24. Dezember 2013
Norra Rimnö, Schweden

All dieses Grau. Diese ewige winterliche Morgendämmerung und Abenddämmerung des Schärengartens. Die Wellen schlugen immer noch gegen die Klippen neben dem neuen stabilen Steg des Bootshauses, aber der Sturm hatte nachgelassen, war weiter ostwärts gezogen, hatte Klara allein mit den Trümmern zurückgelassen. Den unangenehmen Konsequenzen. Große Schneeflocken fielen auf sie herab, während sie auf der Bank saß und mit dem Rücken an der erst kürzlich frisch gestrichenen Fassade des Bootshauses lehnte. Nichts war mehr übrig von dem, was sie für die Wahrheit gehalten hatte.

Sie hörte George erst, als er sich neben sie setzte. «Na dann irgendwie – frohe Weihnachten», sagte er.

Klara drehte sich zu ihm hin. Sein Gesicht sah noch immer verheerend aus, geschwollen, übersät von Wunden und geronnenem Blut.

«Frohe Weihnachten», flüsterte sie.

Er reichte ihr eine Wolldecke. Eine neue bunte Klippan-Decke, von denen es im Haus unzählige zu geben schien. Sie nahm sie und legte sie sich um die Schultern.

«Willst du nicht wieder reinkommen?», fragte er. «Deine Großmutter dadrinnen scheint untröstlich zu sein.»

Sie vergrub das Gesicht in der weichen Wolle. «Ich kann nicht mehr», murmelte sie.

«Es ist eine lange Nacht gewesen», sagte er. «Eine lange Woche, eine schrecklich lange Woche. Aber du wirst hier draußen noch erfrieren. Ich weiß nicht, was zwischen dir und deiner Großmutter vorgefallen ist. Und ich weiß nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt, aber wäre eine Schinkenstulle jetzt nicht trotzdem lecker?»

«Ich habe keinen Hunger», erwiderte sie.

«Fair enough», brummte er und ließ sich neben ihr nieder.

Sie spürte, wie sich Georges Arm behutsam um ihre Schultern legte, wie er mit zunehmender Sicherheit schließlich ihre Schultern umfasste, um sie näher an seinen warmen Körper zu ziehen. Sie ließ sich umarmen. Ließ ihren Kopf an seinen Hals sinken. Wellengeräusche. Schneeflocken. Sie wehrte sich nicht gegen die Tränen, die ihr in die Augen stiegen.

 

Als Klara sich schließlich von ihm löste, waren sie nahezu völlig von einer dünnen Schicht Schnee bedeckt. Sie schüttelte ihn aus ihren Haaren und stand auf. George folgte ihrem Beispiel. Sie sah, wie er vor Kälte mit den Zähnen klapperte.

«Was passiert denn jetzt?», fragte er.

Klara zuckte die Schultern. «Wer weiß? Gabriella wollte ihre Kontaktperson von der Säpo treffen. Sie wird Bosse anrufen, sobald sie etwas erfahren hat. Er meldet sich dann bei uns.»

Die Tür wurde geöffnet, und Klaras Großvater kam mit zwei dampfenden Tassen heraus. «Klara, mein Mädchen», sagte er. «Komm endlich rein, du holst dir noch eine Lungenentzündung.» Er ging ein paar Schritte auf den Steg hinaus und hielt ihnen die Tassen hin.

Süßer Glühweinduft breitete sich aus. George griff dankbar nach einer Tasse. Klaras Großvater streckte eine Hand aus und streichelte ihre feuchte Wange.

«Wie man’s macht, macht man’s falsch. Das ist das Einzige, was das Leben einen lehrt.»

Klara nahm die Tasse und schmiegte ihre Wange in seine Hand, spürte ihre Wärme an ihrer feuchten kalten Wange. Sie schüttelte den Kopf. «Es war nicht falsch. Ihr habt nichts falsch gemacht», sagte sie. «Es gibt kein Richtig oder Falsch. Ihr habt immer alles für mich getan.»

Ihr Großvater schloss sie in seine Arme. Er roch schwach nach Glühwein, Kaffee und Schnaps. Neben ihnen begann George zu husten.

«Verflucht, was ist denn da drin?», rief er.

Klaras Großvater drehte sich mit einem kleinen, schelmischen Lächeln auf den Lippen zu ihm um.

«Zur Hälfte Glühwein und zur Hälfte Schärengarten Spezial. Bosse ist nicht der Einzige, der hier draußen Zugang zu erstklassigem Schnaps hat.»