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Wasserstoffatome verstehen
In diesem Kapitel ...
Die Schrödinger-Gleichung für Wasserstoff
Die radialen Wellenfunktionen
Entartung der Energie
Der Aufenthaltsort des Elektrons
Eine der herausragenden Leistungen der Physik besteht in dem vollkommenen Verständnis des Aufbaus des Periodensystems der Elemente, das wiederum auf der Kenntnis des Atomaufbaus aller Atome beruht. Die Prinzipien, die dem Atomaufbau zugrunde liegen, wurden größtenteils im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts am Wasserstoffatom abgeleitet. Wichtige Meilensteine waren 1913 das von Niels Bohr entworfene Bohrsche Atommodell, das von der Annahmen eines kleinen, schweren, positiven Atomkerns ausging, und die Erweiterung von Arnold Sommerfeld zum Bohr-Sommerfeldschen Atommodell. Sommerfeld entdeckte dabei die drei räumlichen Quantenzahlen und die Richtungsquantelung des Drehimpulses (siehe Kapitel 6).
Der Durchbruch bei der Beschreibung des Wasserstoffatoms und die Grundlage der heutigen Modellvorstellung gelang 1925/26 mit der Entwicklung der Quantenmechanik durch Werner Heisenberg (Matrizenmechanik) und Erwin Schrödinger (Wellenmechanik). Diese neue Theorie ermöglichte erstmals die exakte Beschreibung des Wasserstoffatoms. Dabei gelang es Schrödinger mithilfe der Wellenmechanik, nicht nur die Energien zu berechnen, sondern auch die geometrische Form der Elektronenorbitale zu bestimmen.
Allerdings ist das Wasserstoffatom auch das einzige Atom, für das man die Schrödinger-Glei-chung vollständig lösen kann. Systeme mit mehr als einem Elektron können auch heute mathematisch nicht exakt gelöst werden. Da es jedoch einige gute Näherungsverfahren gibt, kann inzwischen auch das Verhalten von Atomen mit vielen Elektronen mit großer Genauigkeit berechnet werden.
Nach diesem kurzen historischen Abriss wundern Sie sich sicher nicht, dass das Wasserstoffatom auch in diesem Buch eine zentrale Rolle spielt. Man kann sogar sagen, dass die ersten neun Kapitel dieses Buches so aufgebaut sind, dass sie Sie auf die Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom vorbereiten.
Ihre Erfahrung mit Zentralpotentialen und die Kenntnis der Möglichkeit, die dreidimensionale Schrödinger-Gleichung aufgrund der Kugelsymmetrie des Problems in drei unabhängige Gleichungen zu separieren, werden Ihnen im folgenden bei der Berechnung des Wasserstoffatoms eine große Hilfe sein. Auch in diesem Fall wird die Lösung des radialen Teils der Schrödinger-Gleichung wieder einen Großteil der Lösung des Gesamtproblems ausmachen. Darüber hinaus werden Sie mit dem Wechsel zu Schwerpunkt-Koordinaten ein weiteres Verfahren zur Vereinfachung der Schrödinger-Gleichung kennen lernen. Doch zunächst wird im folgenden Abschnitt erst einmal das Wasserstoffatom betrachtet und die dazugehörige Schrödinger-Gleichung aufgestellt.