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»Laufen!«

Dyson hastete durch den Wald vor der Zombie-Horde und dem aufholenden T-Rex davon. Alex und Veronica orientierten sich an ihm. Ihr Weg war äußerst tückisch, weil sie jederzeit über verborgene Baumwurzeln und willkürlich aus der Erde ragende Vulkansteine stolpern konnten. Mannshohe Farne peitschten ihnen während des Laufens in die Gesichter.

Der entsetzlich misstönende Lärm der kommenden Untoten – dieser röchelnden, drängelnden Masse einstiger Menschlichkeit, die ohne Sorge um ihre eigene Unversehrtheit durch das Gehölz trampelte – trieb die Drei weiter an … dies und der Tyrannosaurus, den sie irgendwo hinter sich kreischen hörten. Unterwegs begegneten sie keinem anderen Tier, weder Vögeln noch Insekten, gar nichts – als wisse jedes Lebewesen, dass dies kein sicherer Ort mehr war. Hier gab es niemanden mehr, der lebte, außer ihnen, und falls sie wollten, dass dies auch so blieb, mussten sie weiterlaufen.

Alex tastete dabei seine Taschen in der Hoffnung ab, noch ein Magazin für das AK zu finden, das er vielleicht irgendwie übersehen hatte, aber da war nichts: Niemand von ihnen hatte mehr Munition. Ihre einzige Waffe, die noch Schaden anrichten konnte, war Veronicas KA-BAR, und ein Messer nutzte bekanntlich unglaublich viel gegen ein Gewimmel von Untoten mit ein paar wütenden Dinosauriern als Dreingabe. Die Drei lebten noch, und war so etwas in einer Situation wie ihrer der Fall, wollte man vor allem eines: Am Leben bleiben!

»Shit! Shit-Shit-Shit-Shit!« Vorne stapfte Xander wütend auf, während er vor sich hin fluchte. Er war unvermittelt in so etwas wie eine natürlich entstandene Nische gerannt, die sich auf einer felsigen Anhöhe auftat, wo ein Erdrutsch im Zuge der jüngsten Regenfälle ein Gewirr aus umgefallenen Bäumen und Büschen hinterlassen hatte. Den Krater des rauchenden Vulkans sah man über dem Rand dieses Amphitheater ähnelnden Gebildes, zu dem Dyson sie geführt hatte.

Alex kam ihm gemeinsam mit Veronica so nahe, dass sie sich unterhalten konnten, und blieb nun stehen. Sie schauten in dem halbkreisförmigen Hindernis, das sie einschloss, in beide Richtungen.

»Vielleicht schaffen wir es ja da rauf.« Alex zeigte auf einen umgekippten Stamm, der an einem schlammigen Hang lehnte. Er reichte nur halb so hoch wie das Gefälle, doch dort, wo er auflag, sahen mehrere lose Steine so aus, als böten sie genügend Halt beim Auftreten, um den oberen Rand der Sackgasse erreichen zu können.

Xander betrachtete den Baum misstrauisch.

»Entweder so, oder wir versuchen, um diesen Hügel herumzulaufen«, machte Veronica ihm deutlich, während sie nach hinten schaute, wo der Lärm der nahenden Meute langsam lauter wurde.

»Was soll’s?« Dyson rannte hinüber und stieg auf den Stamm. Als er Halt gefunden hatte, begann er, weiter nach oben zu gehen, wobei er die Arme wie ein Seiltänzer ausstreckte, um zu balancieren. Er legte ungefähr zwei Drittel des Wegs zurück, bevor er Alex und Veronica winkte, damit sie ihm folgten. »Das ist gut, wir können es schaffen; kommen Sie.«

Zunächst machte sich Alex an den Aufstieg über diese Holzrampe, dahinter folgte Veronica. Zu dem Zeitpunkt, als er sich fast auf halber Höhe befand, war Xander dem oberen Ende schon sehr nahe, doch dann fing der Stamm plötzlich an, in die aufgeschwemmte Erde des Hangs zu sinken. Xander drohte, dadurch abzurutschen. Zunächst fiel die Bewegung gar nicht auf.

»Wenn wir diese Steine dort erreichen, ist der Rest kinderleicht.« Kaum hatte er jedoch diesen Satz ausgesprochen, verschwand ihr fester Boden zusehends im Matsch, und einmal begonnen, ging es immer schneller.

»Springen Sie!«, schrie Alex Xander zu, als er bemerkte, dass dieser drauf und dran war, in Tonnen von nasser Erde gezogen zu werden, wo er ohne weiteres steckenbleiben und ersticken konnte, bevor sie dazu kamen, ihn herauszuziehen … falls Veronica überhaupt zulassen würde, dass Alex ihm half. Der Forscher stieß sich vom Holz ab, zog seine Beine aus dem Schlamm und rollte dann den Hügel hinunter auf den Waldboden zu, wobei er Alex und Veronica im Vorbeistürzen mit einem verstörenden Blick und atemlosen »Fuck« bedachte.

»Weiter.« Alex drehte sich auf dem Stamm um und erschrak, als er sah, wie sich die Zombie-Schar bereits der offenen Seite der Sackgasse näherte. »Los, los, los, sie haben uns schon fast eingeholt!«

Veronica hüpfte über den Baum nach unten, wo sie ankam, gerade als sich Xander wieder aufgerichtet hatte. Alex erreichte die beiden ein paar Sekunden später und unterbrach somit ihre gegenseitigen »Wenn Blicke töten könnten«-Einschüchterungsversuche.

»Schnell, wo lang?«

Veronica drehte sich nach den Zombies und dem Strand hinter ihnen um. »Zurück zum Schiff? Sollen wir uns dort verstecken und verschanzen, bis DeKirk eintrifft?«

»Und dann?«, fragte Alex. »Uns mit seiner Armee der Lebenden und jener der Toten anlegen?«

Xander schüttelte den Kopf. »Bevor wir das auch nur in Erwägung ziehen, bräuchten wir sowieso einen fahrbaren Untersatz, um es bis zum Schiff schaffen zu können. Außerdem ist es sowieso ein Wrack und mittlerweile gesunken.«

»Und was ist mit der Landebahn?«

»Die ist auch zu weit weg. Sie würden uns überrennen, bevor wie es schaffen könnten, entweder diese infizierten Scheißer oder ein Dinosaurier.« Xander zeigte hinauf zum Vulkan. »Der Karte im Kontrollraum der Anlage zufolge liegt am Fuß des Vulkans ein alter Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Koreaner Munition gehortet haben. Da es keine von DeKirks Einrichtungen ist, fehlen zwar die modernen Annehmlichkeiten, aber falls wir hineingelangen, können wir hoffentlich alles von uns fernhalten und den Rest der vierundzwanzig Stunden einfach aussitzen.«

»Warum haben Sie das Ding denn nicht früher erwähnt?«, maulte Alex.

Da niemandem etwas Besseres einfiel, liefen sie los und auf der linken Seite aus der Sackgasse heraus. Das Kreischen des Dinosauriers war jetzt lauter und ertönte nun schon fast direkt hinter ihnen, doch im Moment hatten sie dringendere Sorgen. Als das ungleiche Trio die Steilwand der Landschaftsnische erreichte, sahen sie den ersten Zombie. Er trug die in Fetzen hängende Uniform eines Mitglieds der Schiffsbesatzung und torkelte mit den Armen fuchtelnd hastig auf sie zu. Eine lange Schlange Untoter kam hinter ihm her – ein trottendes Gedränge, das eine Spur abgebrochener Baumzweige und umgestoßener Pflanzen hinter sich herzog.

Als Xander das Ende der Wand des Amphitheaters erreicht hatte, schaute er vorsichtig um die Ecke. »Der Vulkan! Los, weiter.« Er setzte zum Sprint an. Alex und Veronica sahen sich immer noch nach den Monstern um, ganz gebannt von dem tödlichen Schauspiel. Schließlich zog sie an seiner Hand.

»Wir müssen weg.«

»Augenblick!«, Alex starrte auf einen der Zombies in der vorderen Reihe. Dieser trug keine Uniform, weder eine Armee- noch Matrosenkluft, sondern relativ gewöhnliche Zivilkleidung.

Dann erkannte er, mit zunehmendem Entsetzen, das Gesicht wieder.

Es war das seines Vaters.

***

Auch trotz der krankhaften Blässe, des Blutes und der klaffenden Wunden – obwohl seine Wangenknochen eingefallen und hohl waren, unabhängig von den weit ins Leere starrenden Reptilienaugen konnte er ohne jeden Zweifel sehen, dass es sein Vater war, Marcus Ramirez.

»Dad? Dad!«, rief er, und die Zombies wankten schneller auf sie zu. Alex setzte sich in Bewegung und rannte auf das Ding zu, das einmal sein Vater gewesen war, doch Veronica hielt ihn an einer Schulter fest und zog ihn zurück.

»Alex, nein! Das ist nicht mehr Ihr Vater.«

»Aber …« Sein Verstand konnte diese abscheulichen Geschöpfe einfach nicht mit dem Mann in Einklang bringen, den er sein Leben lang gekannt hatte – dem Menschen, der ihm dieses Leben überhaupt erst geschenkt hatte.

»Er ist tot, Alex! Er ist tot! Und wir werden auch sterben, falls wir nicht in den Bunker gelangen. Kommen Sie mit, und zwar sofort

Sie zupfte an seinem Arm, woraufhin die beiden gemeinsam hinter Xander zum Vulkan eilten.