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In Miami passierte Andre die Zollabfertigung, ging dann sofort in die Halle des Hauptgebäudes und meldete sich unter dem Namen De Fries im Flughafenhotel an. Innerhalb weniger Augenblicke erschien Michael Nordstrom an seiner Tür - mit einem Eiskübel und einer Flasche Bourbon..

»Hallo, Mike - wie geht es Ihnen? Nett, Sie wiederzusehen.«

»Nett, Sie zu sehen. Manche von uns machten sich schon Sorgen.«

Andre zuckte mit den Schultern und schloß die Tür. »Haben Sie alles erhalten?«

»Zwei Rollen Mikrofilm und vier Funksprüche.«

»Großartig«, sagte Andre. »Ich habe noch eine Menge Kleinigkeiten in meiner Aktentasche, vor allem einige Fotos. Es wird ein paar Tage dauern, bis ich den Bericht fertig habe.« Er warf seine Jacke aufs Bett, lockerte die Krawatte, rollte die Ärmel hoch, ging ins Badezimmer und tauchte sein Gesicht in das mit kaltem Wasser gefüllte Waschbecken.

Mike reichte ihm ein Glas Whisky. Andre ließ sich in einen Sessel fallen. Er nahm einen Schluck und seufzte müde.

»Wie ging es?« fragte Mike.

»Routinesache. Nichts übermäßig Aufregendes. Aber ich schätze, Sie werden sich in Kuba nach anderen Informationsquellen umsehen müssen. Ich fürchte, ich bin dort nicht mehr besonders willkommen. Wir sind erledigt, Mike.«

»Hoffentlich ist niemand von Ihren Leuten geschnappt worden.«

»Nicht daß ich wüßte, aber sie sind zu einem Körper ohne Kopf geworden. Mit etwas Glück könnten sie wieder in die Anonymität untertauchen.«

»Es war ein höllischer Job, Andre. Ein höllischer Job. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wieviel Sie für uns getan haben. Und was Ihre Leute betrifft, was für ein Mordsglück, daß sie nicht an irgendeine Friedhofsmauer gestellt wurden.«

»Das war Juanitas Klugheit.«

»Sie muß eine großartige Frau sein«, sagte Mike.

»Ja, es gibt keine andere, die ihr gleichkäme. Ich brauche ein Boot für sie. Sie ist in größerer Gefahr, als sie mich wissen läßt.«

»Sie können mit unserer Hilfe rechnen.«

»Danke.«

Es war Mike klar, daß Andre bei dieser Frau sehr weit gegangen war. Es war dumm, sich einfangen zu lassen. Andre tat ihm leid, aber sogar in diesem Beruf bleiben Männer eben Männer.

Andre stellte sein Glas auf den Kaffeetisch. Daneben stand die Tasche, die Juanita ihm gegeben hatte. »Oh, hier ist die Post. Sie sagte mir, ich solle sie sofort öffnen.« Er drehte den Schlüssel im Schloß, öffnete die Tasche weit und starrte verblüfft hinein. »Mein Gott!«

Michael Nordstrom stand mit offenem Mund da, als Andre hineingriff und eine Handvoll Juwelen herausholte. Brillanten und Rubine und Smaragde an Halsketten, Armbändern, Uhren, Ringen. Andere waren in alte Zeitungen und Wachstuch verpackt. An jedem Schmuckstück hing ein Zettel:             

BITTE SENDEN SIE DIES AN MANUEL SANCHES, MIAMI

- VON SEINER SCHWESTER.

AN DR. F. DARGO, MIAMI - VON SEINER MUTTER.

BITTE SORGEN SIE DAFÜR, DASS SAMUEL LOPEZ Y GARDIOS DIES ERHÄLT - ES IST VON SEINEM BRUDER ARTURO. ICH GLAUBE, ER IST IN DENVER IN COLORADO.

Es waren über fünfzig Stücke, und an jedem hing eine Anweisung für die Zustellung. Ein Potpourri funkelnder Tragik.

Andre begann die Sachen in die Tasche zurückzulegen, als er etwas auf dem Boden entdeckte. Es war eine Perlenkette mit einem Saphiranhänger, der mit Brillanten eingefaßt war. Er kannte die Kette. Ein Ring daneben - auch ihn kannte er. Ein Dutzend Stücke auf dem Boden der Tasche erkannte er wieder. Sie gehörten Juanita de Cordoba. Da war ein an ihn gerichteter Brief. Er riß den Umschlag auf.

Mein geliebter Andre,

bitte verwende diese Sachen für die Ausbildung meiner Söhne. Schau ab und zu einmal nach ihnen, wenn es möglich ist! Sie sind feine Jungen und haben den Mut ihres Vaters, und ich weiß, daß sie einmal prächtige Männer werden.

Mein liebster, mein wundervoller Mann, Du mußt jetzt wissen, daß ich Dich liebe, was auch kommen mag, ich liebe nur Dich allein, bis an meinen Tod. Blick nicht zurück und weine nicht um mich! Wenn ich alles noch einmal tun müßte, ich würde nichts anders machen.

In Liebe, Juanita

Mike sah, wie Andre von Schmerz überwältigt wurde. Er hatte ihn noch nie so gesehen.

»O mein Gott!« rief Andre unter Tränen. »Sie hat es vor mir verborgen, Mike. O Gott! Sie hat es gewußt und wollte es mir nicht sagen. O Gott! Was soll ich nur tun? Juanita - oh, meine Liebste - Juanita…«

»Ruhig, Andre - ruhig - ruhig…«