15.

CENTERPOINT-STATION


Jacen marschierte in Thrackans Richtung und bemerkte die Umrisse weiterer Soldaten und möglicherweise auch Kampfdroiden, die in einiger Entfernung hinter seinem Cousin auftauchten.

Thrackan wandte sich zur Seite, aktivierte eine Tür und sprang hindurch. Sie glitt hinter ihm wieder zu. doch zwischen Jacen und den Soldaten in einiger Entfernung gab es kein Hindernis.

Sie eröffneten das Feuer.

Auf diese Distanz hatte Jacen selbst bei so vielen feuernden Gegnern keine Schwierigkeiten, die heranzischenden Blasterbolzen abzuwehren. Er stürmte vorwärts, schickte die meisten Bolzen wieder zur feindlichen Linie zurück, wo die Agenten in der ersten Reihe sie mit ihren Schutzschilden abfingen, zuweilen unter der Wucht der Einschläge taumelnd.

Jacen hielt neben der Tür inne, durch die Thrackan verschwunden war. Verbissen seinem ursprünglichen Ziel zu folgen und mehr und mehr Gegner auf sich zu lenken - und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf Ben -, würde der Mission nicht zugute kommen, die Gegner möglichst weit von den Stellen fernzuhalten, wo Sabotage durchgeführt werden sollte, schon.

Er schlug auf den Öffnen-Knopf an der Tür. und sie glitt auf. Jacen grinste. Thrackan - überzeugt davon, dass sich Jacen auf die anrückenden CorSic-Agenten und Droiden stürzen würde -hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Tür zu verriegeln.

Er fand sich in einem langen Korridor mit einer identischen Tür am hinteren Ende wieder, vierzig Meter entfernt. Diese Tür stand offen, und Thrackan hatte gerade die Schwelle überquert, um mit gelinder Überraschung zu Jacen zurückzuschauen.

Jacen trat ein, schloss die Tür hinter sich und rammte sein Lichtschwert durch die Kontrolltafel - komplett hindurch, sodass seine Klinge in dem Gang wieder herauskam, den er gerade verlassen hatte, um die Steuereinheit auf der anderen Seite ebenfalls lahmzulegen. Der vorrückende Feind würde den Türmechanismus überbrücken müssen, was mindestens ein paar Minuten dauern würde.

Er blickte wieder zu Thrackan. Jacens neue Taktik hatte seinen Cousin erstarren lassen. Dann schlug Thrackan auf die Kontrolltafel auf seiner Seite der Tür, und sie glitt nach unten.

Jacen rannte darauf zu und hämmerte auf den Öffnen-Knopf, doch die Tür rührte sich nicht. Jacen grinste wieder. Thrackan lernte schnell - diesmal hatte er die Tür verriegelt. Jacen stieß sein Lichtschwert in die Oberseite der Tür und säbelte durch die Elektronik, die die Tür an Ort und Stelle hielt. In einer Sekunde würde er durch sein, und dann konnte er die Macht benutzen, um die Tür aus dem Weg zu heben.

Vage hörte er hinter der Tür das Klappern von Stiefeln auf Metall Fußboden, als Thrackan wegrannte.

»Nein, das bist du nicht«, sagte Ben zu der plumpen Konstruktion aus Droideneinzelteilen. »Anakin Solo ist tot. Er starb, als ich noch klein war.«

Die Kupplungen, wo die Rumpfbauteile des Droiden an die Armanhängsel anschlossen, hoben sich geräuschvoll, eine

Geste, die wie ein menschliches Schulterzucken aussah. »Ja. ich bin gestorben«, sagte der Droide. »Und ich wurde ein Geist, und schließlich hat es mich hierherverschlagen, und ich habe mir diesen mutierten Klonkörper einverleibt, um meinen Vorfahren, den Corellianern, beistehe.«

»Das ist kein Klonkörper«, widersprach Ben. »Das ist ein Droidenkörper.«

Der Kopf schwang vor, sodass der Droide auf sich selbst herabschauen konnte. »Du irrst dich, kleiner Cousin. Oder du versuchst absichtlich, mich zu verwirren. Ich vermute Letzteres. Du bist hier, um diese Station zu sabotieren, nicht wahr? Um sie zu zerstören, damit die Corellianer niemals in den Genuss von Freiheit und Unabhängigkeit kommen.«

»Junge, haben die dir eine Programmierung verpasst.« Ben trat einen Schritt vor, sein Lichtschwert kampfbereit erhoben. Mit der freien Hand deutete er auf den Kopf des Droiden. Wenn er die Macht einsetzen konnte, um ihn zur Seite zu drehen, gelangte er so vielleicht aus dem Sichtbereich der optischen Rezeptoren, was es ihm erlauben würde, vorzuspringen und anzugreifen, ohne dass der Droide sah, was auf ihn zukam.

Ben krümmte sich, und sein Blickfeld verschwamm. Er spürte, wie sich sein gesamter Körper wand, und hörte, wie sein Lichtschwert auf den Boden schlug und davonrollte, um noch einen Augenblick lang zu summen, bevor die Sicherheitsschaltkreise in der Waffe die Energie ausschalteten.

Er schüttelte den Kopf, und sein Blick klärte sich wieder.

Er befand sich einen Meter über dem Boden, die Luft rings um ihn her schimmerte. Seine Beine zuckten immer noch.

Der Droide zuckte erneut die Schultern. »Das tut mir sehr leid. Das ist eine Jedi-Abwehr-Verteidigungsfunktion, die mir mein anderer Cousin. Thrackan Sal-Solo, eingebaut hat. Diese Funktion überwacht fortwährend die Hirnwellenaktivität in einem bestimmten Gebiet. Sobald Bereiche des Gehirns entdeckt werden, die aktiv zu werden pflegen, wenn Machtkräfte zum Einsatz kommen, schaltet sie sich ein. Repulsoren unter dem Boden halten den Jedi sicher über dem Boden, und elektrische Emissionen - meistens schmerzlos -stören die Konzentration des Jedis. Siehst du. du hast aufgehört, Machtkräfte einzusetzen, und dafür bekommst du keine Stromschläge mehr. Wirkungsvoll, nicht wahr?«

»Ja. sicher, was auch immer.« Ben griff nach unten, um sein Lichtschwert wieder zurück in seine Hand wandern zu lassen -und tanzte und zuckte erneut, als das Verteidigungssystem ihn ein zweites Mal elektroschockte. Nach einigen Sekunden der Erholung sagte er: »Ich schätze, das funktioniert wirklich.«

»Also, was beabsichtigst du hier zu tun?«

»Die Station zu zerstören oder zumindest das außer Betrieb zu setzen, was auch immer sie dazu benutzen, um die Kontrolle über die Repulsorwaffe wiederzuerlangen.« Ben sah den Droiden zweifelnd an. »Ich nehme an, das bist du.«

Jemand begann, gegen die andere Seite der Tür zu hämmern. Ben zuckte zusammen. Die Wachen draußen würden Verstärkung rufen. Und ganz egal, wie übel er die Tür auch beschädigt hatte, es würde trotzdem bloß ein paar Minuten dauern, bevor sie sie offen hatten.

Er hatte versagt.

Nun, vielleicht noch nicht ganz. »Sie sagen dir, dass sie die Waffe der Station dazu benutzen wollen, um unabhängig zu bleiben«, sagte Ben. »Und das wäre in Ordnung, wenn es nur darum ginge. Aber dem ist nicht so. Sie lügen dich an. Die erste große Lüge ist, dass du Anakin Solo bist und dass du in einem lebenden Körper steckst. Aber du bist nicht Anakin Solo. Du bist ein Droide.«

Der Droide seufzte. »Ja, ja. Natürlich.«

»Es ist wahr! Sie brauchten Anakin Solos Bio. Bio-was-auch-immer...«

»Biometrik.«

»Ja, sie brauchen seine biometrischen Daten, um die Repulsorwaffe zu kontrollieren. Also haben sie sieh aus alten Unterlagen seine Fingerabdrücke besorgt. Vermutlich haben sie seine Hirnwellen aus irgendwelchen medizinischen Aufzeichnungen, die sie finden konnten, rekonstruiert. Wahrscheinlich mussten sie sie anpassen und damit herumprobieren, bis sie damit die Steuerung der Station beeinflussen konnten. Und das alles haben sie in dich reingepackt, um einen Anakin Solo zu haben, der so denkt und sich verhält wie ein Mensch - aber alles tut, was sie sagen.«

»Ich bin Anakin Solo. Ich bin ein Jedi. Ich beherrsche die Macht. Siehst du?« Der Droide streckte einen Arm aus, und Bens Lichtschwert flog von dort, wo es hingerollt war, in seine Hand.

»Das war nicht die Macht. Wenn das die Macht gewesen wäre, hätte ich das spüren können.« Ben dachte nach. »Da sie nicht überall in diesem Raum Repulsorliftauslässe eingebaut haben können, war das wahrscheinlich zielgerichteter Magnetismus. Du hast den metallenen Handgriff des Lichtschwerts mit Magnetkraft gepackt.« Er versuchte, einen Ausdruck von Bestürzung und Traurigkeit aus seinem Gesicht fernzuhalten. Er glaubte nicht, dass ihm das sonderlich gut gelang. Es ging nicht bloß darum, dass seine Mission in Gefahr war. Diese Situation hatte etwas Groteskes an sich. Es war irgendwie unwirklich, mit einem Droiden fertig werden zu

müssen, der ehrlich glaubte, er wäre sein Cousin.

Er würde einen Weg finden müssen, ihn zu zerstören. »Hier drin gibt es Überwachsungsholokameras. nicht wahr?«, fragte Ben. »Gewiss.«

»Wie siehst du auf denen denn aus?«

»Ich bin ein sehr großer menschlicher Jugendlicher. Mit etwas überentwickelten Knochen, um dem Kraftaufwand gerecht zu werden, den meine gewaltige Masse erfordert.«

»Ich werde jetzt meinen Beutel öffnen«, sagte Ben. »Ich werde eine kleine Holokamera herausholen. Bitte, lass mich dich damit aufnehmen.«

»Mach nur.«

Ben griff in seinen Beutel und zog die Holokamera daraus hervor, die er auf Adumar benutzt hatte. Doch sobald das Gerät den Saum seines Beutels passierte, machte der Droide eine Geste, und die Holokamera schnellte quer durch den Raum in die andere Hand des Droiden.

»Hey«, sagte Ben. »Du warst damit einverstanden.«

»Nein, das war ich nicht.« Der Droide hob die Holokamera hoch zu seinem Kopf und untersuchte sie mit einer Reihe von Sensoren. »Ich muss sicher sein, dass es kein als Holokam getarnter Blaster ist.«

»Nun, das ist es nicht. Du klingst wie jemand, der Angst davor hat, getötet zu werden.«

»Ich habe Angst davor, getötet zu werden.«

Ben verspürte einen Anflug von Triumph, als wäre es ihm gelungen, dem letztlichen Sieg einen Schritt näher zu kommen. »Anakin Solo hatte davor keine Angst. Du bist nicht er.«

»Sei still. Ich werde jetzt das Programm dieses Dings überprüfen.« Im Kopf des Droiden glitt eine Luke auf, ungefähr an der Stelle, wo im Verhältnis zu den Augen der Mund eines

Menschen gewesen wäre. Der Droide stopfte die Holokamera in die Luke, und sie schloss sich wieder.

»Hey! Was glaubst du, was du da machst?«

»Ich benutze meine Verbindung zur Macht und Computergerät, um das Programm zu analysieren.«

»Das ist keine Machtfähigkeit, du Hohlkopf. Und ich meine damit, was du da gerade physikalisch getan hast? Du hast meine Holokam in deinen Kopf gestopft!«

»Du bist verrückt.« Die Mundluke des Droiden öffnete sich und platzierte die Holokamera wieder in der Hand des Roboters. Die Hand zuckte, und mit einem Mal flog die Holokam quer durch den Raum auf Ben zu. Ben fing sie auf. »Also?«

»Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei dem Gerät nicht um eine Waffe handelt und es auch nicht irgendwelche Programmierungen aufweist, um Funktionen auszuführen, die nicht Teil der normalen Aufgaben einer Holokamera sind.«

Ben hielt die Holokam hoch, stellte sicher, dass die Magneten des Droiden die Funktionsfähigkeit der Kamera nicht beeinträchtigt hatten, und begann mit der Aufzeichnung. »Tu mir einen Gefallen«, sagte er. »Wink mal. Als wärst du in den Ferien. Hast du eine Nachricht für deine Eltern? Sag irgendwas.«

»Das ist eine gute Idee.« Der Droide winkte unbeholfen. »Hallo, Mom. Hey, Dad. Ich arbeite viel, aber mir geht es gut. Ich hoffe, ich kann euch bald wiedersehen.« Der Droide hielt inne. »Wie war das?«

»Ziemlich gut.« Bens Gefühl des Bedauerns wuchs. Die Worte des Droiden, so banal wie die jedes durchschnittlichen Jugendlichen, der von seinen Eltern getrennt war, machten ihm schwer zu schaffen.

Er stoppte die Aufzeichnung und streckte die Holokamera aus. »Jetzt sieh dir an, was wir gerade aufgenommen haben.«

Die Holokamera glitt aus seinen Fingern und in die Hand des Droiden. Erneut hob der Droide das Gerät zu seiner Mundluke und nahm es in sich auf.

Ben wartete. Draußen im Gang ertönten weitere Stimmen, und man hörte das Klirren von Ausrüstung, die abgestellt wurde. Die einzigen anderen Geräusche waren das Summen die ganze elektronische Ausstattung des Raums und Bens eigenes Atmen.

»Das ist eine Lüge«, sagte der Droide schließlich.

»Du hast es auf der Holokam selbst gesehen. Du hast gesagt, das Gerät hat keine von der Norm abweichende Programmierung.«

»Ich habe irgendetwas übersehen.«

»Nein, das hast du nicht. Du weißt, dass du das nicht hast. Diese Holokamera ist unkomplizierter als ein Mausdroid. Nichts da drin könnte dir verborgen bleiben.«

Der Droide drehte seinen Oberkörper so. als würde er Ben erneut ansehen. Der Junge hätte schwören können, dass der Droide in sich zusammensackte.

Ben traten Tränen in die Augen. Er wischte sie weg. »Es tut mir so leid«, sagte er. »Aber es ist die Wahrheit. Du bist, ein Droide, der so programmiert wurde, dass er denkt, er sei Anakin Solo. Aber wenn du wirklich Anakin wärst, würdest du mir jetzt helfen, die Station zu zerstören, weil die Leute, die dich geschaffen haben, sie als Waffe benutzen und damit ganze Sterne zerstören könnten.«

»Wie wolltest du mich zerstören?«

»Ich bin nicht hergekommen, um dich zu zerstören. Ich bin hergekommen, um die Station zu zerstören. Ich habe die

Möglichkeit, diesen Kontrollraum dazu zu bringen, einen bestimmten Impuls durch die Station zu schicken und sie so zu vernichten.«

»Und alle an Bord zu töten.«

»Nein, zuerst wird ein Notfallevakuierungscode geschickt, und dann dauert es noch zehn Minuten.«

»Zehn Minuten?« Der Droide klang beleidigt. »Glaubst du wirklich, dass jeder auf einer Station dieser Größe innerhalb von zehn Minuten zu den Rettungskapseln gelangen kann?«

Schuldbewusst zuckte Ben die Schultern. »Ich habe mir den Plan nicht ausgedacht.«

»Gib mir die Daten.«

Ben griff in seinen Beutel und packte die von einer Art Nadel gekrönte Datenkarte. Nach einem Moment des Zögerns ergriff er ebenfalls die anderen Datenkarten, die, die von anderen Kontrollräumen der Station aus die Selbstzerstörungs- oder Abschaltsequenzen eingeleitet hätten. Er hielt sie hoch, und die Magnetkräfte des Droiden rissen sie ihm aus der Hand. Einen Moment später wanderten sie in die Mundluke des Droiden.

»Analysiere«, sagte der Droide in seinem todunglücklichen Ton. Dann: »Oh, ich weiß, wo diese Schnittstelle ist. Aber ich habe sie bislang für einen Süßigkeitenspender gehalten.«

»Das ist. verkehrt«, sagte Ben.

»Ich muss die Daten im Hinblick darauf, worum es sich dabei tatsächlich handelt, neu interpretieren. Diese Befehle. Nein, ich werde nicht unnötig Leben nehmen.«

»Unnötig? Denk daran, was passieren wird, wenn du es nicht tust!«

»Es stimmt. Jemand wird sterben. Die oder ich. Ich oder die.«

»Abgesehen davon, dass du nicht sterben würdest«, sagte Ben. »Du bist ein Droide. Du bist nicht wirklich lebendig.«

Der Droide beugte sich zu ihm vor, und mit einem Mal wirkte seine Haltung bedrohlich. »Wenn ich das tue, werde ich nicht mehr sein. Alles, was ich bin, wird einfach aufhören und nie wieder zurückkommen. Sag mir, dass das kein Sterben ist. Na los, sag mir das noch mal.«

Ben wich beschämt vor dem Droiden zurück. »Es tut mir leid.«

Der Droide nahm seine vorige Positur wieder ein. »Analysiere Programm«, sagte er mit abgelenkter, beinahe droidenmäßiger Stimme. »Sicherheitsüberbrückung. Passwörter. Hey. da ist einiges brillantes Zeug dabei.«

»Unsere besten Spione haben daran gearbeitet«, sagte Ben abwesend. Das Klappern und die Stimmen aus dem Korridor wurden lauter. Erhörte ein quietschendes Geräusch, und die Tür hob sich genug, dass ein zentimeterbreiter Streifen Flurlicht hindurchschien.

»Ich gehe Orte durch, über die ich bislang nichts wusste. Sehe durch die Überwachungsholokams, auf die ich zuvor keinen Zugriff hatte.« Der Droide blickte auf und winkte in Richtung Decke. »Schau, da bin ich.« Seine Stimme wurde verträumt. »Es gibt Orte, Abzweigungen in die alten Systeme. So alt. Wundervoll entworfen. Ich kann. beinahe... reinkommen.« Er seufzte, ein Laut der Verzweiflung. »Sie wollen mich nicht reinlassen.«

»Uns läuft irgendwie die Zeit davon«, sagte Ben. »Was wirst du jetzt tun, Anakin?«

»Ich bin nicht wirklich Anakin, oder?«

»Du bist. ein Anakin. Nicht Anakin Solo.«

»Anakin Sol-Solo.« Der Droide lachte, aber es war ein humorloses Geräusch. »Thrackans Nachkomme. Genau das bin ich.«

Mit einem Mal fiel Ben. Er landete in der Hocke auf dem Boden. Dann schaute er vorsichtig zu dem Droiden auf.

»Ich werde diese Station nicht zerstören«, sagte der Droide. »Wenn du sie so fühlen könntest, wie ich es tue. ihr Leben fühlen könntest. und es gibt hier so viel Wissen. Aber ich werde meinen Vater und seine Freunde daran hindern, sie einzusetzen. Ich nehme an, das bedeutet, dass ich sterben muss.«

»Es tut mir leid«, sagte Ben. Und das tat es wirklich. Er konnte den Droiden vielleicht nicht unbedingt als seinen Cousin anerkennen, doch unvermittelt wurde ihm klar, dass er den Roboter als lebendes Individuum betrachtete - und als edelmütiges noch dazu.

»Hier ist es. genau an dieser Schnittstelle«, sagte der Droide. »Der Code, der Anakin Solo Zugriff auf diese Station gewährt. Ich speise ein Programm in das System ein, das all das löscht, was Anakin Solo der Station zufolge ist.

Und ein weiteres, um meinen Speicher zu löschen - und alle entsprechenden Sicherungsdateien. Ich bezweifle, dass sie jemals wieder in Ordnung bringen können, was ich gerade getan habe.«

Mit einem Mal schoss die Tür einen Meter nach oben. Ohne hinzusehen machte der Droide eine Handbewegung in diese Richtung. Die Tür krachte wieder zu. so hart, dass sich der Rahmen verzog. Von draußen hörte Ben alarmierte Schreie und Tumult.

»Hier ist mein eigener Code, meine Programmierung«. fuhr der Droide fort. »Kontrollen und Sicherungsmechanismen aktiv. Schaffen wir uns die vom Hals.« Er seufzte, ein Laut gewaltiger Erleichterung. »Das war's. Keine Angst mehr vor dem Tod. Geh drei Schritte nach rechts.«

Ben brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass der Droide mit ihm sprach. Er gehorchte.

Das Lichtschwert flog aus der Hand des Droiden auf ihn zu, und er fing es aus der Luft.

»Unmittelbar unter der Stelle, wo du jetzt stehst«, sagte der Droide, »befindet sich eine unbewachte Kammer, die zu einem Korridor führt, der parallel zu dem draußen verläuft. Du solltest jetzt gehen.«

»Vielen Dank«, sagte Ben. Er fühlte sich wie betäubt. Er aktivierte sein Lichtschwert und drückte die Spitze der Klinge in den Fußboden. Rauch kräuselte empor, als er die Klinge langsam im Kreis herumzog.

»Ich denke, ich werde diesen Evakuierungsalarm trotzdem auslösen«, sagte der Droide. »Weißt du, warum?«

»Warum?«

»Weil es lustig sein wird zuzusehen, wie all diese Leute herumlaufen.« Wieder lachte der Droide. und diesmal lag echte Heiterkeit darin. »Ist das keine gute Art zu sterben? Keine Schmerzen und Leuten zuschauen, die närrische Dinge wie in einer Holokomödie tun?«

»Das ist eine gute Art, keine Frage.« Bens Kreis war fast fertig. Die Klinge seines Lichtschwerts zischte lauter, als seine Tränen darauf fielen, und kleine Dampfwölkchen stiegen auf, um sich mit dem Rauch zu vermischen.

Jacen holte Thrackan bei einer Korridorkreuzung ein. Am Boden sah er zwei silbern schimmernde Scheiben von etwa einem Meter Durchmesser. Darüber ragten durchsichtige Röhren aus der Decke. Sie sahen aus wie irgendeine Art

Notausstieg, doch es führten keine Leitern zu ihnen hinauf.

Thrackan war gerade dabei, die Hand nach einer Kontrolltafel an der Wand auszustrecken, als Jacen mithilfe der Macht zuschlug und Thrackan gegen die Mauer rammte. Der ältere Mann prallte ab und brach auf einer der silbernen Scheiben schmerzhaft in die Knie.

Und dann war Jacen bei ihm und hielt Thrackan die glühende Spitze seines Lichtschwerts direkt unters Kinn. Jacen sah, wie die Spitzen von Thrackans Barthaaren durch die Hitze verkohlten.

Sein Cousin - keuchend und beinahe benommen - sagte: »Ich schätze, du gewinnst.«

»Ich schätze, ich.«

»Zeit zu sterben, Solo!« Die Stimme gehörte Thrackan, aber sie kam von hinten. Reflexartig drehte sich Jacen um und riss sein Lichtschwert hoch, um sich zu verteidigen.

Hinter ihm ertönte der Widerhall eines Blasters. Der Schuss traf den Griff seines Lichtschwerts und prellte ihm Waffe aus den Händen.

Er wirbelte erneut herum. Thrackan - einen Blaster in der Hand - erhob sich vollends und schoss auf Jacens Brust.

Jacen fing den Schuss ab - mit bloßer Hand ließ er die Energie der Sähe verfliegen, bevor sie seine Haut berührten. Er lächelte und öffnete seine Hand, um Thrackan seine unverletzte Handfläche zu zeigen.

Thrackan feuerte erneut. Jacens Hand zuckte nach links, fing den zweiten Schuss ab.

Dann krümmte er einen Finger seiner Linken. Der Blaster flog aus Thrackans Griff in seine Hand. Jacen warf einen Blick dorthin, wo sein Lichtschwert lag. und vollführte eine Geste in diese Richtung. Das Schwert flog die vier Meter, die zwischen ihnen waren, und landete in seiner Rechten. Er schaltete es wieder ein und setzte die Spitze vorn an Thrackans Hals.

»Erstaunlich«, sagte Thrackan. Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er aufrichtig beeindruckt war. »Ich habe Gerüchte gehört, dass Darth Vader dazu in der Lage war. Können das alle Jedi?«

»Nein. Wie habt Ihr das gemacht? Eine Aufzeichnung?«

»Ja, ein kleines Stimmaufnahmegerät. Es wurde aktiviert, als ich sagte: Ich schätze, du gewinnst.«

»Zeit zu sterben, Solo!« ertönte der Ruf hinter Jacen.

Jacen schnaubte, trotz der Dringlichkeit seiner Mission amüsiert. »Ich verstehe.«

»Abgesehen davon verlierst du in Wahrheit. In einer Minute werden sämtliche Streitkräfte hier sein, die ich hergerufen habe. Sie werden dich weiter jagen, dich weiter auslaugen, bis einer von ihnen dich zu Fall bringt. Und dein Plan, diese Station zu zerstören, wird scheitern. In dieser Hinsicht ist er bereits gescheitert.«

Ein fernes Heulen erfüllte die Luft, ein Geräusch wie eine Totenklage, das aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen schien. Das Heulen hallte wider und überlagerte sich, als würde ein stadtgroßer Droide unvermittelt um seine gemeuchelte Nachkommenschaft trauern.

Thrackan erbleichte.

Jacen grinste. »Das ist der Evakuierungsalarm. Das bedeutet, wir haben zehn Minuten Zeit, um von dieser Station zu verschwinden, bevor sie sich selbst zerstört. Was wiederum bedeutet, dass mein Schüler, der das Glück hat. nicht mit Euch blutsverwandt zu sein, die Zerstörung der Station erfolgreich in die Wege geleitet hat.« Er beugte sich weiter vor; seine Lichtschwertklinge brachte Thrackan dazu, sich nach hinten zu lehnen. »Ich kann seinen Erfolg noch immer teilen, zumindest ein kleines bisschen. Ich könnte Euch töten, den Schandfleck, der Ihr seid, aus der Galaxis tilgen.«

Thrackan schüttelte den Kopf. »Jedi töten keine Gefangenen, die sich ergeben haben.«

»Ihr habt Euch nicht ergeben.«

»Ich ergebe mich.« Thrackan hob die Hände.

Einen jüngeren Jacen hätten die beiläufigen, sogar verächtlichen Beeinflussungsversuche des älteren Mannes beleidigt. Dieser Jacen jedoch beherrschte das Manipulationsspiel seines Gegenübers nicht minder perfekt. »Vielleicht tun Jedi das nicht - aber ich vielleicht schon. Seit ich ein Kind war, habt Ihr nichts anderes getan, als Corellia Schaden zuzufügen. Und der Neuen Republik. Und meiner Familie. Wäre das Universum ohne Euch nicht ein besserer Ort?«

»Sehr witzig«, sagte Thrackan. Allerdings konnte Jacen in den Emotionen des Mannes eine winzige Spur zunehmender Betrübnis spüren.

Betrübnis und. Nein, er spürte etwas anderes, von irgendwo anders. Schmerz. Tod. Aus der Zukunft.

Aus einer Zukunft, einer von einer Reihe möglicher Zukünfte. Jacen spähte hinein, ließ die Ereignisse dieser potentiellen Zeitlinie über sich hinwegbranden, ohne seinen Cousin dabei aus den Augen zu lassen.

Ereignisse blitzten zu schnell an ihm vorüber, um ihre gesamte Bedeutung erfassen zu können. Raumjäger feuerten Laser und Raketen ab, ließen Tod auf die Unschuldigen herniederregnen. Warum nicht auf die Schuldigen? Er konnte keine Schuldigen sehen. Pilot gegen Pilot. Soldat gegen Soldat, niemand war schuldig. Keine Seite war böser oder dunkler.

Von Corellia ausgehend, breitete sieb der Krieg ans wie die

Kreise auf einem Teich, dessen Oberfläche von einem Stein getroffen wird, und dieser Stein war ein Bild von Jacen und Thrackan. Jacen sah dort Wolken sich ausbreitenden Gases, wohin die Tapferen geflohen waren, leichenübersäte Schlachtfelder, wo die Tapferen gekämpft hatten, ausgebrannte Trümmer, die einst gewaltige Raumschiffe gewesen waren.

Und Schmerz - Schmerz, der die Macht so sehr erschütterte wie nichts anderes seit dem Yuuzhan-Vong-Krieg. Schmerz suchte seine Verwandtschaft heim. Schreie des Verlusts erfüllten seine Ohren.

Er konzentrierte sich auf den Stein in dem Teich, auf das Bild von sich und Thrackan, und sah. dass all diese Ereignisse mit diesem Augenblick zusammenhingen, dem Hier und Jetzt, wenn es ihm nicht gelang, Thrackan zu töten.

Erschüttert schüttelte er die Vision ab und stand schwer atmend da.

»Was ist los. Junge?«, fragte Thrackan, und sein Tonfall war fast freundlich. »Du bist ganz blass geworden.«

Jacen sah ihn blinzelnd an. Er fühlte sich, als würde er an einem Haken hängen. Sein Verstand sagte ihm, dass er nicht tun konnte, was sein Bauchgefühl von ihm verlangte. Er konnte keinen Gegner niederstrecken, der sich ergeben hatte.

Vertrau auf die Macht, hatte Luke so häufig zu ihm gesagt. Vertrau auf deine Gefühle in die Macht.

Er war außerstande, diesen Gegner nicht niederzumachen, selbst wenn sich der Mann ergeben hatte.

Jacen verlangsamte seinen Atem, seinen Herzschlag. Er bekam seine Stimme unter Kontrolle. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. »Um ehrlich zu sein, muss ich Euch jetzt töten.«

»Du bist wahnsinnig. Ich habe mich ergeben.«

»Das genügt nicht. Ihr verfinstert die Zukunft, Thrackan.« Nein, das war nicht ganz richtig. Doch die Zukunft war finster, wenn er am Leben blieb. »Für das übergeordnete Wohl muss ich Euch trotz unserer Jedi-Traditionen töten.«

»Aber meine Droiden sind hier.«

Hinter Jacen eröffnete ein Blaster das Feuer. Er drehte sich um. um den Schuss abzufangen - und verfluchte sich noch während seiner Bewegung selbst dafür, dass er zweimal auf denselben Trick hereingefallen war.

Niemand stand im Korridor. Das Geräusch von Blaster-feuer drang aus einem kleinen, runden Gerät, das nahe einer Glühstabvorrichtung unter der Decke klebte.

Jacen drehte sich weiter, bis er komplett herumgewirbelt war. Sein Lichtschwert, das um 360 Grad herumschwang, würde Thrackan in zwei Hälften teilen.

Stattdessen traf es auf eine glänzende Metallsäule.

Jacen blickte auf. Die Säule erhob sich aus dem Fußboden, um die Metallscheibe, auf der Thrackan stand, zur Decke emporzuhieven. Die Scheibe erreichte die Ränder der transparenten Röhre, und ein lautes Tschuk-Geräusch ertönte -Thrackans Füße hoben sich von der Scheibe und waren verschwunden.

Jacen trat auf die zweite Scheibe und drückte alle vier Knöpfe auf der Kontrolltafel. Die Scheibe, auf der er stand, hob ihn rasch in Position, hoch zur zweiten Röhre, und einen Augenblick später katapultierte ihn ein zweites, ohrenbetäubendes Tschuk aufwärts.

Emporgetragen von einer Energie, die er sich noch nicht erklären konnte - RepuIsoren? Pneumatische Luftströmungen? Traktorstrahlen? -. flog er durch seine Röhre nach oben, zischte an Korridoren vorbei, sah zuweilen offene Kanäle, die raus in den Weltraum führten, dann wieder erleuchtete Gänge, durch die Leute rannten.

Manchmal wurde der Schacht, in dem sich die beiden Röhren befanden, von dicht gedrängter Maschinerie oder Technik beherrscht, manchmal war er offen. Das erste Mal, als sich der Schacht öffnete, schaute Jacen auf und konnte Thrackan in seiner eigenen Röhre hundert Meter oder mehr über sich sehen.

Thrackans Röhre wand sich, eine rechtwinklige Kurve, und plötzlich wurde er davongerissen. Unter normalen Umständen hätte die Kurve aus einem Menschen Mus gemacht. Gravität, dachte Jacen. Allein durch die Manipulation der Schwerkraft konnte Thrackan dies hier nicht überleben.

Jacen erreichte dieselbe Höhe. Seine Röhre zweigte in die andere Richtung ab. Er spürte, wie sein Magen einen Satz machte, und mit einem Mal entfernte er sich rasch von seinem Gegner - von dem Mann, den er so dringend töten musste.

Er heulte auf, ein Laut der Wut und des Kummers, den er über den Lärm des Windes hinweg, der im Innern der Röhre dahinpeitschte, kaum hören konnte. Dann schaltete er sein Lichtschwert aus, klemmte es an seinen Gürtel und steckte Thrackans Blaster in einen Beutel seines Gewands.

Es war Zeit, sich zu beruhigen. Zeit, von dieser Station zu verschwinden, Zeit herauszufinden, wie es um Ben bestellt war.

Thrackan hatte recht. Jacen hatte versagt. Nicht im Hinblick auf die Mission, die ihn hierhergeführt hatte - sondern in seiner größeren Verantwortung.