Auf der Erde beherrschte die große Flut inzwischen alles.

Die Überschwemmung war durch eine Häufung heftiger Vulkanausbrüche unter dem Eispanzer der westlichen Antarktis verursacht worden. Das Land unter der Eisdecke, das dem Gebiet Nordamerikas ähnelte, war durch das Gewicht des Eises zusammengepreßt worden, bis es unter Meeresniveau lag. Als dann die Eruptionen begannen, hatten Lava und Gase das Eis über den Vulkanen geschmolzen und große Bergrutsche ausgelöst. Gleichzeitig begann Meerwasser an verschiedenen Punkten rund um die rasch erodierende Grundlinie unter das Eis zu strömen. Destabilisiert und rissig geworden waren rings um die Ränder der RossSee und der Ronne-See enorme Eisinseln abgebrochen. Als diese Eisinseln mit den Ozeanströmungen davontrieben, setzte sich das Abbrechen weiter ins Landesinnere fort und wurde durch die Turbulenz noch beschleunigt. In den Monaten nach den großen Brüchen füllte sich das antarktische Meer mit immensen tafelförmigen Eisbergen, die so viel Wasser verdrängten, daß der Meeresspiegel in der ganzen Welt anstieg. Wasser strömte weiter in das Depressionsbecken der westlichen Antarktis, welches zuvor von Eis gefüllt gewesen war, und schwemmte Berg um Berg die Eismassen hinaus, bis die Eisdecke völlig verschwunden war, ersetzt durch ein neues flaches Meer, das von den ständigen Unterwassereruptionen aufgewühlt wurde, die hinsichtlich ihrer Stärke mit den Eruptionen in Dekkan in der späten Kreidezeit vergleichbar waren.

Und so war ein Jahr nach Beginn der Eruptionen Antarciica nur etwas mehr als halb so groß, wie es gewesen war. Die östliche Antarktis lag wie ein Halbmond um den Südpol der Erde, und ihr gegenüber die antarktische Halbinsel wie ein von Eis bedecktes Neu-Seeland, und dazwischen ein von Eisbergen verstopftes flaches Meer. Und Rings in der übrigen Welt war der Meeresspiegel um sieben Meter höher als zuvor.

Seit der letzten Eiszeit vor zehntausend Jahren hatte die Menschheit eine Naturkatastrophe dieser Größenordnung nicht mehr erlebt. Und dieses Mal betraf sie nicht nur ein paar Millionen Jäger und Sammler nomadischer Stämme, sondern fünfzehn Milliarden zivilisierter Bürger, die in einem heiklen soziotechnischen Gebäude lebten, das ohnehin in der Gefahr des Zusammenbruchs geschwebt hatte. Alle großen Küstenstädte waren überschwemmt. Ganze Länder wie Bangladesh, Holland und Belize waren überspült. Die meisten der Unglücklichen, die in solch tiefliegenden Regionen lebten, hatten Zeit, auf höheres Gelände umzusiedeln; denn die Flut war mehr wie ein Gezeitenstrom als eine Sturmflut. Und dann waren sie alle, irgendwo zwischen einem Zehntel und einem Fünftel der Weltbevölkerung, Flüchtlinge.

Es versteht sich von selbst, daß die menschliche Gesellschaft nicht darauf vorbereitet war, mit einer solchen Situation fertig zu werden. Das wäre selbst in den besten Zeiten nicht leicht gewesen, und das frühe zweiundzwanzigste Jahrhundert gehörte nicht zu diesen. Die Bevölkerung wuchs immer noch an, die Ressourcen waren immer mehr erschöpft, und Konflikte zwischen Reich und Arm, Regierungen und Metanats, hatten sich allenthalben verschärft. Die Katastrophe hatte mitten in einer Krise zugeschlagen.

In gewissem Maße wirkte die Katastrophe der Krise entgegen. Angesichts weltweiter Verzweiflung wurden Machtkämpfe aller Art in neuen Zusammenhang gestellt, viele wurden gespenstisch. Ganze Bevölkerungen waren in Not, und Gesetze über Besitz und Profit traten den neuen Problemen gegenüber in den Hintergrund. Die Vereinten Nationen erhoben sich wie ein Phönix des Wassers aus dem Chaos und wurden zum Verrechnungsinstitut für die riesige Anzahl der Bemühungen, die Not zu mildern: Nationale Grenzüberschreitungen wurden erleichtert, Notunterkünfte errichtet, Notnahrung und Versorgungsmaterial wurden verteilt. Durch die Natur dieses Werks mit seinem Nachdruck auf Bergung und Linderung standen die Schweiz und Praxis in vorderster Front der Helfer der UN. Die UNESCO stand von den Toten auf, zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation. Indien und China als die größten der schlimm verwüsteten Länder hatten auch sehr starken Einfluß in der laufenden Situation; denn die Art, wie sie sich entschieden, würde ihre Zukunft weitgehend beeinflussen. Sie schlössen Allianzen miteinander sowie mit den UN und deren neuen Verbündeten. Sie lehnten jede Hilfe von der Gruppe der Elf ab, genau wie von den Metanationalen, die voll in die Affären der meisten GH-Regierungen verwickelt waren.

Auf der anderen, dunklen Seite verschlimmerte die Katastrophe unterdessen die Krise nur. Die Metanatinonalen waren durch die Flut selbst in eine höchst seltsame Lage geraten. Davor waren sie voll mit dem beschäftigt, was Kommentatoren als Metanatricid bezeichnet hatten, indem sie untereinander um die endgültige Herrschaft in der Weltwirtschaft kämpften.

Ein paar große metanationale Supergruppen hatten die totale Kontrolle der größten Industrieländer angestrebt und versucht, die sich noch außerhalb ihrer Kontrolle befindlichen wenigen Einheiten zu übernehmen: Schweiz, Indien, China, Praxis, die sogenannten Länder des Weltgerichtshofes, und so weiter. Jetzt, wo ein großer Teil der Erdbevölkerung mit der Flut beschäftigt war, kämpften die Metanats hauptsächlich darum, das wieder zu gewinnen, was sie an Kontrolle über die Geschäfte dieser Länder verloren hatten. Nach Meinung des Volkes wurden sie oft mit der Flut in Zusammenhang gebracht - als Ursache oder als bestrafte Sünder, je nach religiöser Ausrichtung des Anklägers. Ein sehr passendes Stück magischen Denkens für den Mars und die anderen antimetanationalen Kräfte, die alle ihr Bestes taten, um die Chance zu ergreifen, die Metanationalen in Stücke zu hauen, während sie darniederlagen. Die Gruppe der Elf und die anderen vorher mit den Metanats verbündeten Regierungen strampelten darum, ihre eigenen Bevölkerungen am Leben zu erhalten und konnten daher wenig Aufwand betreiben, den großen Konglomeraten zu helfen. Und überall gaben Leute ihre früheren Jobs auf, um sich in den verschiedenen Hilfsorganisationen zu engagieren. Unternehmen, die nach Art von Praxis im Besitz der Beschäftigten waren, gewannen an Popularität, als sie endlich auf die Notlage reagierten und gleichzeitig allen ihren Mitgliedern die Langlebigkeitsbehandlung anboten. Einige Metanats setzten auf ihre Arbeitsmacht, um sich in der gleichen Richtung umzugestalten. Und so setzte sich der Kampf um Macht auf vielen Ebenen fort. Dupch die Katastrophe hatte er sich aber überall verändert.

In diesem Zusammenhang war der Mars für die meisten Terraner völlig irrelevant geworden. Er war natürlich gewiß eine interessante Geschichte, und es verwünschten auch viele die Marsianer als undankbare Kinder, die ihre Eltern in Notzeiten im Stich ließen. Das war ein Beispiel für viele böse Reaktionen auf die Flut, im Gegensatz zu den gleichfalls reichlichen guten Reaktionen. In diesen Tagen gab es immer Helden und Schurken; und die meisten betrachteten die Marsianer als Ratten, die das sinkende Schiff verlassen hatten. Andere sahen sie als mögliche Retter auf irgendeine schlecht definierte Weise - auch das wieder ein Stück Metaphysik. Aber es lag etwas Hoffnungsvolles in dem Gedanken, daß sich auf der nächsten Welt draußen eine neue Gesellschaft bildete.

Inzwischen kämpfte, ungeachtet dessen, was auf dem Mars geschah, das Volk der Erde darum, mit der Flutfertig zu werden. Zu dem Schaden kamen jetzt auch rasche klimatische Veränderungen. Die größere Wolkendecke reflektierte mehr Sonnenlicht und ließ die Temperaturen sinken. Sie schuf auch Wirbelstürme und Gewitter, die oft die so sehr benötigten Ernten vernichteten. Und manchmal fiel Regen, wo es ihn früher selten gegeben hatte, in der Sahara, in der Mojave, im nördlichen Chile, und brachte die große Flut weit ins Binnenland, so daß sie überall zuschlug. Und während der Ackerbau durch diese neuen strengen Stürme schwer betroffen war, wurde der Hunger selbst zum Problem. Deshalb war jeder allgemeine Sinn für Zusammenarbeit bedroht, als es schien, daß vielleicht nicht jeder ernährt werden könnte. Die Feiglinge sprachen von natürlicher Auslese. Jeder Teil von Terra war im Aufruhr wie ein mit dem Stock aufgewühlter Ameisenhaufen.

So stand es also um die Erde im Sommer 2128. Eine noch nie da gewesene Katastrophe, eine andauernde allgemeine Krise. Die Welt vor der Flut schien nicht mehr als ein böser Traum gewesen zu sein, aus dem sie alle rauh geweckt und in eine noch gefährlichere Realität geworfen worden waren. Von der Bratpfanne ins Feuer, gewiß. Während einige versuchten, wieder in die Bratpfanne zurück zu gelangen, kämpften andere darum, aus dem Ofen herauszukommen. Und niemand konnte sagen, was als nächstes geschehen würde.