4.
Jacen, Leia und Mara entspannten sich auf den Sofas im Wohnzimmer. In der Küche überging Han - noch immer in seinem selbst gewählten Exil - C-3PO rücksichtslos, indem er sich persönlich um den Abwasch kümmerte. Luke war allein im abgeschotteten Kommunikationsraum der Solos, um eine Art geschäftlich-offiziellen Jedi-Anruf zu tätigen. Ben und R2-D2 waren draußen auf dem Balkon, um sich in einem durchaus lauten, aber gewaltlosen Holospiel zu messen. Auch Jaina und Zekk befanden sich auf dem Balkon, standen am Geländer und schauten den endlosen bunten Verkehrsströmen zu, die am nächtlichen Himmel vorbeiflogen.
»Ben«, sagte Mara, »ist da offener. Vertrauensvoller.« Ihre an Jacen gerichteten Worte waren gleichermaßen Frage wie Feststellung.
Jacen nickte nachdenklich und nahm einen kleinen Schluck von seinem Weinglas. »Ich glaube, das ist er. Er ist dabei, die Macht zu verstehen. Und die Leute. Der Umstand, dass er beidem von Natur aus ein bisschen misstrauisch gegenübersteht, kommt ihm nur zugute. Er geht langsam und mit Bedacht vor. Er neigt in keiner Weise dazu, den Verlockungen der dunklen Seite der Macht zu erliegen. Oder auch nur zu jugendlichen Hormonschüben.«
Als kleines Kind, während des tragischen Yuuzhan-Vong-Kriegs, war Ben der Macht gegenüber ängstlich und misstrauisch geworden und hatte sich trotz seiner ererbten Veranlagung davon abgewandt. Erst als Jacens inoffizieller Schüler hatte er angefangen, die emotionalen Schäden jener Zeit zu überwinden.
Mara erschauerte. »Lass uns bloß nicht über jugendliche Hormonschübe reden.«
»Noch nicht bereit, Großmutter zu werden?«, fragte Leia.
»Ich denke, eher würde ich mich in mein Lichtschwert stürzen.«
Leia lächelte. »Ich glaube, ich bin dafür gewappnet. Ich habe vor, die Art quirliger Großmutter zu sein, die ein schlechtes Beispiel abgibt und ihren Enkeln beklagenswerte Angewohnheiten vermittelt.« Sie wandte sich an Jacen. »Wie lange muss ich da noch warten?«
Er schenkte ihr einen ermahnenden Blick. »Wenn du versuchst, mich in Verlegenheit zu bringen, dann könntest du ebenso gut mit einem toten Kommlink sprechen.«
»Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich möchte mich nur zeitlich darauf einrichten.«
»Frag doch Jaina.«
Leias Gesichtsausdruck wurde auf belustigende Weise säuerlich. »Sie hat gesagt, ich soll dich fragen.«
»Dann frag Zekk. Ich bin sicher, er hat alles schon geplant. Vermutlich hat er Jaina darüber bloß noch nicht in Kenntnis gesetzt.«
Leia schüttelte den Kopf. »Ich muss mir für Han irgendeine angemessene Bestrafung überlegen. Dafür, dass er unseren Kindern vorlaute Mundwerke und schlechte Manieren vermacht hat.«
»Scherz beiseite«, sagte Mara. »Ich möchte dir danken, Jacen. Ben macht sich schon so viel besser. Ich habe jahrelang Angst gehabt, dass er nie mit sich ins Reine kommen würde, mit seinem Jedi-Vermächtnis, mit den Dingen, denen er niemals entfliehen kann. Du gibst mir Grund zu der Hoffnung, dass ich aufhören kann, mir darüber Sorgen zu machen.«
»Gern geschehen. Allerdings muss ich mir. wie Mom gerade sagte, irgendeine angemessene Bestrafung für dich ausdenken.«
Mara schaute überrascht drein. »Was meinst du damit?«
»Nun, wenn die Solo-Kinder ihre vorlauten Mundwerke und ihre schlechten Manieren allein von Dad haben, wie Mom meint, dann bedeutet das. dass sie nicht im Mindesten nach der Skywalker-Familie geraten sind, stimmt's? Also muss Ben sein vorlautes Mundwerk und seine schlechten Manieren dir zu verdanken haben. Eines Tages werde ich mir irgendeine angemessene Rache dafür überlegen müssen.«
Mara grinste und tätschelte das Lichtschwert, das an ihrem Gürtel hing. »Hast du einen Lieblingsprothesenhersteller? Ich kann dir schon mal eine vorbestellen.«
»Jacen.« Vom Gang aus. der zur Kommunikationskammer führte, trat Luke in den Hauptwohnbereich. »Lust, ein paar Schritte mit mir spazieren zu gehen?«
»Natürlich.« Jacen erhob sich. Sie alle wussten, dass eine schlichte Aufforderung wie Lust, ein paar Schritte mit mir spazieren zu gehen? unter den gegebenen Umständen sehr wahrscheinlich bedeutetet: Zeit, sich über Jedi-Angelegenheiten zu unterhalten.
Sie gingen durch die Tür hinaus, über die Hau und Leia vor noch gar nicht allzu langer Zeit mit Blasterfeuer hatten sichern wollen. Ein dämmriger Nebengang führte sie vom Hauptzugangskorridor weg und zu einer übergroßen Tür, die bisweilen vibrierte; dahinter brummte und brüllte - wenn auch gedämpft - der nächtliche Verkehr von Coruscant. Die Tür glitt nach oben, als sie näher kamen, und enthüllte das Wirbeln der Farben draußen: Die dahinhuschenden Lichter fliegender Fahrzeuge, von Zwei-Personen-Speedern bis hin zu kleinen schwerfälligen Frachtraumern. düsten draußen vorüber, auf einer belebten Verkehrsader, die bloß wenige Meter am Passantenbalkon außerhalb der Tür vorbeilief.
Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, blieben sie zunächst am Geländer des Balkons stehen und schauten zweihundert Stockwerke zu Coruscants Oberfläche hinunter. Nachts war sie. obwohl die Fenster zwischen ihrem Standort und dem Boden in jedem Stockwerk beleuchtet waren, und trotz der Reklameschilder und Banner, die hell glühten und glänzten, zu dunkel und zu weit entfernt, um irgendetwas erkennen zu können.
Als Kind hatte sich Jacen einmal zusammen mit Jaina auf der Untergrundebene von Coruscant verlaufen. Die Tiefen bargen für ihn keine Schrecken. Selbst jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, schienen sie vielmehr ein Hort der Rätsel und des Abenteuers zu sein.
Aber es war nicht wirklich dasselbe Coruscant wie das in seiner Kindheit. Die Vongformation hatte vieles auf dem Planeten nach dem Abbild der Yuuzhan Vong umgewandelt. Noch immer, Jahre später, blieben große Teile dessen, was einst ein durchgängig von Pol zu Pol verlaufendes Stadtgebiet gewesen war, nachts dunkel, überwuchert von Fauna, und Orte wie die Oberfläche des Planeten und das. was darunter lag, waren noch immer die Heimstatt der kriechenden und gleitenden Lebensformen, die die Yuuzhan Vong auf diesen Planeten angesiedelt hatten, einige davon tödlich.
Gleichwohl, dieses Mahnmal an die Niederlage, die Coruscant und die alte Neue Republik erlitten hatten, war von diesem Standpunkt aus nicht zu sehen. Von diesem Balkon aus sah es wie das Coruscant aus den alten Tagen aus, mit wirbelnden Strömen von Luftverkehr und hoch aufragenden
Wohnhäusern, die von Millionen Sichtfenstern erhellt und umrissen wurden.
Der Balkon verlief an einem schluchtgleichen Abgrund entlang einmal rings um Hans und Leias Haus. Brücken, einige davon überdacht und andere zum Himmel oder zu den ausladenden Wolkenkratzern weiter oben hin offen, überspannten die Lücken zwischen den Gebäuden. Dieser erhöhte Gehweg veränderte alle paar hundert Meter sein Aussehen, seine Oberflächenstruktur und seine Beleuchtung, wenn er auf andere kreuzende Pfade traf. War man nicht gezwungen, zur Arbeit zu gehen, und hatte man darüber hinaus noch eine unerschöpfliche Kreditkarte und Füße, so hart wie Durabeton, konnte man in dieser Höhe wahrscheinlich einmal ganz um Coruscant herummarschieren.
Die meisten der Männer. Frauen und wer weiß was. die auf diesem Weg unterwegs waren - Jacen zählte lediglich knapp dreißig in einer Entfernung von hundert Schritten in jede Richtung-, verfolgten vermutlich weniger ambitionierte Ziele. Jacen sah wohlhabende Geschäftswesen auf Einkaufsbummel, viele davon begleitet von gleichermaßen unübersehbaren und gut getarnten Leibwächtern, er sah junge Verliebte und Familien, größtenteils zur höheren Einkommensklasse gehörend, die scheinbar ungeschützt ihrer Wege gingen: einige davon waren sich wahrscheinlich gar nicht über die Gefahren im Klaren, denen sie sich dadurch aussetzen, dass sie sich so weit von sicheren Gebieten entfernten, andere hingegen waren vermutlich weitaus besser gegen potentielle Gefahren gewappnet, als man ihnen ansah.
Luke deutete nach links, wo der Fußweg in einer Reihe kurzer Stufen über eine Distanz von fünfzig Metern hinweg fünf Meter in die Höhe führte, und sie setzten sich in diese
Richtung in Bewegung.
»Dein Vater hat mich überrascht«, sagte Luke. »Mit seiner Bemerkung darüber, dass Jedi in den Regierungsfluren von Corel Ha umherwandern.«
»Das hat dich überrascht?« Jacen dachte darüber nach. »Es liegt nicht daran, dass er allmählich paranoid wird. Es liegt daran, dass er nicht paranoid ist. Weil es in dieser Hinsicht Pläne gibt.«
Luke nickte mit verdrossener Miene. Dann streifte er seine Kapuze über und schlang seinen Umhang ein wenig fester um sich, um das Vorhandensein seines Lichtschwerts besser zu kaschieren.
Jacen tat es ihm gleich. Ein junges Menschenpärchen, das -gefolgt von zwei dunkel gekleideten Sicherheitsmännern, einem Menschen und einem Rodianer - einen repulsorbetriebenen Kinderwagen vor sich her schob, kam ihnen entgegen. In ihren Umhängen, die zwar das unscheinbare Aussehen von Reisegewändern hatten, jedoch selten von Leuten der Art getragen wurde, die in diesen Höhen lebten, wirkten Luke und Jacen noch immer ein bisschen auffällig. Andererseits gingen die Bewohner dieser Höhen häufig in seltsamer Kleidung spazieren, sodass sie wiederum nicht übermäßig auffielen. Die Gesichter von den Kapuzen beschattet, gingen die Jedi unerkannt an dem selbstvergessenen Paar und ihren wachsamen Wachen vorbei.
Sobald sie vorüber waren, fuhr Jacen fort: »Das scheint mir eine ziemlich extreme Maßnahme. Hat die GA die Verhandlungen mit Corellia aufgegeben?«
»Die GA ist über einige Tatsachen informiert, die es nicht bis in die Holokomm-Nachrichtensendungen geschafft haben«, sagte Luke. »Zum Beispiel verhandeln die Corellianer nicht wirklich in gutem Glauben - sie halten die GA-Unterhändler lediglich hin, ohne intern irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, die Einhaltung der neuen Bestimmungen auch nur in Erwägung zu ziehen. Darüber hinaus ermutigen sie andere Systeme heimlich dazu, auf dieselbe Art und Weise Widerstand zu leisten. Und.« Luke schaute beunruhigt drein. »Was ich dir jetzt sagen werde, ist allein für deine Ohren bestimmt.«
»Verstanden.«
»Die corellianische Regierung oder jemand darin scheint eine planetare Angriffsflotte aufzustellen. Im Verborgenen.«
Jacen runzelte die Stirn. Historisch betrachtet gab es seit jeher nur einen einzigen Grund, eine planetare Angriffsflotte aufzubauen, und das auch noch im Verborgenen: um einen Überraschungsangriff auf ein anderes System zu starten. »Um sie gegen wen einzusetzen?«
»Das ist eine gute Frage. Und der militärische! Geheimdienst war bislang nicht in der Lage, darauf eine Antwort zu finden.« Luke zuckte mit den Schultern. »Aber es gibt Dutzende Möglichkeiten. Die meisten der Kredite für den Wiederaufbau, die Corellia nach dem Yuuzhan-Vong-Krieg aufgenommen hat, sind in Verzug, und die Corellianer haben keinen Mangel an Handelsstreitigkeiten. Möglicherweise erwägen sie sogar einen Rohstoffraub. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es einfach zu viele Möglichkeiten, als dass wir etwas anderes tun könnten als raten.«
»Warum hast du gesagt, die corellianische Regierung oder >jemand darin<? Wissen wir nicht, wer dafür verantwortlich ist?«
Luke schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, basieren diese Geheimdienstinformationen in erster Linie auf den
Analysen von Anforderungsaufträgen sowie einer langen Historie verdächtiger Personalentscheidungen.«
»Warte. Die Existenz dieser Flotte basiert auf den Berichten von Buchhaltern?«
Luke grinste. »Was hast du gegen Buchhalter?«
»Im Grunde nichts.«
»Das wirkliche Problem mit den Informationen, die wir haben, ist. dass sie uns nicht einmal ansatzweise verraten, wo sie die Flotte bauen - bloß, dass bereits seit fast einem Jahrzehnt daran gearbeitet wird, und unsere Logistikleute glauben, dass sie beinahe fertiggestellt ist.«
Jacen wurde einen Moment lang nachdenklich, dann fragte er: »Und du willst, dass ich diese Schiffswerften finde und den Bericht des Geheimdienstes bestätige?«
Luke schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so einfach. Admiral Pellaeon ist zuversichtlich, dass der Militärgeheimdienst den Standort der Basis in Kürze präzise bestimmen kann. Wir brauchen dich, damit du dich um eine dringlichere Angelegenheit kümmerst.«
»Noch dringlicher als ein planetarischer Angriff?«
»Ja.« Luke atmete tief durch. »Die corellianische Regierung steht dicht davor, die Centerpoint-Station wieder einsatzfähig zu machen.«
Das ließ Jacen auf der Stelle erstarren. Er starrte Luke an. und der nickte bestätigend.
Die Centerpoint-Station war ein Relikt, ein Artefakt einer uralten Zivilisation, die - in gewisser Hinsicht - das corellianische Sternensystem geschaffen hatte, indem sie mehrere unbewohnte Planeten zu dem System gezogen und sie in günstige Umlaufbahnen befördert hatten. Mehrere hunderte Kilometer im Durchmesser, sogar noch größer als die
Todessterne, die das Imperium Jahrzehnte zuvor gegen rebellische Planeten in die Schlacht geschickt hatte, hatten politische und militärische Kräfte von innen und außen über die Jahrhunderte hinweg versucht, die Kontrolle über die Centerpoint-Station zu gewinnen, obgleich man nie herausgefunden hatte, wie man sie richtig bediente.
Im Zentrum der Centerpoint-Station wurde Schwerkraft erzeugt, sodass Planeten bewegt oder sogar Sterne beeinflusst werden konnte. Doch die Station war auch in der Lage, Planeten und Sterne zu vernichten. Dann und wann hatten die Corellianer und andere dicht davorgestanden, sich die Station als verheerende Waffe zunutze zu machen. Doch über Jahre hinweg war die Station durch biometrische Daten so programmiert, dass sie lediglich durch eine einzige Person bedient werden konnte - durch Anakin Solo.
Zum letzten Mal hatte man sie während des Yuuzhan-Vong-Kriegs eingesetzt. Nachdem sie jahrelang außer Betrieb gewesen war, hatte man sie wieder einsatzbereit gemacht. da sie ja auf Anakin Solo programmiert war und allein von ihm aktiviert werden konnte. Jacen war dagegen gewesen, denn nach seiner Ansicht war die Station als Waffe einfach zu schrecklich, zu unberechenbar, um sie gegen die Yuuzhan Vong oder gegen irgendjemand anderen einzusetzen. Anakin Solo hatte ihm widersprochen, denn seiner Meinung nach konnten durch den Einsatz der Station die Yuuzhan Vong daran gehindert werden. Millionen von Leben zu vernichten.
Anakin hatte sie aktiviert - und Thracken Sal-Solo hatte sie abgefeuert. Doch der Einsatz der Station hatte nichts Gutes erbracht und stattdessen einen Großteil der mächtigen Kriegsflotte des Hapes-Systems vernichtet, eines der Verbündeten der Neuen Republik. Da Anakin im weiteren
Verlauf des Krieges gefallen war. hatte dies die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwer die Station jemals wieder einsetzen würde, allem Anschein nach zunichtegemacht.
Jacen überkam eine gewisse Unschlüssigkeit. Sein jüngeres Selbst hatte sich geweigert, die Centerpoint-Station zum Einsatz zu bringen. Sein gegenwärtiges Selbst aber hätte sie sich unter den gleichen Umständen zunutze gemacht; seine Skrupel diesbezüglich waren im Laufe der vergangenen fahre verschwunden. Die Erkenntnis, wie sehr er sich selbst verändert hatte, überraschte ihn.
Der Jacen, der er vor mehr als einer Dekade gewesen war, war fort, so tot wie der Anakin aus jener Ära. Er nahm einen tiefen, langsamen Atemzug und fragte sich, warum er weder dem einen noch dem anderen Verlust länger nachtrauerte.
»Wie haben sie die Station wieder einsatzbereit bekommen?«, fragte er.
Luke zuckte mit den Schultern. »Nach unseren Informationen haben sie herausgefunden, wie sich entscheidende Elemente von Anakins Biometrie reproduzieren lassen - mangels erhalten gebliebener Zellen vermutlich durch Handabdrücke, Netzhautmuster und Gehirnströme.«
Jacen spürte, wie Wut in ihm anschwoll. Die Identität seines Bruders für einen solchen Zweck zu missbrauchen, war eine ungeheuere Respektlosigkeit gegenüber dem Toten. Der Sache haftete etwas Makaberes an, das ihm nicht gefiel. Trotzdem war er sich bewusst, dass eine entsprechende Reaktion unvernünftig und sinnlos war, deshalb unterdrückte er sie. »Und die GA fürchtet, dass die Corellianer sie tatsächlich als Waffe gegen sie einsetzen werden?«
»Nicht direkt. Nicht fürs Erste. Aber wenn die Corellianer mit ihrer neuen Flotte einen Angriff auf irgendein System starten wollen, könnten sie die GA durch die Bedrohung, die die Centerpoint-Station darstellt, in Schach halten. Und selbst, wenn sich herausstellen sollte, dass sie diesen theoretischen Überraschungsangriff überhaupt nicht planen, ist Staatschef Omas besorgt darüber, dass die Corellianer die Station dazu einsetzen könnten, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren, ihre Eigenständigkeit.«
»Das.« Jacen hielt inne, bevor er weitersprach. Er war drauf und dran gewesen zu sagen: Das wäre doch gar nicht so übel. Aber nein, die Aussicht darauf, dass die Corellianer - ein bekanntermaßen unabhängiges Planetenvolk - im Besitz der mächtigsten Waffe in der Galaxis waren, ohne bereit zu sein, sie zum übergeordneten Wohle der galaktischen Zivilisation einzusetzen - ja, die sie vielleicht sogar zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen nutzten -, war durchaus übel. Sehr übel. Er ließ seine Gedanken einen Moment lang in die Zukunft schweifen - in eine mögliche Zukunft, eine, die am ehesten aus den Handlungen resultieren würde, die Luke beschrieben hatte - und erhaschte einen kurzen Eindruck von gewaltigen Flotten, die einander bekämpften, von Planetenoberflächen, die bombardiert wurden, von Bruder und Schwester, die aufeinander schössen. Dieser flüchtige Blick sorgte dafür, dass sich sein Magen zusammenzog. »Also bittet die Galaktische Allianz den Orden der Jedi um Unterstützung.«
Luke nickte. »Um genauer zu sein: Admiral Pellaeon furch tot, dass in zahlreichen Sternensystemen regelrechte Aufstände aufflammen könnten, wenn die GA in dieser Sache nichts unternimmt. Viele seiner computerberechneten Analysen deuten darauf hin, ebenso wie seine Instinkte, wie es scheint. Andere Admiräle, die er um Rat gefragt hat. sind derselben Meinung, und deshalb hat sich Cal Omas an uns gewandt.«
Jacen nahm einen tiefen Atemzug und dachte darüber nach. Admiral Pellaeon, seit Jahrzehnten der Anführer, der dafür gesorgt hatte, dass die Imperialen Restwelten stolz, unabhängig und anständig geblieben waren, war vor ein paar Jahren zum Oberbefehlshaber der Galaktischen Allianz ernannt worden, ein sicheres Zeichen für den wachsenden Stellenwert der Imperialen Restwelten und ihrer Bedeutung innerhalb der GA. Wenn er die Weigerung der Corellianer als sicheren Weg in einen Bürgerkrieg betrachtete, würde Jacen alle Mühe haben, dieser Schlussfolgerung zu widersprechen. »Also, wie sieht der Plan aus?«
Luke kreiste die Sache mit seiner Antwort ein. »Natürlich sind unter den Wissenschaftlern und
Unterstützungsmannschaften, die die Centerpoint-Station für Corellia studiert haben, Spione der GA. Es wäre ihnen mehr oder weniger unmöglich, dort Schwadronen von Elitesoldaten einzuschmuggeln, um die Anlage zu beschädigen oder zu deaktivieren. Einen oder zwei Agenten könnten sie jedoch einschleusen. Und die Effektivität ganzer Schwadronen, reduziert auf ein oder zwei Leute.«
»Bedeutet, dass sie Jedi brauchen.«
»Genau.«
»Was willst du. dass ich tue?«
»Begib dich zur Centerpoint-Station, und deaktiviere oder zerstöre sie.«
Jacen tätschelte den Griff seines Lichtschwerts. »Ich soll eine Raumstation von der Größe eines Mondes allein mit dem deaktivieren oder zerstören, was ich dort reinschmuggeln kann?«
»Andere Stationen dieses Kalibers wurden allein mit einem
Protonentorpedo und dem nötigen Wissen vernichtet. Wir werden versuchen, dir das nötige Wissen zu verschaffen. Und die GA wird anderswo in dem System eine Operation initiieren, die die Aufmerksamkeit der Verteidiger auf sich lenken wird. Wirst du es machen?«
»]a, natürlich. Aber warum ich?«
»Aus mehreren Gründen. Erstens bist du im Gegensatz zu den meisten anderen Jedi dort gewesen. Zweitens kannst du dank dem, der dich großgezogen hat, auf einen authentischen corellianischen Akzent zurückgreifen - das und der Umstand, dass du ein wenig von dem corellianischen Aussehen deines Vaters geerbt hast, wird es dir einfacher machen, dich unbemerkt auf der Raumstation zu bewegen. Drittens macht dich deine spezielle Ausbildung in alternativen Sichtweiten der Macht wandlungsfähiger als die meisten anderen Jedi -tatsächlich sogar wandlungsfähiger als einige Jedi-Meister -, was es wiederum schwieriger macht, dich aufzuhalten.«
»Und was ist mit Ben?«
Luke schwieg einen Augenblick. Er und Jacen wandten sich einer Brücke zu, die den Abgrund zwischen zwei langen Reihen von Wolkenkratzern überspannte; sie bestand aus Transparistahl, in den hellfarbener Sand und Kies eingearbeitet waren, und das Geländer war so hoch, dass die gelegentlichen heftigen Windböen, die durch die Durabetonschluchten von Coruscant jagten, einen Fußgänger nicht über die Brüstung schleudern konnten. Durch die transparente Fläche unter ihren Füßen konnten Passanten in den zwei Kilometer tiefen Abgrund unter ihnen blicken, und sie spürten, wie die Brücke ein wenig schwankte, als ein Windstoß dagegenschob. Ein Dutzend Meter weiter unten schoss der Verkehrsstrom vorbei wie ein Fluss aus bunten Lichtern.
Lukes Tonfall klang teilnahmslos, auch wenn man merkte, dass er sich darum bemühte. »Das zu entscheiden ist - als sein Lehrer - deine Angelegenheit.«
Selbst auf gefährlichen Missionen nahmen Jedi-Meister häufig ihre Schüler mit. Auf diese Weise lernten die Schüler dazu. Manchmal starben sie aber auch zusammen mit ihren Lehrern. Und Luke hatte die Entscheidung, ob Jacen Lukes eigenen Sohn auf diese Mission mitnehmen sollte, allein in Jacens Hände gelegt.
Luke hatte geantwortet, wie ein Jedi-Meister hätte antworten sollen, und hatte sein Urteilsvermögen nicht durch seine Beziehung zum besagten Schüler trüben lassen. Jacen würde es ebenso handhaben.
Ben war aufgeweckt, einfallsreich und größtenteils gehorsam. Als würde man einen Schalter umlegen, konnte er sich wie jeder frühreife Dreizehnjährige benehmen, so Jedi-untypisch, wie es nur möglich war. Für eine Mission wie diese war er ein Gewinn. »Er wird mich begleiten.«
Luke nickte und schien Jacens Entscheidung gelassen aufzunehmen.
»Wenn es hart auf hart kommt, wird die Sache hässlich«, führ Jacen fort. »Die Corellianer - das wird sie in Wut versetzen.«
»Ja. Aber der andere Teil der Operation, der teilweise als Ablenkungsmanöver für eure Mission dient, ist eine Machtdemonstration. Unversehens wird eine ganze GA-Flotte im corellianischen Raum auftauchen. Der Militärgeheimdienst glaubt, dass die Corellianer dadurch und durch den Verlust von Centerpoint erkennen werden, dass sie diese Wir-machen-was-wir-wollen-Haltung nicht länger aufrechterhalten können.«
Jacen schüttelte den Kopf. »Wessen brillante Idee ist das?«
»Ich weiß es nicht. Mir wurde sie von Cal Omas und von Admiralin Niathal präsentiert, einer von Pellaeons Beraterinnen.«
»Sie ist eine Mon Calamari, keine Corellianerin.«
»Nun. sie hat erklärt, dass die Experten für psychologische Kriegsführung das Verhalten der corellianischen Bevölkerung studiert haben und überzeugt sind, dass diese Operation die gewünschte Wirkung zeigen wird -.vorausgesetzt, die Deaktivierung der Centerpoint-Station ist erfolgreich.«
Jacen schnaubte. »Um was wollen wir wetten, dass deren Einschätzungen auf alten Daten basieren? Auf Daten von vor dem Vong-Krieg? Vielleicht sogar auf welchen aus der Ära der Diktatur. Ich glaube nicht, dass sie in ihre Überlegungen mit einbezogen haben, wie es Corellianer verändert hat, den Krieg überlebt zu haben: Es hat ihren Stolz noch verstärkt.«
»Ich bin sicher, ihnen standen die neuesten Informationen zur Verfügung. Aber ich habe ohnehin auf diesen Teil der Operation keinerlei Einfluss. Die Sache nimmt ihren Lauf, ganz gleich, wie der Jedi-Orden dazu steht.« Lukes Gesichtsausdruck wirkte noch immer gelassen, aber Jacen entdeckte ein Aufflackern von Bedauern. »Lass uns zurückgehen.«
»Ich denke, ich werde noch ein bisschen hier spazieren. Meine Gedanken ordnen. Mir überlegen, was ich meinem Vater sagen werde, wenn die Zeit dafür kommt.«
»Plan nicht zu sehr.« Luke klopfte Jacen auf die Schulter und wandte sich wieder dem Haus von Hau und Leia zu. »Die Zukunft muss man leben, nicht im Voraus festlegen.«
Als er die Tür erreichte, überkam Luke ein unmerkliches Kribbeln, als wäre direkt hinter ihm jemand aus dem Nichts aufgetaucht und würde ihn mit einer Feder streicheln. Er drehte sich um.
Unmittelbar hinter ihm war niemand. Doch auf der anderen Straßenseite, vielleicht dreißig Meter entfernt, stand jemand ungefähr auf gleicher Höhe auf einem Fußgängerübergang und beobachtete ihn.
Sein Beobachter stand ein paar Meter von der nächsten Lichtquelle entfernt in einen Reiseumhang gehüllt, der den Obergewändern nicht unähnlich war, die Luke und die anderen Jedi trugen. Die Kapuze war übergestreift, und die Kleider verschleierten die Statur ihres Trägers. Luke konnte lediglich erkennen, dass der Unbekannte von durchschnittlicher Größe oder größer war und schlank aussah.
Doch irgendetwas an seiner Haltung erinnerte Luke an das Bild aus seinem Traum, und er fragte sich, ob die Gesichtszüge des Beobachters Ähnlichkeit mit denen des seit langem toten Anakin Skywalker hatten, mit Augen, die sich durch Zorn und Sith-Techniken in flüssiges Gelb verwandelt hatten.
Während Luke hinsah, drehte sich der Beobachter um. ging die paar Schritte zur Tür des nächstgelegenen Gebäudes und trat ein, um in der Dunkelheit zu verschwinden.
Luke schüttelte den Kopf. Natürlich konnte er dort hinübergehen. Aber das würde Zeit kosten, und er würde nichts finden. Entweder hatte der Beobachter nichts mit Lukes Traum zu tun, oder es war jemand, der vorsätzlich Kontakt mit ihm aufnahm, entweder als Warnung oder als eine Art Begrüßung. So oder so würden keinerlei Beweise zurückbleiben.
Luke betrat das Haus der Solos.
Nachdem alle Gäste gegangen waren, von denen die meisten in ihre Quartiere im Jedi-Tempel zurückkehrten, und es in den Gemächern der Solos dunkel war, lagen Han und Leia einander in ihrem Schlafzimmer in den Armen.
Die Kammer befand sich an der Außenwand des Gebäudes, direkt unter dem Fußgängerweg draußen, und wartete mit einem breiten Transparistahlfenster auf. das ihnen Ausblick auf die Verkehrsspuren draußen gewährte - oder, wenn Hau und Leia dicht genug an der Scheibe waren und sich tief genug duckten, auf den Himmel. Die Transparistahlplatte war wesentlich dicker als die Fenster der meisten anderen Wohnstätten, wie es für ein ehemaliges Staatsoberhaupt und ihren gleichermaßen berühmten Ehemann angemessen war. weil beide in der permanenten Gefahr schwebten. Ziel eines Attentats oder eines Entführers zu werden. Die Panzerung war mit der eines Flottenschiffs vergleichbar und stellte eine der kostspieligeren Besonderheiten dieser Quartiere dar. Zugleich war die Scheibe so klar wie jedes gewöhnliche Fenster, und wenn die Jalousien geöffnet waren, konnten sie dadurch die endlosen, glänzend bunten Ströme des Verkehrs beobachten.
»Du warst ziemlich hart zu Zekk«, sagte Leia anklagend. »Den ganzen Abend lang.«
»Findest du?« Han dachte darüber nach. »Ich habe ihn nicht zu irgendwelchen Trinkspielen herausgefordert oder ihn über all seine gescheiterten Beziehungen ausgefragt.«
»Gut.« Leia nickte an seiner Brust. »Aber du hättest, netter sein können.«
»Netter zu dem Mann, der meiner Tochter nachstellt? Wie würde das denn aussehen? Ich bin ihr Vater. Abgesehen davon nutzt er sie aus.«
»Das ist lächerlich.«
»Nein, hör mir zu. Da sie nicht glaubt, dass er hinter ihr her ist, weil sie sich was vormacht und denkt: Trotz allem, was war. sind wir nur gute Freunde, kann er um sie herumscharwenzeln, ohne dass sie sich über seine wahren Absichten im Klaren ist.«
»Er ist ein guter Junge.«
»Soweit es meine Tochter betrifft, ist niemand ein >guter Junge<. Abgesehen davon sollte man niemanden, der so groß ist, als Jungen bezeichnen.«
»Nun. wenn sie größere Männer mag. liegt das wahrscheinlich daran, wo sie aufgewachsen ist.«
»Ach?« Han dachte darüber nach. »Glaubst du. sie findet meinetwegen mehr Gefallen an größeren Männern?«
»Nein, wegen Chewbacca.«
Han schaute zu ihr hinab. Ein Schein blauen Lichts zog draußen vorbei und erhellte ihre Augen. Ihr Gesichtsausdruck war zugleich irgendwie neckisch und gekünstelt unschuldig.
Chewbacca, Hans Wookiee-Copilot und bester Freund, war vor mehr als einem Jahrzehnt gestorben, zu Beginn des Yuuzhan-Vong-Krieges. Es hatte lange gedauert, bevor Han seinen Namen hören oder aussprechen konnte, ohne einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen zu spüren. Noch immer empfand er Traurigkeit über diesen Verlust, aber hinzu gesellten sich Jahre voller freudigerer Erinnerungen.
»Du«, sagte Han, »solltest dich nicht über Han Solo, den Helden der Galaxis lustig machen.«
»Das würde ich niemals tun. Ich habe mich über Han Solo, den eigensinnigen Daddy und Egoisten lustig gemacht.«
»Jetzt steckst du wirklich in Schwierigkeiten.«
Sie lachte laut auf.