Dienstag, 24. Februar, 11.30 Uhr
»Ich hasse Krankenhäuser mindestens so sehr wie Leichenschauhäuser«, brummte Abe.
Mia schaute unbeirrt auf die Fahrstuhlanzeige. »Ich weiß. Das hast du mir gestern schon erzählt, als wir hier waren.« Der Fahrstuhl kündigte sich mit einem Pling an, und die Türen glitten zur Seite. »Jetzt sei nicht so ein Mädchen und komm. Ich will mit ihm reden, bevor er wieder das Bewusstsein verliert.«
Die Krankenschwester in Carsons Zimmer empfing sie mit finsterer Miene. »Er kann nicht mit Ihnen reden. Sein Zustand ist dazu nicht stabil genug.«
»Er ist am Leben«, fuhr Mia sie an. »Wodurch er in einem besseren Zustand ist als die neun Leichen im Kühlhaus.«
Carson lag in seinem Bett, das Gesicht grau wie Asche. »Muñoz?«
»Ist tot«, erwiderte Abe.
»Toller Leibwächter«, murmelte Carson. »Dem zahle ich keinen Cent mehr.«
Mia verdrehte die Augen, verkniff sich jedoch jeglichen Kommentar. »Wir haben nur ein paar Fragen, Mr. Carson, dann lassen wir Sie wieder in Ruhe. Wir müssen wissen, was Sie gestern zu dieser bestimmten Stelle geführt hat.«
Carson schloss die Augen. Er atmete flach. »Das Versprechen auf Informationen«, sagte er. »Ich bekam am Abend einen Anruf auf dem Handy. Der Mann sagte mir, er hätte Informationen über Melanie Rivers.«
»Wer ist Melanie Rivers?«, fragte Abe, und Carson schnitt eine Grimasse.
»Eine kleine weiße Göre.« Er machte eine Pause, rang um Luft und fuhr dann fort: »Sie hat meinen Klienten angeklagt. Angeblich hat er sie bei einer Party vergewaltigt. Sie weiß genau, dass er Geld hat.« Er rang erneut um Atem. »Sie will eine fette Abfindung. Teure Hure.«
Abe hatte Mühe, seine wachsende Abneigung zu verbergen. »Vielleicht sagt sie die Wahrheit.«
»Und wenn – was dann?« Carson öffnete die Augen, die trotz seines jämmerlichen Zustands scharf wirkten. »Ich weiß, was Sie von mir halten, aber ehrlich gesagt ist mir das vollkommen egal. Ich erwarte ohnehin nicht, dass Sie wirklich etwas unternehmen.«
»Ach. Und wie kommt das?«, fragte Mia kalt.
Carsons blutleere Lippen verzogen sich. »Er macht doch die Drecksarbeit für Sie, dieser Killer. Wenn wir die Rollen tauschen könnten, würde ich vermutlich auch im passenden Moment wegsehen.«
Mia öffnete den Mund, um etwas zu sagen, entschied sich dann aber dagegen.
»Wer hat Ihre Handynummer, Mr. Carson?«
»Nicht viele. Deswegen wollte ich ja auch zu diesem Treffen gehen. Er hat behauptet, er hätte die Nummer von einem gemeinsamen Freund und wolle mir helfen. Gegen eine kleine Gebühr.« Er atmete schwer, schlug aber die Hand der Krankenschwester weg, als sie den Beatmungsschlauch in seiner Nase richten wollte. »Er wollte zweitausend. Wenn wir den Fall gewonnen hätten, wäre das billig gewesen.«
Abe fragte sich gerade, was für Freunde ein Parasit wie Carson hatte, als ihm plötzlich etwas einfiel. »Denken Sie, dass Trevor Skinner Ihre Handynummer gekannt hat?«, fragte er. »Könnte er sie in seinem Adressbuch notiert haben?«
»Ich schätze schon.« Carsons Stimme wurde schwächer. »Trev hat sein ganzes Leben in seinem Blackberry gehabt.«
»Seinem elektronischen Organizer, meinen Sie?«
Carson nickte. »Kluges, kleines Ding. Trev konnte von überall E-Mails verschicken.« Er zog eine Braue hoch. »Er hatte das Ding nicht mehr bei sich, als man ihn gefunden hat?«
»Nein.« Abe schüttelte den Kopf. »Nein, hatte er nicht.«
»Dann würde ich sagen, Sie haben ein hübsches Stück Arbeit vor sich, Detectives. Trev kannte die Privatnummern aller seiner Klienten und die von der halben Anwaltschaft Chicagos dazu. Die Richter nicht zu vergessen.«