7.
DER WELTRAUM, NAHE DES CORELLIA-SYSTEMS
Einige Lichtjahre vom Stern Corell entfernt verließ ein Raumschiff den Hyperraum und kehrte innerhalb eines Lidschlags in das physikalische Universum zurück.
Von den Umrissen her erinnerte das Schiff an die alten Sternenzerstörer der Imperial-Klasse und war genauso lang, doch im Gegensatz zu den Zerstörern, die eher wie schmale, rüstungsdurchdringende Pfeilspitzen aussahen, war dieses Schiff breiter und hatte die anderthalbfache Masse eines ISZs.
Es handelte sich um das Raumschiff Dodonna von der Galaktischen Allianz, das zweite Hauptschiff, das nach dem Militärführer der Rebellenallianz-Ära benannt war, der die Zerstörung des ersten Todessterns geplant und ausgeführt hatte, und es war das erste fertiggestellte Schiff dieses Typs, ein Kampfkreuzer der Galaktik-Klasse - eine Bezeichnung, die man gewählt hatte, um unschöne Erinnerungen an die alten Sternenzerstörer zu vermeiden, von denen dieses neue Schiff kaum mehr als eine erweiterte, aktualisierte Version darstellte.
Auf der Brücke - auf dem breiten Laufsteg, von dem aus man die Gruben und Stationen der Techniker überblickte -stand Admiral Matric Klauskin, Kommandant der Dodonna und Leiter dieser Operation, und starrte durch die hohen Sichtfenster ins Weltall hinaus. An Steuerbord, am Rande seines Blickfelds, tauchte ein weiteres Kriegsschiff aus dem Hyperraum auf. ein Sternenkreuzer der Mon Calamari mit einer Außenhülle, die auf eine erfolgreiche Verschmelzung von Technologie und organischer Bauweise schließen ließ.
Im Laufe der nächsten paar Stunden würden zahlreiche Schiffe der Zweiten Flotte der Galaktischen Allianz hier eintreffen, um sich der Dodonna anzuschließen. Sobald alle in Position waren, würde Klauskin den Befehl geben und diese Operation in Gang setzen.
Er wusste, dass er nach außen hin ruhig wirkte, unerschütterlich wie ein Fels. Hätte es an der Akademie einen Kurs dafür gegeben, gelassenes Auftreten zu wahren, hätte er jedes Mal als Bester abgeschnitten. Doch in seinem Innern vorknoteten sich seine Eingeweide.
Mit einer Reihe von richtigen Befehlen, mit einer Reihe von richtigen Manövern konnte er einen Krieg verhindern. Die Galaxis sollte nicht schon wieder die Art von Grauen erleben, die ihnen allen noch in lebhafter Erinnerung war - die Agonie belagerter Welten, auseinandergerissener Familien, von Heimaten und Leben, die einfach ausgelöscht wurden.
Er konnte es verhindern. Er musste Erfolg haben.
Er musste.
Die zierliche Frau trug die geblümten Kleider und die weltenteuren Schmucksträhnen einer Edelfau des Hapes-Konsortiums. und ein halbdurchsichtiger Schleier verdeckte die untere Hälfte ihres Gesichts. Ihr Leibwächter war in jeder nur erdenklichen Hinsicht das genaue Gegenteil von ihr: Groß, primitiv und von ungehobeltem Auftreten, war er mit den staubigen Gewändern und dem plumpen Blastergewehr eines Tusken-Räubers angetan, den Sandleuten des ländlichen Tatooine. Seine Züge waren hinter der sandsturmresistenten Maske verborgen, die Lebewesen dieser Couleur in ihrer
angestammten Umgehung für gewöhnlich trugen.
Fünf-Welten-Premierministerin Aidel Saxan sah zu. wie die beiden die Vorkammer der Hotelsuite betraten. Saxan, eine hübsche dunkelhaarige Frau in mittleren Jahren, verfügte über erhebliche politische Macht, doch sie hatte das Gefühl, dass ihr das in der Gesellschaft, in der sie sich gleich befinden würde, keinerlei Vorteil brachte. Soweit man solche Dinge bemessen konnte, waren ihre Gäste ihr ebenbürtig, und allein in Anerkennung dieser verhältnismäßigen Gleichwertigkeit hatte sie zugestimmt, sich hier mit ihnen zu treffen, in diesem vergleichsweise schlecht geschützten Hotel, fern von den neugierigen Augen anderer.
Als die Galaktische Allianz Jahre nach dem Ende des Yuuzhan-Vong-Krieges beschlossen hatte, das corellianische System dadurch zu belohnen, dass sie die bisher vom Gesetz vorgegebene Position des Generalgouverneurs abgeschafft hatten, waren corellianisch-stämmige Politiker in die neu geschaffenen Ämter geströmt, die diese Veränderung mit sich brachte. Jeder der fünf Planeten hatte sein eigenes Staatsoberhaupt gewählt, und gemeinsam hatten sie das Amt des Fünf-Welten-Premierministers aus der Taufe gehoben, der damit betraut war, die Etats, die Ressourcen und die Politik der fünf Welten zu koordinieren und das System bei Verhandlungen mit anderen multiplanetaren Gremien zu vertreten. Aidel Saxan war die erste und bislang einzige Person, die diesen Posten je innehatte.
Saxan wartete, bis sich die Außen- und die Innentüren hinter ihren beiden Besuchern geschlossen hatten, dann erhob sie sich von dem mit Ornamenten verzierten Stuhl mit den spindeldürren Beinen und schenkte den Besuchern ein Nicken. »Willkommen in Coronet.«
»Vielen Dank«, entgegnete die Frau. »Bevor wir fortfahren: Wurde die Kammer nach Abhörgeräten abgesucht?«
Saxan warf dem CorSic-Offizier einen Blick über die Schulter zu. Er trat aus den Schatten einer mit einem Vorhang abgeteilten Ecke des Raums. »Gründlichst«, sagte er. »Und es gab welche. Sehr altmodische. Von der Art, wie sie die Hotelsicherheit anbringen würde, zu dem Zweck, jemanden zu erpressen oder den Frieden zu wahren. Ich habe sie entfernt.«
»Vielen Dank«, sagte die Besucherin. Sie griff nach oben, um eine Seite ihres Schleiers loszuhaken, und ließ ihn von ihrem Gesicht gleiten - dem Gesicht von Leia Organa Solo.
Der CorSic-Offizier gab keinen Laut der Überraschung oder des Erkennens von sich. Er kehrte einfach in seine schattige Ecke zurück.
Der vermeintliche Tusken-Räuber - weniger anmutig und grazil in seinen Bewegungen als seine Begleiterin - zog die Sandmaske von seinem Gesicht und warf die Kapuze nach hinten, um die markanten, irgendwie erröteten Züge von Han Solo zu enthüllen. »Ja. vielen Dank. Eure, ahm.«
»Exzellenz«, half Leia aus.
»Genau, Exzellenz.«
»Für einen von Corellias gefeiertsten Helden lässt sich eine Audienz natürlich jederzeit einrichten - und an jedem Ort. Obwohl ich zugeben muss, dass Euer Wunsch um Geheimhaltung ungewöhnlich ist. Bitte, kommt mit mir.« Saxan führte ihre Besucher in die angrenzende Kammer, dem Aussehen nach ein fensterloses Esszimmer - doch der Esstisch, ein gewaltiges Ding aus schwarzem Steinen mit Golddrahtintarsien, war gegen die schimmernde blaue Wand geschoben worden, und lediglich in zwei Halbkreisen angeordnete, gut gepolsterte Sessel waren zurückgeblieben.
Saxan setzte sich in den mittleren Sessel eines Halbkreises, indes der CorSic-Mann hinter ihr Stellung bezog; Han Solo nahm im Sessel ihr gegenüber Platz mit Leia zu seiner Rechten.
Interessant, dachte Saxan. Also ist das hier Han Solos Ansprache oder Gesuch...
»Ich komme gleich zur Sache«, sagte Han. Seine Gesichtszüge nahmen wieder ihre normale Farbe an: befreit von der Tusken-Räuber-Maske schien er sich rasch abzukühlen. »Ich glaube, dass die Galaktische Allianz noch in dieser Woche einen Militärschlag gegen Corellia führen wird, vielleicht sogar schon heute.«
»Warum sollte die GA das tun?«, fragte Saxan und hielt ihre Stimme kontrolliert, sachlich. »Die Verhandlungen zwischen uns und Coruscant laufen nach wie vor.«
Han zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, warum. Bloß, dass es dazu kommen wird. Aber es sind politische, finanzielle, militärische Bewegungen im Gang, die alle auf einen Militäreinsatz hindeuten, und das bald.«
Saxan dachte darüber nach. War es möglich, dass die Galaktische Allianz zu guter Letzt die Krisi-Schiffswerft entdeckt hatte? Das schien unwahrscheinlich. Sie war ein volles Jahr lang Premierministerin gewesen, bevor ihre Etatprüfer festgestellt hatten, dass die geheimen Mittel, die von Thrackan Sal-Solo und seinen politischen Verbündeten autorisiert worden waren, zum geheimen Aufbau einer Angriffsflotte dienten. Und ihre Buchprüfer hatten direkten Zugriff auf die Daten des corellianischen Haushaltes gehabt; die GA-Ermittler, denen von Corellias imposanter Spionageabwehr jede Menge Steine in den Weg gelegt worden waren, durften eigentlich nicht in der Lage sein, ihr auf die Schliche zu kommen.
Viel wahrscheinlicher schien, dass die vorschnelle Aktion der
GA durch die Reaktivierung der Centerpoint-Station ausgelöst worden war. Trotz allem, trotz all der Sicherheitsüberprüfungen und der Gegenspionage, die in dieser Einrichtung betrieben wurden, seit die Galaktische Allianz ihre Kontrolle über Corellia widerwillig aufgegeben hatte, mussten Gerüchte über den Status der Station bis nach Coruscant gedrungen sein.
Sie sagte nichts darüber. Stattdessen fragte sie: »Und warum erzählen Sie mir das?«
»Nun, lasst uns einfach sagen, dass es mir sauer aufstößt«, sagte Han. »Wenn Corellia unabhängig sein will, stehe ich vollkommen dahinter.«
»Wären Sie bereit, das in aller Öffentlichkeit zu sagen?«, fragte Saxan. »In einer Ansprache an das corellianische Volk?«
»Gewiss«, antwortete Han. »Wenn Ihr als Premierministerin abdankt und Thrackan als corellianisches Staatsoberhaupt zurücktritt.«
Diesmal konnte Sa.xan nicht verhindern, dass sich ihre Überraschung auf ihrem Gesicht zeigte und in ihrer Stimmt! mitschwang: »Ich soll abdanken? Warum?«
»Mir gefällt das Spielchen nicht, das Ihr spielt«. sagte Hau. »Einerseits faselt Ihr ständig von Unabhängigkeit, andererseits ist jedes zweite Wort von Euch >Vergünstigungen<.«
»Das ist bloß Taktik«, versicherte ihm Saxan.
»Nein, ist es nicht. Nicht, wenn Euch jede Menge Leute zuhören und Euch darin zustimmen. Leute, die entweder nicht die Zeit oder die Energie oder den Verstand haben, gründlich darüber nachzudenken. Leute, die Euch vertrauen, weil Euer Vater berühmt war oder weil Ihr gut ausseht.« Auf einmal schaute Han enttäuscht drein, vielleicht sogar ein bisschen angewidert. »Ihr müsst den Corellianern das Leben zeigen, das sie führen werden, sobald sie unabhängig sind. Planetarer Stolz ist eine Sache, und ich bin der Letzte, der dafür kein Verständnis hätte. Planetarer Stolz zusammen mit der Behauptung, dass die Wirtschaft dann florieren und uns alle lieben werden, ist eine andere Sache - das ist eine Lüge.«
Saxan ließ sich die Wut und. ja. den Schmerz, der sie angesichts von Hans Vorwurf überkam, nicht anmerken. Sie wandte sich an Leia. »Und was ist mit Euch? Ihr seid eine Jedi-Ritterin. Die Jedi haben geschworen, die Galaktische Allianz zu verteidigen. Begeht Ihr nicht Hochverrat, indem Ihr hierhergekommen seid?«
Leia blinzelte sie an. »Inwiefern soll das der Fall sein?«
»Euer Ehemann will, dass ich mich auf eine politisch gefährliche Position festlege. Und doch seid Ihr hier, gleichfalls zwischen zwei Positionen hin- und hergerissen. Ich denke, vielleicht solltet Ihr und Euer Gatte hier auf Corellia bleiben und uns Eure Unterstützung zuteilwerden lassen. Das wäre sicherer für Euch. Wenn Coruscant erfährt, dass Ihr in eigener Sache hierhergekommen seid, könnte das Eurem Ruf irreparablen Schaden zufügen.«
Leia lächelte und zeigte dabei Zähne. »Ich bin eine Jedi-Ritterin. Und ich habe geschworen, die Galaktische Allianz zu schützen. Manchmal sogar vor sich selbst. Aber mit meinem Mann hierherzukommen und ihm zuzuhören, wie er Mutmaßungen über die Zukunft gewisser politischer Beziehungen anstellt, ist kein Hochverrat. Das ist lediglich etwas, was man eben tut, wenn man verheiratet ist.«
»Mutmaßungen?«
Leia nickte. »Mutmaßungen.«
»Das bedeutet dann wohl, dass Euch keinerlei Beweise vorliegen, die seine Mutmaßungen untermauern.«
Han lächelte, jenes unbeugsame, übermütige Lächeln, das Saxan so häufig in den Holonachrichten und ab und zu auch in natura gesehen hatte. »Was für Beweise?«
»Natürlich.«
»Und, übrigens.« Hans Lächeln verschwand. »Es wäre für Coruscant nicht von Vorteil, würde jemand erfahren, dass wir hier waren, um Mutmaßungen anzustellen. Das würden wir nämlich persönlich nehmen. Vielleicht solltet Ihr in Erwägung ziehen, die historischen Aufzeichnungen zu durchforsten, um zu sehen, was passiert, wenn wir Dinge persönlich nehmen.«
Saxan fragte nicht nach, ob das eine Drohung war oder nicht. Natürlich war es das. Und die Solos hatten häufig genug unter Beweis gestellt, dass man diese Art Drohung besser nicht auf die leichte Schulter nahm.
Dennoch war dieses Treffen nach wie vor ein Erfolg. Sie hatte zwei wichtige Dinge erfahren: dass die Galaktische Allianz vermutlich von den Entwicklungen auf der CenterpointStation wusste, und dass Han Solo genauso unnachgiebig und rücksichtslos sein konnte wie sein Cousin, Thrackan Sal-Solo.
Saxan ließ auf ihr Gesicht ein freundliches Lächeln zurückkehren. »Keine Sorge, Corellia weiß, wer seine Freunde sind. Übrigens, wie lange werdet Ihr im System bleiben?«
Leia zuckte mit den Schultern. »Ein paar Tage.«
»Ausgezeichnet. Vielleicht gebt Ihr uns die Ehre, uns bei Gelegenheit einen offiziellen Besuch abzustatten. Ob in Kriegsoder Friedenszeiten, Euer Gemahl ist einer von Corellias liebsten Söhnen.«
»Das wäre überaus angenehm.« Saxans Worte als Ende der Audienz wertend, erhob sich Leia und befestigte ihren Schleier wieder vor dem Gesicht. Han folgte dem Beispiel seiner Frau und legte die Sandmarke wieder an.
»Oh, Han.« Saxan lächelte, als sie sah, wie sich Leias Stirn furchte, weil Saxan ihren Ehemann mit Vornamen ansprach. »Falls ich Thrackan sehe, soll ich ihm dann vielleicht eine Nachricht von Ihnen übermitteln?«
Die Marke an Ort und Stelle, streifte Han seine Kapuze über. »Sicher. Wie wär's mit: >Sei auf der Hut!<« »Ich werde es ausrichten.«
DER WELTRAUM, CORELLIA-HANDELSROUTE, BEIM VORBEIFLUG AN YAG'DHUL
Das Abteil mit den Passagiersitzen war nicht unbedingt ideal. Tatsächlich handelte es sich dabei um einen Frachtcontainer von der Art, die verwendet wurde, um Massengut von einem Raumhafen zum anderen zu transportieren. Doch zumindest hatte man ihn mit Sesseln mit verstellbarer Rückenlehne aus ausgemusterten Passagierfähren ausgestattet. Jede Reihe hatte eine andere Farbe, und einige der Sitze rochen schlecht.
Der von Jaina ebenfalls. Wäre sie in übler Stimmung gewesen, hätte sie vielleicht darüber spekuliert, ob die Kabine irgendwann in ferner Vergangenheit von einem Hutten mit Verdauungsstörung genutzt worden war. Gelegentlich drückte Jaina die Polsterung, auf der sie saß, durch eine unüberlegte Bewegung zusammen, und der daraufhin aufsteigende Geruch - halb bitter, halb süßlich, durch und durch widerlich - brachte ihre Nase und die Nasen oder vergleichbaren Körperteile der anderen Passagiere in der Nähe dazu, sich zu kräuseln.
Jaina fand, dass diese anderen Passagiere eine interessante Gruppe waren. Die meisten sahen aus und benahmen sich, als wären sie auf der Flucht, die Blicke gleichermaßen wachsam wie verstohlen auf jeden gerichtet, der ihnen womöglich zu viel Aufmerksamkeit schenkte, die Kleidung weit genug, um die Blaster zu verbergen, die daruntersteckten, und ebenso die Beutel und Taschen, die wer weiß was enthielten. Einige waren Menschen, manche Bothaner, andere Rodianer. Im hinteren Teil der Kabine entdeckte Jaina einen Bith, und einer der Passagiere war ein ramponierter YVH-l-Kampfdroide, der ohne einen Begleiter unterwegs war.
Und natürlich waren da Jedi, obwohl sie nicht wie Jedi aussahen. Jaina war auf eine Art und Weise gekleidet, dass sie sich problemlos unter die alten Freunde ihres Vaters hätte mischen können - eng sitzende Hosen und eine Weste aus schwarzem Banthaleder, ein rotes Seidenhemd mit wallenden Ärmeln, ein farblich dazu passendes Kopftuch und ein Blasterhalfter. Die Hälfte ihres Gesichts wurde von einer unechten Tätowierung bedeckt, einer roten Blume auf ihrer Wange, deren grüne, blättrige Ranken sich über ihren Kiefer bis hoch zu ihrer Stirn ausbreiteten, und ihr Haar war vorübergehend blond gefärbt.
Zekk neben ihr, der die Augen im Schlaf geschlossen hielt, trug eine lächerliche hellbraune lacke aus Fransenleder. Darunter befand sich ein Messergurt, in dem acht Vibroklingen steckten. Zwei falsche Narben zierten sein Gesicht, die eine ein tiefer waagerechter Schnitt quer über die Stirn, die andere verlief von der Stirn bis hinunter zur rechten Wange, und eine Lederklappe mit einer blinkenden roten Diode bedeckte das entsprechende Auge.
Die beiden Abteile unmittelbar achtern waren in kleine, klaustrophobisch enge Schlafkojen unterteilt. In dem Abteil dahinter befand sich das Gepäck.
Und sie waren umgeben von Containern voller Tibanna-Gas, das auf Bespin gewonnen worden war, von wo dieses
Raumschiff zu seiner Reise aufgebrochen war. Falls das Schiff angegriffen wurde, bestand die Möglichkeit, dass Feindbeschuss die Fracht in Brand setzte, und dann würden Jaina und all ihre Jedi-Freunde verdampfen.
Ungeachtet seiner Größe, war dies ein Schmuggelschiff. Das Tibanna-Gas, das es transportierte, steigerte die Zerstörungskraft von Blastem. Der Abbau und der Export des Gases wurde von der Regierung der Galaktischen Allianz sorgsam beschränkt, was der Grund dafür war, warum ein wagemutiger Schmuggler mit einer großen Ladung von dem Zeug beträchtlichen Profit machen konnte, indem er es zu einem System brachte, dessen Industrie es haben wollte -nach Corellia beispielsweise, dem Ziel dieses Schiffs. Und da die Fracht für Waffenproduzenten bestimmt war. die den stillschweigenden Segen von Corellias Regierung erhalten hatten, würde dieses Raumschiff von den Zollbeamten ignoriert werden, sobald sie das Corellia-System erreichten -was bedeutete, dass seine Passagiere, von denen viele Lichtschwert-tragende Jedi waren, ebenfalls unbehelligt bleiben würden.
Mara, Jainas ehemalige Meisterin, hatte sich an ihren ältesten Freund, den Schmuggler Talon Karrde, gewandt, um eine Möglichkeit auszuknobeln, wie eine Gruppe Jedi Corellia unbemerkt mit ihren Lichtschwertern und anderer Ausrüstung betreten konnte, und er hatte sie mit dem Namen, der Flugroute und der Abflugzeit dieses Schiffs versorgt.
Des Schiffes mit den muffigen Sitzen.
Zekk öffnete die Augen. »Sind wir schon auf Corellia?« Seine Stimme war zu einem Flüstern gedämpft.
Jaina schüttelte den Kopf. »Erst in ein paar Stunden.«
Seine Augen schlossen sich. Dann öffnete er sie wieder.
»Sind wir schon auf Corellia?«
Gegen ihren Willen musste Jaina grinsen. »Warum gehst du nicht eine Weile draußen spielen?«
Zwischen dem Büro- und dem Schlafbereich des Raumes gab es jede Menge freie Bodenfläche, die Wedge nutzte, indem er seinen Rollsessel dort platziert hatte und ein neues Spiel spielte. Er saß da und sah eine Wand an, stand unversehens auf, stieß den Stuhl mit den Knien nach hinten und drehte sich blitzschnell um, um zu schauen, wie dicht er den Stuhl an eine Markierung herangebracht hatte, die er in den Boden gekratzt hatte.
In exakten Sechs-Stunden-Intervallen kam Titch mit Wedges Mahlzeiten herein. Wenn er sich bei den Schreibtischen im Bürobereich aufhielt, saß Wedge für gewöhnlich auf dem, der der Außentür am nächsten war, mit dem Rücken zur Tür; er bezeichnete ihn als Tisch Nummer eins. Alle sechs Standardstunden - morgens, mittags und abends - brachte Titch Wedges Essen und Trinken zum nächsten Tisch linker Hand, den Wedge als Tisch Nummer zwei betrachtete, und stellte die Mahlzeit darauf ab.
Das erste Mal, als Titch hereingekommen war, während Wedge sein Bürostuhl-Spiel spielte, hatte Titch ihm keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wedge hatte nichts anderes erwartet; mit Sicherheit verfolgten Titch, Barthis und vermutlich noch weitere Sicherheitsoffiziere über versteckte Holokameras, was er tat, und wussten deshalb bereits über Wedges neue Beschäftigung Bescheid. Titch stellte Wedges Mahlzeit lediglich an der üblichen Stelle ab, dann schenkte er dem älteren Offizier ein herablassendes, mitleidiges Kopfschütteln, bevor er wieder zur Tür hinausging und sie hinter sich schloss.
Wedge grinste ihm nach.
Sechs Stunden später, nur Minuten, bevor das Abendessen eintreffen würde, saß Wedge an seinem üblichen Tisch, das Terminal vor sich aktiviert. Natürlich gewährte ihm der Computer keinen Zugriff auf das weltweite Datennetz; das hätte den Zweck seiner Gefangenschaft zunichtegemacht. Allerdings durchforstete das System das Datennetz ein- oder zweimal am Tag nach gewissen Neuigkeiten, was es Wedge zumindest gestattete, die galaktischen Nachrichten und die von Coruscant zu verfolgen; außerdem wartete das Terminal mit einer breiten Palette dreißig fahre alter Spiele und Kampfsimulationsprogramme auf. Er rief eine dieser Simulationen auf - die erlaubte ihm. auf Geschwaderebene den Hinterhalt auf die Schiffe der Rebellenallianz bei Derra IV nachzustellen, ein Gefecht, das stattgefunden hatte, bevor einer seiner »Entführer« geboren worden war - und begann, sie auf Seiten der Rebellen durchzuspielen.
Die kleine Uhr oben rechts auf dem Bildschirm des Terminals verriet ihm, dass er noch fünf Minuten warten musste, bevor seine nächste Mahlzeit eintraf.
Er nahm einen Schluck von seinem Becher Wasser, den er nicht angerührt hatte, seit sein Mittagessen gekommen war. Der Becher war noch immer fast voll. Langsam, seine Aufmerksamkeit scheinbar noch immer zur Gänze auf die Kampfsimulation vor sich gerichtet, senkte er die Hand mit dem Becher in seinen Schoß. Er platzierte ihn unter der Tischkante, bis er unter Tisch Nummer zwei war, und dann verschüttete er den Großteil des Wassers dort mit quälender, lautloser Sorgfalt auf dem Fußboden, wo es sich gemächlich als beinahe unsichtbare Pfütze ausbreitete.
Noch drei Minuten. Er musste aufpassen, dass er die Sache nicht zu knapp kalkulierte. Möglicherweise variierte Titch seinen Zeitplan um ein paar Sekunden. Junge Offiziere waren in dieser Hinsicht nicht so verlässlich.
Er hielt den Becher über Tisch Nummer zwei, drehte ihn so schnell um, wie er nur konnte, und stellte ihn mit dem Rand nach unten ab. Für Beobachter würde - nun, sollte - es so aussehen, als stelle er lediglich ein leeres Trinkgefäß beiseite. Wasser sickerte unter dem Rand hervor und breitete sich in alle Richtungen aus - auf den am Tisch stehenden Stuhl zu, in Richtung der Kante des Tisches, der an Wedges Schreibtisch grenzte. Genau wie das Wasser auf dem Boden würde es für die Art Holokams mit niedriger Auflösung, die dazu benutzt wurden, Gefangene zu überwachen, so gut wie unsichtbar sein.
Wedge tippte für den nächsten Spielzug eine Reihe von Befehlen in das Simulationsprogramm und beugte sich vor, um zu verfolgen, welche Auswirkungen sein Zug hatte. Während er in dieser Haltung verharrte, tastete er vorsichtig unter dem Tisch umher und fand das Stromkabel, das vom Hauptprozessor des Computersystems hoch zu den Monitoren rings um den Tisch verlief.
Noch zwei Minuten. Er sah zu, wie die Imperialen auf dem Bildschirm die Rebellen bei Derra IV abschlachteten, genau wie sie es mehr als dreißig Jahre zuvor getan hatten. Er gab einen verärgerten Laut von sich. Mit seiner freien Hand fuhr er das Terminal herunter. Dann ruckelte er mit seiner anderen Hand das Stromkabel lose und zog es zu sich, wobei er alle Gelassenheit aufbot, die er aufbringen konnte. Erst danach
lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
Die Tür hinter ihm glitt auf. Titch trat ein - Wedge erkannte ihn am Klang seiner schweren, selbstbewussten Schritte - und fragte: »Läuft nicht besonders gut, was?« Dann kam der Mann in Sicht, Wedges Mahlzeit in den Händen, und ging vor zu Tisch Nummer zwei. Er stellte das Tablett ab. Einen kurzen Moment lang sah er verwirrt drein, als seine Finger mit dem Wasser auf der Arbeitsfläche in Berührung kamen.
Wedge schaltete seinen Monitor ein und warf das Stromkabel auf Tisch Nummer zwei.
Titch zuckte zusammen und begann zu zittern, gefangen in den Krämpfen der Elektrizität. Die Lichter an der Decke verdunkelten sich.
Wedge stand rasch auf und beförderte seinen Bürostuhl rückwärts, fort von sich. Er warf einen Blick hinter sich. Der Stuhl kam eine Handbreit vor der Stelle, auf die er gezielt hatte, zum Stehen, direkt auf der Schwelle der offenen Tür.
Wedge sah, wie der Sicherheitsmann unter den Stromschlägen zuckte. Es war eine Geduldsprobe, deren Dauer in Sekunden gemessen wurde. Wenn Barthis nicht handelte, bevor Titch irreparable Schäden davontrug, musste Wedge womöglich.
Endlich war es so weit. Barthis' Stimme drang aus der nächsten Kammer: »Strom abschalten in Block fünfundfünfzig-null-zwei. Sofort!«
Nichts geschah. Wedge wärmte. Er hörte hastende Schritte, eine einzelne Person, die näher kam - Barthis. Er konnte davon ausgehen, dass sie eine Blasterpistole in der Hand hielt, und er war nach wie vor unbewaffnet.
Dann gingen die Lichter aus. Wedge hörte, wie Titch ein Keuchen ausstieß, und ein metallisches Rumms, als der Mann auf den Boden schlug. Eine halbe Sekunde später folgte dem ein Wunsch, als die stromlose Tür nach unten glitt und auf Wedges Bürostuhl knallte.
Wedge lokalisierte Titch durch Umhertasten. Der Mann regte sich schwach. Wedge fand seinen Gürtel, zog den Blaster aus dem Holster und stellte ihn von Laserfeuer auf Betäubung. »Lass dir das eine Lehre sein.«
Dann krabbelte er auf Händen und Knien zur Tür hinüber. Kurz, bevor er sie erreichte, konnte er spüren, wie Luft in sein provisorisches Gefängnis strömte, und dann stieß seine freie Hand gegen eine Rolle seines Bürostuhls. Vorsichtig, leise, glitt er an dem Stuhl vorbei, der unter dem Gewicht der Tür, die darauf lastete, knarrte.
Er lauschte und konnte Barthis' Stimme hören, ein paar Meter entfernt: »Schicken Sie eine Sicherheitseinheit zu fünfundfünfzig-null-zwei. Durch die Unterbrechung der Energiezufuhr ist die Tür zugefallen, und der Gefangene wurde eingeschlossen. Doch er hat Leutnant Titch als Geisel. - Nein, im Augenblick sind wir sicher.«
Dann ging die Notbeleuchtung an. trübe orangefarbene Leuchtstoffröhren, die dort angebracht waren, wo die Decke auf die Wände traf. Wedge konnte die Arbeitsstationen an den Tischen in der Außenkammer ausmachen, konnte Barthis sehen, die einige Meter entfernt stand, ein Kommlink in ihrer Hand.
Und sie konnte ihn ebenfalls sehen. Ihre Augen weiteten sich.
Er schoss auf sie. Schlaff traf sie - mit einem wesentlich weniger dröhnenden Laut als Titch - auf dem Boden auf.
Er schnappte sich ihren Kommlink, ihre Blasterpistole. ihre Identikarte und anderes Nützliches und stopfte alles in seine
Taschen. In wenigen Sekunden schleifte er sie zur Tür seines Gefängnisses. schob sie hindurch und trat dann gegen den Stuhl, bis er aus der Türöffnung nach hinten flog. Die stromlose Tür glitt mit einem Wump nach unten und rastete ein.
Auf der Rückseite der Kammer - neben der Tür, durch die sie diesen Bürokomplex ursprünglich betreten hatten - begann Wedge, mit dem Knauf von Titchs Blaster systematisch die Leuchtröhren der Notbeleuchtung zu zertrümmern. Nachdem er einmal durch den Raum gegangen war, zerschlug er die letzte Röhre, dann ging er unter einem Tisch neben dem Ausgang in Position.
Sechzig Sekunden später ging von dieser Tür ein Summen aus, als die mobile Stromversorgung, die jemand draußen angebracht hatte, aktiviert wurde, dann glitt die Tür aus dem Weg. Vier bewaffnete und gepanzerte Sicherheitsoffiziere stürmten herein. Der erste rief: »Captain Barthis?«
Wedge glitt lautlos unter seinem Tisch hervor und huschte durch die Tür in den dämmrig erhellten Korridor dahinter hinaus. Er packte die mobile Stromversorgung, die an der Steuertafel des Schotts angebracht war, und riss sie los. Die Tür sauste mit einem Wump nach unten und schloss die Sicherheitskräfte drinnen ein.
So weit, so gut, sagte er sich. Alles, was er noch tun musste, war, einen Umkleideraum zu suchen, sich der Kleider zu entledigen, die er trug - was für eine Art Sensor sie auch immer dazu benutzt hatten, um dafür zu sorgen, dass sich die Tür schloss, wenn er sich ihr näherte, musste irgendwo in seiner Kleidung oder seinem Schuhwerk untergebracht sein -und sie gegen eine der hiesigen Uniformen zu tauschen; anschließend musste er sich seinen Weg zu einem Hangar bahnen und irgendein mit einem Hyperantrieb ausgestattetes
Sternenschiff oder eine Raumfähre stehlen, während die Geheimdienstabteilung auf der Suche nach ihm das ganze Gebäude auf den Kopf stellte. Ein Klacks.