Die Schrödinger-Gleichung und die Wellenfunktion
In der Quantenmechanik werden die meisten Situationen
durch die sogenannte Schrödinger-Gleichung beschrieben. Die
zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung für
ein beliebiges Teilchen lautet folgendermaßen:
Da die Bestandteile dieser Gleichung in der Quantenmechanik von grundlegender Bedeutung sind, sollten Sie sich gründlich mit ihnen vertraut machen. Es sind
der Hamilton-Operator H
die Wellenfunktion ψ
die Energieeigenwerte E.
Aufgrund ihrer Wichtigkeit werden sie im folgenden ausführlich erläutert.
Der Hamilton-Operator
In der Quantenmechanik werden Messgrößen in Form von Operatoren dargestellt; daher spielen Operatoren in
der Quantenmechanik eine zentrale Rolle. Ein Operator erzeugt bei
der Anwendung auf eine Wellenfunktion eine neue Wellenfunktion. Ein
einfacher Operator, den Sie bereits kennen, ist der
Differentialoperator d/dx; wendet man
diesen auf eine Funktion ψ (x) an, so erzeugt er eine neue Funktion, in diesem
Fall die Ableitung der Funktion nach dem Ort. Der Impuls
p der klassischen Physik geht in
der quantenmechanischen Darstellung in den Impulsoperator i∇ über, und der quantenmechanische Operator für die
kinetische Energie Ekin = p2/2m lautet
.
Der Hamilton-Operator beschreibt dagegen die Gesamtenergie eines quantenmechanischen Systems. Er lautet somit wie folgt:
Dabei gilt:
beschreibt die kinetische Energie der Teilchen des
Systems.
V(r)
beschreibt bei der Anwesenheit eines äußeren Potentials die
potentielle Energie sowie im Fall mehrerer Teilchen die
Wechselwirkung zwischen ihnen.
Demzufolge kann man die Schrödinger-Gleichung auch in folgender Form schreiben:
Die Wellenfunktion ψ (r)
Die Wellenfunktion beschreibt den quantenmechanischen Zustand eines Systems. Wenn Sie die Wellenfunktion ψ (r) kennen, die die Schrödinger-Gleichung für ein gegebenes Potential und die entsprechenden Randbedingungen erfüllt, können Sie daraus alle weiteren beobachtbaren Größen dieses Systems herleiten. Sie werden im Laufe dieses Buches anhand zahlreicher, sehr unterschiedlicher Beispiele lernen, auf welche Weise dies möglich ist.
Neben dem Potential werden die Randbedingungen, die Sie aus der jeweiligen
Aufgabenstellung herauslesen müssen, eine wichtige Rolle bei der
Lösung spielen. Aber keine Angst, Sie wissen, Übung macht auch hier
den Meister.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass nicht alle mathematisch möglichen Lösungen einer Schrödinger-Gleichung auch physikalisch sinnvoll sind. Einige Anforderungen an sinnvolle Lösungen beziehen sich nur auf das konkrete Problem, andere lassen sich allgemein formulieren, wie die Bedingung der Normierbarkeit, die weiter im Abschnitt »Wie geht man bei der Lösung eines quantenmechanischen Problems vor« erläutert wird.
Die Energieeigenwerte E
Jetzt bleibt nur noch der Begriff Energieeigenwert zu klären. Eine Gleichung der Form Hψ (r) = Eψ (r), wie sie die Schrödinger-Gleichung darstellt, hat in der Theorie der Differentialgleichungen den Namen Eigenwertgleichung; ihre Bestandteile haben ebenfalls bestimmte Namen: Eine Lösung ψ (r) dieser Gleichung heißt Eigenfunktion zum Eigenwert E des Operators H. (Wenn Sie mehr über Differentialgleichungen erfahren wollen, empfehle ich Ihnen das Buch »Differentialgleichungen für Dummies« aus dem Wiley-VCh-Verlag. Es soll ja Leute geben, die Spaß am Lösen von Differentialgleichungen haben.)
Dabei gibt der Eigenwert E den eindeutig festgelegten Messwert der Größe H an. Das Ergebnis kann ein Kontinuum von Messwerten sein – in den meisten Fällen werden Sie jedoch sehen, dass sich die Eigenwertgleichung nur durch diskrete Eigenwerte erfüllen lässt, die wiederum von der Wahl der Randbedingungen abhängen. Mit anderen Worten, die erlaubten Messwerte sind quantisiert; genau aus diesem Grund wird dieses Gebiet der Physik Quantenphysik genannt.
Sie haben in diesem Abschnitt die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen und eine Dimension kennen gelernt. Die Erweiterung auf drei Dimensionen und mehrere Teilchen ist völlig unproblematisch; Sie werden sich in den Kapiteln 8–10 bzw. 11 ausführlich mit dreidimensionalen Problemen sowie Vielteilchen-Systemen beschäftigen. Darüber hinaus gibt es auch eine zeitabhängige Form der Schrödinger-Gleichung, auf die in Kapitel 4 kurz eingegangen wird (siehe »Berücksichtigung der Zeitabhängigkeit der Wellenfunktion«). Da die Zeitabhängigkeit aber darüber hinaus in diesem Buch keine Rolle spielt, wird sie hier nicht näher betrachtet.
Nachdem Sie jetzt einige neue Begriffe kennen gelernt
haben, möchte ich Ihnen noch einen Tip mit auf den Weg geben:
Betrachten Sie die Schrödinger-Gleichung einfach als eine
Grundgleichung der Quantenmechanik, deren Berechtigung auf ihrer
Fähigkeit beruht, die richtigen Ergebnisse zu liefern.
Keine Angst, sie müssen nicht in der Lage sein, die Schrödinger-Gleichung herleiten zu können. Sie müssen aber in der Lage sein, mit ihr zu arbeiten. Dies ist das Ziel dieses Buches, in dessen Verlauf diese bislang eher abstrakten Begriffe mit Leben gefüllt werden.