27 Caleb

Ich habe Brian gebeten, mich im Park für ein Eins-gegen-eins-Spiel zu treffen. Ich übe gerade Freiwürfe, als er in seinem Yukon angefahren kommt.

»In dem Teil siehst du wie ein Mann Mitte vierzig aus«, begrüße ich ihn.

Er schnaubt gespielt entrüstet. »Besser als das Auto, das du fährst.«

»Ich fahre gar keins.«

»Eben.«

Wir stehen einander gegenüber. Ich sage, was gesagt werden muss. »Hör zu, wegen dir und Kendra. Wie wäre es mit einem Waffenstillstand?«

»Hört sich fair an.«

Ich werfe ihm den Ball zu. Er dribbelt ihn mit viel zu viel Abstand von seinem Körper, was mir Gelegenheit gibt, dagegen zu schlagen und ihm den Ball abzunehmen. »Basketball ist immer noch nicht dein Ding, oder?«, sage ich.

Brian weicht vor mir zurück, er verfolgt jede meiner Bewegungen. Als ich stehen bleibe, streckt er die Arme in die Luft, bereit meinen Wurf abzublocken. »Komm mit mir auf eine Ringermatte und ich mach dich alle.«

Ich riskiere einen Wurf. Der Ball prallt vom Korbrand ab und Brian holt sich den Rebound.

Brian ist ein hektischer Spieler. Er rennt das Basketballfeld runter und wirft zu schnell, den Korb verfehlt er um eine Meile. Der Ball landet im Gras. Ich hole den Ball wieder auf das Spielfeld. »Du bist ein Leichtgewicht, Bri«, sage ich. »Ich habe dich in weniger als zehn Sekunden niedergerungen.«

»Lass deinen Worten Taten folgen, du Maulheld. Morgen, nach der Schule.«

Ich laufe um Brian herum und platziere einen leicht verdienten Korbleger. »Ich muss arbeiten.«

Er hält den Ball fest. »Das sagst du jedes Mal, aber du erzählst nie, wo. Es geht das Gerücht um, du seiest schwul und würdest nach der Schule deinen Lover treffen. Hat er dir das blaue Auge verpasst?«

Meine Muskeln verkrampfen sich. »Komm mir nicht mit dem Scheiß.«

Brian dribbelt über das Feld, den Blick auf den Korb gerichtet. »Wieso? Willst du mir etwa drohen, so wie du Drew gedroht hast?«

Brian wirft und der Ball geht durchs Netz.

Dieses Mal klemme ich mir den Ball unter den Arm und unterbreche so das Spiel. »Er wollte, dass ich ausraste, und das weißt du.«

Mein Freund verschränkt die Arme vor der Brust. »Du hast dich verändert, Caleb. Ich erkenn dich überhaupt nicht wieder. Und das hat nichts mit Kendra zu tun.«

»Bullshit. Ich bin immer noch derselbe.«

Brian lacht. »Du gehst wegen jedem Scheiß hoch. Allen ist das klar, außer dir. Und das ist das Unheimliche daran.«

Nein, das Unheimliche ist, dass den Leuten nicht klar ist, wie sehr sie sich verändert haben. »Also sind alle dieselben geblieben, bis auf mich?«

»Nein, Mann. Alle haben sich verändert, keiner ist mehr der, der er mal war. Du bist nur der Einzige, der das nicht akzeptieren kann. Du bist kein Sophomore mehr, du gehst nicht mehr mit Kendra, du bist nicht mehr der Ringerking. Du bist ein knallharter, mies gelaunter Knastbruder.«

Ich zeig ihm, was ein mies gelaunter Knastbruder drauf hat. Ich dribble den Ball auf die andere Seite des Spielfeldes und als Brian sich mir in den Weg stellt, stoße ich ihn zu Boden, bevor ich zum Wurf ansetze.

»Foul!«, ruft Brian.

»Du hast mir geraten, mein knallhartes Knastbruder-Selbst zu akzeptieren. Ich befolge nur deinen Vorschlag.«

Ich strecke eine Hand aus. Er wirft mir einen misstrauischen Blick zu, dann packt er mein Handgelenk, während ich ihn hochziehe. Mir gelingen drei weitere Körbe und ich schnappe mir zwei von Brians Abprallern.

»Weißt du, was du brauchst?«, fragt Brian und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

»Einen neuen besten Freund?«, schlage ich vor.

»Nein. Du brauchst eine Freundin. Nenn mir eine Braut, die du heiß findest. Sag einfach einen Namen.«

»Maggie Armstrong.«

»Nein, ernsthaft. Nenn mir eine Braut.«

»Ich meine es ernst.«

»Das ist krank, Mann. Du warst wegen ihr im Gefängnis.«

»Das ist mir nicht entgangen.«

»Willst du mir etwa sagen, du stehst auf Maggie Armstrong? Deine Nachbarin? Das Mädchen, das komisch läuft, weil du mit deinem Auto über ihr Bein gefahren bist?«

»Brian, du führst dich gerade auf wie Drew.«

Brian guckt verwirrt, als versuche er, zu verstehen, was ich ihm da gerade offenbart habe. Dann bricht er in Gelächter aus. Er kann gar nicht mehr aufhören zu lachen und geht hysterisch kichernd zu Boden, wo er liegen bleibt und sich den Bauch hält. »Das ist … zum Schreien!«, brüllt er, als er wieder ein Wort rausbringt. »Oh mein Gott, das kann nicht wahr sein …«, sagt er und gackert aufs Neue hysterisch los.

Ich ziehe ernsthaft in Erwägung, ihm dafür eine Abreibung zu verpassen. Aber das hier ist nicht Vic oder Drew, es ist Brian. Ich nehme den Ball und gehe nach Hause, aber nicht ohne Brian gesagt zu haben, er solle zur Hölle fahren.

Zuhause ist niemand. Ich habe das Haus für mich allein. Gerade, als ich losschreien will, so laut ich kann, klingelt es an der Haustür. Brian ist ein Idiot, wenn er dumm genug ist, herzukommen und mir noch einmal ins Gesicht zu lachen. Vielleicht werde ich seinen Kopf doch noch als Sandsack gebrauchen.

Aber als ich die Tür öffne, steht nicht mein ehemals bester Freund vor mir. Es ist Kendra, meine Exfreundin. Glänzende Lippen und alles. »Hi«, sagt sie.

»Selber hi.«

»Sind deine Eltern zu Hause?«

»Nö.« Das war ihr sowieso schon klar.

»Darf ich reinkommen?«

Ich öffne die Tür etwas weiter. Sie geht schnurstracks nach oben in mein Zimmer. Ich sehe ihr hinterher und mein Blick fällt auf den Stringtanga, der oben aus ihrer Shorts guckt, ehe ich ihr folge.

Ich schließe die Tür, wie jedes Mal, wenn wir rummachen wollen, und lehne mich dagegen, um sie zu mustern. Dieses Mal werden wir nicht rummachen. Ich weiß es. Sie offenbar nicht, das verrät mir ihre Kleidung. Sie trägt ein unfassbar tief ausgeschnittenes T-Shirt. Ich schwöre, ihre Brustwarzen liegen nur wenige Millimeter unter dem gerüschten Rand verborgen. Und ihre Shorts enthüllen sehr viel mehr, als ich es mir je von meiner Freundin wünschen würde. Aber sie ist nicht meine Freundin. Sie ist Brians.

Kendra schlendert in meinem Zimmer umher, befingert meinen Schreibtisch, meine Kommode, meine Bücherregale. Als sie mein Lichtschwert nimmt und es anschaltet, bin ich versucht, ihr zu sagen, sie solle es nicht anrühren.

»Wann trennst du dich endlich von diesen Spielzeugen?«, fragt sie und schwenkt es durch die Luft.

Ich gebe ihr keine Antwort.

Seufzend sagt sie: »Ich weiß, dass Brian dir das mit ihm und mir erzählt hat. Aber ich liebe dich immer noch, weißt du.« Sie kommt näher, so nahe, dass ich ihre Kirschlippen riechen kann. Sie fährt mit der Zunge darüber und beugt sich vor, um mich zu küssen.

Ich wende den Kopf ab. »Was? Ein Freund reicht dir nicht?«

»Ich will euch beide.«

»Es ist vorbei, Kend. So was von vorbei.«

»Das ist es nicht und du weißt es. Denn – ich weiß es klingt selbstsüchtig, aber es stimmt – ich will nicht, dass jemand anders dich bekommt.«

»Trenn dich von Brian. Der Junge will dich heiraten.«

Sie kichert. »Meine Eltern finden, er ist gut für mich, also spiele ich mit. Außerdem brauche ich einen Freund, mit dem ich mich in der Öffentlichkeit zeigen kann. Aber du kannst mein heimlicher Freund sein, CB.«

»Das wird nicht passieren.«

»Wollen wir wetten?« Sie tritt einen Schritt zurück, berührt mich mit der Klinge des Lichtschwertes und presst die stumpfe Spitze an meinen Hals. Ein gerissenes Grinsen fliegt über ihr Gesicht. »Du wirst mein kleines Geheimnis sein. Du stehst doch darauf, Geheimnisse zu bewahren, oder Caleb?«

Mein Puls beschleunigt sich und die Stimmung im Raum kippt von einem Moment auf den anderen. Ein Gedanke brennt sich mir ins Hirn … sie weiß Bescheid.

»Was willst du?«, frage ich ruhig.

»CB, guck nicht so traurig. Ich will nur dich«, sagt sie, dann senkt sie das Lichtschwert und nähert sich mir für einen weiteren Kuss.

Dieses Mal wende ich den Kopf nicht ab.