8.
CORELLIANISCHES SYSTEM, ABFLUG VOM PLANETEN TALUS
Die Raumfähre war nicht besonders elegant; sie war lediglich eine längliche Masse mit Schubdüsen und Hypertriebwerk am einen Ende, einer Brücke mit Sichtfenster am anderen und jeder Menge Platz für Passagiere dazwischen. Die Sitze im Passagierabteil boten allerdings viel Beinfreiheit und waren gut gepolstert. In die Rückenlehne jedes einzelnen war ein Bildschirm eingelassen, der es dem Passagier hinter einem erlaubte, sich die corellianischen Nachrichten oder unterhaltsame Holosendungen anzuschauen oder zu sehen, was die Holokameras, die draußen an der Außenhülle des Shuttles angebracht waren, gerade einfingen.
Dr. Seyah ließ seinen Monitor auf die Bugansicht geschaltet. Wie immer konnte er so beobachten, wie die CenterpointStation erst auftauchte und dann größer und größer wurde. Im Moment war nichts anderes zu sehen als Sterne; die Raumfähre hatte ihren letzten Hyperraumsprung, der sie in die Nähe der Station bringen würde, noch vor sich.
Seyah trug ein Kunststoffhemd. Es war bequem genug, dass es sich nicht die ganze Zeit über wie Plastik anfühlte, aber es war Plastik und vollgestopft mit Elektronik. Momentan war das Hemd orange, mit darüberzuckenden purpurnen Flammen, ein Anblick, der zu jemandem passte, der in einem warmen und sandigen Urlaubsparadies umherstreifte, was ganz genau das war, was Dr. Seyah seinen Papieren zufolge in den letzten paar Wochen getan hatte. Die aufgesprühte Sonnenbräune, die er zur Schau stellte, diente dazu, die Tatsache zu verschleiern, dass er noch blasser geworden war, während er Jedi darauf trainiert hatte, die Centorpoint-Station zu zerstören; sie sollte seine Tarngeschichte untermauern.
Mit dem Hemd, das an wohlhabende Touristen verkauft wurde, war die Sache die, dass es immer dann, wenn genügend Energie zugeführt wurde, einen vernehmlichen Plopp-Laut von sich gab und sowohl die Farbe als auch das Muster wechselte.
Der kleine Menschenjunge auf dem Sitz nebenan -dunkelhäutig wie seine Mutter und vielleicht drei Standardjahre alt - hatte das herausgefunden, als er Dr. Seyah getreten hatte, wenige Minuten nachdem sie von Talus abgehoben hatten. Seine sich entschuldigende Mutter hatte ihn überredet, nicht mehr nach Dr. Seyah zu treten, doch man konnte ihn nicht davon abhalten, rüberzulangen und den Wissenschaftsspion zu pieken, was das Hemd dazu brachte, dieses gefällige Plopp-Geräusch von sich zu geben und sein Farbmuster zu wechseln. Und jedes Mal gluckste der kleine Junge dann und besah sich die neuen Farben, nur um eine Minute später erneut herüberzugreifen und ein weiteres Mal zu pieksen.
Dr. Seyah bemerkte es kaum. Im Innern fühlte er sich krank. Solange er auf der Centerpoint-Station Dienst getan hatte, hatte er gewusst, dass die schiere Macht und Zerstörungskraft, die sie repräsentierte, eines Tages vermutlich dazu führte, dass sie vernichtet wurde. Die Station konnte ganze Sterne zerstören, und das Einzige, was je verhindern können würde, dass sie zur größten Waffe des Schreckens wurde, die die Zivilisation kannte, war die Weitsicht derer, die sie kontrollierten - oder ihre Vernichtung.
Und Weitsicht war dieser Tage ein zunehmend knapperes Gut.
Plopp. Jetzt war sein Hemd rosa, mit bauschigen Wolken auf seinen Schultern und seinem Oberkörper, während Urlauber auf Seespeedern über das rote Wasser seiner Taille glitten.
Er wollte nicht, dass die Centerpoint-Station zerstört wurde. Genau wie so ziemlich jeder, der dort gearbeitet hatte, war er begierig darauf, mehr über die längst verschwundenen Spezies zu erfahren, die die Station einst gebaut und sie dazu benutzt hatten, bewohnbare Planeten in das Corellia-System zu ziehen. Systeme, in denen es zwei Welten gab. saftig genug, um Leben zu ermöglichen, waren selten: Corell wurde gleich von fünf umkreist. Wenn die Geheimnisse der Station geknackt werden konnten, waren die intelligenten Rassen der Galaxis vielleicht imstande, der Meisterleistung nachzueifern, ganze Systeme so zu gestalten oder derart anzupassen, wie es den Lebewesen, die dort heimisch werden sollten, am besten behagte.
Was noch wichtiger war: Indem sie die schieren Kräfte bändigten, die das Universum zusammenhielten, versprach die Station mehr wissenschaftliches Verständnis darüber zu liefern, wie das Universum selbst funktionierte. Wenn Centerpoint verloren ging, war diese Möglichkeit womöglich für immer dahin.
Aber vielleicht würde es nicht dazu kommen. Dr. Seyah hatte den Jedi gegenüber wieder und wieder seinen Glauben daran zum Ausdruck gebracht, dass die Zerstörung der Computer, die die Corellianer im ganzen System installierten, ausreichen würde, um zu verhindern, dass Corellia die Kontrolle über die Station erlangte. Mit etwas Glück würden sie auf ihn hören. Mit etwas Glück würden sie ihm zustimmen.
Plopp, fetzt war sein Hemd dunkelblau, mit einem stilisierten Rancor, der an der Vorderseite aufragte, die Arme ausgestreckt. Der kleine Junge gluckste.
Dr. Seyah schaute zur Mutter des Jungen hinüber. »Werden Sie beide bei der Station ausschiffen?«
Sie nickte, was ihr schwarzes Haar mit dem mattblauen Stich in Bewegung versetzte, das so fein war. dass es von jedem kleinen Luftzug aus dem Lebenserhaltungssystem der Raumfähre aufgewühlt wurde. »Ich bin Kartografin und gehöre zum Stationskartierungsprojekt. Loreza Plirr.« Sie streckte über ihren Jungen hinweg die Hand aus.
Dr. Seyah schüttelte sie. In seinem Innern brodelten Worte empor. Steigen Sie nicht bei der Station aus. In wenigen Stunden könnten Sie nur noch Heißgas sein. Kehren Sie nach Talus zurück. Stattdessen sagte er: »Ich bin Toval Seyah.«
Dies hier war seine Aufgabe. Dies hier war die dunkle Seite daran, Wissenschaftler und Spion in Personalunion zu sein, etwas, von dem er nicht einmal den Versuch unternommen hatte, es dem Jedi-Burschen zu erklären. Es war durchaus möglich, dass er eine hübsche junge Frau und ihren unschuldigen Sohn sterben lassen musste.
Zur Hölle damit.
»Und das ist mein Sohn, Deevan.«
»Hallo, Deevan.« Ernst schüttelte Dr. Seyah die Hand des kleinen Jungen. Deevan gluckste.
Auf dem Bildschirm des Monitors verzerrten und streckten sich die Sterne. Natürlich taten sie das in Wirklichkeit gar nicht - doch das waren die sichtbaren Auswirkungen des Eintritts in den Hyperraum. Beinahe ebenso rasch verließ das Schiff den Hyperraum wieder - die Überlichtgeschwindigkeitsphase dieses Flugs währte bloß Sekunden -, und als die Sterne an exakt denselben Positionen wie zuvor wieder normal wurden, nahm die Centerpoint-Station die Mitte des Bildschirms ein.
Die Station war nicht ansehnlich, war nicht einmal so elegant wie die Todessterne, die sie an Größe noch übertraf. Ein grauweißer Klumpen mit Achsenzylindern, die an zwei gegenüberliegenden Stellen hervorragten, beeindruckte die Station lediglich durch ihre Ausmaße und den potentiellen Schaden, den sie anzurichten vermochte.
Selbstverständlich waren die Ausmaße aus dieser Entfernung noch nicht offensichtlich. Wenn sie näher kamen, würde sich die glatte Oberfläche als unebener, stufiger Außenbereich aus Türmen. Spitzen, Antennen. Parabolschüsseln. Rohren. Verkehrsleitungen,
Andockstationen, wolkenkratzergroßen Geschützreihen. Schildgeneratoren und anderer Apparaturen erweisen, so ähnlich wie die Oberfläche in den geschäftigsten Sektoren von Coruscant. jedoch ohne die lahmen Versuche dieses Planeten, bei alldem ein gleich bleibendes Maß ansprechender architektonischer Standards beizubehalten.
Was Dr. Seyah anging, war sein Zuhause ein hässlicher Fleck im Weltall.
Er zog an seinem Hemdkragen und drückte dabei auf einen Computerchip, der darin eingenäht war. Der Druck aktivierte den Chip, woraufhin dieser auf einer einzigen Frequenz einen einzigen codierten Impuls sendete. Die Übertragung dauerte wenige Tausendstel einer Sekunde.
Plopp. Diesmal veränderte sich das Hemd, ohne dass der Junge es piekste. Das war die Bestätigung des Hemds, dass es seinerseits eine Übertragung empfangen hatte. Der Junge gluckste dennoch.
Dr. Seyah machte es sich bequem, um zuzusehen, wie die Station auf seinem Monitor immer größer wurde, und um sich innerlich für den Kampf - und möglicherweise für die Tragödie - zu wappnen, die bevorstand.
Im Frachtraum der Raumfähre, in einem Frachtcontainer von der Größe eines durchschnittlichen Landspeeders, wurde Jacen Solo von einem melodischen Alarmton geweckt. Seine Augen öffneten sich flatternd.
Es gab nicht viel zu sehen. Das Innere des Behälters wurde von einem Gerät links neben seinem Kopf - einem kombinierten Computer- und Lebenserhaltungssystem -schwach erhellt. Der Apparat blies ihm kühle Luft entgegen.
Doch die Luft war nicht kühl genug. Der schwere Raumanzug, den er trug, hielt ihn zu warm. Er hatte im Schlaf geschwitzt, und die Kiste roch wie ein Rancor-Nest.
Er blickte zu dem Computerbildschirm hinüber. Der Text, der dort stand, zeigte an. dass Dr. Seyah soeben übermittelt hatte, dass sie ihren letzten Hyperraumsprung vor der Ankunft bei der Centerpoint-Station abgeschlossen hatten.
Jacen streckte die Hand aus und schaltete den Computer ab, woraufhin das Kisteninnere in Dunkelheit versank.
Durch Umhertasten fand er den Ventilknopf unmittelbar im Innenkragen seines sperrigen Anzugs. Er drehte ihn, bis er in der Öffnen-Position einrastete. Gas zischte aus dem Ventil -atembare Atmosphäre. Das, was noch in den Flaschen war, die er bei sich trug, reichte für eine halbe Stunde.
Er griff an der rechten Seite seines Kopfs nach oben und fand den Anzughelm, der dort bereitlag. Er zog ihn über seinen Kopf und drehte ihn gegen seinen Kragen, bis er einhakte. Erst dann griff er nach unten zu der Verriegelung neben seiner Taille und löste sie.
Das Obere der Frachtkiste hob sich von ihm weg, um die schwach beleuchtete Frachtraumdecke zu enthüllen, bloß ein paar Meter über ihm.
Mit dem Schutzanzug mühte sich Jacen unbeholfen in eine aufrechte Haltung, nahm die Sauerstoffflaschen, ließ sie auf seinem Rücken in die dafür vorgesehene Halterung einrasten, und kletterte aus der Kiste.
Seine Kiste thronte oben auf einem Haufen Frachtcontainer von der Größe von Duschkabinen. Zur gleichen Zeit wurde einen Stapel weiter eine andere Kiste geöffnet, und Ben -gleichermaßen im Raumanzug und Helm - stemmte sich in die Höhe.
Es hatte einiger vorsichtiger Bestechung des Frachtverladepersonals bedurft, um sicherzustellen, dass diese beiden Kisten ganz oben auf ihren jeweiligen Stapeln standen. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre es natürlich schwieriger gewesen hinauszugelangen. Gewiss wären die Jedi dazu problemlos imstande gewesen, indem sie ihre Lichtschwerter eingeschaltet und sich den Weg nach draußen freigeschnitten hätten, doch dann wären die beschädigten Frachtkisten aufgefallen, was die Mission unter Umständen in Gefahr gebracht hätte. Zum Glück hatte sich das Verladepersonal an ihre Absprache gehalten.
Und was den Raumanzug anging - Jacen übte sich in Geduld und sah davon ab. die Anzüge zu verfluchen, als er aus seiner Frachtkiste kletterte und den Deckel nach unten drückte, um ihn wieder zu schließen. Der Anzug war das schwerste, plumpste Ding, das er je getragen hatte.
Der gesamte Strahlungsschutz beruhte auf physischen Materialien, nicht auf elektronischen Abschirmungen oder Energiefeldern. Die Luftversorgung stammte aus Flaschen, die von Hand auf- und zugedreht wurden. Es gab keine
Elektrosensoren, keine Servomotoren, die dazu gedacht waren, dem Träger mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen und die Last des Anzuggewichts zu erleichtern. Der Helm verfügte weder über Kommgerät noch Sichtverstärker.
Tatsächlich war in den Anzug keinerlei Elektronik eingebaut, gleich welcher Art. Die einzigen elektronischen Gegenstände im Innern waren die Lichtschwerter, die Datenpads, die Datenkarten und die Kommlinks, die die beiden Jedi bei sich trugen - und im Augenblick waren diese Geräte nicht nur komplett ausgeschaltet, sondern darüber hinaus physikalisch von ihren Energiequellen getrennt.
Langsam, ungeschickt, kletterte Jacen das letzte Stück von seinem Frachtstapel herunter und verfolgte, wie Ben seinen eigenen Abstieg begann.
Der Vorteil, den die Grobschlächtigkeit der Anzüge mit sich brachte, bestand darin, dass sie für die verschiedenen Scans, die die Zollkräfte des corellianischen Sicherheitsdienstes auf der Centerpoint-Station durchführten, im Wesentlichen nicht aufzuspüren waren. Ohne irgendwelche registrierbare Elektronik blieben die Anzüge von CorSic-Scannern einfach unbemerkt. Natürlichen hätten Vitalscanner sie aufgespürt -doch die CorSic-Zollchefs hatten im Zuge ihrer Bemühungen. Kosten zu sparen, schon vor langer Zeit beschlossen, dass es ausreichte, nach elektronischem Gerät zu suchen. Welche Lebensform konnte sich schon ohne technische Unterstützung im Außenbereich der Station bewegen? Allenfalls Mynocks und andere intelligenzlose Weltraumparasiten.
Also würden Jacen und Ben heute Mynocks sein, und das war auch der Grund dafür, warum ihr Beitrag zu dieser Operation den Codenamen »Team Mynock« erhalten hatte.
Er half Ben runter auf den Boden, und zusammen begaben sie sich zur Luftschleuse achtern. Dort, auf der Hülle neben der Kontrolltafel, beinahe unsichtbar im gedämpften Licht des Frachtraums, war eine X-förmige Markierung in die Farbe gekratzt, ein Zeichen dafür, dass sich noch jemand anderes an ihre Abmachung gehalten hatte - und die Sicherheitssensoren dieser Luftschleuse ausgeschaltet worden waren. Jacen zog die Tür der Luftschleuse auf: er und Ben zwängten sich in die winzige Kammer dahinter, und Jacen schlug unbeholfen auf die Knöpfe, um die Luftschleuse zu aktivieren.
Eine Minute später war der Dekompressionsvorgang abgeschlossen, und Ben schob ungeduldig die Außentür auf; sie öffnete sich zu einem Sternenfeld von schwindelerregender Schönheit. Jacen konnte Sterne sehen, entfernte Nebelflecken, sogar einen Kometen, dessen Schweif just von diesem Moment an vom Stern Corell erhellt wurde.
Jacen streckte seinen Kopf hinaus und wandte sich in Richtung Schiffsbug. Weiter vorn, in der Ferne, konnte er die Centerpoint-Station erkennen, die nun nah genug war, dass ihre mondgleiche Unermesslichkeit offenkundig und ihre komplexe Oberfläche nicht zu übersehen waren.
Das Transportmittel - ein zehn Meter langer Luftspeeder, der größtenteils aus Fenstern und Stehplatz zu bestehen schien -setzte Jaina und die Hälfte ihres Teams auf der Straße draußen vor dem Amtssitz des Premierministers ab. Der Speeder schwebte davon und nahm die restliche schwere Last aus pendelnden Arbeitern, Urlaubern und Leuten, die Besorgungen machten, mit.
Jaina nahm einen tiefen Atemzug und sah sich um, auf der
Suche nach Anzeichen von zu viel Aufmerksamkeit, die man ihnen entgegenbrachte. Nachdem sie vor einigen Stunden auf dem Planeten gelandet waren, hatten sie und ihr Team Zeit gehabt, in einer Unterkunft Quartier zu beziehen, sich frischzumachen, zu schlafen und alle störenden Dinge zu beheben, die dafür gesorgt hätten, dass sie auffielen. Nun trug Jaina ein sperriges commenorianisches Reisegewand, ihr Haar zeigte wieder seine natürliche dunkle Farbe, und ihre falsche Tätowierung war verschwunden.
»Das Tattoo fehlt mir«, sagte Zekk. Er war jetzt in die Gewänder eines gewöhnlichen corellianischen Bürgers gekleidet - dunkle Hosen, eine offene Jacke, ein leichteres Hemd mit langen Ärmeln und kniehohe schwarze Stiefel. Sein langes schwarzes Haar war zu einem Zopf geflochten.
Eine Passantin - eine junge Frau mit orangefarbenem Haar und einem hauchdünnen grünen Kleid - warf Zekk ein flüchtiges Lächeln zu, als sie vorbeiging. Jaina verspürte einen Stich der Verärgerung und verdrängte ihn aus ihrem Denken.
Zekk grinste Jaina an. »Was habe ich da eben gespürt?«
Sie starrte ihn mürrisch an. »Wir sind im Dienst. Konzentrier dich auf deine Mission.«
»Jawohl. Kommandant.« Das Grinsen verschwand nicht aus seinem Gesicht, aber er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der ministeriellen Residenz zu.
Vor ein paar Jahren waren Jaina und Zekk miteinander verbunden gewesen, eine Vereinigung von Geist und Persönlichkeit, die selbst über einen Machtbund hinausging. Das war eine Folge ihrer Beschäftigung mit den Killiks gewesen, einer Spezies mit einem kollektiven Nestbewusstsein. Irgendwann war die Intensität dieser Verbindung größtenteils verblasst, doch Jainas und Zekks Gedanken und Gefühle waren nach wie vor zu einem Grad miteinander verwoben, das selbst für Jedi ungewöhnlich war. Manchmal war das beruhigend, sogar anregend. Bei anderen Gelegenheiten - wie jetzt - war es unangenehm und ablenkend.
Für Jaina deutete nichts daraufhin, dass sie oder ihre Begleiter Aufmerksamkeit erregten. Die breite, mehrspurige Straße vor ihr wimmelte nur so vor Bodenspeeder-Verkehr -und die Corellianer waren solch irrwitzige Speederpiloten, dass jedermann nahe der Straße, der auch nur halbwegs klaren Verstandes war, genau auf ihr spurenwechselndes Positionsgerangel und ihre anderen Mätzchen achtete. Im Gegensatz dazu wirkte das große, mit einem Tor versehene Gebäude dahinter träge. Einige Bereiche des Grundstücks wurden von Bäumen und kletternden Reben in dunkle Schatten getaucht. Sogar die Wachen an den Bürgersteigtoren und den Haupttüren regten sich nicht.
Die beiden anderen Mitglieder ihres Teams, die Bothanerin Kolir Hu'lya und der Falleen Thann Mithric, traten vor. um sich zu ihnen zu gesellen. Kolir, das jüngste Mitglied des Teams, hatte erst vor wenigen Wochen ihre Prüfungen bestanden und den Status eines Jedi-Ritters erhalten. Sie trug ein kurzes weißes Kleid, das sich hübsch von ihrem lohbraunen Fell abhob und dafür sorgen würde, dass ihr an diesem warmen Tag nicht übermäßig heiß wurde. Thann, in die Robe eines Reisenden gewandet, sah von ihnen vieren am Jedi-mäßigsten aus, war in dieser vom Erscheinungsbild her kosmopolitischen Stadt aber trotzdem vollkommen unauffällig. Er hatte seine Kapuze über seinen langen schwarzen Haarknoten hochgezogen und sorgte dafür, dass seine Hautfarbe einen leichten Orangeton beibehielt, sodass er sich rein optisch kaum von einem Menschen unterschied.
»Ich sehe hier keinerlei Probleme«, sagte Kolir.
Nicht dass die Einschätzung von jemandem, der vor wenigen Tagen noch ein Schüler gewesen war, eine große Rolle spielte, sinnierte Jaina. Sie hörte Zekk kichern. Kolir sah ihn neugierig an, aber Jaina sagte: »Gib durch, dass wir auf Position sind.«
Kolir nickte. Sie wühlte in ihrer weißen Tragetasche herum, dieselbe Tasche, in der sich auch ihr Lichtschwert und eine Reihe anderer vernichtender Waffen befanden, und holte einen Kommlink hervor. Sie lächelte, als würde sie ihren Freund anrufen, und sprach hinein: »Hier Team Purella. wir sind jetzt vor Ort.«
DER WELTRAUM, NAHE DES CORELLIA-SYSTEMS
Luke, der etwas trug, das wie die gewöhnliche lohbraune Jedi-Montur aussah, in Wahrheit jedoch sämtliche Ausrüstung und Funktionen eines Pilotenanzugs hatte, saß auf einer Rollstiege, die dazu gedacht war, einem Piloten oder Mechaniker Zugang zu den oberen Bereichen des X-Flüglers zu verschaffen. Dafür war die Stiege nicht mehr vonnöten. Die Mechaniker waren fürs Erste mit seinem Xj6-X-Flügler fertig, und Luke würde keinerlei Hilfe brauchen, um ins Cockpit zu gelangen, das für einen Jedi lediglich einen schnellen Sprung entfernt war.
Der Hangar, in dem sein Geschwader X-Flügler wartete, brodelte nur so vor Geschäftigkeit. Die weitläufige Halle mit dem abgewetzten und angekohlten Permabetonboden und der makellosen, strahlend weißen Decke wies die Größe einer Sportarena auf. mit genügend Platz für Lukes Geschwader, eine Schwadron Eta-5-Abfangjäger. zwei Bataillone mit Schutzschilden ausgerüsteter TIE-Jäger von den Imperialen Restwelten und ein halbes Geschwader B-Flügler als
Unterstützung. Mechaniker betankten einige Raumjäger, nahmen an anderen in letzter Minute noch Reparaturen vor. Piloten trafen ein, um die Schiffe zu überprüfen, die sie fliegen würden. Kommandanten gingen von Pilot zu Pilot, von Maschine zu Maschine, gaben Befehle und Ratschläge gleichermaßen.
Luke sah dafür keine Notwendigkeit. Seine Piloten waren allesamt Jedi. alle ruhig im Angesicht des Sturms, der ihnen bevorstand, im Angesicht ihres möglichen Todes.
Einen X-Flügler weiter führte die so wie er gekleidete Mara letzte Handgriffe mit ihrem Hydroscanner durch, beendete das Justieren ihrer Laserkanoneneinstellungen und schlug eine Wartungsluke an der S-förmigen Unterseite ihres Schiffs zu. Sie ließ den Hydroscanner in eine Werkzeugkiste fallen und kam herüber, um sich zu ihrem Mann zu gesellen. »Irgendwelche Neuigkeiten von Ben?«
Luke schüttelte den Kopf.
»Du bist sehr schweigsam.« Mara beugte sich vor. um ihm über die Stirn zu streichen. »Ist alles in Ordnung?«
»Ich habe vorhin meditiert«, sagte er. »Und ich hatte eine Vision von Ben. der mit dem Mann sprach, der nicht existiert.«
»Keinen Traum«, sagte Mara. »Eine Vision.« Er nickte.
»Weißt du. von wann?«
»Von der Zukunft. Ben war ein bisschen älter, ein bisschen größer.«
»Zumindest«, sagte sie, »spricht das dafür, dass er die Aufgabe, der er sich heute stellen muss, überlebt.«
Schließlich lächelte er. »Danke, dass du mich nicht umgebracht hast.«
»Wann hätte ich das tun sollen?«
»Als ich dir sagte, dass ich die Entscheidung, Ben auf diese
Mission zu schicken oder nicht. Jacen überlassen habe.«
»Oh.« Sie erwiderte sein Lächeln nicht. »Vielleicht wäre ich tatsächlich ein wenig in Versuchung geraten - hätte ich selbst gewusst, was in diesem Fall das Richtige ist. Ich habe in der Vergangenheit einiges vermasselt, mich zu sehr an ihn geklammert, versucht, ihn zu beschützen. Was ist das rechte Maß an Obhut, das man seinem Kind zuteilwerden lassen sollte?«
Luke zuckte die Schultern. »Du sprichst mit einem Jedi-Meister. Nicht mit einem Meister in Erziehungsfragen.«
»Gibt es irgendwo einen?« Endlich lächelte sie. »Ich habe mir mehr als dreizehn Jahre lang Sorgen um ihn gemacht. Was mir einige Erkenntnis darüber verschafft hat, warum die Jedi einst Ehen innerhalb des Ordens abgelehnt und von Beziehungen abgeraten haben. Hätten sie das damals nicht gemacht, wären es nicht die Sith oder Fremdweltler-Imperien oder Naturkatastrophen gewesen, die die Jedi umgebracht hätten. Es wäre die Sorge um ihre Kinder gewesen.«
»Ich schätze, du hast recht.«
»Meister Skywalker?« Die Frauenstimme drang aus der Nähe von Lukes Brust.
Er griff unter seine Robe und holte ein Kommlink hervor. »Skywalker hier.«
»Hier spricht die Brücke. Team Purella meldet: in Position.«
»Vielen Dank.« Er steckte den Kommlink weg. »Jaina ist bereit. Und das ist ein weiterer Haken an der Checkliste, die wir abarbeiten müssen, um mit dieser Operation zu beginnen.«
Mara schaute zur hinteren Wand des Hangars hinüber, wo Chronometeranzeigen die jeweilige Zeit für CORUSCANT-REGIERUNGSZENTRUM, CORONET AUF CORELLIA, CENTERPOINT-STATION/TAGESZYKLUS und andere Orte anzeigten. »Wenn alles nach Plan verläuft, sollten wir bald noch einen Haufen ähnlicher Mitteilungen erhalten.«
Das wussten auch die anderen im Hangar. Die Geschäftigkeit nahm weiter zu. Die Mechaniker zogen sich von den Raumjägern zurück. Mehrere Piloten kletterten bereits in ihre Cockpits.
Luke ließ den Blick über die Piloten seines Geschwaders schweifen. Einige unterhielten sich miteinander. Drei lagen ausgestreckt in den Schatten ihrer X-Flügler, schlafend, eingewickelt in die Jedi-Gewänder, die sie vor dem Abheben verstauen würden. Zwei saßen mit verschränkten Beinen da und meditierten. Er nickte zustimmend angesichts dieser Gelassenheit im Auge des Sturms.
»Meister Skywalker? Team Mynock meldet: in Position.«
Luke sackte vor Erleichterung beinahe in sich zusammen. Das Fehlen des Hinweises auf irgendwelche »Komplikationen« bedeutete, dass Ben, Jacen und Dr. Seyah an Bord der Centerpoint-Station und in Bereitschaft waren.
Er griff nach seinem Kommlink, um seiner Ansprechpartnerin auf der Brücke seinen Dank für die Meldung zu entrichten, doch sie ergriff von neuem das Wort. »Team Tauntaun meldet: in Position. Team Sandbeißer meldet: keine neuen Aktivitäten im Zielboreich. Team. Warten Sie einen Moment.«
Dann drang eine andere Stimme aus den Hangarlautsprechern, eine männliche, die des Flugkontrolloffiziers der Dodonna. »Alle Piloten zu ihren Schiffen. Der Flottenverband tritt in fünf Minuten in den Hyperraum ein. Alle Piloten zu ihren Schiffen.«
Überall um Luke und Mara herum kamen Jedi-Piloten auf die Füße.
Mara beugte sich vor. um ihren Mann vor dem Start einen letzten Kuss zu geben. »Zeit, dass du eins der sechs oder acht Dinge tust, die du am besten kannst.«
Er lächelte sie an. »Warte, wo bleibt das traditionelle Runterputzen? Du wirst allmählich weich. Jade.«
»Mit Sicherheit.« Sie drehte sich um, lächelte ihn über die Schulter hinweg an und marschierte mit forschen Schritten zu ihrem X-Flügler zurück.
Luke blickte in die Runde und musterte seine Piloten. »Hardpoint-Geschwader«, sagte er. »In eure Maschinen!«