5
Bandisch lehnte am Rahmen der Tür zu Dattners Büro Geschäft. Er sah auf die Uhr, als er die langen, geschmeidigen Sprünge eines Mannes auf der Treppe hörte. Es war drei Minuten vor halb neun.
Als der Mann am Treppenabsatz erschien und Bandisch erblickte, stutzte er kurz, kam dann aber langsam näher. Jeder Schritt verriet lauernde Wachsamkeit.
»Sind Sie Peter Brehm?«, fragte Bandisch.
»Und wenn? Wer sind Sie?«
Bandisch musterte Brehm. Brehm trug helle Hosen und ein dunkleres Jackett über einem leichten Pullover. Er war sehr schlank und machte einen durchtrainierten Eindruck. Brehm war 29 Jahre alt, nicht verheiratet, nach der mittleren Reife und zwei abgebrochenen Lehren hatte er sich als Vertreter durchgeschlagen, bis er vor fünf Jahren bei Dattner als Fahrer angeheuert hatte. Das war in etwa alles, was Bandisch über Brehm aus den Akten erfahren hatte. Bandisch zog seine Marke.
»Kriminalpolizei. Mein Name ist Bandisch.«
Brehms gespannte Haltung lockerte sich. Seine braunen Augen zuckten unmerklich, und er öffnete den Mund, um einmal tief Atem zu holen. Bandisch vermochte keine Schlüsse aus Brehms Reaktionen zu ziehen. Brehm schien erstaunt, auch erschreckt. Vielleicht dachte er an den Tag vor zwei Jahren. Da hatten ihn die Beamten der Mordkommission nachts um eins vorm Haus seiner Mutter abgefangen, als er aus seiner Stammkneipe kam. Sein Alibi damals war in Ordnung gewesen. Er war mit der Straßenbahn nach Hause gefahren, hatte mit seiner Mutter zusammen gegessen und dann in der Kneipe mit drei Männern, die ihn kannten, Billard gespielt.
Bandisch schloss die Tür zu Dattners Büro auf und ließ Brehm vorgehen. Brehm ließ ihn nicht aus den Augen, als er sich an ihm vorbeischob. Erst als Bandisch die Außentür schloss, huschten seine Augen zur offenen Tür in den anderen Raum, wo vor zwei Jahren Max Dattner gelegen hatte. Die Blutflecken auf dem abgetretenen Teppichboden waren übers Wochenende eingetrocknet und hoben sich kaum von den Kaffee und anderen Schmutzspuren ab.
»Gehen wir durch««, sagte Bandisch. Er ging vor und betrat das Büro mit den beiden Schreibtischen und dem Safe. Er setzte sich auf Else Frings Stuhl. Der Bildschirm des Monitors schimmerte stumpf. »Nehmen Sie Platz, Herr Brehm«, sagte er.
Brehm zog sich einen Stuhl zurecht. Unverwandt sah er Bandisch an. »Sie sollten mir jetzt endlich sagen, was los ist. Ich glaube, das ist üblich. Ist etwas mit Herrn Dattner?«
»Haben Sie es nicht gehört?«
»Nein.« Er strich über sein makellos frisiertes welliges Haar. Die Bewegung verriet Nervosität. Nicht mehr, nicht weniger.
»Er wurde überfallen und verletzt. Er liegt im Krankenhaus. Frau Frings ist zu Hause. Sie wurde niedergeschlagen.«
»Wann?«
»Eins nach dem anderen. Ich muss Sie auf Verschiedenes aufmerksam machen. Dieses hier ist keine formelle Zeugenvernehmung. Sie können darauf bestehen, Ihre Zeugenaussage im Präsidium zu Protokoll zu geben. Wenn Sie darauf bestehen, werden Ihnen keinerlei Nachteile entstehen.«
»Was Sie da sagen, hört sich reichlich mysteriös an. Können mir denn Nachteile entstehen, wenn ich hier mit Ihnen spreche?«
»Möglicherweise. Ich will Ihnen nicht verheimlichen, dass ich Ihre Aussage unter dem Aspekt einer möglichen Tatbeteiligung Ihrerseits betrachten werde.«
»Dann sollte ich wohl sehr vorsichtig sein, wie?«
»Mir ist an einem möglichst schnellen Erfolg gelegen.«
»Wenn Sie mich überführen, wäre es wohl ein besonders schneller Erfolg.«
»Ich würde es auch als Erfolg ansehen, wenn ich Sie aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen könnte. Deshalb habe ich Sie hier abgefangen, und deshalb würde ich Ihnen gern einige Fragen stellen, bevor ich Sie über den Sinn der einzelnen Fragen aufkläre. Ich wiederhole aber — es entstehen Ihnen keinerlei Nachteile, wenn Sie darauf bestehen, zuerst informiert zu werden.«
Brehm überlegte. Sein Unterkiefer vollführte mahlende Kaubewegungen. Bandisch saß ruhig da, ruhiger als es seiner Gemütslage entsprach. Vielleicht besaß er in diesem Augenblick schon keinerlei Recht mehr, im Fall Dattner zu ermitteln. Er war sich nicht sicher, ob Heubel ihn decken würde, wenn Wißkirchen Theater machte. Ihm war zudem bewusst, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Machte er einen Fehler, konnte die Schuld bei ihm liegen, wenn ein Mörder entwischte.
»Ihre Kollegen haben mir ganz schön zugesetzt, damals«, sagte Brehm. »Aber dann stand ich ganz weiß da, ganz weiß.«
»Ihr Alibi war astrein«, bestätigte Bandisch. »Wo waren Sie denn dieses Mal?«
»Wann?«
»Fangen Sie mit Freitagnachmittag an. Wann haben Sie Feierabend gemacht? Und dann plaudern Sie locker weiter.«
»Viertel nach fünf bin ich gegangen. Ich habe Herrn Dattners Wagen noch in die Garage gefahren.«
»Welche Garage?«
»Dieselbe wie damals.«
»Welche?«
»Schnook Garage, Ecke Kreuzstraße.«
»Wie lange haben Sie sich dort aufgehalten?«
»Überhaupt nicht. Ich bin sofort zum Bahnhof gegangen. Unser Zug fuhr um siebzehn Uhr zweiundfünfzig. Meinen Koffer hatte ich am Morgen schon mitgebracht, er lag im Wagen. Schorsch, das ist der Tankwart, hat mich gesehen.«
»Unser Zug?«
»Nach Lüdenscheid, der Jahresausflug des Kegelklubs. Wenn Herr Dattner mich nicht braucht, fahre ich mit. Jedes Jahr im April. Ich bin Mitglied in sechs Vereinen, nein, sieben, ich habe die Bürgerinitiative gegen den Erweiterungsbau des Stahlwerks in Reisholz vergessen.«
»Sie waren in Lüdenscheid?«
»In Neuenmühle, am Verse-Stausee.«
Bandisch schob Brehm ein Blatt Papier und einen Bleistift zu. »Sind Sie zusammen gefahren?«
»Genau. Elf Mann.« Brehm lächelte. »Ist das Alibi gut?«
»Zu gut. Schreiben Sie die Namen und Adressen Ihrer Kegelbrüder auf, und den Namen des Hotels, in dem Sie gewohnt haben.«
»Wieso zu gut?« Das Lächeln in Brehms Mundwinkeln wurde starr.
»Nicht jeder kann zweimal ein perfektes Alibi vorweisen, wenn er eins braucht.«
»Wann fand der Überfall statt?«
»Genau um sechs.«
»Da saß ich schon im Zug. Also bin ich draußen.«
Bandisch sagte nichts.
»Was gefällt Ihnen nicht?«, fragte Brehm. »Sie sind doch nicht zufrieden.«
»Die Täter waren mit den Örtlichkeiten vertraut. Beide Male.«
»Daher weht also der Wind. Da war so ein Typ namens Pollack. Kennen Sie den?«
»Ich glaube nicht.«
»Nennt sich Privatdetektiv. Der war monatelang hinter mir her. Der dachte auch, ich hätte den Kerlen den Tipp gegeben.«
Bandisch sah sein Gegenüber ausdruckslos an. »Und? Haben Sie geplaudert? Vielleicht unbeabsichtigt?«
Brehm erwiderte den Blick. Seine Lippen waren farblos und straff gespannt wie Wolfslefzen. »Sie sind auf dem Holzweg«, stieß er unwirsch hervor. »Ich bin keine Plaudertasche.«
»Was verdienen Sie bei Dattner?«
Brehm zögerte.
»Ich erfahre es ja doch.«
»Zweitausend im Monat.«
»Netto?«
»Brutto.«
»Irgendwelche Nebeneinkünfte?«
»Nein, keine.«
»Kommen Sie denn zurecht? Zweitausend Mark sind nicht gerade eine Stargage.«
»Ich brauche nicht viel. Mein Vater ist vor zehn Jahren gestorben. Ich wohne bei meiner Mutter in Reisholz. Das Haus gehört ihr.«
»Was hält Sie bei Dattner? Als Fahrer könnten Sie doch bei jeder anderen Firma mehr verdienen.«
Brehm zögerte. Dann sagte er: »Ich weiß nicht, ob ich das zugeben darf. Ich meine, ich möchte erst mit Herrn Dattner sprechen.«
»Ich bin nicht vom Finanzamt. Unser Gespräch wird nicht protokolliert.« Bandisch lächelte angestrengt. »Ich bin auch keine Plaudertasche.«
»Ich bekomme Spesen, steuerfrei. Und es fallen eine Menge Überstunden an. Die bezahlt Herr Dattner mir bar auf die Hand. Brutto für netto.«
»Wie viel? So im Durchschnitt?«
»Mit den Spesen kommen da so um die tausend Mark im Monat zusammen.«
Bandisch nickte, obwohl er mit dem Verlauf des Gesprächs unzufrieden war.
»Betrachten Sie sich auch als Herrn Dattners Leibwächter, wenn Sie zusammen unterwegs sind?«
Brehm hob unbestimmt die Schultern. »Ich habe nicht vor, wegzulaufen, wenn ...« Er brach ab, als das Telefon summte, und sah Bandisch fragend an.
»Gehen Sie ran, wenn Sie wollen.«
Brehm hob ab. »Firma Dattner, Brehm am Apparat. Herr Dattner ist heute nicht im Haus. — Ich weiß es nicht genau. Kann er Sie anrufen?« Brehm schrieb einen Namen auf den Stenogrammblock der Frings und legte auf. »Ein Kunde«, sagte er, »Ich weiß nicht einmal, in welchem Krankenhaus Herr Dattner liegt.«
»Darauf können wir gleich zurückkommen. Wir sprachen eben ...« Bandisch unterbrach sich, als das Telefon erneut klingelte. Er nickte, und Brehm hob ab.
»Firma Dattner, Brehm — Nein, ich weiß nicht, wo Herr Dattner ist. — Wer spricht? Sind Sie das, Pollack?« Brehm fletschte die Zähne. »Ich habe es selbst erst vor fünf Minuten erfahren. Sie können mit dem Beamten von der Kripo sprechen ...«
Brehm hielt den Hörer von sich und sah Bandisch an. Sein Gesicht war starr, die Haut blass. Als dieser abwinkte, beendete Brehm das Telefongespräch und wandte sich wieder an Bandisch. »Das war dieser Privatdetektiv. Er wollte wissen, wo Herr Dattner liegt. Herr Dattner beschäftigt ihn immer noch, weil er hofft, irgendwie eine Spur von den Mördern seines Sohnes zu finden. Über die gestohlenen Diamanten, mit einer Belohnung, er ist zu allem bereit, glaube ich. Er hat Beschreibungen der gestohlenen Stücke an alle seine Geschäftsfreunde gegeben. Er hat große Inserate in alle Fachzeitschriften eingerückt, auch in ausländische.«
»Kommen wir auf Freitagnachmittag zurück«, sagte Bandisch. »Wann sind Sie gegangen?«
»Um Viertel nach fünf. Herr Dattners Wagen stand noch unten an der Parkuhr. Es steckte ein Strafzettel unter dem Scheibenwischer.« Brehm griff in die Außentaschen seines Jacketts. »Ich habe ihn in den Wagen gelegt. Den Wagen habe ich dann in die Garage gefahren ...«
»Wann machen Sie freitags üblicherweise Feierabend?«
»Wenn Herr Dattner mich nicht mehr braucht. Um sechs oder Viertel nach sechs geht er immer zu Schuhmacher rüber, zum Stammtisch. Jeden Freitag. Er lässt keinen aus, wenn er in der Stadt ist. Ich bleibe meistens bis halb sechs. Dann bringe ich den Wagen weg und fahre nach Hause.«
»Sie fahren Herrn Dattner also nicht nach Hause?«
»Freitags nicht, an den anderen Wochentagen ja.«
»Also steht der Wagen immer unten, bis Sie Herrn Dattner nach Hause fahren oder Feierabend machen.«
»Wenn ich eine freie Parkuhr finde.«
»Wer Sie oder das Haus beobachtet, kann also dahinterkommen, dass Herr Dattner freitags allein in seinem Büro ist.«
»Nun, ganz allein ist er nicht. Frau Frings geht immer erst um sechs. Punkt sechs.«
Dattners Achillesferse. Freitags sechs Uhr. Zweimal hatten Verbrecher zugeschlagen. Beide Male um Punkt sechs Uhr, oder eine Minute später.
»Denken Sie jetzt einmal genau nach, Herr Brehm. Ist Ihnen entweder am Freitag oder in den letzten Tagen oder an den vorangegangenen Freitagen etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Fremde Männer, die sich im Haus aufhielten? Die vielleicht nach Hausbewohnern oder Büros fragten, die es nicht gibt? Sind Sie angesprochen worden? Vielleicht beim Mittagessen? Oder haben Sie sonst etwas bemerkt? Fahrzeuge, in denen Männer saßen?«
Bandisch wartete geduldig, obwohl ihm die Zeit auf den Nägeln brannte. Montags um zehn Uhr hielt Heubel die erste Einsatzbesprechung der Woche ab. Er würde zu spät kommen. Sollte er sich eine Ausrede zurechtlegen? Er warf einen Blick auf das Telefon. Er konnte den Chef anrufen und ihm irgendetwas erzählen.
»Ich weiß es nicht«, sagte Brehm.
»Was wissen Sie nicht?«
»Mir ist nichts aufgefallen.« Brehms Stirn war gerunzelt, seine Augen zeigten einen abwesenden Ausdruck. »Da war mal ein brauner Toyota, ein Kombi ...«
»Ja?«, sagte Bandisch leise. Er hätte jetzt gern eine Zigarette geraucht, aber er hatte sein Päckchen wieder unten im Wagen gelassen. Ihm fiel ein, dass er die Parkuhr nicht gefüttert hatte. Er warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Es war Viertel nach neun. So früh waren die Knöllchenmiezen noch nicht unterwegs.
»Ich weiß gar nicht, wieso ich an diesen Wagen denke. Er stand ein paarmal auf der anderen Straßenseite, aber deshalb ist er mir nicht aufgefallen. Ein Freund von mir hat ebenfalls einen braunen Toyota Kombi, den gleichen Typ.«
»Kann es der Wagen Ihres Freundes gewesen sein?«
»Nein«, antwortete Brehm bestimmt. »Den Wagen kenne ich genau. Wir fahren damit immer gemeinsam nach Haan, zum Squash-Spielen. Und außerdem, der Mann, der am Steuer saß ... Er war massig. Oder dick.«
Bandisch verbarg seine Spannung. Er ließ dem anderen Zeit, half ihm mit vorsichtigen Fragen, die das Erinnerungsvermögen unterstützen sollten.
»Haben Sie ihn nur unten auf der Straße gesehen? Oder auch anderswo?«
Es musste einen Grund geben, wenn Brehm ein einzelner Wagen unter Dutzenden auffiel. Dass es der gleiche Wagen war, den ein Freund von ihm fuhr, mochte einen Teil dieser Aufmerksamkeit erklären, aber eben nur einen Teil.
»Er hat einmal bei Schorsch getankt!«
»Wann war das?«
Brehm runzelte die Stirn. »Vor vier Wochen, vielleicht auch sechs. Ich weiß es nicht mehr.«
Bandisch verbarg seine Enttäuschung. Dann würde sich der Tankwart nicht mehr an den Wagen und seinen Fahrer erinnern.
»Weshalb ist Ihnen der Wagen da aufgefallen?«
»Weil es derselbe ist, den auch mein Freund fährt.«
»Und dann?«
»Na, dann stand er ein paarmal gegenüber. Ich hab den Kerl eben wiedererkannt.«
»Wie oft haben Sie ihn gesehen?«
»Keine Ahnung. Dreimal? Viermal?«
»Haben Sie auf das Kennzeichen geachtet?«
»Eine Düsseldorfer Nummer. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Beschreiben Sie den Fahrer.«
»Einmal trug er einen roten Pullover. Er hat dünnes Haar.«
»Welche Farbe?«
»Dunkel.«
»Schwarz?«
»Nein, nicht schwarz. Dunkelblond oder so. Volles Gesicht, rundes Kinn. Er machte einen ungepflegten Eindruck. Er war schlecht rasiert, oder es waren Bartschatten, ich weiß es nicht mehr so genau. Hinten in seinem Wagen lagen Farbeimer und Anstreicherwerkzeuge. Vielleicht ist er mir deshalb aufgefallen.«
»Weil Farbeimer drinlagen?«, fragte Bandisch verwundert.
»Ja. Ich hatte damals gerade das Schlafzimmer meiner Mutter renoviert. Wahrscheinlich habe ich nur deshalb die Dosen und Pinsel bemerkt.«
»Wann haben Sie das Zimmer renoviert? Können Sie sich daran erinnern?«
»Nach Karneval. In der Woche nach Karneval. Herr Dattner war nach Amsterdam geflogen. Warten Sie.« Brehm drehte den großen Tischkalender herum und blätterte einige Seiten zurück. »Frau Frings hat es bestimmt aufgeschrieben. Hier steht es, 9. und 10. März. Herr D. in Amsterdam. Ich hatte die beiden Tage frei.«
Bandisch schrieb die Daten in sein Notizbuch. »Montag und Dienstag also. Vor sieben Wochen. Wann ist Ihnen der Toyota nun aufgefallen? Gleich am Mittwoch? Oder erst später?«
»Ich habe Herrn Dattner am Flughafen abgeholt. Der Wagen war vollgetankt. Ich habe ihn ins Büro gefahren, mittags nach Hause ... Am Mittwoch hat Herr Dattner mir den Nachmittag freigegeben, weil er nichts mehr vorhatte. Ich habe den Wagen mit nach Hause genommen. Es muss also am Donnerstag gewesen sein.«
»Haben Sie ihn am vergangenen Freitag gesehen?«
»Nein. Ich habe ihn nicht bemerkt.«
Bandisch klappte sein Notizbuch zu.
»Hat der Mann mit dem Toyota etwas mit dem Überfall zu tun?« fragte Brehm.
»Ich weiß es nicht.« Bandisch deutete auf den Monitor. »Können Sie das Ding einschalten?«
»Ja.«
»Dann machen Sie mal.«
Brehm kam um den Schreibtisch herum und betätigte zwei Schalter. Bald leuchtete der Schirm auf und zeigte das Bild des Flurs.
»Gehen Sie nach draußen. Lassen Sie die Türen auf. Gehen Sie zum Aufzug und zurück.«
Brehm sah den Kriminalbeamten unsicher an, dann zuckte er die Achseln und ging. Bandisch beobachtete den Schirm. Brehm war genau zu erkennen, als er vom Aufzug auf die Tür zuging und vor der Schwelle stehenblieb.
»Ziehen Sie die Tür jetzt ran und stellen Sie sich seitlich an die Treppe!«, rief Bandisch.
Die Ecke der Tür war auf dem Bildschirm zu sehen. Dann verschwand Brehm. Der Flur lag leer da.
»Herr Brehm! Kommen Sie jetzt so schnell Sie können um die Ecke und treten Sie durch die Tür.«
Bandisch sah nur einen Schatten, dann stand Brehm im Vorraum.
»Gut so?«, fragte Brehm.
»Kommen Sie her und schalten Sie den Apparat wieder ab. Die Anlage ist gut, aber die Kamera ist zu ungünstig montiert.« Bandisch steckte den Zettel ein, auf dem Brehm die Namen seiner. Kegelbrüder notiert hatte, und stand auf. »Gehen wir nach unten. Oder haben Sie keine Zeit?«
»Doch. Kann ich dann Herrn Dattner besuchen? Oder geht das nicht?«
»Ich kann es Ihnen weder erlauben noch verbieten. Er liegt in der Volksgarten Klinik.«
Unten in der Eingangshalle stand ein älteres Ehepaar, als Bandisch und Brehm aus dem Aufzug kamen. Grußlos schoben sich die Leute vorbei in den Lift. Brehm hielt die Außentür für Bandisch auf.
Bandisch blieb auf dem Gehweg stehen. Die Parkstreifen vor den Parkuhren waren schon alle belegt.
»Zeigen Sie mir jetzt, wo der Toyota gestanden hat«, forderte er Brehm auf.
»Dort drüben. Einmal vor dem Uhrenladen, dann vor der Einfahrt.« Brehm überlegte, dann deutete er auf die großen Scheiben eines Möbelgeschäfts. »Einmal hat der Wagen dort gestanden.«
»Das waren dreimal.«
»Ja. An mehr kann ich mich nicht erinnern.«
»Hat der Fahrer jedes Mal im Wagen gesessen?«
»Einmal nicht. Als er vor dem Uhrenladen stand.«
»Bekommen Sie oft Strafzettel, wenn Sie hier parken und vergessen, Geld in die Uhr zu werfen?«
»Na ja, ich weiß so ungefähr, wann die Miezen hier aufkreuzen, dann komme ich eben runter und schmeiße Geld ein. Aber immer klappt's nicht. Manchmal kommen sie drei- oder viermal am Tag hier vorbei. Sie erwischen einen oft genug.«
»Kommen Sie.« Bandisch überquerte die Straße. Brehm folgte ihm. Bandisch notierte die Nummer der Parkuhr vor dem Geschäft des Uhrmachers. »Jetzt gehen wir zu Ihrer Garage. Wie hieß sie doch?«
»Schnook Garage. Es ist nicht weit.«
»Dattner hat dort eine Box gemietet?«, fragte Bandisch.
»Einen Stellplatz, das stimmt.«
»Steht der Wagen immer dort?«
»Meistens. Wenn ich Herrn Dattner abends fahre und es später wird, nehme ich den Wagen mit nach Hause. Oder wenn ich Herrn Dattner frage, ob ich ihn haben kann. Zum Beispiel, weil ich meine Mutter zum Arzt bringen muss. Er sagt nie nein.«
Die Schnook Garage bestand aus einer Tankstelle mit sechs Zapfsäulen, einer Waschhalle und einem angegliederten Zubehörshop. Über eine Rampe, die mit einer Schranke versperrt war, ging es in die beiden unterirdischen Parketagen.
Georg Heest, genannt Schorsch, war ein kleiner kugeliger Mann mit einem verschmitzten Gesicht, das jetzt schmierige Ölspuren aufwies. Schorsch hatte am Motor eines Kundenwagens gearbeitet.
»Kriminalpolizei?«, fragte er und sah zwischen Brehm und Bandisch hin und her. »Wegen Herrn Dattner?«
»Woher wissen Sie, was mit Herrn Dattner passiert ist?«, fragte Bandisch.
»Na, hören Sie mal! Da kommen erst zwei Streifenwagen hier vorbei, dann der Notarztwagen, na, da geht man doch gucken! Und heute morgen haben mich schon mindestens acht Kunden auf Herrn Dattner angesprochen. Obwohl nichts in der Zeitung stand.«
»Haben Sie etwas gehört? Oder ist Ihnen etwas aufgefallen?«
Schorsch Heest hatte nichts bemerkt. Er konnte sich auch nicht an einen braunen Toyota erinnern, dessen Fahrer hier vor knapp sieben Wochen einmal getankt hatte. Bandisch war nicht enttäuscht, weil er keine neuen Erkenntnisse erwartet hatte. Die Spur war ohnehin mehr als vage.
Er ließ sich von Brehm Dattners Wagen zeigen. Der viertürige Wagen war drei Jahre alt und machte einen gepflegten Eindruck. Auf dem Beifahrersitz lag, noch in der durchsichtigen Schutzhülle, der Strafzettel. Bandisch zog ihn heraus.
Angekreuzt war ein Parkverstoß wegen nicht bedienter Parkuhr nach § 13 StVO. Das Datum stimmte, als Uhrzeit war 16 Uhr 48 eingetragen, was keinen Widerspruch zu Brehms Angaben bedeutete. Außerdem war die Nummer der Parkuhr eingetragen. Die Unterschrift des Anzeigenden war deutlich zu lesen. König.
»Sind das immer dieselben Politessen, die hier die Parkzonen überwachen?«, erkundigte sich Bandisch.
»Nicht immer, aber ein paar Gesichter kenne ich schon. Sie kommen immer zu zweit.«
»Sagt Ihnen der Name auf diesem Zettel etwas? König?«
»Nein. Ich kenne die Namen natürlich nicht.«
Bandisch hatte nichts anderes erwartet. »Na schön«, sagte er und gab dem anderen das blaue Formular zurück.