25.
Sie war gertenschlank, mit langem schwarzem Haar, das sie zu einem fließenden Pferdeschwanz gebunden hatte. Ben sah sie das erste Mal vom Cockpit von Jacens Raumfähre aus, als das Schiff auf Repulsorlifts nach unten schwebte. In diesem Moment war die Frau weder einzigartig noch bemerkenswert, allenfalls eine schattenhafte Gestalt, die mit verschränkten Armen an der Wand einer Hangargrube lehnte.
Aber sobald sie gelandet waren, bereit zum Ausstieg, und die Enterrampe des Shuttles hinunterstiegen, trat sie mit großen Schritten aus den Schatten vor, und mit einem Mal fand Ben sie tatsächlich ausgesprochen interessant. Ihr Gewand - eine grün-braun-gelbe Kombination, in der man Jedi für gewöhnlich nicht sah - war für sie maßgeschneidert, schmeichelte ihrer Figur, und ihr breites Lächeln war ein Fest, das alle, die es sahen, dazu einlud mitzufeiern.
Leider war Bens plötzliches Interesse nur einseitig. Sie ging rasch zum Fuß der Rampe, ihre Aufmerksamkeit fest auf Jacen gerichtet, ihre Hand nach dem erwachsenen Jedi ausgestreckt. »Jacen!«, sagte sie. »Es ist schön, dich zu sehen.«
Jacen erreichte den Fuß der Rampe und ergriff ihre Hand, zog sie jedoch nicht in eine Umarmung, nicht einmal in die herzliche Umarmung alter Freunde - auch wenn ihre Körpersprache selbst in Bens unerfahrenen Augen darauf hindeutete, dass sie genau das erwartete. »Nelani«, sagte Jacen. »Als ich hörte, dass du der der Station auf Lorrd zugewiesene Jedi bist, dass du diejenige sein würdest, die uns begrüßt, war ich erfreut.«
»Wirklich?«
»Erfreut festzustellen, dass du deine Prüfungen bestanden hast und jetzt den Rang einer Jedi-Ritterin bekleidest«, fuhr er fort. »Herzlichen Glückwunsch.«
Ihr Lächeln fiel ein wenig in sich zusammen. »Vielen Dank.« Sie ließ seine Hand los und wandte ihre Aufmerksamkeit endlich Ben zu. »Und dies hier muss Ben Skywalker sein.«
Ben stand schweigend da. Es war nicht so. dass er nichts sagen wollte. Vielmehr war es schlichtweg so, dass sein gesamtes Vokabular - einschließlich einiger ausgewählter Flüche in Rodianisch und Huttese. die er sich unter großen Mühen eingeprägt hatte - einfach verschwunden war. Er fragte sich, wo sie abgeblieben waren.
Nelani warf Jacen einen besorgten Blick zu. »Kann er sprechen?«
Mit einem Mal kehrte Bens Wortschatz zurück. »Ihr seid herablassend.«
Sie verwuschelte ihm das Haar. »Mit Sicherheit nicht. Du hast mich bloß einen Moment lang verwirrt.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Jacen zu. »Also, was willst du als Erstes machen? In eurer Unterkunft in der Station Quartier beziehen?« Sie deutete zum Ausgang der Hangargrube, dann führte sie sie in diese Richtung.
»Hast du Nachforschungen bezüglich der Angelegenheit angestellt, über die ich dir Informationen geschickt habe?«, fragte Jacen.
Ben trottete im Gleichschritt hinter ihnen her und glättete wie wild sein Haar.
»Ja. und ich habe einen Kontaktmann aufgetan, der etwas über deine Quasten zu wissen scheint, eine Frau Doktor Heilan
Rotham. Fühlschrift und ihre Überlieferungsmethoden sind ihr Spezialgebiet.«
Dr. Rothams Büros - und auch ihre Quartiere - befänden sich im Erdgeschoss eines aus Durabetonziegeln und Kunstholz errichteten Universitätsgebäudes, das ein paar Jahrhunderte lang in Behaglichkeit gealtert war, Die Wände der Korridore und Kammern waren dunkel - entweder beruhigend, oder geheimnisvoll und bedrohlich, je nachdem, wie man solchen Dingen gegenüber eingestellt war - und so düster, dass es auf Ben den Anschein machte, als könnten sie allen Humor verschlingen.
Nicht dass die Wände in den Büroräumen überhaupt leicht zu sehen gewesen waren, denn sie wurden von Regalen bedeckt, die vollbeladen mit Büchern, Schriftrollen. Statuetten sonderbar missgestalteter Männer und Frauen vieler verschiedener Rassen, Rollen mit verworren verknotetem Tau und kleinen Holzkisten mit aufklappbaren Deckeln waren.
Er schaute zu dem Tisch hinüber, an dem Dr. Rotham mit Jacen und Nelani saß. Dr. Rotham war eine Menschenfrau, winzig und uralt. Ihr Haar war weiß und flaumig, ihre Haut blass, durchzogen von blauen Adern und beinahe durchscheinend. Sie trug eine schwere kastanienbraune Robe, auch wenn Ben fand, dass die Temperatur in diesen Kammern ausgesprochen hoch war. und ihre Augen waren von durchdringendem Blau, ungetrübt vom Alter. Sie saß auf einem motorbetriebenen Stuhl, einem Ding mit Rädern und einem sperrigen Fahrgestell, das darauf hindeutete, dass es mit Repulsorlifts für kurze Entfernungen ausgestattet war. Sie hielt Jacens Ansammlung von Quasten vor ihre Augen, um sie aus einer Distanz von nur vier oder fünf Zentimetern zu studieren.
»Sie haben hier eine ganze Menge Zeug«, sagte Ben.
Ohne ihn anzusehen, sagte Dr. Rotham: »Das habe ich. nicht wahr? Und besonders bemerkenswert daran ist. dass jeder Bezugspunkt, den man aus diesen Gegenständen ableiten kann, im Bürospeicher meiner Datenpads verzeichnet ist. im Computersystem von Lorrd und in den Computern jeder Person, die sich jemals danach erkundigt hat.«
Ben ließ den Blick ein weiteres Mal über die ausgedehnten Regalreihen des Raums schweifen. »Aber wenn alles aufzeichnet ist. warum behalten Sie dann die Originalsachen? Die nehmen eine Menge Platz weg.«
»Eine plausible Frage für einen Jedi, der häufig und mit leichtem Gepäck reisen muss. Aber du darfst nicht vergessen, dass es einen gewaltigen Unterschied zwischen einer Sache und dem Wissen um diese Sache gibt. Denk beispielsweise einmal an deinen besten Freund. Würdest du es vorziehen, deinen besten Freund bei dir zu haben oder ein Datenpad. vollgestopft mit Informationen über ihn?«
Ben dachte darüber nach. Er wollte ihr nicht die offensichtliche, die »richtige« Antwort geben - das hätte wie eine Schlappe ausgesehen. Stattdessen sagte er: »Das ist eine gute Frage.« Das war eine Antwort, die er Erwachsene häufig geben hörte, eine, von der er annahm, dass sie darauf zurückgriffen, wann immer ihnen nichts Besseres einfiel, das sie sonst hätten sagen können.
Jacen gluckste, und Dr. Rotham ging ihrer Frage nicht weiter nach. Ben gelangte zu dem Schluss, dass er seine Sache gut gemacht hatte.
»Dies hier«, sagte Dr. Rotham, »ist definitiv Bith, eine Überlieferugsmethode einer isolierten Inselrasse, den Aalagar, die sich diesen Knotenstil haben einfallen lassen, um Ahnenfolgen aufzuzeichnen - >Stränge von Vorfahren<. Später wurde die Technik ausgeweitet, um auch Gedanken und Kommentare zu übermitteln. Grob übersetzt, bedeutet es: >Er wird jene vernichten, die Gerechtigkeit ablehnen.<«
Nelani runzelte die Stirn. »Das ist. sonderbar unheilvoll.«
»Warum?«, fragte Jacen.
»Weil Jedi das die ganze Zeit über machen«, sagte Ben. »Jene vernichten. die Gerechtigkeit ablehnen.«
Nelani schüttelte den Kopf. »Manchmal ist Vernichtung eine Folge dessen, was wir tun. Aber normalerweise ist das nicht das Ziel. Vernichtung zum Ziel zu haben ist Rachsucht. Kein Wesenszug, der einem Jedi angemessen wäre.«
Ben suchte Jacens Blick, um eine stumme Bestätigung für Nelanis Erklärung zu erhalten. Jacen zuckte mit den Schultern, keine sonderlich aussagekräftige Geste.
»Ich bin mir sicher, ich kann viele von den anderen ebenfalls übersetzen«, fuhr Dr. Rotham fort. »Da sie jedoch alle von ihrem kulturellen Kontext losgelöst scheinen, steht es gewissermaßen in den Sternen, wie genau diese Übersetzungen sein werden. Möglicherweise liefern sie einen gewissen Kontext füreinander. Sollte dem so sein, wäre das hilfreich.«
Jacen nickte. »Ich bin für alles dankbar, was Sie uns sagen können.«
Während er sprach, piepte Nelani - oder besser, etwas, das sie bei sich trug. Sie befestigte rasch ein kleines Freisprechkommlink hinten an ihrem rechten Ohr, zog einen Teil des Geräts hervor, einen kleinen blauen Ball, der sanft in ihrem Mundwinkel hüpfte und schwankte, gehalten von einem schwarzen Draht, so fein, dass er beinahe unsichtbar war, und meldete sich mit: »Nelani Dinn.«
Nachdem sie ein paar Sekunden zugehört hatte, runzelte sie die Stirn. »Hat er gesagt, warum mit einem Jedi?« Sie hielt inne und legte den Kopf schräg. »Und Sie meinen, das ist glaubhaft? - Ja, ich bin sofort da! - In ungefähr zehn Minuten. Ende.« Sie schob das hüpfende Mikrofon wieder hoch unter ihr Ohr und erhob sich. »Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie unterbrechen muss, aber ich muss gehen.«
»Ein Notfall?«, fragte Jacen.
»Ja. Irgendein Verrückter in einem Raumjäger droht. Raketen abzufeuern, wenn man ihm nicht gestattet, mit einem Jedi zu sprechen.«
»Ich habe den Eindruck, dass Dr. Rotham einige Zeit brauchen wird, um noch weitere Übersetzungen anzufertigen.« Jacen blickte die alte Frau Bestätigung heischend an, und als sie nickte, stand er auf. »Ich werde dich begleiten.«
»Das würde ich nicht ablehnen«, sagte Nelani.
Die Situation beim Raumhafen von Lorrd-Stadt war ungewöhnlich. Ein Y-Flügler-Raumjäger, so kampfgezeichnet und zusammengeflickt, dass er vermutlich schon zu Zeiten der Schlacht von Yavin uralt gewesen war, war fünfzig Meter von der genehmigten Landezone entfernt runtergegangen. Allerdings war der Jäger nicht auf einem einigermaßen flachen Gebiet gelandet; die Schubdüsen des Ionentriebwerks ruhten auf einem Repulsorlift-Rollband, rechtwinklig zur normalen Verkehrsrichtung, und die Nase des Jägers klebte an einer meterhohen Verkehrsbarriere aus Durabeton, was den Raumjäger in einen Aufwärtswinkel von dreißig Grad brachte.
»Ihm fehlt ein Astromech«, sagte Ben. Tatsächlich befand sich nichts in dem kreisrunden Zwischenraum unmittelbar hinter dem Cockpit. »Und der Jäger ist so umgebaut, dass er
Erschütterungsraketen anstatt Protonentorpedos trägt.«
»Außerdem hat er einen hübschen Schusswinkel auf den am dichtesten bewohnten Bereich der Stadt«, sagte Leutnant Neav Samran vom Lorrd-Sicherheitsdienst. Der kräftige Menschenmann mit dem braunen Haar und dem Schnurrbart, beide um eine Winzigkeit länger, als es die Vorschriften vermutlich erlaubten, hatte seine Einheiten im Abstand von fünfzig bis zweihundert Metern rings um den Y-Flügler in Stellung gebracht, und auf den Hangardächern waren Scharfschützen zu sehen. Samrans Kommandoposten, wo sich die drei Jedi zu ihm gesellt hatten, befand sich an der Ecke des gewellten Durastahlblechhangars, hundert Meter von dem Raumjäger entfernt. Ben stand hinter Jacen, aber auf einer Seite, wo er den Y-Flügler und die undeutlich sichtbare Gestalt im Cockpit weiter im Auge behalten konnte.
Ben stellte fest, dass er den Piloten dort drüben tatsächlich fühlen konnte, als harten Knoten des Schmerzes und der Verwirrung, der verblasste und anschwoll, in die Wahrnehmung des jungen trat und wieder verschwand.
»Haben Sie irgendwelche Hinweise darauf, ob er tatsächlich über scharfe Erschütterungsraketen verfügt und wie er daran gekommen ist?«, fragte Jacen.
Samran nickte. »Er hat uns die Telemetrie seiner Waffenkonsole geschickt - auf einer Einbahnverbindung. sonst wären wir imstande gewesen, uns in seine Kontrollen einzuklinken und diese Angelegenheit hier aus der Welt zu schaffen, ohne Sie herzurufen. Er hat ein ganzes Arsenal Raketen, die auf die Studentenwohnbezirke gerichtet sind -worauf genau, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Und wie er an die Dinger rangekommen ist? Nun, auf seinem Sparkonto, auf dem einiges drauf war, ist kein einziger Credit mehr. Bei dem ganzen Waffenschmuggel. der dieser Tage stattfindet, ist es keine große Überraschung, dass ein alter Pilot mit jeder Menge Verbindungen solche Artillerie in die Finger kriegt.«
»Was können Sie uns über ihn sagen?«, fragte Nelani.
Samran öffnete sein Datenpad. »Ordith Huarr, Alter: einundachtzig Standardjahre. Mensch, ursprünglich von Lorrd. Damals, in den Tagen der Alten Republik und des Imperiums, war er Shuttlepilot. Als die Rebellenallianz ihren Höhepunkt hatte, hat er sich ihr angeschlossen und ein Jahr als Y-FlüglerPilot verbracht: in dieser Zeit hat er anderthalb Abschüsse hingelegt. Seine Laufbahn als Rebellenpilot war unauffällig.«
Nelani sah ihn mahnend an. »Er war nicht weniger tapfer als Piloten mit besseren Abschussquoten.«
Samran hielt ihrem Blick gelassen stand. »Der Kommentar über seine Abschüsse war als möglicher Schlüssel zu seiner mentalen Verfassung gedacht. Meiner Erfahrung nach sind Leute mit mittelmäßigen Fähigkeiten und unauffälligen Laufbahnen mehr dafür prädestiniert auszuflippen. Sie erfahren mehr Frustration und weniger Anerkennung. Oder sind Sie da anderer Ansicht.«
Nelanis Gesichtsausdruck gab ein wenig nach, bis hin zu gelindem Missfallen, und sie wandte sich ab, um wieder hinüber zu dem alten Raumjäger zu schauen.
»Wie auch immer«, fuhr Samran fort. »Nach dem Untergang des Imperiums wurde er Fluglehrer, ehe er sich schließlich zur Ruhe setzte und nach Lorrd zurückkehrte. Vor ein paar fahren ist er wieder in den aktiven Dienst geholt worden, um Yuuzhan-Vong-Kriegsflüchtlinge herumzuschippern, und die Aufzeichnungen besagen, dass es seiner Weltanschauung irgendwie nicht gutgetan hat, von einem Planeten zum anderen geschickt zu werden, von denen kaum einer bereit war, Flüchtlinge aufzunehmen. Nach dem Yuuzhan-Vong-Krieg kam er wieder hierher zurück, hat mit seiner Frau ein Stück Land weiter draußen gekauft und die nächsten paar Jahre damit verbracht, von seiner Pension zu leben und mit Blastem auf Eindringlinge zu feuern.«
»Irgendwelche Kinder?«, fragte Nelani.
»Keine Kinder«, sagte Samran. »Und seine Frau ist vor ungefähr zwei Jahren gestorben.«
»Zwei Jahre«, sagte Jacen. »Was ist kürzlich passiert, das ihn dazu gebracht hat, sich hinter eine Raketenkonsole zu klemmen und Studenten zu bedrohen?«
Samran schüttelte den Kopf.
»Ich schätze, ich sollte lieber mit ihm reden«, sagte Nelani. Sie wandte sich wieder an Jacen. »Es sei denn, du willst das übernehmen? Immerhin bist du der Ranghöhere.«
Jacen schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde es mit einer anderen Taktik versuchen.«
Sie nickte, stellte sicher, dass ihre Gewänder angemessen gerade saßen und dass das Lichtschwert, das an ihrem Gürtel hing, deutlich sichtbar war. dann marschierte sie über den Parkbereich aus Plasbeton auf den Y-Flügler zu.
Als sie noch fünfzig Meter von dem Raumjäger entfernt war. dröhnte ihr durch ein externes Lautsprechersystem die Stimme des Piloten entgegen: »Das ist nah genug.« Die Stimme war dünn, kratzend.
Nelani wölbte die Hände um ihren Mund, um ihre Antwort zu rufen. »Was immer Sie sagen. Huarr, Sie hätten nicht all diese Studenten in Gefahr bringen müssen, um mit mir zu reden. Man erreicht mein Stationsbüro über Kommlink oder HoloNet.«
Ben spürte, wie der Schmerz und die Verwirrung des Piloten zunahmen, stärker, als er es zuvor erlebt hatte.
»Sie hätten mich nicht ernst genommen«, sagte der alte Mann. »Sie verstehen nur Macht. Macht und die Macht.« Er lachte verbittert, als hätte ihn sein eigenes Wortspiel kurz amüsiert.
»Das stimmt nicht, aber über diesen Punkt müssen wir nicht streiten«, rief Nelani. »Jetzt bin ich hier. Warum wollten Sie mit mir reden?«
»Was ist ein Macht-Geist?«, fragte Huarr.
Nelani schwieg einen langen Moment. »Das ist etwas, das überdauert hat, eine Art Abbild von jemandem, der gestorben ist, auf gewisse Weise aber noch immer existiert.«
»Meine Frau ist ein Macht-Geist«, sagte Huarr. »Sie spricht zu mir. Aber das kann sie nicht, oder?«
Nelani trat einen weiteren Schritt vor, und ihre Stimme klang zweifelnd. »War sie eine Jedi? Oder hat sie jemals etwas getan, das darauf hingedeutet hat. dass sie vielleicht Dingo sieht oder fühlt, die normalen Leuten entgehen?«
»Nein.«
Ben war so gefangen von dem Gespräch zwischen Nelani und Huarr, dass er gar nicht mehr auf Jacen geachtet hatte. Jetzt wurde ihm bewusst, dass sich sein Mentor konzentrierte und die Macht bündelte.
Jacen streckte seine mentalen Fühler aus und zog eine Handvoll Luft zu sich heran. Gleichzeitig schlitterten die Ionenschubdüsen des X-Flüglers rückwärts über den Durabeton. um einen Funkenregen in die Höhe zu schicken, bis die Nase des Raumjägers von der Barriere hinunterglitt und zu Boden krachte, direkt auf den Durabeton zu.
Dann fügte er der Macht eine Drehbewegung hinzu, und der
X-Flügler rotierte entlang seiner Längsachse, um kopfüber auf das Rollband zu krachen.
»So«, sagte Jacen zu Samran. »Problem gelöst. Jetzt kann er weder mit Repulsoren noch mit den Schubdüsen abheben, und er kann seine Raketen nicht auf die Stadt abfeuern.«
Samran sah ihn überrascht an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Außerstande zu sprechen, bedeutete er den Männern und Frauen seines Sicherheitsdienstes, zum Raumjäger vorzurücken. Sie kamen aus ihren geschützten Positionen hervor und gingen nach vorn. Ben konnte einige von ihnen ebenfalls lachen hören.
»Warum hast du das gemacht?« Das war Nelani, die in schnellem Trott zurückkam. »Ich hatte die Situation unter Kontrolle!«
Jacen wandte ihr seinen zweifelnden Blick zu. »Nein, das hattest du nicht. Du hast eine sittsame Verhandlung geführt. Aber um >die Kontrolle< zu haben, hättest du in der Lage sein müssen, ihn daran zu hindern, jeden Augenblick zu feuern. Hättest du das gekonnt?«
Nelani erreichte Jacen und stand mit gerötetem Gesicht da. Ihre Miene spiegelte Streitlust wider. »Nein, aber er hätte nicht gefeuert, während wir miteinander geredet haben.«
»Erzähl das den Familien all der Studenten, die gestorben wären, wenn er irgendwie gefeuert hätte, ohne dass du es bemerkst - oder wenn er seine Raketen mit einem Zeitzünder verbunden gehabt hätte, den du nicht einmal hättest fühlen können. Und sag mir nicht, dass er es nicht getan hätte. Du hattest keinerlei Kontrolle über seine Taten, und in jedem einzelnen Moment, in dem du mit ihm verhandelt hast, hast du das Leben dieser Studenten aufs Spiel gesetzt.«
»Glaubst du. ich war mir über seinen emotionalen Zustand nicht im Klaren? Seine Gefühle waren so klar zu erkennen wie ein beleuchteter Landekreis!«
Während sich die beiden Jedi stritten, verfolgte Ben, wie sich das Raumhafen-Sicherheitsteam dem wehrlosen Raumjäger näherte. Dann fühlte er eine Woge der Verzweiflung vom Piloten des Jägers ausgehen, Verzweiflung und Entschlossenheit.
»Zurück!« Ben überraschte sich selbst mit der Lautstärke seines Schreis, mit der Tatsache, dass er schrie, ohne es zu wollen, mit der Tatsache, dass er vorwärtsrannte, ohne selbst die Kontrolle über seine Beine zu haben. »Lauft! Lauft!«
Bei seinem ersten Ruf erstarrten die Sicherheitsagenten und schauten zu ihm zurück. Offensichtlich genügten die Willenskraft, die er ausstrahlte, und seine Nähe zu Leutnant Samran, um sie zu überzeugen. Sie wandten sich von dem Y-Flügler ab und begannen zu rennen.
Von dem Raumjäger ging ein Summen aus, und Ben sah Zündflammen im Innern der Raketenrohre. Jäh schössen Feuerschweife hervor, Raketen donnerten aus ihren Rohren und in den Durabeton unmittelbar vor dem Raumjäger.
Und dann explodierte der Y-Flügler, von einer halbkugelförmigen Flammenwand und Erschütterungsgewalt zu Metallkonfetti zerrissen.
Wie in Zeitlupe sah Ben. wie sich die Energiewand in seine Richtung hin ausdehnte. Er ließ sich auf den mit Permabeton bedeckten Boden fallen, wickelte seine Robe fest um sich und konzentrierte sich im Geiste auf die Explosionswelle, die er noch immer vor sich sehen konnte. Er sah die Stolle, wo sie auf ihn treffen würde. Er stemmte sich gegen diese Stelle, zwang sie dazu, nicht nachzugeben, langsam zu.
Die Woge erwischte ihn. Er hatte das Gefühl, als würde er von einer riesigen Hand gestoßen, einer Hand, die extreme Hitze abstrahlte. Er rollte herum und schlitterte rückwärts, dann blieb er liegen.
Kein Geräusch war zu vernehmen. Seine Ohren fühlten sich so zerschlagen an, als hätte ein Wampa daraufgeboxt. Aber da war auch das sonderbare Gefühl von Frieden in ihm. als hätte er den ganzen Morgen lang trainiert und wäre bereit für eine Ruhepause.
Träge streifte er seine Robe von seinem Gesicht und stand auf.
Der Y-Flügler war verschwunden. Dort, wo er gewesen war, befand sich ein Krater, und in der Durabetonbarriere, die davor gestanden hatte, war eine grobkantige Lücke von vielen Metern Länge.
Die Gebäude, die der Explosion am nächsten gewesen waren, standen noch, doch sie neigten sich von der Quelle der Detonation weg, ihre metallenen Skelette verbogen; die Außenwände, die der Druckwelle ausgesetzt gewesen waren, waren eingedrückt oder fehlten vollständig.
Überall lagen Körper, über einige davon leckten Flammen, und einen kalten Augenblick lang dachte Ben, dass seine Bemühungen zu spät gewesen waren. Doch mit einem Mal begann einer der brennenden Männer auf dem Boden herumzurollen, um die Flammen zu ersticken, die von seinem Rücken und seinen Schultern aufstiegen, und ein paar Meter von ihm entfernt erhob sich eine Frau mit wackligen Beinen.
Ben sah Jacen auf sich zulaufen, doch dann, als er erkannte, dass sein Cousin nicht schwer verletzt war. schwenkte Jacen in Richtung der Opfer um. die sich noch immer nicht regten.
Ben entschied sich für eine in der Nähe befindliche Gruppe von Sicherheitspersonal und lief zu ihnen hin. Zunächst waren seine Schritte unsicher, doch dann, beim Laufen, gewannen sie an Entschlossenheit.
Eine Stunde später saß Ben in einem Hangar. Ein hell angestrichenes, aber antiquiertes Shuttle beherrschte das Zentrum des Gebäudes. Ben lehnte mit dem Rücken an einer gewellten Durastahlmauer, die unter seinem Gewicht ein wenig nachgab. Andere Rettungskräfte saßen an derselben Mauer, tranken Becher mit Kaff, den einige aus ihrer Einheit ausschenkten und tauschten grausame Geschichten über vergangene Explosionskatastrophen aus. Die meiste Zeit über ließen sie Ben allein, aber sie hatten ihm Kaff gebracht und ihm gesagt, dass er das gut gemacht hatte. Und jetzt war die Krise vorüber, und die Sanitäter und Feuerwehrleute ruhten sich aus und erholten sich ein paar Minuten lang, bevor sie zu ihren jeweiligen Stützpunkten zurückkehrten.
Jacen und Nelani betraten den Hangar durch die Hauptschiebetore. Sie entdeckten Ben und kamen auf ihn zu. Jacen setzte sich neben seinen Cousin, während Nelani stehen blieb.
»Du wirst es nicht glauben«, sagte Jacen.
Ben konnte ihn deutlich hören; ein sehr leises Klingeln in seinen Ohren war die einzige Nachwirkung der Explosionsfolgen. »Was?«
»Keine Toten.«
Ben sah ihn verdutzt an. »Keiner von denen ist gestorben?«
»Nicht einer. Nun. nicht mitgerechnet den Verrückten in dem Y-Flügler. Aber offenbar wird jeder der Sicherheitsleute durchkommen. Nicht ein Einziger befindet sich in kritischer Verfassung, teilweise dank ihrer Körperpanzer, aber größtenteils dank dir.«
Und Nelani sagte: »Während Jacen und ich uns über das Vorgehen gestritten haben, hast du das getan, was ein Jedi tun sollte - auf die Macht achten.«
»Also müssen wir uns heute ein Beispiel an dir nehmen, statt umgekehrt«, fuhr Jacen fort. »Ich habe mir außerdem gedacht, dass du dir eine Belohnung verdient hast.«
»Eine Belohung?«. fragte Ben.
»Der Rest des Tages gehört dir. Nelani und ich kehren zu Dr. Rotham zurück. Du kannst uns begleiten, du kannst eine Besichtigungstour machen, du kannst dir einen Landspeeder besorgen und deine Pilotenfähigkeiten verbessern, was immer du möchtest. Du hast genügend Credits, um über die Runden zu kommen, und ich glaube, du weißt, wie man zu Dr. Rotham kommt.«
Ben nickte. Er ließ nicht zu. dass es sich auf seinem Gesicht zeigte, aber sein Verstand raste - den Rest des Tages zu seiner freien Verfügung, unbeaufsichtigt! Das war wirklich eine Belohnung. Und er war sich vage darüber im Klaren, dass es ebenfalls ein Vertrauensbeweis war. »Danke«, sagte er.
Jacen erhob sich. Er und Nelani gingen auf demselben Weg wieder hinaus, auf dem sie hereingekommen waren, die Köpfe zusammengesteckt, als würden sie ihre Streitigkeiten wieder aufnehmen, während sie es Ben überließen, sich zu überlegen, was er mit sich anfangen sollte.
Obwohl er es nicht wusste, hatte Ben recht; sobald sie den Ausgang des Hangars erreichten, begannen sich die beiden Jedi-Ritter von neuem zu zanken, auch wenn sie ihrer Meinungsverschiedenheit gesitteter nachgingen als zuvor. »Ich wünschte wirklich«, sagte Nelani, »du hättest mir noch eine oder zwei Minuten mit Huarr gegeben. Ich wollte ehrlich mehr über diese >Macht-Geist<-Sache wissen, von der er erzählt hat.«
»Die Studenten«, sagte Jacen, in einem Tonfall, der nahelegte, dass die ganze Angelegenheit mit seiner wortkargen Äußerung für ihn erledigt war.
»Ja, ja, die Studenten in ihren Unterkünften waren in Gefahr, das bestreite ich gar nicht. Aber hättest du die Enden seiner Raketenabschussröhren nicht einfach heimlich zusammenquetschen können? Hätte er dann gefeuert, wäre es aufs Gleiche hinausgelaufen, aber bis dahin hätte ich mit ihm reden können. Vielleicht hätte ich zu den Wurzeln seiner Verrücktheit vordringen können.«
Sie erreichten den anonymen grauen Speeder. der sie zum Raumhafen gebracht hatte. Sie hüpften hinein, Nelani hinter die Kontrollen.
»Ich schätze, das hätte ich tun können«, gab Jacen zu. »Es ist mir nicht in den Sinn gekommen, und es wirft die Frage auf, ob es jemand, der das Leben Tausender Unschuldiger bedroht, überhaupt verdient hat, dass man seine Beweggründe versteht.«
»Vielleicht hat er es verdient, weil er ein Kriegsheld war.« Nelani aktivierte die Repulsoren und schickte den Speeder himmelwärts.
Jacen machte eine abfällige Handbewegung. »Mein Vater ist auch ein Kriegsheld. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er jemals so etwas getan hätte wie Huarr.«
»Und Huarr hat auch nie Spiee für die Verbrecherkönige der Hutten geschmuggelt.«
Jacen schüttelte den Kopf. »Manchmal ist es von Nachteil, einen Vater zu haben, der so berühmt ist, dass sie Holodramas über ihn drehen.«
Nelani grinste. »Bei dir muss ich mir jeden Gesprächsvorteil zunutze machen, den ich erhaschen kann.«
»Du bist definitiv nicht mehr die Macht-sensible Spätzünderin. der ich Lichtschwerttechniken beigebracht habe.«
»Ich bin froh, dass dir das aufgefallen ist.«
Jacen ignorierte diese Bemerkung ebenso wie den ziemlich persönlichen Ton. in dem sie vorgebracht worden war. »Es ist an der Zeit, dass wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf Dr. Rotham und diesen Quasten lenken.«
»Jetzt noch nicht. Ich habe gerade versucht, deine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.«
Er grinste. »Du bist wirklich kecker geworden.«
Sie nickte. »Zu lernen, wie man Gundarks in zwei Hälften schneidet, und die Fähigkeit dazu zu besitzen, hat mir erheblich dabei geholfen, das Problem mit meiner Schüchternheit zu überwinden. Und eine Jedi zu sein, der einzige Jedi, der diesem Planeten zugewiesen ist, bedeutet, dass ich nur sehr wenig Zeit für mich selbst habe, also neige ich dazu, ziemlich schnell zur Sache zu kommen. Stört dich das?«
Jacen schüttelte den Kopf, hielt seine Aufmerksamkeit jedoch auf die Umgebung gerichtet, die unter ihrem Gefährt vorbeischoss: Lange Reihen Lagerhäuser wurden zu Blocks voller billiger Geschäfte. »Nein, aber es gibt da jemanden.«
»Jemand nimmt diesen besonderen Platz in deinem Leben ein?«
»Ja.«
Sie gab einen tadelnden Laut von sich. »Nun, dann lass uns einfach ein bisschen Zeit miteinander verbringen. Was ich zufällig schon vor sieben Jahren unbedingt vorschlagen wollte, als du mich Lichtschwerttechniken gelehrt hast, aber da war
ich zu gehemmt.«
Jacen lächelte und ging nicht weiter darauf ein. Nelani schüttelte den Kopf, eine Geste gelinden Bedauerns, und schwieg.