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Rico Parra riß die Tür zur Casa de Revolution auf. Das Wohnzimmer hatte seit den Tagen des früheren Besitzers schwer gelitten. Juanita de Cordoba saß auf einem Stuhl mit hoher Lehne. Der Wachkommandant Hernandez stand hinter ihr, die Maschinenpistole auf ihren Kopf gerichtet.

»Sie hat keine Waffen bei sich«, sagte Hernandez.

Rico gab dem Mann durch eine Kopfbewegung zu verstehen, daß er gehen könne.

»Ich fühle mich geschmeichelt durch Ihr Waffenaufgebot«, sagte sie, »aber es war unnötig. Ich bin ganz harmlos.«

»Sie sind so harmlos wie eine Kobra«, antwortete Rico.

»Wie Sie wollen.«

»Ja, wie ich will. Es war nicht Dummheit, was mich die Kämpfe in der Sierra Maestra überleben ließ. Also, was wollen Sie?«

Juanita erhob sich und ließ ihre Finger über einen antiken Schreibtisch gleiten. Sogar in dieser gespannten Atmosphäre, in dem dunklen, unordentlichen Raum, sogar hier spürte er das Weib vor sich. Ihr Körper steckte in enganliegenden seidenen Hosen. Die langen lackierten Nägel, das Funkeln ihres Schmucks, die strenge Frisur, ihr Parfüm … Ricos Blicke wanderten über ihre unbedeckte Taille und zu dem winzigen Oberteil aus dünner Seide, das nur lose zu einer Schleife zusammengebunden war und den Busen kaum verhüllte.

»Natürlich müssen Sie wissen, warum ich hier bin«, sagte sie.

»Es ist zu früh am Tag für Ratespiele. Sagen Sie es!«

»Sie sagten mir, Sie hätten Gewalt über gewisse ausländische Diplomaten. Ich möchte Ihnen einen von ihnen abhandeln.«

Rico zog eine Zigarre aus einer Tasche seiner Uniform, biß die Spitze ab und spuckte sie auf den Fußboden. Dann kaute er daran, ohne sie anzuzünden.

»Andre Devereaux muß Kuba heil verlassen.«

»Und wenn er das tut?«

»Können Sie ein Täubchen haben.« Sie ging zur Schlafzimmertür und öffnete sie.

Rico wußte, sie würde ihn immer so tief hassen, wie sie den Franzosen liebte. In Wirklichkeit würde er nicht mehr als einen Schatten besitzen.             

»Nun«, sagte sie, »das ist es doch, was Sie sich wünschen.«

Er ließ ein merkwürdiges Kichern hören, hob dann sein bärtiges Gesicht und lachte. »Glauben Sie wirklich, ich lasse ihn aus Kuba entwischen?« brüllte er. »Er spioniert für die Yankees. Und wie ist es mit Ihnen und Ihrer Aufopferung? Vielleicht wollen Sie bloß Ihre eigene Haut retten. Nein, Rico Parra läßt sich nicht mißbrauchen. Ich schütze keine Verräter!«

»Ich weiß nicht, ob Andre Devereaux in einem Geheimdienstauftrag hier war oder nicht«, sagte sie.

»Lügnerin!«

»Ich weiß es nicht«, wiederholte sie. »Aber wenn es so war, dann trägt er die Informationen bestimmt nicht persönlich aus dem Land, oder? Würde er sie nicht schon über Funk oder durch die diplomatische Kurierpost übermittelt haben?«

»Sie sind zu verdammt logisch für eine Frau.«

»Auf jeden Fall kann Ihnen Devereaux keinen Schaden mehr zufügen, es sei denn, Sie wären so töricht, ihn umbringen zu wollen. Das würde dann wirklich Folgen haben. Und was mich betrifft, Rico Parra, ich habe Kuba nicht verraten.«

»Und wenn er ausreist, versucht er, ein Boot für Sie zu schicken - stimmt's?«

»Ich bin sicher, daß Sie meine Dienstboten durch Ihre eigenen ersetzen werden. Ich rechne damit, unter ständiger Bewachung zu stehen. Das ist Teil des Handels.«

»Sie haben das wirklich gründlich durchdacht, nicht wahr?«

»Ich habe Sie nie für einen Trottel gehalten.« Sie ging ins Schlafzimmer. Rico folgte ihr, seine kalte Zigarre zwischen den Zähnen. Er lehnte sich an den Türrahmen, steckte die Daumen hinter den Bauchgurt und blickte düster vor sich hin. Juanita stand neben dem Bett und löste die Schleife ihres Büstenhalters. Er öffnete sich. Sie ließ ihn zu Boden fallen und stand stolz in ihrer Nacktheit da.

Rico lief rot an. Ströme von Lust und Zorn und Verwirrung durchliefen ihn gleichzeitig. Juanita ging selbstsicher auf ihn zu, nahm ihm die Zigarre aus dem Mund und schleuderte sie fort. Sie ergriff seine grobe Hand und führte sie an ihre Brust.

»Wenn wir es schon tun«, sagte sie, »können wir es wenigstens genießen.«

Seine freie Hand kam auf einmal hoch und schlug ihr über den Mund. »Schwein! Aristokratenschwein!« Ein weiterer Schlag, ihr Kopf flog zurück, und ihr Haar löste sich. Er schlug sie wieder. Ihr wurde schwindlig, aber sie wich nicht zurück und weinte nicht. Rico schleuderte sie brutal aufs Bett. »Du haßt mich! Schön, Weib! Du willst ein Tier!« Er sprang auf sie, riß ihr die Hosen vom Leib und warf sie auf dem Bett hin und her. Juanita verfiel halb in Hysterie und langte verzweifelt nach seinem Bart, an dem sie mit aller Kraft zerrte, bis Rico gezwungen war, sich auf sie fallen zu lassen. Ihre Zähne drangen durch das Hemd in seine Schulter. Er schrie vor Schmerz.

»Ich bin auch ein Tier!« rief Juanita, biß ihn wieder und zwang ihn, von ihr abzulassen. Sie lagen nebeneinander und rangen nach Atem, dann lachten und weinten sie wie Halbverrückte, rissen wieder aneinander und fielen kämpfend auf den Fußboden. Sie blieb ihm an Brutalität nichts schuldig. Sie grub ihre Nägel in sein Gesicht, kratzte ihn, riß an seinem Bart und biß ihn, bis er sie auf dem Rücken liegen hatte und sie durch sein Gewicht niederhielt. Das Blut aus seiner Wunde lief ihr über Gesicht und Hals. Er hielt sie fest. Beide keuchten und stöhnten - und nach einer Weile wurden sie ruhig.

Plötzlich begann Rico Parra zu wimmern. »Ich kann es nicht. Ich bin jetzt nicht fähig dazu. Ich habe immer diese Schwierigkeiten.« Er lockerte seinen Griff.

Ihre Finger fuhren in den schwarzen Haarschopf, diesmal zärtlich, und sie streichelte ihn sacht. »Ruh dich aus, und dann helfe ich dir.«

»Ich kann es nicht.«

»Ich werde es dir zeigen. Ich bringe dir alles bei.«

Beide merkten, daß jemand ins Zimmer gekommen war. Hernandez, der Leibwächter, stand mit offenem Mund über ihnen. Rico rappelte sich auf, und Hernandez schlich zitternd zur Tür.

»Compadre«, flehte er, »ich hatte keine Ahnung …«

»Zum Teufel! Was wollen Sie hier?«

»Uribe rief von Ihrem Büro an und fragte, ob Sie hier seien. Er sagte, es sei dringend - von Munoz, auf dem Flughafen.«

»Was haben Sie ihm gesagt?«

»Nichts - ich habe ihm nicht gesagt, daß Sie hier sind. Ich schwöre es!«

»Raus!« schrie Parra und trat Hernandez in den Hintern.

Er schwankte einen Augenblick und wischte sich mit dem Handrücken das Blut aus dem Gesicht. Er sah Juanita an, die auf dem Fußboden lag. Dann wankte er zum Telefon und nahm den Hörer ab.

»Ruf nicht an!« bettelte Juanita de Cordoba. »Bitte, ruf nicht an!«