Donnerstag, 26. Februar, 17.00 Uhr

Kristen lachte, als ein scheußlicher Hut auf ihrem Tisch landete. Sie schaute auf und sah die grinsende Mia vor sich. »Was ist das?«

»Ein Geschenk für Sie.«

Abe trat hinter Mia hervor. »Sie hat sich mit einer Hutmacherin angefreundet.«

Mia setzte sich an ihren eigenen Tisch und seufzte. »Sie tat mir irgendwie Leid. So allein in ihrem Laden.«

»Sie ist allein, weil sie eine fiese Alte ist.« Abe zog sich einen Stuhl heran und setzte sich mit dem Oberkörper zur Rückenlehne darauf. Er war ihr beinahe so nah, dass sie ihn berühren konnte, und sein Anblick brachte die Erinnerungen in einer Flut zurück. Kristen streckte die Finger nach ihm aus, ballte sie aber rasch zur Faust und konzentrierte sich auf den abscheulichen Hut, doch aus dem Augenwinkel sah sie ihn grinsen. Er genoss offensichtlich seine Wirkung auf sie. »Außer dir gegenüber, Mia. Du kannst jeden um den Finger wickeln.«

Mia verzog das Gesicht. »Halt die Klappe. Willst du es ihr sagen oder soll ich?«

Abe machte eine ausladende Geste. »Tu dir keinen Zwang an.«

Kristen lauschte, als Mia die Unterhaltung mit Keene wiedergab. »Also hat Robert schon früh angefangen«, schloss sie. »Vorausgesetzt es war wirklich er, der den Mörder seines Bruders ins Aus befördert hat.«

»Die Junior-Bürgerwache. Jeden Tag eine gute Tat, wie die Pfadfinder.«

Kristen schüttelte grinsend den Kopf. »Mia! Also – was denkt ihr beide? Könnte Robert Barnett unser Mann sein? Sein Name taucht nirgendwo auf meinen Listen auf, aber …«

Abe nickte. »Ich würde sagen, es ist eine heiße Spur, nur leider stecken wir in einer Sackgasse. Über Keene hinaus finden wir nichts mehr. Wie ist es dir heute ergangen?«

»Ich habe jeden angerufen, der mit einem Fall zu tun hatte, bei dem Hillman Richter und Simpson Verteidiger war. Kein Trauma, zwei Einladungen zu einer Jubelfeier, eine Nominierung des Rächers für den Nobelpreis und drei, die ich nicht erreichen konnte. Ich versuche es morgen noch einmal. Oh, und ich habe Paul Worth gefunden. Er müsste dann ja Robert Barnetts Onkel sein.«

Abe zog eine Braue hoch. »Und?«

»Er lebt in einem Pflegeheim am Lincoln Park und ist nicht mehr wirklich bei sich. Allerdings habe ich mit seinem Steuerberater gesprochen, der das Grundstück verwaltet. Paul Worth hat keine Kinder. Nach seinem Tod fällt das Land an den Staat zurück.«

»Ich würde gerne wissen, wie unser Mann von dem Grundstück erfahren hat«, sagte Abe.

»Schwer zu sagen. Aber wenn es sich um Robert Barnett handelt, kann er durchaus Kontakt zu den Worths aufgenommen haben.« Sie reichte ihm ein Blatt Papier, auf dem sie Notizen gemacht hatte. »Ich habe im Pflegeheim nachgefragt, ob ihr mit ihm reden könnt. Sie meinten, ihr könntet es gerne versuchen. Ich wollte nicht allein hinfahren, und Spinelli ist nicht da.«

Abe warf einen Blick zu Spinellis leerem Büro. »Wo ist er hin?«

Kristen seufzte. »Bürgermeister.«

Mia zog die Schultern ein. »Uh-oh.«

»Genau. Um sieben findet eine Pressekonferenz statt. Das wird nicht besonders schön werden.«

Sie schwiegen einen Moment lang, dann klingelte Abes Handy. Kristens Herz setzte einen Schlag aus. Ihre Nerven waren schon den ganzen Tag zum Zerreißen gespannt, und sie hatte sich unablässig um die Reagans, Owen und ihre Mutter Sorgen gemacht, aber allen ging es gut. Sie hatte Lois und Greg gewarnt und ansonsten nicht mehr gewusst, was sie noch hätte tun können, um die Leute, die ihr nahe standen, zu schützen.

»Reagan.« Sein Gesicht verhärtete sich, und Kristen packte seinen Arm.

»Rachel?«

Er schüttelte den Kopf, legte seine Hand über ihre und drückte sie kurz. Dann stand er auf und entfernte sich ein paar Schritte. »Das ist jetzt nicht gerade der beste Zeitpunkt«, murmelte er. »Nein, ich kann heute Abend nicht zum Dinner … auch nicht auf einen Drink. Verdammt, Jim, sag einfach, was du sagen willst, und dann ist es gut.«

Jim. Debras Vater. Armer Abe.

»Okay. Ich versuch’s.« Abe klappte sein Handy zu und stand einen Moment lang einfach nur da. Er wirkte so einsam, dass ihr Herz einen Sprung bekam. Ohne sich darum zu kümmern, ob sie beobachtet wurde, stand sie auf und strich ihm über den breiten Rücken. Er spannte sich an, wandte sich zu ihr um und sah, dass sie verstand. »Sie sind zur Taufe in der Stadt. Sie wollen, dass ich sie zum Essen treffe.«

»Warum?«

Er rollte mit den Schultern. »Weiß nicht. Um zu reden, sagt er.«

»Willst du, dass ich mitkomme?«

Ein winziges Lächeln bewegte seine Mundwinkel. »Danke, aber besser nicht. Sei nicht böse.«

»Bin ich nicht.« Sie legte ihre Stirn auf seinen Oberarm. »Ich mache mir nur Sorgen um dich.«

Hinter ihnen räusperte sich Mia geräuschvoll. »Hi, Marc.«

Kristen und Abe fuhren gleichzeitig herum und begegneten Spinellis Blick. Einen unbehaglichen Augenblick lang starrten alle einander an. Dann seufzte Spinelli. »Na, dann hat diese Sache ja wenigstens etwas Gutes.«

Kristen ließ die Hand von Abes Rücken fallen. »Der Bürgermeister ist nicht bester Laune, richtig?«

Spinelli ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Nun, wie man es nimmt. Wir sind inkompetent, machen uns zum Narren, werden als Witzfiguren dargestellt, sind überhaupt eine Schande. Es gab natürlich noch diverse andere Vorwürfe, aber das waren die Höhepunkte. Mia, rufen Sie Murphy an. Finden Sie heraus, ob er dieses Mädchen auftreiben konnte.« Er schnippte mit den Fingern und zog die Brauen zusammen. »Wie hieß sie noch mal?«

»June Erickson«, sagte Mia. »Mach ich.«

Sein Blick erfasste den Hut. »Und was ist das?«

»Eine Geschmacksverirrung«, sagte Abe. »Ich bringe Sie auf den neusten Stand.«

Chicago Reihe 03 - Des Todes liebste Beute
titlepage.xhtml
haupttitel.html
chapter1.html
chapter2_split_000.html
chapter2_split_001.html
chapter3.html
chapter4.html
chapter5.html
chapter6.html
chapter7.html
chapter8.html
chapter9.html
chapter10.html
chapter11.html
chapter12.html
chapter13.html
chapter14.html
chapter15.html
chapter16.html
chapter17.html
chapter18.html
chapter19.html
chapter20.html
chapter21.html
chapter22.html
chapter23.html
chapter24.html
chapter25.html
chapter26.html
chapter27.html
chapter28.html
chapter29.html
chapter30.html
chapter31.html
chapter32.html
chapter33.html
chapter34.html
chapter35.html
chapter36.html
chapter37.html
chapter38.html
chapter39.html
chapter40.html
chapter41.html
chapter42.html
chapter43.html
chapter44.html
chapter45.html
chapter46.html
chapter47.html
chapter48.html
chapter49.html
chapter50.html
chapter51.html
chapter52.html
chapter53.html
chapter54.html
chapter55.html
chapter56.html
chapter57.html
chapter58.html
chapter59.html
chapter60.html
chapter61.html
chapter62.html
chapter63.html
chapter64.html
chapter65.html
chapter66.html
chapter67.html
chapter68.html
chapter69.html
chapter70.html
chapter71.html
chapter72.html
chapter73.html
chapter74.html
chapter75.html
chapter76.html
chapter77.html
chapter78.html
chapter79.html
chapter80.html
chapter81.html
chapter82.html
chapter83.html
chapter84.html
chapter85.html
chapter86.html
chapter87.html
chapter88.html
chapter89.html
chapter90.html
chapter91.html
chapter92.html
chapter93.html
chapter94.html
chapter95.html
chapter96.html
chapter97.html
chapter98.html
chapter99.html
chapter100.html
chapter101.html
chapter102.html
chapter103.html
chapter104.html
chapter105.html
chapter106.html
chapter107.html
chapter108.html
chapter109.html
chapter110.html
chapter111.html
chapter112.html
chapter113.html
chapter114.html
chapter115.html
chapter116.html
chapter117.html
chapter118.html
chapter119.html
chapter120.html
chapter121.html
chapter122.html
chapter123.html
chapter124.html
chapter125.html
chapter126.html
chapter127.html
chapter128.html
chapter129.html
chapter130.html
chapter131.html
chapter132.html
chapter133.html
chapter134.html
chapter135.html
chapter136.html
chapter137.html
chapter138.html
chapter139.html
chapter140.html
chapter141.html
chapter142.html
chapter143.html
chapter144.html
chapter145.html
chapter146.html
chapter147.html
chapter148.html
chapter149.html
chapter150.html
chapter151.html
chapter152.html
chapter153.html
chapter154.html
chapter155.html
chapter156.html
chapter157.html
chapter158.html
chapter159.html
chapter160.html
chapter161.html
chapter162.html
chapter163.html
chapter164.html
chapter165.html
chapter166.html
chapter167.html
chapter168.html
chapter169.html
chapter170.html
chapter171.html
chapter172.html
info_autor.html
info_buch.html
impressum.html
hinweise.html