. Die Obergrenze ist dabei in allen Fällen nicht genau festgelegt, sondern variabel: Wir können die benötigten Ressourcen in größerem Umfang nutzen, allerdings zu höheren Kosten.
5. Die wichtigsten Primärenergieträger sind insbesondere in den Industrieländern die fossilen Brennstoffe: Öl, Erdgas und Kohle. Es wurde zwar viel darüber diskutiert, wie viele bedeutende Öl- und Gasfelder noch der Entdeckung harren, und die Kohlevorräte gelten zwar als groß, aber derzeit herrscht die Ansicht vor, dass die bekannten und voraussichtlich leicht zugänglichen Öl- und Erdgasreserven nur noch für wenige Jahrzehnte reichen. Diese Aussage sollte nicht so verstanden werden, als wäre bis dahin das gesamte Öl und Erdgas im Erdinneren aufgebraucht. Aber die Reserven, die dann noch vorhanden sind, werden tiefer unter der Erde liegen, stärker verunreinigt sein, immer höhere Kosten für Gewinnung und Weiterverarbeitung verursachen und mit höheren ökologischen Kosten verbunden sein. Natürlich sind fossile Brennstoffe nicht die einzigen Energieträger; welche Probleme die Alternativen aufwerfen, werde ich später noch genauer erörtern.
6. Der größte Teil des Süßwassers in den Flüssen und Seen der Erde wird bereits entweder für Bewässerung, Haushalte und Industrie genutzt, oder es dient an Ort und Stelle dem Schiffsverkehr, der Fischerei oder der Erholung. Flüsse und Seen, die noch nicht genutzt werden, sind meist weit von größeren Ballungsgebieten mit ihren potenziellen Nutzern entfernt, wie beispielsweise im Nordwesten Australiens, in Sibirien und in Island. Das Grundwasser wird auf der ganzen Welt viel stärker ausgebeutet, als es sich von Natur aus neu bilden kann, sodass es irgendwann zur Neige gehen wird. Natürlich kann man Süßwasser durch Entsalzung von Meerwasser erzeugen, aber das kostet Geld und Energie: außerdem erfordert es erheblichen Aufwand, das entsalzte Wasser zur Nutzung ins Landesinnere zu pumpen. Deshalb ist die Meerwasserentsalzung zwar in manchen begrenzten Gebieten nützlich, sie ist aber zu kostspielig, als dass sie eine Lösung für die weltweite Wasserknappheit darstellen könnte. Unter den Gesellschaften in der Vergangenheit wurden Anasazi und Maya durch Wasserknappheit zugrunde gerichtet, und heute hat über eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu einer zuverlässigen, sauberen Trinkwasserversorgung.
7. Die Versorgung mit Sonnenlicht scheint auf den ersten Blick keinen Begrenzungen zu unterliegen, und deshalb könnte man zu dem Schluss gelangen, dass die Erde auch über unendliche Fähigkeiten verfügt, Nutz- und Wildpflanzen hervorzubringen. In den letzten 20 Jahren hat man jedoch gelernt, dass diese Annahme nicht stimmt. Das liegt nicht nur daran, dass Pflanzen in den Polargebieten und Wüsten der Erde schlecht wachsen, solange man sich nicht die Mühe macht, Wärme oder Wasser künstlich zuzuführen. Allgemeiner betrachtet, hängt es von Temperatur und Niederschlag ab, wie viel Sonnenenergie die Pflanzen auf einem Hektar durch Photosynthese fixieren können und wie viel Pflanzenwachstum demnach auf einer solchen Fläche stattfinden kann. Bei einer bestimmten Temperatur und Niederschlagsmenge wird das Pflanzenwachstum, das durch das Sonnenlicht möglich ist, durch die geometrischen und biochemischen Eigenschaften der Pflanzen bestimmt; das gilt selbst dann, wenn sie das Sonnenlicht so effizient aufnehmen, dass kein einziges Photon durch die Pflanzen hindurch auf den Boden fällt. Eine erste Berechnung der Photosynthese-Obergrenze stellte man 1986 an: Nach dieser Schätzung wurde damals bereits etwa die Hälfte der weltweiten Photosynthesekapazität von den Menschen genutzt (beispielsweise für Getreide, Baumplantagen und Golfplätze) oder umgeleitet und verschwendet (beispielsweise weil Licht auf Asphaltstraßen und Gebäude fiel). Angesichts der Bevölkerungszunahme und insbesondere ihrer ökologischen Auswirkungen (siehe Punkt 12) werden wir den Vorausberechnungen zufolge bis zur Mitte dieses Jahrhunderts auf den Landflächen der Erde den allergrößten Teil der Photosynthesekapazität nutzen. Oder anders ausgedrückt: Der größte Teil der fixierten Sonnenenergie wird den Zwecken der Menschen dienen, und nur ein kleiner Teil bleibt noch übrig und kann das Wachstum natürlicher Wälder und anderer natürlicher Pflanzengemeinschaften in Gang halten.
Bei den drei nächsten Problemen geht es um gefährliche Dinge, die wir herstellen oder transportieren: chemische Schadstoffe, fremde biologische Arten und schädliche Gase in der Atmosphäre.
8. Die chemische Industrie und viele andere Branchen stellen zahlreiche giftige Chemikalien her oder setzen sie in Luft, Boden, Meere, Seen und Flüsse frei. Vielfach handelt es sich dabei um »unnatürliche« Substanzen, die ausschließlich von Menschen produziert werden; andere (zum Beispiel Quecksilber) kommen in der Natur in winzigen Mengen vor oder werden (wie die Hormone) von Lebewesen zwar synthetisiert, Menschen stellen sie aber in weitaus größeren Mengen her. Die ersten Giftstoffe, die ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerieten, waren Insektizide, Pestizide und Herbizide: Ihre Auswirkungen auf Vögel, Fische und andere Tiere beschrieb Rachel Carson schon 1962 in ihrem Bestseller Der stumme Frühling. Seither hat man gelernt, dass die Giftstoffe bei uns Menschen noch größere Schäden anrichten als bei den Tieren. Ursache sind dabei nicht nur Insektizide, Pestizide und Herbizide, sondern auch Quecksilber und andere Metalle, brandhemmende Chemikalien, Kühlmittel, Detergentien und Kunststoffbestandteile. Wir schlucken sie mit Lebensmitteln und Wasser, atmen sie mit der Luft ein und nehmen sie über unsere Haut auf. Vielfach verursachen sie schon in sehr geringer Konzentration angeborene Fehlbildungen, geistige Behinderungen und vorübergehende oder bleibende Schäden von Immunsystem und Fortpflanzungsorganen. Manche wirken als Hormonhemmstoffe: Sie beeinträchtigen die Fortpflanzung, weil sie die Wirkungen unserer körpereigenen Geschlechtshormone nachahmen oder blockieren. Wahrscheinlich sind sie ein entscheidender Grund, warum die Anzahl der Samenzellen in vielen Bevölkerungsgruppen während der letzten Jahrzehnte stark gesunken ist, sodass offensichtlich immer mehr Paare keine Kinder mehr bekommen können. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass das Durchschnittsalter bei der Eheschließung in vielen Gesellschaften ansteigt. Außerdem kommen allein in den USA jedes Jahr nach vorsichtigen Schätzungen 130 000 Menschen allein durch die Luftverschmutzung ums Leben (wobei Boden- und Wasserverschmutzung noch nicht mitgerechnet sind).
Viele dieser Giftstoffe werden in der Umwelt (wie DDT und PCBs) nur langsam oder (wie Quecksilber) überhaupt nicht abgebaut und bleiben in unserem Umfeld lange erhalten, bevor sie ausgewaschen werden. Deshalb verursachen die Aufräumarbeiten in verschmutzten Landstrichen der USA (zum Beispiel Love Canal, Hudson River, Chesapeake Bay, dem Gebiet der Exxon Valdez-Ölpest oder den Kupferminen in Montana) häufig Kosten in Milliardenhöhe. Aber auch die am schlimmsten verschmutzten Orte in den USA sind noch harmlos im Vergleich zu vielen Stellen in der früheren Sowjetunion, China und zahlreichen Bergbaubetrieben der Dritten Welt, wo man an die Rekultivierungskosten überhaupt nicht denken mag.
9. Als »fremde Arten« bezeichnet man Lebewesen, die wir absichtlich oder unabsichtlich von ihrem angestammten Verbreitungsgebiet in eine Region bringen, wo sie bis dahin nicht heimisch waren. Manche fremden Arten leisten uns natürlich als Nutzpflanzen, Haustiere oder zur Verschönerung der Landschaft gute Dienste. Aber andere richten unter den einheimischen Arten, mit denen sie in Berührung kommen, verheerende Schäden an, weil sie sie fressen, als Parasiten befallen, infizieren oder verdrängen. Solche großen Auswirkungen haben die fremden Arten häufig deshalb, weil die einheimischen Arten in ihrer Evolution keine Erfahrungen mit dem Eindringling gesammelt haben und ihm deshalb keinen Widerstand entgegensetzen (ganz ähnlich wie Bevölkerungsgruppen der Menschen, die noch nie mit Pocken oder AIDS in Kontakt gekommen sind). Man kennt heute buchstäblich Hunderte von Fällen, in denen fremde Arten einmalige oder jährlich wiederkehrende Schäden in Millionen- oder sogar Milliardenhöhe angerichtet haben. Zu den Beispielen aus unserer Zeit gehören die Kaninchen und Füchse in Australien, Unkräuter wie Flockenblume und Eselswolfsmilch in Montana (Kapitel 1), Schädlinge und Krankheitserreger an Bäumen, Nutzpflanzen und Nutztieren (beispielsweise der Mehltau, der die amerikanischen Kastanien zugrunde gerichtet hat und auch unter Ulmen schwere Schäden anrichtet), Seerosen, die Wasserwege blockieren, Zebramuscheln, die Kraftwerksleitungen verstopfen, und die Neunaugen, die an den Großen Seen Nordamerikas den Tod der kommerziellen Süßwasserfischerei bedeuteten. Aus früheren Zeiten kennen wir die eingeschleppten Ratten: Sie knabberten auf der Osterinsel die Palmennüsse an und trugen so zum Aussterben dieser Bäume bei, fraßen aber auch auf der Osterinsel, Henderson sowie allen anderen zuvor rattenfreien Pazifikinseln die Eier und Küken der nistenden Vögel.
10. Durch die Tätigkeiten des Menschen entstehen Gase, die in die Atmosphäre entweichen. Dort schädigen sie entweder die schützende Ozonschicht (wie die früher weit verbreiteten Kühlmittel), oder sie wirken als Treibhausgase, die Sonnenlicht festhalten und damit zur globalen Erwärmung beitragen. Bei diesen Treibhausgasen handelt es sich einerseits um Kohlendioxid aus Atmung und Verbrennung, andererseits um Methan, das bei der Gärung in den Verdauungsorganen von Wiederkäuern entsteht. Natürlich ist Kohlendioxid immer durch natürliche Brände und die Atmung der Tiere entstanden, und ebenso haben wilde Wiederkäuer immer Methan produziert, aber seit wir Holz und fossile Brennstoffe verfeuern, ist der Kohlendioxidausstoß stark angestiegen, und die Methanproduktion ist durch unsere Rinder- und Schafherden gewachsen.
Viele Jahre lang waren sich die Fachleute über Realität, Ausmaß und Ursachen der globalen Erwärmung nicht einig: Befinden sich die weltweiten Temperaturen tatsächlich derzeit auf einem historischen Höchststand, und wenn ja, wie hoch ist er wirklich, und wird er vorwiegend von Menschen verursacht? Heute sind sich die meisten seriösen Wissenschaftler einig, dass es zwar von Jahr zu Jahr ein Auf und Ab der Temperaturen gibt, aus dem sich nur mit komplizierten Analysen eine allgemeine Erwärmung ablesen lässt, dass die Temperatur aber in jüngerer Zeit tatsächlich rapide angestiegen ist und dass die Tätigkeit der Menschen eine wichtige oder die wichtigste Ursache ist. Unsicherheiten gibt es eigentlich nur noch in der Frage, welche Größenordnung der Effekt in Zukunft annehmen wird: Wird die weltweite Durchschnittstemperatur beispielsweise im Lauf der nächsten 100 Jahre »nur« um 1,5 Grad oder um fünf Grad ansteigen? Solche Zahlen hören sich vielleicht geringfügig an, aber man muss daran denken, dass die weltweite Durchschnittstemperatur auch auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit »nur« um fünf Grad niedriger lag als heute.
Auf den ersten Blick könnte man vielleicht meinen, die globale Erwärmung sei ein willkommener Effekt, weil höhere Temperaturen auch stärkeres Pflanzenwachstum bedeuten. Wie sich aber bei näherem Hinsehen herausstellt, erzeugt die globale Erwärmung sowohl Gewinner als auch Verlierer. In den kühlen Regionen, die sich nur schlecht für die Landwirtschaft eignen, könnten die Nutzpflanzenerträge tatsächlich zunehmen, aber wo es heute bereits warm oder trocken ist, gehen sie unter Umständen zurück. In Montana, Kalifornien und vielen anderen trockenen Klimazonen führte das Verschwinden der Schneedecke im Gebirge dazu, dass nicht nur für die Haushalte weniger Wasser zur Verfügung steht, sondern auch für die landwirtschaftliche Bewässerung, von der in solchen Gebieten die Nutzpflanzenerträge abhängen. Da durch das Abschmelzen von Schnee und Eis auch der Meeresspiegel weltweit ansteigt, wächst die Gefahr von Überschwemmungen und Erosion in dicht bevölkerten, niedrig gelegenen Küstenebenen und Flussdeltas, die schon heute nur knapp über oder sogar unter dem Meeresspiegel leben. Bedroht sind in dieser Hinsicht beispielsweise große Teile der Niederlande, Bangladesch, die Ostküste der Vereinigten Staaten, viele flache Pazifikinseln, die Deltas von Nil und Mekong sowie Großstädte an Flüssen in Großbritannien (beispielsweise London), Indien, Japan und auf den Philippinen. Darüber hinaus wird die globale Erwärmung umfangreiche Sekundäreffekte auslösen, die sich nur schwer genau voraussagen lassen, aber wahrscheinlich ebenfalls zu gewaltigen Problemen führen werden, beispielsweise weil es durch das Abschmelzen der arktischen Eiskappen zu Veränderungen der Meeresströmungen und damit zu weiteren Klimaveränderungen kommt.
Die beiden letzten Probleme haben mit dem Bevölkerungswachstum zu tun:
11. Die Weltbevölkerung wächst. Mehr Menschen brauchen mehr Nahrung, Platz, Wasser, Energie und andere Ressourcen. Die Geschwindigkeit der Bevölkerungsentwicklung und sogar ihre Richtung ist rund um die Welt sehr unterschiedlich: Das stärkste Bevölkerungswachstum (vier Prozent und mehr im Jahr) findet man in einigen Drittweltländern; in manchen Industrieländern (beispielsweise Italien und Japan) wächst die Bevölkerung langsam mit höchstens einem Prozent im Jahr, und in Staaten mit großen Gesundheitskrisen, beispielsweise in Russland und den von AIDS betroffenen afrikanischen Ländern, ist das Wachstum sogar negativ (das heißt, die Einwohnerzahl nimmt ab). Insgesamt nimmt die Weltbevölkerung nach übereinstimmender Ansicht der Fachleute zu, aber das jährliche Wachstum ist nicht mehr so stark wie noch vor 10 oder 20 Jahren. Meinungsverschiedenheiten gibt es jedoch noch in der Frage, ob die Weltbevölkerung sich bei irgendeiner Zahl oberhalb des jetzigen Standes (vielleicht beim Doppelten?) stabilisieren wird und wenn ja, wie lange (30 Jahre? 50 Jahre?) es noch dauern wird, bis dieses Niveau erreicht ist, oder ob die Bevölkerung immer weiter wachsen wird.
Das Bevölkerungswachstum hat einen langfristigen inneren Impuls. Der Grund liegt in der »demographischen Blase«, das heißt in einer unverhältnismäßig großen Zahl von Kindern und jungen Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter, die wegen des Bevölkerungswachstums der jüngeren Zeit einen großen Anteil der heutigen Bevölkerung ausmachen. Angenommen, alle Paare auf der Welt würden von heute auf morgen den Entschluss fassen, sich auf zwei Kinder zu beschränken. Dies würde dazu führen, dass die Bevölkerung sich auf lange Sicht nicht mehr ändert, weil die Kinder an die Stelle der Eltern treten, die irgendwann sterben. (In Wirklichkeit sind dazu durchschnittlich 2,1 Kinder je Paar erforderlich, weil manche Paare kinderlos bleiben und manche Kinder nicht heiraten.) Dennoch würde die Weltbevölkerung zunächst auf 70 Jahre hinaus weiter wachsen, weil heute mehr Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter sind oder dieses Alter erreichen, während die Zahl der Alten, die das fortpflanzungsfähige Alter hinter sich haben, geringer ist. Das Bevölkerungswachstum stand in den letzten Jahrzehnten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und gab den Anlass zu verschiedenen Bestrebungen, den Anstieg der Weltbevölkerung zu bremsen oder zum Stillstand zu bringen.
12. Entscheidend ist nicht allein die Zahl der Menschen, sondern ihre Auswirkungen auf die Umwelt. Würde sich der größte Teil der derzeitigen Weltbevölkerung von 6 Milliarden Menschen im Gefrierschlaf befinden, sodass sie nicht essen, nicht atmen und keinen Stoffwechsel haben, würde diese große Bevölkerung keine ökologischen Probleme verursachen. Zu Schwierigkeiten kommt es nur deshalb, weil wir Ressourcen verbrauchen und Abfälle produzieren. Der Eingriff in die Umwelt pro Kopf - das heißt die Ressourcen, die ein einzelner Mensch verbraucht, und die Abfälle, die er produziert - schwankt rund um die Welt stark: Am höchsten ist er in den Industrieländern, am niedrigsten in der Dritten Welt. Im Durchschnitt verbraucht jeder Bürger der Vereinigten Staaten, Westeuropas und Japans 32-mal so viel fossile Brennstoffe und andere Ressourcen wie ein Einwohner der Dritten Welt, und ebenso hinterlässt er die 32fache Abfallmenge.
Aber aus Menschen mit geringen Auswirkungen werden solche mit hohen Auswirkungen, und das aus zwei Gründen: Erstens steigt in den Drittweltländern der Lebensstandard, weil die Bewohner die Lebensweise der Industrieländer beobachten und nachahmen, und zweitens wandern Bewohner aus der Dritten Welt legal oder illegal in die Industrieländer ein, weil sie den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen in ihrer Heimat entkommen wollen. Einwanderung aus Staaten, deren Bewohner die Umwelt weniger beeinträchtigen, ist heute in den Vereinigten Staaten und Europa der wichtigste Faktor für das Bevölkerungswachstum. Ebenso besteht das bei weitem wichtigste Bevölkerungsproblem für die gesamte Welt nicht in dem starken Bevölkerungsanstieg in Kenia, Ruanda und anderen armen Drittweltländern, auch wenn er in diesen Ländern selbst mit Sicherheit zu Schwierigkeiten führt und das am häufigsten diskutierte Bevölkerungsproblem darstellt. Viel schlimmer ist, dass die Summe aller Eingriffe der Menschen in ihre Umwelt zunimmt, weil der Lebensstandard in der Dritten Welt steigt und weil Menschen aus Drittweltländern in die Industrieländer einwandern und deren Lebensstandard übernehmen.
Viele »Optimisten« vertreten die Ansicht, die Welt könne das Doppelte ihrer derzeitigen Bevölkerung ernähren, wobei sie jedoch nur die zahlenmäßige Zunahme betrachten, nicht aber die durchschnittliche Zunahme der ökologischen Auswirkungen pro Kopf. Ich habe nie von jemandem ernsthaft die Meinung gehört, die Erde könne das Zwölffache ihrer derzeitigen ökologischen Beeinträchtigung vertragen, aber diese Zunahme würde sich ergeben, wenn alle Bewohner der Dritten Welt den Lebensstandard der Industrieländer erreichen würden. (Der Faktor 12 ergibt sich im Gegensatz zu dem im vorigen Abschnitt erwähnten Faktor 32, weil die Bewohner der Industrieländer die Umwelt auch heute bereits stark beeinträchtigen, auch wenn sie gegenüber den Bewohnern der Dritten Welt erheblich in der Minderzahl sind.) Schon wenn nur alle Chinesen den Lebensstandard der Industrieländer erreichen würden, während dieser bei allen anderen Menschen konstant bleibt, würden sich die ökologischen Auswirkungen der Menschen auf die Welt verdoppeln (Kapitel 12).
Die Menschen in der Dritten Welt wünschen sich den Lebensstandard der Industrieländer. Dieses Ziel setzen sie sich, weil sie fernsehen, die Werbung für in ihren Ländern vertriebene Konsumprodukte aus den Industrieländern erleben und mit Besuchern aus den Industrieländern zusammentreffen. Heute wissen die Menschen selbst in den abgelegensten Dörfern und Flüchtlingslagern über die Außenwelt Bescheid. Bestärkt werden die Bewohner der Dritten Welt in ihren Bestrebungen durch die Entwicklungshilfeorganisationen der Industrieländer und der Vereinten Nationen: Diese nähren bei ihnen die Hoffnung, sie könnten ihren Traum Wirklichkeit werden lassen, wenn sie nur die richtige Politik betreiben und beispielsweise einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegen, in Bildung und Infrastruktur investieren, und so weiter.
Bei den Vereinten Nationen und in den Regierungen der Industriestaaten würde niemand zugeben, dass die Verwirklichung dieses Traums unmöglich ist: dass eine Welt, in der die riesige Bevölkerung der Dritten Welt den derzeitigen Lebensstandard der Industrieländer erreicht und aufrechterhält, nicht nachhaltig wäre. Dieses Dilemma können die Industrieländer auch nicht dadurch beseitigen, dass sie die Anstrengungen der Dritten Welt blockieren: Südkorea, Malaysia, Singapur, Hongkong, Taiwan und Mauritius haben bereits aufgeholt oder stehen kurz davor; China und Indien kommen aus eigener Kraft schnell voran; und die 15 reichen westeuropäischen Staaten der Europäischen Union haben ihre Organisation gerade um zehn ärmere osteuropäische Staaten erweitert, womit sie letztlich versprechen, diesen zehn Staaten bei der Aufholjagd zu helfen. Selbst wenn es die Bevölkerung der Dritten Welt nicht gäbe, könnten auch die Industrieländer allein ihren derzeitigen Kurs nicht beibehalten, denn sie befinden sich nicht in einem stabilen Zustand, sondern dezimieren ihre eigenen Ressourcen ebenso wie jene, die aus der Dritten Welt importiert werden. Für die Verantwortlichen in den Industriestaaten ist es derzeit politisch unmöglich, ihren eigenen Bürgern eine Verringerung des Lebensstandards nahe zu legen, die sich in geringerem Ressourcenverbrauch und geringerer Abfallproduktion niederschlagen würde. Was wird geschehen, wenn es den vielen Menschen in der Dritten Welt allmählich dämmert, dass der derzeitige Lebensstandard der Industrieländer für sie immer unerreichbar bleiben wird und dass die Industriestaaten nicht bereit sind, selbst diesen Standard aufzugeben? Das Leben ist voller schmerzlicher Entscheidungen über Wechselgeschäfte, aber keines davon ist so grausam wie das Wechselgeschäft, das wir eines Tages eingehen müssen: alle Menschen zum Erreichen eines höheren Lebensstandards zu ermutigen und ihnen dabei zu helfen, ohne gleichzeitig diesen Standard durch Überbeanspruchung der globalen Ressourcen zunichte zu machen.
Ich habe diese 12 Problemkomplexe getrennt beschrieben, in Wirklichkeit hängen sie aber zusammen: Ein Problem verschärft das andere oder macht eine Lösung schwieriger. Das Bevölkerungswachstum beispielsweise wirkt sich auf alle elf übrigen Probleme aus: Mehr Menschen bedeuten mehr Waldzerstörung, mehr Umweltgifte, mehr Nachfrage nach wilden Fischen, und so weiter. Die Energiefrage hängt mit anderen Problemen zusammen, weil die Nutzung fossiler Energieträger stark zur Produktion von Treibhausgasen beiträgt, die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit mit synthetischen Düngemitteln erfordert Energie zu deren Herstellung, die Knappheit an fossilen Brennstoffen führte zu einer verstärkten Nutzung der Kernenergie, die bei einem Unfall das größte denkbare »Giftmüllproblem« verursacht, und wegen der knappen fossilen Brennstoffe wird es auch teurer, den Süßwassermangel durch die Entsalzung von Meerwasser zu vermindern. Die Dezimierung der Fischbestände und anderer wilder Nahrungsquellen verstärkt den Druck, sie durch Viehhaltung, Pflanzenanbau und Aquakultur zu ersetzen, was zu weiterem Verlust an Mutterboden und zur Eutrophierung durch Landwirtschaft und Aquakultur führt. Waldzerstörung, Wasserknappheit und Bodenerosion begünstigen Kriege in der Dritten Welt, was in den Industrieländern zu einem Strom von Flüchtlingen und illegalen Einwanderern führt.
Die Gesellschaft unserer Welt befindet sich derzeit nicht auf einem nachhaltigen Weg, und jedes der zwölf Probleme, die wir gerade zusammenfassend erörtert haben, könnte unsere Lebensweise schon in den nächsten Jahrzehnten einschränken. Sie sind Zeitbomben, deren Zünder auf weniger als 50 Jahre eingestellt sind. Die Zerstörung der zugänglichen, in Niederungen gelegenen tropischen Regenwälder ist auf der malaysischen Halbinsel außerhalb der Nationalparks praktisch abgeschlossen, und wenn es so weitergeht, wird sie in noch nicht einmal 10 Jahren auch auf den Salomonen, den Philippinen, Sumatra und Sulawesi abgeschlossen sein; innerhalb der nächsten 25 Jahre gilt das Gleiche für die ganze Welt, vielleicht mit Ausnahme mancher Teile des Amazonas- und Kongobeckens. Wenn es so weitergeht wie bisher, werden wir innerhalb weniger Jahrzehnte die meisten noch verbliebenen Fischbestände in den Meeren zerstört haben, ebenso werden die umweltfreundlichen, billigen oder leicht zugänglichen Öl- und Erdgasreserven erschöpft sein, und wir werden die Obergrenze der Photosynthesekapazität erreichen. Die globale Erwärmung wird den Vorausberechnungen zufolge ein Ausmaß von einem Grad oder mehr erreichen, und ein beträchtlicher Anteil der wilden Tier- und Pflanzenarten wird innerhalb eines halben Jahrhunderts gefährdet oder unwiederbringlich verloren sein. Häufig hört man die Frage: »Welches ist heute im Zusammenhang mit Umwelt und Bevölkerung das wichtigste Einzelproblem?« Darauf kann man ganz frech erwidern: »Das größte Einzelproblem ist unsere falsche Fixierung auf die Frage, welches das größte Einzelproblem ist!« Im Wesentlichen stimmt diese vorlaute Antwort, denn jedes einzelne der zwölf Probleme wird zu großen Schäden führen, wenn wir es nicht lösen, und alle zwölf hängen miteinander zusammen. Würden wir elf der Probleme in den Griff bekommen, das zwölfte aber nicht, hätten wir immer noch Schwierigkeiten, ganz gleich, welches Problem im Einzelnen ungelöst bleibt. Wir müssen alle lösen.
Da wir auf dem nicht nachhaltigen Weg schnell vorankommen, werden die ökologischen Probleme der Erde in jedem Fall auf die eine oder andere Weise gelöst werden, und zwar zu Lebzeiten der heutigen Kinder und jungen Erwachsenen. Die Frage ist nur, ob es eine angenehme, von uns selbst gewählte Lösung sein wird, oder ob sie unangenehm sein wird und nicht unserer Entscheidung entspringt, ob es also beispielsweise zu Kriegen, Völkermord, Hungersnöten, Krankheitsepidemien und dem Zusammenbruch von Gesellschaften kommt. Alle diese grausigen Phänomene haben die Menschheit während ihrer gesamten Geschichte immer wieder heimgesucht, ihre Häufigkeit wächst aber mit Umweltzerstörung, Bevölkerungsdruck und der daraus entspringenden Armut und politischen Instabilität.
Beispiele für solche unangenehmen Lösungen von Umwelt- und Bevölkerungsproblemen finden wir sowohl in der heutigen Welt als auch in der Geschichte. Das Spektrum reicht vom Völkermord in Ruanda, Burundi und dem früheren Jugoslawien bis zu Bürger- oder Guerillakriegen im heutigen Sudan, auf den Philippinen, in Nepal und im Gebiet der alten Maya; vom Kannibalismus auf der prähistorischen Osterinsel, auf Mangareva und bei den Anasazi bis zu den Hungersnöten in vielen heutigen afrikanischen Staaten und wiederum auf der prähistorischen Osterinsel; von der AIDS-Epidemie, die in Afrika bereits wütet und in anderen Ländern am Anfang steht, bis zum Zusammenbruch der Zentralregierungen im modernen Somalia, auf den Salomonen, in Haiti und bei den alten Maya. Ein weniger drastisches Ergebnis als ein weltweiter Zusammenbruch könnte vielleicht darin bestehen, dass Verhältnisse wie in Ruanda oder Haiti sich »nur« auf weitere Entwicklungsländer ausbreiten, während wir als Bewohner der Industrieländer unserer Annehmlichkeiten beibehalten, wobei wir aber dennoch vor einer unglücklichen Zukunft mit chronischem Terrorismus, Kriegen und Krankheitsepidemien stehen. Es darf aber bezweifelt werden, dass die Industrieländer ihre besondere Lebensweise beibehalten können, wenn immer größere Wellen verzweifelter Flüchtlinge aus zusammenbrechenden Drittweltländern hereinströmen, und zwar in viel größerer Zahl als jetzt, wo sich die Zuwanderung schon nicht mehr aufhalten lässt. Dabei fällt mir wieder ein, wie ich mir das Ende des Hofes von Gardar in Grönland mit seiner Kathedrale und seinem großartigen Kuhstall vorstelle: Er wurde von Wikingern überrollt, auf deren ärmeren Höfen bereits alle Tiere gestorben und aufgegessen waren.
Aber bevor wir uns in diesem einseitig-pessimistischen Szenario verlieren, wollen wir die Probleme, denen wir gegenüberstehen, in ihrer Vielschichtigkeit noch genauer untersuchen. Damit werden wir nach meinem Eindruck zu einer vorsichtig optimistischen Sichtweise gelangen.
Um die bis hierher recht abstrakte Diskussion etwas konkreter zu machen, möchte ich im Folgenden erläutern, wie sich die genannten zwölf ökologischen Probleme in dem Teil der Welt, den ich am besten kenne, auf die Lebensweise auswirken: in der Großstadt Los Angeles im Süden Kaliforniens, wo ich zu Hause bin. Aufgewachsen bin ich an der Ostküste der Vereinigten Staaten, und danach habe ich mehrere Jahre in Europa gelebt; nach Kalifornien kam ich 1964 zum ersten Mal, es gefiel mir sofort, und 1966 zog ich dorthin.
Ich habe also miterlebt, wie der Süden Kaliforniens sich im Lauf der letzten 39 Jahre verändert hat, und durch die meisten dieser Veränderungen hat er an Reiz verloren. Nach weltweiten Maßstäben hat Südkalifornien relativ geringe ökologische Probleme. Allen Witzen der Ostküstenamerikaner zum Trotz besteht für die Region nicht die unmittelbare Gefahr eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs. Nach den Maßstäben der ganzen Welt und sogar der gesamten Vereinigten Staaten ist die Bevölkerung außerordentlich reich und umweltbewusst. Manche Probleme in Los Angeles, insbesondere der Smog, sind allgemein bekannt, aber die meisten Umwelt- und Bevölkerungsprobleme sind nur mäßig stark ausgeprägt und typisch für eine Großstadt in einer Industrienation. Wie wirken sich diese Schwierigkeiten auf mein eigenes Leben und das der anderen Stadtbewohner aus?
Die Klagen, die praktisch alle Bewohner von Los Angeles erheben, haben unmittelbar mit unserer wachsenden und bereits jetzt sehr großen Bevölkerung zu tun: Sie betreffen die unvermeidlichen Verkehrsstaus, die hohen Wohnungspreise - die entstehen, weil Millionen Menschen in wenigen wirtschaftlichen Ballungszentren arbeiten -, und den sehr begrenzten Wohnraum in der Nähe dieser Zentren; dies hat unter anderem zur Folge, dass die Menschen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz über sehr weite Entfernungen pendeln - mit einer einfachen Strecke von bis zu 100 Kilometern oder zwei Stunden Fahrzeit. Los Angeles war 1987 zum ersten Mal die Großstadt mit den schlechtesten Verkehrsverhältnissen der USA, und diese Stellung hat sie seither von Jahr zu Jahr behalten. Jeder weiß, dass die Probleme sich im Lauf der letzten zehn Jahre verschlimmert haben. Sie sind für die Arbeitgeber in Los Angeles mittlerweile der wichtigste Faktor, der die Anwerbung von Mitarbeitern erschwert, und sie vermindern unsere Bereitschaft, zu kulturellen Veranstaltungen zu fahren oder Freunde zu besuchen. Für die 20 Kilometer von meinem Haus in die Innenstadt von Los Angeles oder zum Flughafen rechne ich heute eine Fahrzeit von einer Stunde und 15 Minuten. Im Durchschnitt verbringt ein Bewohner von Los Angeles 368 Stunden im Jahr - was 15 Tagen von je 24 Stunden entspricht - auf dem Weg zur Arbeit und zurück, und dabei sind Fahrzeiten zu anderen Zwecken noch nicht einmal mitgerechnet.
Für diese Probleme, die sich weiter verschlimmern werden, sind Lösungsansätze noch nicht einmal in der Diskussion. Die derzeit laufenden oder vorgesehenen Straßenbauprojekte haben lediglich zum Ziel, einige besonders neuralgische Punkte zu entlasten, und werden von der immer noch wachsenden Zahl der Autos überrollt werden. Für die Verschlimmerung der Verkehrsprobleme von Los Angeles ist kein Ende in Sicht: In anderen Städten müssen die Menschen mit noch weitaus größeren Verkehrsstaus zurechtkommen. Meine Bekannten in der thailändischen Hauptstadt Bangkok beispielsweise haben mittlerweile immer eine kleine Chemietoilette im Auto, weil Fahrten sich sehr in die Länge ziehen können; einmal wollten sie die Stadt an einem Ferienwochenende verlassen, aber nach 17 Stunden gaben sie auf und fuhren nach Hause zurück - in dieser Zeit waren sie im Verkehrsstau nur fünf Kilometer vorangekommen. Optimisten haben zwar abstrakte Erklärungen bereit, warum eine wachsende Bevölkerung etwas Gutes ist und warum die Welt sie verkraften kann, aber ich habe nie einen Bewohner von Los Angeles (und auch nur wenige Menschen an anderen Orten auf der Welt) kennen gelernt, der sich persönlich im eigenen Wohnumfeld eine größere Bevölkerung gewünscht hätte.
Der Beitrag Südkaliforniens zum Anstieg der weltweiten ökologischen Pro-Kopf-Schädigung, der sich aus den Wanderungsbewegungen aus der Dritten Welt in die Industrieländer ergibt, ist in der kalifornischen Politik schon seit Jahren ein umstrittenes Thema. Das Bevölkerungswachstum in dem Bundesstaat beschleunigt sich fast ausschließlich durch die Einwanderung und durch die großen Familien der Einwanderer. Die Grenze zwischen Kalifornien und Mexiko ist lang und lässt sich nicht wirksam gegen Menschen verteidigen, die illegal aus Mittelamerika einwandern wollen und hier Arbeitsplätze oder persönliche Sicherheit suchen. Jeden Monat liest man von potenziellen Einwanderern, die in der Wüste ums Leben kommen oder ausgeraubt und erschossen werden, aber davon lassen sich die anderen nicht abschrecken. Weitere illegale Einwanderer kommen aus fernen Ländern wie China oder Zentralasien und werden von Schiffen einfach vor der Küste ausgesetzt. Die Bewohner Kaliforniens sind geteilter Meinung über die vielen Einwanderer aus der Dritten Welt, die auf diese Weise an der Lebensweise der Industrieländer teilhaben wollen. Einerseits ist die Wirtschaft auf sie angewiesen, denn sie besetzen Arbeitsplätze in Dienstleistung, Baugewerbe und Landwirtschaft. Andererseits beklagen die eingesessenen Bewohner, dass die Einwanderer mit arbeitslosen Bürgern in Konkurrenz um Arbeitsplätze stehen, Löhne sinken lassen und die ohnehin bereits überfüllten Krankenhäuser und öffentlichen Schulen belasten. Im Jahr 1994 wurde in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit der Vorschlag Nummer 187 angenommen, wonach illegale Einwanderer die meisten staatlichen Sozialleistungen verloren hätten - der Beschluss wurde allerdings dann von den Gerichten als verfassungswidrig verworfen. Kein Bürger Kaliforniens und kein gewählter Politiker hat bisher eine praktikable Lösung für den alten Widerspruch vorgeschlagen, der an die Einstellung der Menschen in der Dominikanischen Republik gegenüber den Haitianern erinnert: Auf der einen Seite braucht man die Einwanderer als Arbeitskräfte, auf der anderen hat man etwas dagegen, dass sie da sind und eigene Bedürfnisse haben.
Südkalifornien trägt entscheidend zur Energiekrise bei. Das frühere Straßenbahnnetz unserer Stadt brach in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in einer Reihe von Konkursen zusammen; die Wegerechte wurden an Autohersteller verkauft und so aufgeteilt, dass man das Netz (das in Konkurrenz zu den Autos gestanden hätte) nicht wieder aufbauen konnte. Die Vorliebe der Bewohner für Einfamilienhäuser anstelle mehrstöckiger Wohnhäuser sowie die großen Entfernungen und die unterschiedlichen Routen, auf denen die Beschäftigten eines bestimmten Bezirks pendeln, machen die Entwicklung eines öffentlichen Nahverkehrsnetzes, das die Bedürfnisse der meisten Bewohner befriedigt, zu einem Ding der Unmöglichkeit. Die Bewohner von Los Angeles sind voll und ganz auf das Auto angewiesen.
Unser hoher Benzinverbrauch, der Gebirgsring um fast das gesamte Becken von Los Angeles und die vorherrschende Windrichtung führen zu dem Smogproblem, das den bekanntesten Nachteil unserer Stadt darstellt. In der Smogbekämpfung hat man in den letzten Jahrzehnten zwar Fortschritte erzielt, und es gibt auch jahreszeitliche Schwankungen (am schlimmsten ist der Smog im Spätsommer und Frühherbst) sowie lokale Abweichungen (weiter landeinwärts ist der Smog in der Regel schlimmer), aber im Durchschnitt steht Los Angeles, was die Luftqualität angeht, unter allen amerikanischen Großstädten fast an letzter Stelle. In jüngster Zeit hat sich die Luftqualität nach einer mehrjährigen Verbesserung wieder verschlechtert. Ein anderes Problem für Lebensweise und Gesundheit sind Krankheitserreger der Gattung Giardia, die sich seit einigen Jahrzehnten in den Flüssen und Seen Kaliforniens ausbreiten. Als ich in den sechziger Jahren hierher gezogen war und in den Bergen wandern ging, konnte man das Wasser aus den Bächen gefahrlos trinken; heute würde man sich dabei unter Garantie eine Giardia-Infektion zuziehen.
Im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Landschaft ist uns vor allem bewusst, welche Feuergefahr in den beiden wichtigsten Lebensräumen in der Region besteht: im Chaparral (einer Strauchlandschaft, die der Macchia des Mittelmeerraums ähnelt) und den Eichenwäldern. Beide Landschaften erleben von Natur aus durch Blitzschlag gelegentliche Brände, ganz ähnlich wie ich es in Kapitel 1 für die Wälder von Montana beschrieben habe. Heute jedoch, wo Menschen in diesen sehr feuergefährlichen Lebensräumen oder in ihrer Nähe wohnen, fordern die Bürger eine sofortige Unterdrückung aller Brände. Alljährlich sind Spätsommer und Frühherbst, wenn es in Südkalifornien am heißesten, trockensten und windigsten ist, die Waldbrandsaison: Dann gehen jedes Jahr Hunderte von Häusern in Flammen auf. In dem Canyon, wo ich wohne, ist seit 1961 kein Brand mehr außer Kontrolle geraten, aber damals wurden bei einem Großfeuer 600 Häuser zerstört. Theoretisch könnte man das Problem wie in den Wäldern Montanas dadurch lösen, dass man in kurzen Abständen mit kleinen, kontrollierten Bränden die Brandlast vermindert, aber solche Brände wären in dem dicht besiedelten, urbanen Gebiet ungeheuer gefährlich, und die Öffentlichkeit wäre nicht damit einverstanden.
Für die kalifornische Landwirtschaft sind eingeschleppte Arten eine große Gefahr und wirtschaftliche Belastung; die größte Bedrohung geht derzeit von der Mittelmeer-Fruchtfliege aus. Außerhalb der Landwirtschaft besteht Gefahr durch eingeschleppte Krankheitserreger, die unsere Eichen und Kiefern bedrohen. Da meine beiden Söhne sich als Kinder für Amphibien (Frösche und Salamander) interessierten, lernte ich, dass die meisten Arten einheimischer Amphibien aus zwei Dritteln aller Wasserläufe im Kreis von Los Angeles verschwunden sind; die Ursache sind drei eingeschleppte Raubtiere (ein Flusskrebs, ein Ochsenfrosch und ein Moskitofisch), die sich von Amphibien ernähren und unter den einheimischen Arten Südkaliforniens eine leichte Beute finden: Die heimischen Tiere haben in ihrer Evolution nie gelernt, der Gefahr aus dem Wege zu gehen.
Das wichtigste Bodenproblem in der kalifornischen Landwirtschaft ist die Versalzung, eine Folge der künstlichen Bewässerung. Sie hat im kalifornischen Central Valley, dem fruchtbarsten Gebiet der Vereinigten Staaten, bereits weite Abschnitte der landwirtschaftlichen Nutzflächen ruiniert.
Da es im Süden Kaliforniens wenig regnet, ist Los Angeles mit seiner Wasserversorgung auf lange Pipelines angewiesen, die vor allem aus dem Gebirge der Sierra Nevada und ihren Tälern in Nordkalifornien sowie vom Colorado River an der Ostgrenze des Bundesstaates kommen. Mit dem Bevölkerungswachstum hat zwischen Bauern und Städten eine immer schärfere Konkurrenz um die Wasserversorgung eingesetzt. Durch die globale Erwärmung wird die Schneedecke in der Sierra Nevada, die den größten Teil unseres Wassers liefert, ebenso wie in Montana abnehmen, sodass sich die Gefahr einer Wasserknappheit in Los Angeles verstärkt.
Probleme gibt es auch in der Fischerei. Die Sardinenfischerei brach in Nordkalifornien bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen, in Südkalifornien folgten die Abalonemuscheln vor einigen Jahrzehnten, als ich schon hier wohnte, und derzeit steht die südkalifornische Drachenkopffischerei vor dem Zusammenbruch, sodass sie bereits stark eingeschränkt werden musste und im letzten Jahr völlig untersagt war. Seit ich nach Los Angeles gezogen bin, haben sich die Preise für Fisch in den Supermärkten vervierfacht.
Und schließlich sind charakteristische Tierarten in Südkalifornien vom Verlust der Artenvielfalt betroffen. Das Symbol des Bundesstaates und meiner Hochschule (der University of California), der »California Golden Bear« (Grizzlybär), ist heute ausgestorben. (Welche ein Symbol für einen Staat und eine Universität!) Der südkalifornische Seeotterbestand wurde im vorigen Jahrhundert ausgerottet, und ob die derzeitigen Versuche zur Wiedereinbürgerung Erfolg haben, ist unsicher. In der Zeit, seit ich in Los Angeles wohne, sind die Bestände von zwei besonders charakteristischen Vogelarten zusammengebrochen: dem Erdkuckuck und der Schopfwachtel. Unter den Amphibien, deren Zahl in Südkalifornien stark zurückgegangen ist, sind der Kalifornische Molch und der Kalifornische Laubfrosch.
Umwelt- und Bevölkerungsprobleme beeinträchtigen also in Südkalifornien sowohl die Wirtschaft als auch die Lebensqualität. Letztlich sind sie in einem erheblichen Ausmaß die Ursache für Wasserknappheit, Stromausfälle, Müllberge, überfüllte Schulen, Wohnungsknappheit, Preisanstieg und Verkehrsstaus. Aber von unseren besonders stark verstopften Straßen und der Luftqualität abgesehen, geht es uns in diesen Punkten nicht schlechter als vielen anderen Regionen der Vereinigten Staaten.
In den meisten Umweltfragen gibt es ungeklärte Einzelheiten, die zu Recht ein Anlass für Diskussionen sind. Außerdem werden aber auch häufig viele Gründe angeführt, mit denen die Bedeutung der Umweltprobleme ganz allgemein heruntergespielt werden soll. Solche Aussagen sind nach meiner Ansicht unbegründet. Die Einwände werden häufig als übermäßig vereinfachte »Einzeiler« formuliert. Einige solche Sätze möchte ich im Folgenden erörtern:
»Die Ökologie muss im Gleichgewicht mit der Ökonomie stehen.« Dieser Satz unterstellt, ökologische Bedenken seien ein Luxus, Maßnahmen zur Lösung von Umweltproblemen seien unter dem Strich mit Kosten verbunden, und man könne Geld sparen, wenn man die Umweltprobleme ungelöst lässt. Der Einzeiler stellt die Wahrheit genau auf den Kopf. Umweltschäden kosten uns sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht ungeheure Summen; ihre Beseitigung oder Verhütung erspart auf lange Sicht und häufig auch schon kurzfristig gewaltige Kosten. Wenn wir für die Gesundheit unserer Umgebung sorgen wollen, ist es ebenso wie im Zusammenhang mit der Gesundheit unseres Körpers besser und billiger, wenn man gar nicht erst krank wird, anstatt Krankheiten zu heilen, nachdem sie sich eingestellt haben. Man denke nur an die Schäden, die in der Landwirtschaft durch Schädlinge und Unkräuter entstehen, an Schädlinge außerhalb der Landwirtschaft wie Seerosen oder Zebramuscheln, an die jährlich wiederkehrenden Kosten zur Bekämpfung dieser Schädlinge, an den Wert der Zeit, die im Verkehrsstau verloren geht, an die Kosten, wenn Menschen durch Umweltgifte krank werden oder sterben, an die Kosten für die Giftmüllentsorgung, an den steilen Anstieg der Fischpreise wegen des Rückganges der Fischbestände und an den Wert der landwirtschaftlichen Flächen, die durch Erosion und Versalzung geschädigt werden oder verloren gehen. Dabei summieren sich hier ein paar hundert Millionen, dort ein paar Milliarden, hier noch einmal eine Milliarde, und so weiter, für Hunderte von Einzelproblemen. Der Wert eines »statistischen Lebens« in den Vereinigten Staaten zum Beispiel -das heißt die Kosten, die der US-Wirtschaft durch den Tod eines Durchschnittsamerikaners entstehen, weil ihn die Gesellschaft unter hohen Kosten großgezogen und ausgebildet hat, und weil er dann stirbt, bevor er sein ganzes Leben lang zur Volkswirtschaft beitragen konnte - wird in der Regel auf ungefähr fünf Millionen Dollar geschätzt. Selbst wenn man eine vorsichtige Schätzung zugrunde legt und die Zahl der Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, für die Vereinigten Staaten nur mit 130 000 ansetzt, verursacht allein die Luftverschmutzung jährliche Kosten von 650 Milliarden Dollar. Diese Zahl macht deutlich, warum der 1970 verabschiedete Clean Air Act, ein US-Gesetz zur Luftreinhaltung, der Volkswirtschaft unter dem Strich (das heißt in Gewinnen, die über die Verluste hinausgehen) durch Rettung von Menschenleben und verminderte Gesundheitskosten eine jährliche Einsparung von rund einer Billion Dollar verschafft hat, und das, obwohl die von dem Gesetz vorgeschriebenen Reinhaltungsmaßnahmen große Summen verschlingen.
»Mit Technik werden wir unsere Probleme schon lösen.« Aus diesem Satz spricht Vertrauen in die Zukunft, und er geht davon aus, dass die Technik in der jüngeren Vergangenheit mehr Probleme gelöst als neue geschaffen hat. Hinter diesem Vertrauen steht die stillschweigende Annahme, dass die Technik ab morgen vorwiegend dazu dienen wird, vorhandene Probleme zu lösen, während sie keine neuen Probleme mehr aufwirft. Wer dieses Vertrauen aufbringt, unterstellt auch, dass die neue Technologie, über die derzeit gesprochen wird, Erfolg hat, und das auch noch so schnell, dass sich schon bald merkliche Auswirkungen ergeben. In langen Gesprächen beschrieben mir zwei der erfolgreichsten, bekanntesten amerikanischen Geschäftsleute und Finanzmanager mit vielen Worten neu entstehende Technologien und Finanzinstrumente, die sich grundlegend von denen der Vergangenheit unterscheiden und, wie sie zuversichtlich prophezeiten, unsere ökologischen Probleme lösen würden.
In Wirklichkeit zeigt die Erfahrung, dass genau das Gegenteil richtig ist. Manche der technischen Verfahren, die man sich erträumt hat, haben Erfolg, andere jedoch nicht. Wenn sie Erfolg haben, vergehen in der Regel einige Jahrzehnte, bis sie ausgereift sind und sich allgemein durchgesetzt haben: Man denke nur an die Gasheizung, an elektrisches Licht, Autos und Flugzeuge, Fernsehen, Computer und so weiter. Und ganz gleich, ob mit neuen technischen Verfahren die Probleme gelöst werden, zu deren Lösung sie entwickelt wurden, sie werfen regelmäßig auch neue, unvorhergesehene Komplikationen auf. Technische Lösungen für ökologische Probleme sind stets wesentlich teurer als Vorbeugungsmaßnahmen, mit denen man die Entstehung des Problems von vornherein vermeiden könnte: Eine große Ölpest verursacht beispielsweise Milliardenkosten für den Schaden und die Aufräumarbeiten; Vorbeugungsmaßnahmen, mit denen man die Gefahr einer großen Ölpest vermindern kann, kosten nur einen Bruchteil dieser Summen.
Vor allem aber wächst durch den technischen Fortschritt nur unsere Fähigkeit, bestimmte Dinge zu tun, sei es zum Besseren oder zum Schlechteren. Alle derzeitigen Probleme sind unbeabsichtigte, negative Auswirkungen der vorhandenen Technologie. Durch die schnellen technischen Fortschritte des 20. Jahrhunderts sind schwierige neue Probleme entstanden, und das weit schneller, als alte gelöst wurden. Das ist die Ursache für unsere derzeitige Lage. Wie kann man auf den Gedanken kommen, dass die Technik vom 1. Januar 2006 an zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte auf wundersame Weise keine unvorhergesehenen neuen Probleme mehr verursacht, sondern nur noch zur Lösung der bisher geschaffenen Probleme führt?
Unter den vielen tausend Beispielen für unvorhergesehene, schädliche Nebeneffekte neuer technischer Lösungen mögen hier zwei genügen: die FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) und das Auto. Die Kühlmittel, die früher in Kühlschränken und Klimaanlagen eingesetzt wurden, waren giftig (wie beispielsweise Ammoniak) und konnten tödliche Wirkungen haben, wenn die Geräte undicht wurden, während die Hausbewohner schliefen. Deshalb war von einem großen Fortschritt die Rede, als man die FCKWs (Freon) als synthetische Kühlmittel entwickelte. Sie sind geruchlos, ungiftig und unter den normalen Bedingungen an der Erdoberfläche sehr stabil; deshalb rechnete man anfangs nicht mit schädlichen Nebenwirkungen und konnte auch keine beobachten. Schon nach kurzer Zeit galten sie als Wundersubstanzen, und sie dienten nun auf der ganzen Welt als Kühlmittel für Kühlschränke und Klimaanlagen, als Schaumgase, Lösungsmittel und Spraydosen-Treibmittel. Im Jahr 1974 entdeckte man jedoch, dass sie in der Stratosphäre durch die starke ultraviolette Strahlung abgebaut werden. Dabei entstehen sehr reaktionsfähige Chloratome, die einen beträchtlichen Teil der Ozonschicht zerstören, welche uns und alle anderen Lebewesen vor den tödlichen ultravioletten Strahlen schützt. Diese Entdeckung wurde von Interessengruppen aus der Industrie zunächst nachdrücklich geleugnet; dahinter standen nicht nur weltweite FCKW-Umsätze von rund 160 Milliarden Euro, sondern auch echte Zweifel, die sich auf wissenschaftliche Komplikationen gründeten. Deshalb dauerte es lange, bis die FCKWs abgeschafft wurden: Das Chemieunternehmen Dupont (der größte Hersteller dieser Substanzen) stellte ihre Produktion erst 1988 ein, 1992 einigten sich die Industrieländer auf die völlige Abschaffung der FCKW-Produktion bis 1995, und in China sowie einigen anderen Entwicklungsländern werden sie bis heute hergestellt. Leider befindet sich aber bereits eine große FCKW-Menge in der Atmosphäre, und diese Menge wird so langsam abgebaut, dass sie selbst nach der völligen Beendigung der Produktion noch viele Jahrzehnte erhalten bleiben wird.
Das zweite Beispiel ist die Einführung der Autos. In den vierziger Jahren, als ich noch ein Kind war, konnten einige meiner Lehrer sich noch an die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts erinnern, als Autos in den Straßen unserer Städte an die Stelle von Pferdewagen und Straßenbahnen traten. Wie meine Lehrer uns erzählten, erlebten die amerikanischen Stadtbewohner dabei zunächst einmal, dass die Städte auf wundersame Weise sauberer und ruhiger wurden. Die Straßen waren nicht mehr ständig mit Pferdemist und -urin verunreinigt, und man hörte nicht mehr ständig das Klappern der Hufe auf dem Pflaster. Heute, nach 100 Jahren mit Autos und Bussen, erscheint es uns lächerlich oder unvorstellbar, dass jemand diese Fahrzeuge wegen ihrer Sauberkeit und geringen Geräuschentwicklung loben könnte. Zwar spricht sich niemand dafür aus, zu Pferden zurückzukehren und so das Abgasproblem zu lösen, aber das Beispiel zeigt, welche unvorhergesehenen, negativen Nebenwirkungen eine Technik unter Umständen auch dann hat, wenn wir sie (im Gegensatz zu den FCKWs) nicht abschaffen mögen.
»Wenn eine Ressource erschöpft ist, können wir immer zu einer anderen wechseln und damit die gleichen Bedürfnisse befriedigen.« Optimisten, die so etwas behaupten, nehmen nicht zur Kenntnis, dass ein solcher Übergang stets langwierig und mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten verbunden ist. Bei den Autos beispielsweise wurde ein Wechsel zu Technologien, die bisher nicht ausgereift sind, schon mehrfach als viel versprechende Lösung für ein großes ökologisches Problem angekündigt. Die derzeitigen Hoffnungen auf einen Durchbruch beziehen sich auf den Wasserstoff- und Brennstoffzellenantrieb, eine Technologie, die in ihrer Anwendung auf Fahrzeuge noch in den Kinderschuhen steckt. Bisher gibt es also keine Erfahrungen, die das Vertrauen in das Wasserstoffauto als Lösung für unser Problem mit den fossilen Brennstoffen rechtfertigen würden. Dafür haben wir aber Erfahrungen mit einer langen Reihe anderer angeblicher neuer Antriebstechnologien, die als Durchbrüche gepriesen wurden, wie beispielsweise der Kreiskolbenmotor und (in jüngster Zeit) Elektrofahrzeuge; solche Lösungen führten zu zahlreichen Diskussionen und sogar zu einer Serienfertigung, bevor sie wegen unvorhergesehener Probleme den Rückzug antraten oder völlig verschwanden.
Ebenso aufschlussreich ist die jüngste Entwicklung der Automobilindustrie, das Brennstoff sparende Gas/Elektro-Hybridfahrzeug, das sich zunehmender Verkaufszahlen erfreut. Wer aber an einen Wechsel glaubt, darf gerechterweise nicht nur das Hybridauto erwähnen, sondern muss auch daraufhinweisen, dass die Autoindustrie gleichzeitig die SUVs (Geländewagen, die vielfach von Städtern gefahren werden) entwickelt hat, die sich in erheblich größeren Stückzahlen verkaufen und die Benzineinsparung der Hybridfahrzeuge mehr als zunichte machen. Insgesamt hatten diese beiden technischen Neuentwicklungen zur Folge, dass der Kraftstoffverbrauch und die Abgasemissionen aller Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten nicht gesunken, sondern gestiegen sind. Niemand hat bisher eine Methode gefunden, mit der man sicherstellen könnte, dass eine Technologie ausschließlich zu umweltfreundlichen Wirkungen und Produkten (wie den Hybridfahrzeugen) führt, ohne gleichzeitig auch umweltschädliche Wirkungen und Produkte (beispielsweise die SUVs) hervorzubringen.
Ein weiteres Beispiel für den Glauben an Wechsel und Ersatz ist die Hoffnung, man könne die Energiekrise mit erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenenergie lösen. Die Technologie dazu gibt es; in Kalifornien dient Sonnenenergie vielerorts zum Beheizen von Schwimmbädern, und in Dänemark decken Windräder bereits ungefähr ein Sechstel des Energiebedarfs. Aber Wind- und Sonnenenergie lassen sich nur begrenzt verwenden, denn man kann sie nur an Orten mit zuverlässigen Windverhältnissen oder stetiger Sonneneinstrahlung einsetzen. Außerdem zeigt die jüngere Technikgeschichte, dass der Übergang bei größeren Veränderungen - beispielsweise von Kerzen über Öl- und Gasleuchten bis zum elektrischen Licht oder vom Holz über Kohle zu Erdöl als Energieträger -mehrere Jahrzehnte in Anspruch nimmt, weil viele Institutionen und sekundäre technische Einrichtungen, die mit der alten Technologie zusammenhängen, verändert werden müssen. Wahrscheinlich werden alternative Energieträger in Zukunft tatsächlich in Verkehr und Energieproduktion einen immer größeren Beitrag leisten, aber das ist eine langfristige Aussicht. Wir müssen unsere Brennstoff- und Energieprobleme auch für die nächsten Jahrzehnte lösen, in denen die neue Technologie noch nicht allgemein verbreitet ist. Nur allzu oft lassen sich Politiker und Industrie durch die Fixierung auf eine ferne Zukunft mit viel versprechenden Wasserstoffautos und Windenergie von den vielen Maßnahmen ablenken, die ganz offensichtlich schon jetzt notwendig sind, um die Fahrleistung und den Brennstoffverbrauch der vorhandenen Autos sowie den Verbrauch fossiler Brennstoffe durch Kraftwerke zu vermindern.
»Ein Welternährungsproblem gibt es nicht; wir haben schon genügend Lebensmittel; wir müssen nur das Transportproblem lösen und die Lebensmittel dorthin bringen, wo sie gebraucht werden.« (Das Gleiche könnte man auch über die Energie sagen.) Oder aber: »Das Ernährungsproblem ist schon durch die Grüne Revolution gelöst, mit neuen, ertragreichen Reis- und anderen Getreidesorten, oder zumindest wird es durch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen gelöst werden.« Diese Argumentation stützt sich auf zwei Erkenntnisse: Die Bewohner der Industrieländer verbrauchen im Durchschnitt pro Kopf mehr Lebensmittel als die Bürger der Dritten Welt, und manche Industrieländer, unter ihnen auch die Vereinigten Staaten, produzieren mehr Nahrungsmittel, als ihre Bewohner verbrauchen, oder sie könnten solche Überschüsse produzieren. Angenommen, der Nahrungsmittelverbrauch würde sich über die ganze Welt gleichmäßig verteilen, oder man könnte die Überschüsse aus den Industrieländern in die Dritte Welt exportieren: Wäre damit der Hunger in der Dritten Welt gelindert?
Die erste Hälfte dieser Argumentation hat eine offenkundige Schwäche: Die Bewohner der Industrieländer haben keine Lust, weniger zu essen, damit die Menschen in der Dritten Welt mehr zu essen haben. Und die zweite Hälfte nimmt nicht zur Kenntnis, dass die Industrieländer zwar gelegentlich gern Nahrungsmittel exportieren, um nach einer Krise (beispielsweise einer Dürre oder einem Krieg) in bestimmten Drittweltländern den Hunger zu lindern, dass sie aber kein Interesse daran haben, regelmäßig (über steuerfinanzierte Entwicklungshilfe und Subventionen für die Bauern) und langfristig die Lebensmittel für Milliarden Menschen in der Dritten Welt zu bezahlen. Würde dies geschehen, ohne dass in den Ländern der Dritten Welt wirksame Familienplanung betrieben wird - was die derzeitige US-Regierung aus prinzipiellen Gründen ablehnt -, würde sich wieder das malthusische Dilemma einstellen: Die Bevölkerung würde proportional zur steigenden Menge der Nahrungsmittel anwachsen. Bevölkerungswachstum und Malthus-Dilemma sind auch ein Teil der Erklärung dafür, warum der Hunger nach Jahrzehnten der Hoffnung und hohen Investitionen in Grüne Revolution und ertragreiche Getreidesorten immer noch weit verbreitet ist. Alle diese Überlegungen bedeuten, dass auch gentechnisch veränderte Lebensmittel allein die Ernährungsprobleme der Erde nicht lösen werden (wird dabei angenommen, dass die Bevölkerung konstant bleibt?). Außerdem beschränkt sich die Produktion gentechnisch veränderter Nutzpflanzen heute fast ausschließlich auf vier Pflanzenarten (Sojabohnen, Mais, Raps und Baumwolle), die nicht unmittelbar der menschlichen Ernährung dienen, sondern als Tierfutter, zur Ölherstellung oder als Rohstoff für Bekleidung verwendet werden, und der Anbau erfolgt in sechs Staaten oder Regionen der gemäßigten Klimazonen. Dies liegt einerseits daran, dass die Verbraucher einen starken Widerwillen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel haben, andererseits aber auch an dem Umstand, dass die Firmen, die solche Nutzpflanzen entwickeln, Geld verdienen wollen: Dies ist nur möglich, wenn sie ihre Produkte an die reichen Bauern in wohlhabenden Staaten der gemäßigten Klimazonen verkaufen, nicht aber durch den Verkauf an arme Landbewohner in tropischen Entwicklungsländern. Deshalb haben die Unternehmen kein Interesse daran, mit hohen Investitionen beispielsweise gentechnisch veränderten Maniok oder Hirse für die Bauern in der Dritten Welt zu entwickeln.
»Nimmt man allgemein anerkannte Indikatoren wie Lebenserwartung, Gesundheit und Wohlstand (oder in der
Wirtschaftsterminologie: Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt) als Maßstab, werden die Verhältnisse in Wirklichkeit seit vielen Jahrzehnten immer besser.« Oder: »Man braucht sich doch nur umzusehen: Das Gras ist noch grün, in den Supermärkten gibt es jede Menge Lebensmittel, aus dem Wasserhahn kommt sauberes Wasser, und es gibt keinerlei Anzeichen für einen bevorstehenden Zusammenbruch.« Für die Bewohner der reichen Industrieländer haben sich die Lebensverhältnisse tatsächlich verbessert, und durch verbesserte Gesundheitsversorgung hat sich auch die durchschnittliche Lebenserwartung in der Dritten Welt erhöht. Aber die Lebenserwartung allein ist kein ausreichendes Kriterium: Milliarden Menschen in der Dritten Welt, insgesamt rund 80 Prozent der Weltbevölkerung, leben nach wie vor in Armut nahe an der Hungergrenze oder darunter. Selbst in den Vereinigten Staaten befindet sich ein zunehmender Prozentsatz der Bevölkerung an der Armutsgrenze und kann sich keine medizinische Versorgung leisten; alle Vorschläge zur Veränderung dieser Situation, beispielsweise eine staatlich finanzierte Krankenversicherung für alle, waren politisch nicht durchsetzbar.
Außerdem wissen wir als Einzelpersonen alle, dass wir unsere wirtschaftliche Situation nicht allein am derzeitigen Stand unseres Bankkontos ablesen können: Wir müssen auch darauf achten, wie sich das Guthaben entwickelt. Wer auf seinem Kontoauszug ein Guthaben von 5000 Euro sieht, wird darüber nicht erfreut sein, wenn sich dieses Guthaben während der letzten Jahre jeden Monat um 200 Euro vermindert hat, denn wenn es mit der gleichen Geschwindigkeit weitergeht, bleiben nur noch zwei Jahre und ein Monat bis zum Bankrott. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Volkswirtschaft sowie für die Entwicklung von Umwelt und Bevölkerung. Die Industrieländer erfreuen sich heute nur deshalb eines so großen Wohlstandes, weil sie ihr ökologisches Kapital verbrauchen, das heißt ihr Kapital an nicht erneuerbaren Energiequellen, Fischbeständen, Mutterboden, Wäldern und so weiter. Den Verbrauch von Kapital sollte man nicht fälschlich als Geldverdienen bezeichnen. Es hat keinen Sinn, sich mit den derzeitigen Annehmlichkeiten zufrieden zu geben, wenn klar ist, dass wir uns bisher nicht auf einem nachhaltigen Weg befinden.
Aus der Geschichte des Zusammenbruchs bei den Maya und Anasazi, auf der Osterinsel und in anderen früheren Gesellschaften (aber auch aus dem erst kürzlich erfolgten Zusammenbruch der Sowjetunion) kann man unter anderem die wichtige Erkenntnis ableiten, dass der steile Niedergang einer Gesellschaft unter Umständen schon ein oder zwei Jahrzehnte nach der Zeit einsetzt, zu der sie in Bevölkerungszahl, Reichtum und Macht ihren Höhepunkt erreicht hat. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Entwicklung der hier erörterten Gesellschaften vom normalen Lebensweg eines einzelnen Menschen, bei dem der Niedergang in Form einer langen, allmählichen Alterung erfolgt. Der Grund ist einfach: Spitzenwerte bei Bevölkerungszahl, Reichtum, Ressourcenverbrauch und Abfallproduktion sind mit einer maximalen Beeinträchtigung der Umwelt verbunden, und irgendwann überfordert diese Beeinträchtigung die Ressourcen. Bei längerem Nachdenken ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass der Niedergang einer Gesellschaft so schnell auf ihre Blütezeit folgt.
»Man braucht sich nur anzusehen, wie häufig sich die Weltuntergangsprophezeiungen der Angstmacher und Umweltschützer als falsch erwiesen haben. Warum sollten wir ihnen dieses Mal glauben?« Ja, manche Voraussagen der Umweltschützer haben sich als falsch erwiesen. Als Beispiel nennen die Kritiker gerne die Voraussagen, die Paul Ehrlich, Jon Harte und Jon Holdren 1980 über den Preisanstieg für fünf Metalle abgaben, oder die Prophezeiungen des Club of Rome aus dem Jahr 1972. Aber man geht in die Irre, wenn man gezielt nur Voraussagen von Umweltschützern nennt, die sich als falsch erwiesen haben, ohne sich gleichzeitig anzusehen, welche Aussagen richtig waren oder welche Voraussagen der Umweltschutzgegner sich als falsch erwiesen haben. Irrtümer der zuletzt genannten Art gibt es in Hülle und Fülle: So wurde zum Beispiel mit übermäßigem Optimismus vorausgesagt, die Grüne Revolution werde bis heute bereits die Hungerprobleme der Welt beseitigt haben; der Wirtschaftswissenschaftler Julian Simons prophezeite, wir könnten die Weltbevölkerung auch bei ungebremstem Wachstum die nächsten sieben Milliarden Jahre ernähren; und Simon sagte auch voraus, man könne Kupfer aus anderen Elementen herstellen, und deshalb bestehe nicht die Gefahr einer Kupferknappheit. Betrachten wir einmal Simons erste Voraussage: Beim derzeitigen Wachstum der Weltbevölkerung wären wir in 774 Jahren bei 10 Menschen je Quadratmeter Landfläche angelangt, in knapp 2000 Jahren wäre die Masse der Menschen ebenso groß wie die Masse der Erde, in 6000 Jahren hätte die Masse der Menschen die gesamte Masse des Universums erreicht, und Simon sagte sieben Milliarden Jahre ohne solche Probleme voraus. Was seine zweite Voraussage angeht, so lernen wir schon im ersten Jahr unseres Chemieunterrichts, dass Kupfer ein Element ist, und das bedeutet definitionsgemäß, dass man es nicht aus anderen Elementen herstellen kann. Nach meinem Eindruck waren auch pessimistische Voraussagen, die sich als falsch erwiesen haben, wie die von Ehrlich, Harte und Holdren über die Metallpreise oder die des Club of Rome über die Nahrungsmittelversorgung der Zukunft, zur Zeit ihrer Entstehung im Durchschnitt immer noch wesentlich realistischer als die beiden Voraussagen von Simon.
Letztlich reduziert sich der Einzeiler über manche Voraussagen der Umweltschützer zu einer Klage über den einen oder anderen Fehlalarm. In anderen Lebensbereichen, beispielsweise wenn es um Brände geht, reagieren wir auf einen Fehlalarm mit dem gesunden Menschenverstand. Unsere Behörden unterhalten aufwendige Feuerwehrkräfte, auch wenn sie in Kleinstädten vielleicht nur selten zum Löschen gerufen werden. Notrufe, die bei der Feuerwehr eingehen, erweisen sich häufig als falscher Alarm, und in vielen Fällen handelt es sich auch nur um kleine Brände, die der Hauseigentümer selbst löschen kann, bevor die Feuerwehr eintrifft. Dass es solche Fälle von falschem Alarm und selbst gelöschtem Feuer mit einer gewissen Häufigkeit gibt, nehmen wir ohne weiteres hin, denn wir wissen, dass die Brandgefahr unberechenbar ist und dass man am Anfang unter Umständen schwer einschätzen kann, wie ein Brand sich entwickelt; wenn ein Feuer aber außer Kontrolle gerät, sind die Sach- und Personenschäden häufig beträchtlich. Kein vernünftiger Mensch würde auch nur im Traum auf die Idee kommen, in einer Stadt die Feuerwehr abzuschaffen, nur weil es seit ein paar Jahren keinen Großbrand mehr gegeben hat. Und niemand würde es einem Hausbesitzer verübeln, wenn er die Feuerwehr anruft, nachdem er einen kleinen Brand entdeckt hat, auch wenn es ihm anschließend gelingt, das Feuer vor Eintreffen des Löschzuges zu ersticken. Nur wenn die Fehlalarme einen unverhältnismäßig hohen Anteil aller Notrufe ausmachen, haben wir den Eindruck, dass etwas nicht stimmt. Welchen Anteil an Fehlalarmen wir hinnehmen, hängt von einem Vergleich ab, den wir unbewusst vornehmen: auf der einen Seite die Häufigkeit großer Brände und die dabei angerichteten Schäden, auf der anderen die Häufigkeit der Fehlalarme und die dadurch verursachten, unnötigen Kosten. Eine sehr geringe Häufigkeit falscher Alarmierungen ist der Beweis, dass viele Hausbesitzer zu vorsichtig sind, die Feuerwehr zu spät rufen und auf diese Weise ihr Eigentum verlieren.
Die gleichen Überlegungen treffen auf die Warnungen der Umweltschützer zu: Auch hier müssen wir damit rechnen, dass es sich in manchen Fällen um falschen Alarm handelt, denn sonst wüssten wir, dass unser Warnsystem für Umweltschäden zu träge ist. Die Milliardenschäden, die durch viele Umweltprobleme entstehen, rechtfertigen eine gewisse Häufigkeit von Fehlalarmen. Außerdem erweist sich ein Alarm häufig nur deshalb als falsch, weil er uns veranlasst hat, erfolgreiche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So stimmt es beispielsweise, dass die Luftqualität hier bei uns in Los Angeles nicht so schlecht ist, wie es vor 50 Jahren in manchen düsteren Voraussagen prophezeit wurde. Das liegt aber ausschließlich daran, dass die Stadt Los Angeles und der Staat Kalifornien durch diese Warnungen aufgeschreckt wurden und zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen (beispielsweise Abgasgrenzwerte für Autos, Smog-Grenzwerte und bleifreies Benzin), aber es hat nichts damit zu tun, dass die anfänglichen Voraussagen übertrieben gewesen wären.
»Die Bevölkerungskrise löst sich bereits selbst - das Wachstum der Weltbevölkerung nimmt ab, und irgendwann wird die Bevölkerung sich bei weniger als dem Doppelten der jetzigen Zahl einpendeln.« Eine solche Voraussage, dass die Weltbevölkerung sich bei weniger als dem Doppelten der jetzigen Zahl einpendeln wird, kann sich als richtig erweisen oder auch nicht; derzeit erscheint sie als realistische Möglichkeit. Aber aus dieser Möglichkeit können wir keinen Trost schöpfen, und das hat zwei Gründe: Nach vielen Kriterien lebt die Weltbevölkerung schon jetzt auf einem nicht nachhaltigen Niveau, und wie ich zuvor in diesem Kapitel bereits erläutert habe, besteht die Hauptgefahr nicht in der Verdoppelung der Bevölkerung, sondern in dem viel größeren Anstieg ihrer ökologischen Auswirkungen, wenn es der Bevölkerung in der Dritten Welt gelingt, den Lebensstandard der Industrieländer zu erreichen. Mit erstaunlicher Lässigkeit erwähnen manche Bewohner der Industrieländer den Zuwachs von »nur« zweieinhalb Milliarden Menschen (die niedrigste Schätzung, die derzeit im Umlauf ist), als wäre das hinnehmbar, wo es auf der Welt bereits jetzt ebenso viele Menschen gibt, die unterernährt sind und von weniger als drei Dollar pro Tag leben müssen.
»Die Welt verträgt ein unbegrenztes Bevölkerungswachstum. Je mehr Menschen es gibt, desto besser ist es, denn mehr Menschen können mehr Erfindungen machen, und das bedeutet letztlich mehr Wohlstand.« Diese beiden Ideen verbinden sich insbesondere mit dem Namen Julian Simon, sie wurden aber auch von vielen anderen übernommen, insbesondere von Wirtschaftswissenschaftlern. Die Aussage über die Möglichkeit, das derzeitige Bevölkerungswachstum unbegrenzt fortzusetzen, kann man nicht ernst nehmen: Wie ich bereits erläutert habe, würden dann schon im Jahr 2779 ungefähr zehn Menschen auf jedem Quadratmeter leben. Die Daten über den Wohlstand verschiedener Staaten zeigen, dass die Behauptung, mehr Menschen seien gleichbedeutend mit mehr Wohlstand, eben gerade nicht stimmt. Die zehn bevölkerungsreichsten Länder sind (in absteigender Reihenfolge der Bevölkerungszahlen) China, Indien, die Vereinigten Staaten, Indonesien, Brasilien, Pakistan, Russland, Japan, Bangladesch und Nigeria. Die zehn Länder mit dem größten Wohlstand (Pro-Kopf-BIP über 20 000 Dollar) sind in absteigender Reihenfolge die Schweiz, Luxemburg, Finnland, Japan, Schweden, Norwegen, Dänemark, Island, Kanada und Nauru. Das einzige Land, das sich in beiden Listen findet, ist Japan.
In Wirklichkeit sind gerade die bevölkerungsreichen Länder unverhältnismäßig arm: Acht der zehn genannten Staaten haben ein BIP von weniger als 10 000 Dollar pro Kopf, in sechs davon liegt es unter 600 Dollar. Umgekehrt haben die reichen Länder eine unverhältnismäßig kleine Bevölkerung: Sie liegt bei acht der zehn genannten Staaten unter 9 Millionen, bei drei davon sogar unter 500 000. Was die beiden Listen wirklich unterscheidet, ist das Bevölkerungswachstum: Es liegt in allen zehn wohlhabenden Ländern sehr niedrig (unter ein Prozent pro Jahr), während acht der zehn bevölkerungsreichsten Länder ein höheres relatives Bevölkerungswachstum haben als alle genannten wohlhabenden Länder; die beiden Ausnahmen sind zwei große Staaten, die ihr geringes Bevölkerungswachstum auf unangenehme Weise verwirklicht haben: China mit seinen staatlichen Anordnungen und Zwangsabtreibungen, und Russland, dessen Bevölkerung wegen katastrophaler gesundheitlicher Verhältnisse sogar abnimmt. Als empirische Tatsache kann man also festhalten: Mehr Menschen und ein höheres Bevölkerungswachstum bedeuten nicht mehr Reichtum, sondern mehr Armut.
»Ökologische Bedenken sind ein Luxus, den sich nur reiche Yuppies aus den Industrieländern leisten können, aber die haben kein Recht, verzweifelten Bewohnern der Dritten Welt zu sagen, was sie zu tun haben.« Diese Ansicht habe ich vor allem von reichen Yuppies aus Industrieländern gehört, die mit der Dritten Welt keine Erfahrungen hatten. Als ich in Indonesien, Papua-Neuguinea, Ostafrika, Peru und anderen Staaten der Dritten Welt mit wachsenden Umweltproblemen und wachsender Bevölkerung unterwegs war, hat es mich immer wieder beeindruckt, dass die Menschen dort sehr genau darüber Bescheid wissen, wie ihnen Bevölkerungswachstum, Waldzerstörung, Überfischung und andere Probleme schaden. Sie wissen es, weil sie sofort bestraft werden: kein kostenloses Bauholz für ihre Häuser mehr, umfangreiche Bodenerosion, und (eine tragische Klage, die ich ständig höre) kein Geld für Kleidung, Bücher und die Schulgebühren für die Kinder. Dass der Wald hinter ihrem Dorf dennoch abgeholzt wird, liegt meistens entweder an einer korrupten Regierung, die trotz häufig gewalttätiger Proteste die Abholzung angeordnet hat, oder sie haben widerwillig einen Pachtvertrag unterzeichnet, weil sie keine andere Möglichkeit gesehen haben, sich im nächsten Jahr das Geld für ihre Kinder zu verschaffen. Meine besten Freunde in der Dritten Welt, Familien mit vier bis acht Kindern, klagen immer wieder: Sie haben gehört, dass es in den Industrieländern ungefährliche Methoden zur Empfängnisverhütung gibt, und die wollen sie unbedingt auch selbst anwenden, aber sie haben keinen Zugang dazu oder können sie sich nicht leisten, unter anderem weil die US-Regierung sich weigert, im Rahmen ihrer Entwicklungshilfeprogramme auch Familienplanung zu finanzieren.
Eine andere Ansicht ist unter wohlhabenden Bewohnern der Industrieländer ebenfalls weit verbreitet, wird aber selten offen ausgesprochen: Sie kommen selbst gut zurecht, wenn sie trotz aller ökologischen Probleme ihre Lebensweise beibehalten, und eigentlich interessieren sie sich nicht für diese Probleme, weil sie vor allem Menschen in der Dritten Welt betreffen (aber es so unverblümt zu formulieren, ist politisch nicht korrekt). In Wirklichkeit sind auch die reichen Länder nicht immun gegen ökologische Probleme. Wie alle anderen Menschen, so wollen auch die Manager der Großunternehmen in den Industrieländern essen, trinken, atmen und Kinder bekommen. Probleme der Wasserqualität können sie zwar in der Regel umgehen, indem sie Wasser aus Flaschen trinken, aber die Umgehung der Probleme mit Lebensmittel- und Luftqualität fällt ihnen ebenso schwer wie allen anderen. Da sie an einer unverhältnismäßig hohen Stelle der Nahrungskette stehen, wo Giftstoffe bereits stark angereichert sind, ist die Gefahr von Fortpflanzungsstörungen bei ihnen sogar eher größer: Sie nehmen Giftstoffe auf oder kommen mit ihnen in Kontakt, und das könnte dazu beitragen, dass solche Menschen in einem besonders hohen Maße unfruchtbar sind und beim Zeugen von Kindern immer häufiger medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Im Übrigen konnten wir aus unserer Beschreibung der Mayakönige, der Wikingerhäuptlinge in Grönland und der Häuptlinge auf der Osterinsel unter anderem den Schluss ziehen, dass reiche Menschen ihre eigenen Interessen und die ihrer Kinder auf Dauer nicht sichern können, wenn sie über eine zusammenbrechende Gesellschaft herrschen und für sich selbst nur das Vorrecht einkaufen, als Letzte zu hungern oder zu sterben. Betrachtet man die Gesellschaft der Industrieländer als Ganzes, dann ist ihr Ressourcenverbrauch zum größten Teil für den Gesamtverbrauch der Welt verantwortlich, der zu den am Anfang dieses Kapitels beschriebenen Auswirkungen geführt hat. Unser nicht nachhaltiger Verbrauch hat zur Folge, dass die Industrieländer ihren derzeitigen Kurs selbst dann nicht mehr lange beibehalten könnten, wenn es die Dritte Welt nicht gäbe und wenn diese nicht bestrebt wäre, zu uns aufzuschließen.
»Wirklich bedrohlich werden diese ökologischen Probleme erst in ferner Zukunft, wenn ich längst tot bin. Deshalb kann ich sie nicht ernst nehmen.« Wenn es so weitergeht wie bisher, werden die zwölf wichtigen ökologischen Probleme, die ich zu Beginn dieses Kapitels genannt habe, in Wirklichkeit bereits zu Lebzeiten der heutigen jungen Erwachsenen akut werden. Wer Kinder hat, sieht in der Sicherung von deren Zukunft das wichtigste Ziel, für das man Zeit und Geld aufwendet. Wir bezahlen ihre Schulausbildung, ihre Nahrung und Kleidung, verfassen ein Testament zu ihren Gunsten und schließen ihretwegen eine Lebensversicherung ab, alles mit dem Ziel, dass sie sich in 50 Jahren eines angenehmen Lebens erfreuen können. Es hat keinen Sinn, wenn wir das alles für unsere Kinder tun und gleichzeitig durch andere Handlungsweisen die Welt zugrunde richten, in der unsere Kinder in 50 Jahren leben werden.
Dieses paradoxen Verhaltens habe ich mich auch selbst schuldig gemacht: Ich bin 1937 geboren, und bevor meine Kinder zur Welt kamen, konnte ich Vorgänge wie die globale Erwärmung oder die Vernichtung der tropischen Regenwälder, die für das Jahr 2037 vorausberechnet waren, nicht ernst nehmen. Zu jener Zeit würde ich mit Sicherheit nicht mehr leben, und schon die Zahl 2037 erschien mir unwirklich. Als aber meine beiden Söhne - Zwillinge -1987 geboren wurden, und als ich dann zusammen mit meiner Frau die ganze elterliche Versessenheit mit Schule, Lebensversicherung und Testament durchlebte, ging mir plötzlich ein Licht auf: Im Jahr 2037 würden meine Kinder so alt sein, wie ich gerade war, nämlich 50! Was hat es für einen Sinn, den Kindern das eigene Vermögen zu vermachen, wenn es in der Welt bis dahin ohnehin drunter und drüber geht?
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lebte ich fünf Jahre in Europa, und dann heiratete ich in eine polnische Familie mit einem japanischen Zweig ein. Dabei erlebte ich hautnah mit, was geschehen kann, wenn Eltern sich zwar individuell um ihre Kinder kümmern, aber nicht um die zukünftige Welt ihrer Kinder. Die Eltern meiner polnischen, deutschen, japanischen, russischen, britischen und jugoslawischen Freunde hatten ebenfalls Lebensversicherungen abgeschlossen, Testamente geschrieben und sich um eine gute Schulausbildung für ihre Kinder bemüht, genau wie meine Frau und ich es in jüngerer Zeit getan haben. Manche von ihnen waren reich und hätten ihren Kindern wertvolles Eigentum hinterlassen können. Aber sie kümmerten sich nicht genug um die Welt ihrer Kinder und stürzten in die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. Dadurch wurde fast allen meinen europäischen und japanischen Freunden, die im gleichen Jahr geboren sind wie ich, in irgendeiner Form das Leben verdorben: Sie wurden zu Waisen, wurden von einem oder beiden Eltern schon in der Kindheit getrennt, wurden ausgebombt, erhielten keine gute Schulausbildung, verloren das Familienvermögen oder wuchsen bei Eltern auf, die durch Erinnerungen an Krieg und Konzentrationslager belastet waren. Für den Fall, dass wir heute nicht für die Welt unserer Kinder sorgen, würden wir zwar jetzt ein anderes Zukunftsszenario zeichnen, aber das ist nicht weniger unerfreulich.
Damit bleiben zwei Einwände übrig, mit denen wir uns noch nicht befasst haben: »Zwischen den heutigen Gesellschaften und denen, die in früherer Zeit auf der Osterinsel, bei den Maya und Anasazi zusammengebrochen sind, bestehen große Unterschiede; deshalb lassen sich die Lehren aus der Vergangenheit nicht einfach übertragen.« Und: »Was kann ich als Einzelner denn schon tun, wo die Welt doch von unaufhaltsamen, mächtigen Regierungen und Unternehmen gelenkt wird?« Anders als die zuvor genannten Bedenken, die man bei näherem Hinsehen sehr schnell zu den Akten legen kann, sind diese beiden stichhaltig begründet. Der ersten Frage werde ich den Rest dieses Kapitels widmen, mit der zweiten beschäftigt sich ein Teil des Kapitels »Weiterführende Literatur« (Seite 652 ff.).
Bestehen zwischen Vergangenheit und Gegenwart so enge Parallelen, dass wir aus den Zusammenbrüchen auf der Osterinsel und Henderson, bei den Anasazi, den Maya und den grönländischen Wikingern tatsächlich Lehren für die heutige Zeit ableiten können? Angesichts der offenkundigen Unterschiede könnte ein Kritiker versucht sein, einzuwenden: »Es ist doch lächerlich, wenn man annimmt, die Zusammenbrüche dieser alten Völker könnten für die moderne Zeit besondere Bedeutung haben. Damals gab es nicht die Wunder der modernen Technik, die uns nützen und uns durch die Erfindung neuer, umweltfreundlicher Technologien bei der Problemlösung helfen. Damals hatten die Menschen das Pech, dass sie unter den Auswirkungen von Klimaveränderungen leiden mussten. Sie waren dumm und haben ihre eigene Umwelt zugrunde gerichtet, weil sie ganz offenkundig törichte Dinge getan haben, beispielsweise indem sie ihre Wälder abholzten, zu viele wilde Tiere als Proteinlieferanten töteten, untätig der Erosion ihrer Böden zusahen und Städte in trockenen Regionen errichten, wo die Wasserknappheit programmiert war. Sie hatten törichte Anführer, die keine Bücher besaßen und nichts aus der Geschichte lernen konnten, die sie in teure Kriege mit ungewissem Ausgang stürzten, nur um selbst an der Macht zu bleiben, und die den Problemen im eigenen Land keine Beachtung schenkten. Sie wurden von hungernden Einwanderern überrannt, und als eine Gesellschaft nach der anderen zusammenbrach, belastete eine Flut von Wirtschaftsflüchtlingen die Ressourcen der Gesellschaften, die noch nicht zusammengebrochen waren. In allen diesen Aspekten unterscheiden wir modernen Menschen uns grundlegend von unseren primitiven Vorfahren, und wir können nicht von ihnen lernen. Insbesondere in den Vereinigten Staaten leben wir im reichsten, mächtigsten Land der heutigen Welt, es hat die produktivste Umwelt, kluge politische Führer und starke Verbündete, während die Feinde nur schwach und unbedeutend sind - auf uns trifft keine der negativen Aussagen zu.«
Ja, es stimmt: Zwischen der Situation jener früheren Gesellschaften und den heutigen Verhältnissen gibt es große Unterschiede. Der offenkundigste besteht darin, dass heute wesentlich mehr Menschen leben und diese Menschen über eine weitaus mächtigere Technologie verfügen, die sich auf die Umwelt viel stärker auswirkt als in der Vergangenheit. Über sechs Milliarden Menschen sind mit schweren Geräten aus Metall ausgestattet, beispielsweise mit Bulldozern und Kernenergie; auf der Osterinsel dagegen lebten nur wenige zehntausend Menschen mit Meißeln aus Stein und ihrer eigenen Muskelkraft. Dennoch schafften es die Bewohner der Osterinsel, ihre Umwelt zu zerstören und ihre Gesellschaft in den Zusammenbruch zu stürzen. Dieser Unterschied macht die Gefahr für uns heute nicht geringer, sondern wesentlich größer.
Ein zweiter großer Unterschied erwächst aus der Globalisierung. Lassen wir die Frage nach Umweltproblemen in den Industrieländern zunächst einmal beiseite und überlegen wir nur, ob wir die Lehren aus den Zusammenbrüchen früherer Zeiten irgendwo in der heutigen Dritten Welt anwenden können. Fragen wir als Erstes einen Ökologen, der als Wissenschaftler in seinem Elfenbeinturm sitzt und zwar viel über die Umwelt weiß, aber nie eine Zeitung liest und sich nicht für Politik interessiert: Von ihm wollen wir wissen, welche Staaten in Übersee am schlimmsten unter Umweltbelastung und/oder Überbevölkerung zu leiden haben. Darauf antwortet er vielleicht: »Das ist ganz einfach. Auf die Liste der ökologisch belasteten oder überbevölkerten Staaten gehören in jedem Fall Afghanistan, Bangladesch, Burundi, Haiti, Indonesien, der Irak, Madagaskar, die Mongolei, Nepal, Pakistan, die Philippinen, Ruanda, die Salomonen, Somalia und andere.«
Als Nächstes fragen wir einen Politiker aus einem Industrieland, der nichts über Umwelt und Bevölkerungsprobleme weiß und sich auch nicht dafür interessiert, nach den schlimmsten Krisenherden der Welt: nach Staaten, deren Regierung bereits gestürzt wurde oder zusammengebrochen ist, für die das Risiko eines Zusammenbruchs besteht, oder die in jüngster Zeit durch Bürgerkriege zugrunde gerichtet wurden; und nach Staaten, die aufgrund solcher eigener Probleme auch Probleme für die reichen Industrieländer schaffen, sodass wir ihnen am Ende Entwicklungshilfe zahlen müssen, ihre illegalen Einwanderer aufnehmen, ihnen Militärhilfe leisten, oder ihnen sogar mit unseren eigenen Truppen helfen, Aufstände und Terroristen zu bekämpfen. Darauf würde der Politiker antworten: »Das ist ganz einfach. Auf die Liste der politischen Krisenherde gehören in jedem Fall Afghanistan, Bangladesch, Burundi, Haiti, Indonesien, der Irak, Madagaskar, die Mongolei, Nepal, Pakistan, die Philippinen, Ruanda, die Salomonen, Somalia und andere.«
Erstaunlich: Die beiden Listen sind sich sehr ähnlich. Worin der Zusammenhang besteht, liegt auf der Hand: Die Probleme der alten Maya, Anasazi und Osterinselbewohner manifestieren sich in der modernen Welt. Heute wie in der Vergangenheit besteht für ökologisch belastete und/oder überbevölkerte Staaten die Gefahr politischer Belastungen bis hin zum Zusammenbruch der Regierung. Verzweifelte, unterernährte, hoffnungslose Menschen werfen ihrer Regierung vor, sie sei für die Probleme verantwortlich oder unfähig, sie zu lösen. Sie versuchen um jeden Preis auszuwandern. Sie kämpfen untereinander um Land. Sie bringen sich gegenseitig um. Sie fangen Bürgerkriege an. Sie wissen, dass sie nichts zu verlieren haben, also werden sie Terroristen, oder sie unterstützen oder tolerieren den Terrorismus.
Die Folgen dieser offenkundigen Zusammenhänge sind allgemein bekannt: Völkermord, wie er sich bereits in Bangladesch, Burundi, Indonesien und Ruanda abgespielt hat; Bürgerkriege oder Revolutionen wie in den meisten Staaten auf der Liste; Forderungen an die Industrieländer nach Entsendung von Truppen, wie in Afghanistan, Haiti, Indonesien, dem Irak, den Philippinen, Ruanda, den Salomonen und Somalia; Zusammenbruch der Zentralregierung wie in Somalia und auf den Salomonen; und eine überwältigende Armut wie in allen Staaten auf der Liste. Das beste Vorhersagekriterium für das »Versagen von Staaten« - das heißt für Revolutionen, gewaltsamen Regierungswechsel, Zusammenbruch der staatlichen Autorität und Völkermord -ist also in unserer Zeit das Ausmaß der ökologischen Belastung und des Bevölkerungsdruckes, und die Anzeichen dafür sind hohe Säuglingssterblichkeit, schnelles Bevölkerungswachstum, ein hoher Anteil der 15- bis 30-Jährigen an der Gesamtbevölkerung und eine große Zahl arbeitsloser junger Männer ohne Berufsaussichten, die sich leicht für Milizen rekrutieren lassen. Solche Belastungen führen zu Konflikten um knappe Landflächen (wie in Ruanda), Wasser, Wälder, Fischgründe, Öl und Bodenschätze. Sie schaffen nicht nur ständige innere Spannungen, sondern führen auch zur Auswanderung politischer und wirtschaftlicher Flüchtlinge, und wenn autoritäre Regierungen ihre Nachbarstaaten angreifen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den inneren Problemen abzulenken, kommt es zum Krieg.
Kurz gesagt, geht es eigentlich nicht darum, ob es zum Zusammenbruch früherer Gesellschaften in unserer Zeit Parallelen gibt und ob wir daraus etwas lernen können. Diese Frage ist beantwortet, denn solche Zusammenbrüche haben sich in jüngster Zeit tatsächlich ereignet, und andere stehen anscheinend unmittelbar bevor. Die eigentliche Frage lautet: Wie viele weitere Staaten werden davon betroffen sein?
Was die Terroristen angeht, so könnte man einwenden, dass viele politische Mörder, Selbstmordattentäter und die Terroristen des 11. September keine ungebildeten, verzweifelten Menschen waren, sondern eine gute Bildung besaßen und gut bezahlt wurden. Das stimmt, aber auch sie waren auf eine verzweifelte Gesellschaft angewiesen, die sie unterstützte und tolerierte. Jede Gesellschaft hat ihre mörderischen Fanatiker; die Vereinigten Staaten selbst brachten einen Timothy McVeigh (der für das verheerende Bombenattentat von Oklahoma City verantwortlich war) und einen in Harvard ausgebildeten Theodore Kaczinski (den so genannten UNA-Bomber) hervor. Aber gut ernährte Gesellschaften mit guten Berufsaussichten wie in den Vereinigten Staaten, Finnland und Südkorea bieten ihren Fanatikern keine breite Unterstützung.
Durch die Globalisierung werden die Probleme dieser vielen ökologisch zerstörten, überbevölkerten, weit entfernten Länder zu unseren eigenen. Unter Globalisierung stellen wir uns in der Regel vor, dass wir, die Menschen in den fortgeschrittenen Industrieländern, unsere Segnungen wie Internet und Coca-Cola an die armen, zurückgebliebenen Bewohner der Dritten Welt weitergeben. In Wirklichkeit bedeutet Globalisierung aber nichts anderes als eine verbesserte weltweite Kommunikation, und durch die können viele Dinge in beiden Richtungen übertragen werden; Globalisierung beschränkt sich nicht auf gute Dinge, die aus den Industrieländern in die Dritte Welt transportiert werden.
Unter den schlechten Dingen, die aus den Industrieländern in Drittweltstaaten gelangen, haben wir bereits die Millionen Tonnen Elektronikschrott erwähnt, die jedes Jahr absichtlich nach China gebracht werden. Um zu begreifen, in welchem Umfang weltweit unabsichtliche Mülltransporte stattfinden, braucht man nur einmal zu betrachten, wie viel Abfall an den Stränden der winzigen Atolle Oeno und Ducie im Südostpazifik (siehe Landkarte Seite 156) eingesammelt wurden: Die beiden unbewohnten Atolle besitzen kein Süßwasser, werden selbst von Yachten nur selten angelaufen und gehören zu den abgelegensten Landfleckchen der Erde; beide sind selbst von dem unbewohnten Henderson nochmals über 150 Kilometer entfernt. Dort entdeckte man bei Untersuchungen auf jedem Meter Strand durchschnittlich ein Stück Abfall: Treibgut von Schiffen oder aus asiatischen und amerikanischen Staaten an der Pazifikküste, die Tausende von Kilometern entfernt sind. Die häufigsten Gegenstände waren dabei Plastiktüten, Schwimmer, Glas- und Plastikflaschen (insbesondere Suntory-Whiskyflaschen aus Japan), Seile, Schuhe und Glühbirnen, aber auch Kuriositäten wie Fußbälle, Spielzeugsoldaten und -flugzeuge, Fahrradpedale und Schraubenzieher.
Es gibt aber noch schlimmere Beispiele für Schlechtes, das aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer exportiert wird: Die höchste Konzentration industrieller Schadstoffe und Pestizide in der ganzen Welt findet man bei den Inuit (Eskimos) im Osten Grönlands und in Sibirien, also in Gebieten, die weit von allen Chemiefabriken und Einsatzgebieten solcher Chemikalien entfernt sind. Der Quecksilbergehalt ihres Blutes liegt dennoch in dem Bereich, den man mit akuter Quecksilbervergiftung in Verbindung bringt, und die Konzentration der giftigen PCBs (polychlorierten Biphenyle) in der Muttermilch von Inuitfrauen ist so hoch, dass man die Milch als »Giftmüll« einstufen müsste. Bei den Kindern beobachtet man Hörbehinderungen, Veränderungen in der Gehirnentwicklung, Störungen der Immunfunktion und in der Folge eine große Häufigkeit von Ohren- und Atemwegsinfektionen.
Warum ist die Konzentration solcher Schadstoffe aus den weit entfernten Industrieländern Amerikas und Europas bei den Inuit höher als bei den Bewohnern amerikanischer und europäischer Städte? Es liegt daran, dass Wale, Robben und Seevögel die Grundnahrungsmittel der Inuit sind, und diese Tiere fressen Fische, Muscheln und Krebse. Die Chemikalien durchlaufen die Nahrungskette und reichern sich auf jeder Stufe stärker an. Wenn wir in den Industriel ändern gelegentlich Meeresfrüchte essen, nehmen wir die gleichen Substanzen auf, aber in geringerer Menge. (Das bedeutet aber nicht, dass man sich schützen könnte, wenn man keinen Fisch mehr isst: Ganz gleich, was man verzehrt, man kann es nicht vermeiden, solche Chemikalien aufzunehmen.)
Zu den negativen Auswirkungen der Industrieländer auf die Dritte Welt gehört auch die Waldzerstörung: Die japanischen Importe von Holzprodukten sind derzeit eine der Hauptursachen für die Abholzung der Wälder in tropischen Drittweltländern. Für Überfischung sorgen die Fischerei flotten Japans, Koreas und Taiwans sowie die stark subventionierten Flotten der Europäischen Union, die sich auf den Weltmeeren herumtreiben. Umgekehrt können auch die Menschen aus der Dritten Welt uns heute absichtlich oder unabsichtlich schlechte Dinge schicken: Krankheiten wie AIDS, SARS, Cholera und Westnilfieber kommen mit den Passagieren der Interkontinentalflüge; legale und illegale Einwanderer treffen in riesiger Zahl mit Booten, Lastwagen, Eisenbahnzügen, Flugzeugen und zu Fuß ein; das Gleiche gilt für Terroristen und andere Folgen der Probleme in der Dritten Welt. Die Vereinigten Staaten sind nicht mehr die isolierte »Festung Amerika«, zu der manche sie in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts machen wollten, sondern sie sind eng und unausweichlich mit den Staaten anderer Kontinente verbunden. Die USA sind die weltweit führende Importnation: Wir importieren viele unentbehrliche Rohstoffe (insbesondere Öl und einige seltene Metalle) und Konsumgüter (Autos und Unterhaltungselektronik), wir sind aber auch der weltweit führende Importeur von Investitionskapital. Auch im Export - insbesondere von Lebensmitteln und den Produkten unserer eigenen Industrie - stehen wir weltweit an der Spitze. Unsere Gesellschaft hat sich schon vor langer Zeit dafür entschieden, sich mit der übrigen Welt zu verflechten.
Deshalb sind wir, unsere Handelswege, unsere Märkte und Lieferanten auch immer betroffen, wenn es irgendwo auf der Welt zu politischer Instabilität kommt. Wir sind in hohem Maße abhängig von der übrigen Welt: Hätte man vor 15 Jahren einen Politiker nach den Ländern gefragt, die für unsere geopolitischen Interessen die geringste Bedeutung haben, weil sie abgelegen, arm und schwach sind, hätte die Liste sicher mit Afghanistan und Somalia begonnen; in der Folgezeit wurden diese Länder jedoch so wichtig, dass sogar die Entsendung von US-Truppen gerechtfertigt erschien. Heute steht die Welt nicht mehr nur vor der eng umschriebenen Gefahr einer Osterinsel oder eines MayaKernlandes, das einsam und allein zusammenbricht, ohne dass die übrige Welt betroffen wäre. Heute sind alle Gesellschaften so stark verflochten, dass wir uns mit der Gefahr eines weltweiten Niederganges auseinander setzen müssen. Diese Erkenntnis ist jedem vertraut, der in Aktienmärkte investiert: Die Instabilität der US-Börsen und die Rezession in den USA nach dem 11. September beeinflussen auch die Börsen und die Konjunktur in anderen Ländern, und umgekehrt. Wir in den Vereinigten Staaten (oder auch nur die wohlhabenden Menschen in den Vereinigten Staaten) kommen nicht mehr damit davon, dass wir unsere eigenen Interessen auf Kosten anderer durchsetzen.
Ein gutes Beispiel für eine Gesellschaft, in der sich solche Interessenkonflikte auf ein Minimum beschränken, sind die Niederlande: Dort haben die Bürger vielleicht das weltweit größte Umweltbewusstsein, und nirgendwo sonst sind so viele Menschen Mitglieder von Umweltschutzorganisationen. Die Gründe hatte ich nie verstanden, bis ich kürzlich auf einer Reise in die Niederlande drei meiner dortigen Freunde danach fragte, während wir durch ein ländliches Gebiet fuhren. Die Antwort werde ich nie vergessen: »Sehen Sie sich doch hier nur um. Alle diese Felder, die Sie hier sehen, liegen unter dem Meeresspiegel. Ein Fünftel der Gesamtfläche der Niederlande liegt um bis zu sieben Meter unter der Meereshöhe. Früher waren das flache Buchten, und wir haben das Land dem Meer abgerungen, indem wir die Buchten mit Deichen verschlossen und dann das Wasser nach und nach hinausgepumpt haben. Wir sagen: ›Gott hat die Erde erschaffen, aber wir Niederländer haben die Niederlande erschaffen‹. Diese dem Meer abgerungenen Flächen bezeichnet man als ›Polder‹. Mit der Trockenlegung haben wir schon vor fast 1000 Jahren begonnen. Heute müssen wir ständig das Wasser hinauspumpen, das immer wieder einsickert. Dazu dienten früher unsere Windmühlen, sie haben die Pumpen angetrieben, mit denen die Polder trockengelegt wurden. Heute machen wir das mit Dampf-, Diesel- und Elektropumpen. In jedem Polder gibt es ganze Ketten von Pumpen; die erste steht am weitesten vom Meer entfernt, und sie pumpen das Wasser immer weiter, bis die letzte es in einen Fluss oder ins Meer befördert. Eine andere Redensart bei uns in den Niederlanden lautet: ›Du musst mit deinem Feind klarkommen, denn er betreibt vielleicht die Nachbarpumpe in deinem Polder.‹ Und in den Poldern sitzen wir alle. Es ist nicht so, dass die Reichen in Sicherheit oben auf den Deichen wohnen, während die Armen unten auf dem Polder unter dem Meeresspiegel leben müssen. Wenn die Deiche brechen oder die Pumpen versagen, ertrinken wir alle. Am 1. Februar 1953, als eine Sturmflut über die Provinz Zeeland hinwegfegte, ertranken fast 2000 Menschen, Reiche und Arme. Wir haben uns geschworen, dass wir so etwas nie wieder zulassen werden, und das ganze Land hat eine äußerst aufwendige Kette von Gezeitensperrwerken finanziert. Wenn die globale Erwärmung dazu führt, dass das Polareis schmilzt und der Meeresspiegel weltweit ansteigt, wird das auf die Niederlande schlimmere Auswirkungen haben als auf jedes andere Land der Welt, weil ein so großer Teil unserer Fläche ohnehin schon unter dem Meeresspiegel liegt. Das ist der Grund, warum wir Niederländer ein so starkes Umweltbewusstsein haben. Wir haben in unserer Geschichte gelernt, dass wir alle auf demselben Polder leben. Ob wir am Leben bleiben, hängt davon ab, ob auch alle anderen am Leben bleiben.« Diese Erkenntnis, dass alle Teile der niederländischen Gesellschaft voneinander abhängig sind, steht im Gegensatz zu dem derzeitigen Trend in den Vereinigten Staaten, wo die Reichen zunehmend bestrebt sind, sich von der übrigen Gesellschaft abzuschotten. Sie wollen ihre eigenen virtuellen Polder schaffen, kaufen Dienstleistungen mit ihrem eigenen Geld nur für sich und stimmen in Wahlen gegen Steuern, mit denen diese Annehmlichkeiten als staatliche Leistungen auch allen anderen zugute kämen. Solche Annehmlichkeiten sind beispielsweise das Wohnen in abgeschlossenen, bewachten Siedlungen, die sich nicht mehr auf die Polizei, sondern auf private Sicherheitsdienste verlassen, die Ausbildung der Kinder in gut finanzierten Privatschulen mit kleinen Klassen statt in den unzureichend ausgestatteten, überfüllten staatlichen Schulen, private Krankenversicherung und medizinische Versorgung, Verzehr von Wasser aus Flaschen anstelle des Leitungswassers und (in Südkalifornien) Fahrten auf gebührenpflichtigen Privatstraßen, die in Konkurrenz zu den verstopften öffentlichen Autobahnen stehen. Hinter dieser Privatisierung steht die falsche Annahme, eine Elite müsse von den Problemen der Gesellschaft um sie herum nicht betroffen sein: Es ist die Einstellung der schon mehrfach angeführten grönländischen Wikingerhäuptlinge, die am Ende feststellen mussten, dass sie für sich selbst nur das Privileg eingekauft hatten, als Letzte zu verhungern.
Die Menschen waren während ihrer gesamten Geschichte fast immer in irgendeiner Form mit anderen Menschen verbunden und lebten gemeinsam auf kleinen virtuellen Poldern. Die Bewohner der Osterinsel bildeten ein Dutzend Sippen, teilten den Polder ihrer Insel in ein Dutzend Territorien auf und isolierten sich von allen anderen Inseln, aber alle Clans teilten sich den Statuensteinbruch Rano Raraku, den Pukao-Steinbruch Puna Pau und ein paar Steinbrüche für Obsidian. Als die Gesellschaft der Osterinsel zerfiel, zerfielen alle Sippen gleichzeitig, aber sonst wusste niemand in der Welt davon, und niemand sonst war davon betroffen. Der Polder Südostpolynesiens bestand aus drei voneinander abhängigen Inseln, sodass der Niedergang der Gesellschaft auf Mangareva auch für die Bewohner von Pitcairn und Henderson eine Katastrophe bedeutete, sonst aber für niemanden. Der Polder der alten Maya umfasste große Teile der Halbinsel Yucatan und einige benachbarte Regionen. Als die klassischen Mayastädte im Süden der Halbinsel zusammenbrachen, dürften Flüchtlinge auch in den Norden von Yucatan gelangt sein, aber nach Florida kamen sie sicher nicht. Heute dagegen ist unsere ganze Welt ein einziger Polder, sodass die Ereignisse auf der ganzen Welt alle betreffen. Als das weit entfernte Somalia zusammenbrach, marschierten amerikanische Truppen ein; als das frühere Jugoslawien und die Sowjetunion zusammenbrachen, strömten Flüchtlinge in alle Teile Europas und in die übrige Welt; und als ein Wandel von Gesellschaft, Besiedelung und Lebensweise in Afrika und Asien zur Ausbreitung neuer Krankheiten führte, wanderten diese Krankheiten rund um die Erde. Heute ist die ganze Welt eine begrenzte, isolierte Einheit wie früher Tikopia oder das Japan der Tokugawazeit. Und wie die Japaner oder die Bewohner von Tikopia müssen wir erkennen, dass es keine andere Insel und keinen anderen Planeten gibt, den wir um Hilfe bitten oder auf den wir unsere Probleme exportieren könnten. Wie sie müssen wir lernen, mit unseren eigenen Mitteln zurechtzukommen.
Zu Beginn dieses Abschnitts habe ich eingeräumt, dass es zwischen der früheren und der modernen Welt wichtige Unterschiede gibt. Die Unterschiede, die ich dann erwähnt habe - die größere Bevölkerung und die potenziell destruktivere Technologie unserer Zeit sowie die Verflechtungen, die das Risiko eines globalen statt eines lokalen Zusammenbruches heraufbeschwören - könnten auf den ersten Blick der Anlass für eine pessimistische Sicht auf die Zukunft sein. Wenn schon die Bewohner der Osterinsel ihre viel kleineren, lokalen Probleme nicht lösen konnten, wie sollen wir dann darauf hoffen, dass wir unsere großen, globalen Schwierigkeiten in den Griff bekommen?
Menschen, die wegen solcher Gedanken deprimiert sind, fragen mich häufig: »Jared, bist du optimistisch oder pessimistisch, was die Zukunft unserer Welt angeht?« Darauf erwidere ich: »Ich bin vorsichtig optimistisch.« Was ich damit meine? Einerseits räume ich ein, dass wir schwer wiegenden Problemen gegenüberstehen. Wenn wir uns nicht mit Entschlossenheit um ihre Lösung bemühen und wenn wir mit diesen Bemühungen keinen Erfolg haben, wird die ganze Welt in den nächsten Jahrzehnten eine Abnahme des Lebensstandards oder vielleicht noch Schlimmeres erleben. Das ist der Grund, warum ich mich entschlossen habe, meine beruflichen Anstrengungen in diesem Stadium meines Lebens zum größten Teil auf ein einziges Ziel zu verwenden: Ich möchte andere Menschen davon überzeugen, dass wir unsere Probleme ernst nehmen müssen und dass wir anders nicht davonkommen. Andererseits sind wir aber in der Lage, unsere Probleme zu lösen - wenn wir es wollen. Das ist der Grund, warum meine Frau und ich uns vor 18 Jahren entschlossen haben, Kinder zu bekommen: weil wir Anlass zur Hoffnung sahen.
Ein Grund zur Hoffnung besteht bei realistischer Betrachtung darin, dass wir bisher nicht unter unlösbaren Problemen leiden. Wir stehen zwar großen Gefahren gegenüber, aber die schlimmsten dieser Gefahren entziehen sich - anders als die Kollision mit einem riesigen Asteroiden, wie er die Erde vor rund 100 Millionen Jahren getroffen hat - nicht unserer Kontrolle. Es sind selbst gemachte Schwierigkeiten. Da wir selbst die Ursache unserer ökologischen Probleme sind, können wir sie auch beeinflussen: Wir können uns dafür oder dagegen entscheiden, sie nicht mehr weiter zu verursachen und stattdessen ihre Lösung in Angriff zu nehmen. Die Zukunft liegt in unserer eigenen Hand. Zur Lösung unserer Probleme brauchen wir keine neue Technologie; neue technische Verfahren können zwar einen Beitrag leisten, vor allem aber brauchen wir »nur« den politischen Willen, die bereits vorhandenen Verfahren zur Lösung anzuwenden. Natürlich ist das ein großes »nur«. Aber auch in der Vergangenheit haben viele Gesellschaften den politischen Willen aufgebracht. Und heute hat die Gesellschaft bereits den Willen, manche Probleme zu lösen und bei anderen zu Teillösungen zu gelangen.
Ein weiterer Anlass zur Hoffnung ist die Tatsache, dass sich ökologisches Denken in der Öffentlichkeit auf der ganzen Welt immer mehr durchsetzt. Entsprechende Denkweisen gibt es schon seit langer Zeit, aber ihre Verbreitung hat sich insbesondere seit 1962, als Der stumme Frühling erschien, stark beschleunigt. Die Umweltbewegung gewinnt immer mehr Anhänger, die über immer vielfältigere, wirksamere Organisationen tätig werden. Das gilt nicht nur für die Vereinigten Staaten und Europa, sondern auch für die Dominikanische Republik und andere Entwicklungsländer. Aber während die Umweltbewegung immer schneller an Stärke gewinnt, wachsen auch die Bedrohungen für unsere Umwelt. Deshalb habe ich zuvor in diesem Buch von einem Wettrennen gesprochen, das sich exponentiell beschleunigt und dessen Ausgang ungewiss ist. Es ist nicht unmöglich, dass unser Lieblingspferd das Rennen gewinnt, aber es ist auch nicht gesichert.
Welche Entscheidungen müssen wir jetzt treffen, damit wir Erfolg haben und nicht scheitern? Jeder Einzelne von uns kann viele Einzelentscheidungen treffen - Beispiele erörtere ich in dem Abschnitt »Weiterführende Literatur«. Für die Gesamtgesellschaft legen die historischen Beispiele, die wir in diesem Buch untersucht haben, einige weiter gefasste Erkenntnisse nahe. Von größter Bedeutung für Erfolg oder Scheitern waren nach meinem Eindruck zweierlei Entscheidungen: einerseits die langfristige Planung, und andererseits die Bereitschaft, zentrale Werte neu zu überdenken. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die beiden gleichen Entscheidungen auch für den Verlauf unseres individuellen Lebens eine wichtige Rolle spielen.