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Jochen spürte so etwas wie Beklemmung, als er in dem großen, wenig anheimelnden Wachraum des Reviers in der Hamburger Innenstadt stand und darauf wartete, dass Polizeihauptkommissar Olsen, der Stellvertreter des Revierleiters, ihn mit seinen zukünftigen Kollegen bekannt machte. Irgend jemand hatte Olsen abgefangen, als sie hereingekommen waren, und sprach jetzt auf ihn ein.
Jochens Versetzung nach Hamburg hatte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit vollzogen. Ein Gespräch mit dem Personalreferenten der Hamburger Schutzpolizei, ein weiteres Gespräch mit einem Vertreter des Leiters der Schutzpolizei und ein anderes mit dem Vertreter des Personalrats, danach ein kurzes Einweisungsseminar in der Landespolizeischule, das war es schon gewesen.
Olsen hatte ihn in dem großen Haus zwischen dem Hauptbahnhof Süd und der Adenauerallee herumgeführt. Er hatte ihn einen Blick in die Verwahrzellen und die Garage werfen lassen, bevor er ihm die Räume der Zivil- und Rauschgiftfahnder, des Sondereinsatzkommandos und die Nachrichten und Einsatzzentrale zeigte.
Das Innere des Reviers glich beinahe einem Gefängnis. Die Fenster des Wachraumes waren vergittert, der Tresen mit einer Stahleinlage versehen. Unten am Eingang saß ein Kollege hinter schussfestem Glas mit einer schussbereiten Maschinenpistole unter dem Pult. Die Zivilfahnder, die hier ein und ausgingen, sahen selbst wie Strauchdiebe und Zuhälter aus. Als einmal die Tür zu dem Gang mit den Verwahrzellen aufsprang, hörte er eine Frau kreischen.
Dieses war also sein zukünftiger Wirkungsbereich. Im Schutzbereich Innenstadt II, wie die Bezirkspolizei intern hieß, lebten 24000 Menschen, unter ihnen nahezu die Hälfte Ausländer: Türken und Chinesen, Dänen und Griechen, Polen und Jugoslawen. Ein Vielfaches dieser Zahl pendelte täglich ein, um hier zu arbeiten. Bankiers neben einigen tausend Prostituierten, Taschendiebe neben Versicherungsangestellten, Zocker neben Lagerarbeitern.
Im Schutzbereich Innenstadt II war die Diebstahlquote höher als im benachbarten St. Pauli, Beischlafdiebstähle mitgezählt. Hier gab es mehr Opfer von Gewaltverbrechen als in der ganzen übrigen Stadt zusammen.
Dafür war das Revier mit 147 Planstellen ausgestattet, von denen immerhin 132 besetzt waren. Es gab neun Streifenwagen und vier Motorräder, zwei VW-Busse und eine »Grüne Minna«. Weitere Polizeifahrzeuge, Hundeführer und Reiterstaffel konnten jederzeit angefordert werden.
»Kommen Sie, Herr Teske!«, rief Olsen jetzt. Er ging auf den kräftigen Mann zu, der wie ein Fels hinter dem Tresen stand. Der Mann hatte ein breites, freundliches Gesicht. Sein Haar war hell und borstig wie Stacheldraht. Er erinnerte Jochen ein wenig an Gropp in Uhlenbeck. Er hatte auch etwa dessen Alter, so Anfang bis Mitte Vierzig.
»Das ist Hauptmeister Johannes Burmester, ein waschechter Ostfriese. Er wird Ihr Schichtführer sein.«
Jochen lächelte, als er Burmester die Hand reichte.
Dessen Faust war groß und warm, das Lächeln in dem offenen Gesicht herzlich. Burmester war alles andere als der Typ Großstadtbulle, vor dem man ihn gewarnt hatte.
»Willkommen in der Weltstadt, willkommen an ihrem Nabel, wo die Hilflosen und Beladenen Ihrer Hilfe harren, mein Freund.« Burmester grinste. »Machen Sie kein so bedröppeltes Gesicht, Junge!«, sagte er dann. »Das alte Gemäuer macht ja keinen besonderen Eindruck, aber die Mannschaft ist prima, bestimmt. Zu Jungs, die freiwillig aus der Heide zu uns kommen, sind wir besonders herzlich.« Er sah Olsen an. »Ich übernehme ihn, Herr Olsen«, sagte er.
Olsen wünschte Jochen alles Gute und ging.
Burmester sah sich um. Als er hinten einen schlanken Mann mit glatten Haaren und makellos sitzender Uniform entdeckte, winkte er mit seiner großen Hand.
»Komm mal her, Herr Veith, und begrüß den Neuen!« Veith kam herüber. »Das ist Sir Wilfried alias Wilfried Veith, seit ein paar Wochen Polizeioberkommissar. Entweder er oder POK Koch wird in der ersten Zeit Ihr Dienstgruppenleiter sein. Koch ist heute nicht da.« Burmester wartete, bis Jochen und Veith mit dem Händeschütteln fertig waren. »Wo steckt Eggert eigentlich?«, erkundigte er sich dann bei Veith.
»Unten in der Garage. Die Funkwerkstatt baut gerade die neue Antenne ein.«
»Bring ihn runter, ja? Aber mach dich nicht schmutzig!« Burmester lachte. Zu Jochen gewandt sagte er: »Sie fahren erst mal mit Eggert. Er kennt sich am besten aus. Wir sehen uns dann hin und wieder.« Er beugte sich über sein Wachbuch. Jochen schien er bereits vergessen zu haben.
Es war kein völliger Zufall, dass Ralf Eggert Jochens Streifenführer wurde. Jochen hatte ausdrücklich den Wunsch geäußert, in die Hamburger Innenstadt versetzt zu werden. Weil sich der Dienst in den Innenstadtrevieren keiner großen Beliebtheit erfreute, hatte Jochens Wunsch keine ernsthaften Schwierigkeiten im Wege gestanden. Als er mit dem Vertreter des Leiters der Schutzpolizei sprach, hatte er sein Interesse für das Gebiet zwischen St. Georg und dem Hafen bekundet, so dass der Polizeirat von sich aus vorgeschlagen hatte, ihn dem Schutzbereich Innenstadt II zuzuteilen.
Ralf Eggert hatte seit Bruno Witteks Tod überwiegend Innendienst gemacht und war nur dann Streife gefahren, wenn bei einem Team einer der Partner wegen Krankheit, Urlaub oder aus anderen Gründen ausfiel. Es war überfällig, dass Eggert wieder regelmäßig im Streifendienst eingesetzt wurde. Deshalb wurde Jochen Teske, der Neue, sein Partner.
Nur einmal, zu Beginn ihrer ersten gemeinsamen Streifenfahrt, kam Eggert von sich aus auf seinen Besuch in Uhlenbeck zu sprechen.
Hinter einem der alten Speicherhäuser am Sandtorkai hielt er an und stellte den Motor ab.
»Du kannst mir nichts vormachen«, sagte er. Es war zugleich das erste Mal, dass er Jochen direkt ansprach, seit sie einander formell bekanntgemacht worden waren. »Du führst etwas im Schilde.«
»Ich wollte nach Hamburg, das ist alles«, erklärte Jochen. »Ich werde Ihren Besuch in Uhlenbeck nicht erwähnen.«
»Das habe ich auch nicht befürchtet«, antwortete Eggert. »Den Zeitpunkt hast du nämlich verpasst. Hier bei uns sind wir übrigens alle auf du. Ich heiße Ralf.«
Eggert hielt Jochen die Hand hin. Jochen spürte ein elendes Gefühl in der Magengegend, als er die Hand drückte.
»Warum vertraust du mir eigentlich nicht?«, fragte Eggert.
»Es hat nichts mit dir zu tun«, sagte Jochen und blickte aus dem Seitenfenster.
Er brachte es nicht fertig, dem Kollegen zu sagen, dass seine Schwester vielleicht eine Nutte war. Vielleicht stimmte es ja gar nicht. Er konnte einfach nicht darüber sprechen.
»Du wirst deine Gründe haben«, meinte Ralf Eggert resigniert.
Während der ersten Tage fuhren sie nur die Frühschicht. Jochen sollte den gesamten Schutzbereich kennenlernen, deshalb brauchte Eggert sich auch nicht wie sonst an den kleinen Ausschnitt des Bereichs zu halten, der einer Streife normalerweise zugewiesen wurde.
Sie fuhren die Straßen zwischen Binnenhafen, Rathaus und St. Georg ab. Sie übernahmen Einsätze, wie sie gerade kamen. Verkehrsunfälle, Geschäftseinbrüche, die am Morgen entdeckt und gemeldet wurden, sie holten Ladendiebe ab und hielten nach gesuchten Personen Ausschau, deren Fahndungsblätter im Wachraum aushingen und auf die sie von der Fahndungsabteilung immer wieder hingewiesen wurden.
Peter Reimers war eine der Personen, nach denen im Schutzbereich Innenstadt II besonders intensiv gesucht wurde. Mit dem Mord an Bruno Wittek wurde er allerdings nicht in Verbindung gebracht. Denn das Bild des Gesuchten auf dem Fahndungsblatt war alt und wies keinerlei Ähnlichkeit mit dem Gesicht des Stutzers auf, den er, Jochen, das eine Mal getroffen hatte. Und Ralf Eggert hatte das Gesicht nach den Schüssen in der dunklen Wohnung nicht lange genug gesehen, um zwischen dem langhaarigen unreifen Jungen auf dem Fahndungsfoto und dem harten Gesicht und den dunklen starren Augen des Polizistenmörders einen Zusammenhang zu erkennen.
»Einer unserer Zuhälter«, hatte Schräder von der Fahndungsabteilung erklärt, als er den Neuen auf die besonderen Kunden des Reviers aufmerksam machte. »Der hat ganz schön was auf dem Buckel, der Reimers. Zuerst hat er es mit Rauschgift versucht, aber damit ist er auf die Nase gefallen. Er hat drei Jahre abgerissen. Seitdem lässt er die Finger vom Rauschgift. Wir nehmen allerdings an, dass wir diese Zurückhaltung weniger der Verurteilung, sondern vielmehr Z zu verdanken haben.«
»Z?«, fragte Jochen verständnislos.
»Karl Zaczek«, erklärte der Fahnder. »Auf den Namen werden Sie immer wieder stoßen. Wenn Sie ihn einmal leibhaftig erblicken sollten, machen Sie lieber einen großen Bogen um ihn. Wer mit ihm in Berührung kommt, verwandelt sich nur zu schnell selbst in Dreck. Z regelt alle Geschäfte östlich der Alster. Prostitution, Rauschgift, Diebstahl, Mord. Er vergibt gewissermaßen die Lizenzen.«
»Wie die Mafia in New York«, sagte Jochen vorschnell.
Schräder überging den Einwand. »Peter Reimers mäkelt mit gestohlener Ware, er ergaunert sich Kredite mit gefälschten oder gestohlenen Ausweispapieren, aber sein Hauptgeschäft sind die Pferdchen.« Schräder grinste humorlos. »Ich meine die zweibeinigen. Die Hühner an der Mauer, Asphaltschwalben, was immer Sie wollen.«
Jochens Herz begann zu hämmern. »Ich denke, die Prostituierten sind inzwischen soweit, dass sie sich ohne Zuhälter durchschlagen«, meinte er. »Einen Kerl, der auf der Fahndungsliste steht, kann so eine doch ohne großes Risiko abschieben.«
Der Fahnder schüttelte den Kopf. »Die Zuhälter verstehen sich als Zunft. Die halten zusammen. Wenn einer von ihnen die Nase unten halten muss, weil er gesucht wird, übernehmen es die anderen für ihn, die Nutten abzukassieren und sie, wenn nötig, bei der Stange zu halten. Aber unser Reimers ist ein Vertreter der besonders schäbigen Sorte. Er meidet die erfahrenen Prostituierten. Er macht sich mit Vorliebe an besonders junge und unerfahrene Mädchen heran. Von der Sorte kommen jedes Jahr ein paar Hundert in Hamburg unter die Räder. Wer an einen Schweinehund wie Reimers gerät, ist so gut wie verloren . . .«
Jochen sah rote Ringe vor den Augen. Er atmete mit offenem Mund, damit Schräder sein Keuchen nicht hörte.
»Wo stehen denn seine . . . Pferdchen?«, Es kostete Jochen Überwindung, diese Frage zu stellen und diesen verniedlichenden Ausdruck für einen ausgebeuteten Menschen zu benutzen.
»Sie meinen, wo seine Hühner an der Mauer stehen, ist der Reimers nicht fern. So schlau ist der Kerl auch. Der setzt die mal hier und mal da ein, mal vermietet er sie an einen Massage-Salon, mal an einen Laden irgendwo auf dem Lande. So einfach ist der nicht zu packen, Herr Teske.«
Jochen hatte sich die feuchten Hände an der Hose abgewischt und nichts mehr gesagt, um sich nicht durch seine Stimme zu verraten.
Er hasste Peter Reimers.
Wenn er ihn fände, würde er ihn töten.
»Das ist der Babystrich«, erklärte Ralf Eggert. »Mittags kommen die Kleinen hierher.« Eggert stoppte an der Ecke und deutete schräg über die Straße, wo ein paar junge Mädchen vor den Schaufenstern eines Kaufhauses standen. Außer den etwas zu kurzen Röcken war nicht viel Auffälliges an diesen Mädchen.
»Machen wir eine Kontrolle?«, fragte Jochen.
»Bloß nicht!«, wehrte Eggert ab. »Da würden wir den Kollegen vom Rauschgiftdezernat auf die Zehen treten. Die halten sich die Babys als Köder für die Dealer.«
Jochen spürte eine würgende Übelkeit. Er schluckte und presste den Rücken gegen die Lehne. Verdammt, er kam einfach nicht weiter.
Seit ein paar Tagen wohnte er in einem schäbigen Zimmer unten in Hammerbrook. Abends zog er Zivil an — Jeans, Parka und Pullover und streifte an den Nuttentreffs entlang. Hin und wieder ließ er sich von einem Mädchen ansprechen.
Dabei musste er vorsichtig sein. Er war zu jung, um den üblichen Puffgänger zu spielen, und schon zu alt, um den unerfahrenen Jungen darzustellen, der bei Prostituierten seine ersten Erfahrungen suchte.
Er streifte durch die Kontakthöfe der Bordelle und besuchte die Peepshows, betrachtete die Gesichter der Mädchen auf den sich drehenden Brettern, sah, wie sie sich wanden und ihre Scham gegen die Guckfenster spreizten.
Bei ihm rührte sich nichts. Er dachte nur an Maria.
Manchmal trieb er sich auch in Altona herum. Er wusste, wo Hans-Jürgen Klein, der Hamburger Johnny, wohnte. Aber er bekam weder den Mann noch dessen Motorrad zu Gesicht. Aber er wagte es nicht, in einer der Kneipen, in der jeder jeden zu kennen schien, nach dem Burschen zu fragen.
Bis er eines Abends Marion Kreutzer wiedersah.
Er erkannte sie nicht auf Anhieb.
Er ging durch den Kontakthof des Palais d'Amour, als sie ihn ohne viel Überzeugungskraft anmachte. Er wollte schon weitergehen, nach einem schnellen Blick in das geschminkte Gesicht, enttäuscht und erleichtert zugleich, dass es nicht Marias Gesicht war.
»He, Marion! Wissen Sie nicht mehr, wer ich bin?«, fragte er. Er bemerkte den leeren Ausdruck in ihren Augen. »Uhlenbeck, Sauna-Club Heidehof!«, sagte er.
»O ja, ich weiß«, sagte sie. »Gehst du mit? Ich mache es dir auch besonders schön.«
»Ich war kein Freier dort. Ich war der Polizist . . .«
Ihr Gesicht zog sich zusammen, und sie wollte sich abwenden.
»Augenblick, Marion!« Er verstellte ihr den Weg.
»Mir geht es hier oben ganz gut, und ich habe keine Probleme mehr«, sagte sie feindselig. »Und wenn Sie glauben, dass ich jemanden verpfeife, sind Sie schief gewickelt. Außerdem kann ich keinen verpfeifen, weil ich niemanden kenne. Geschnallt, Mann?«
»Klar, ist ja nicht schwer.«
»Dann schleich dich an 'ne Andere ran, aber besser nicht hier.«
»Wie viel nimmst du, fragte er.
Sie sah ihn an. »Du willst mit mir . . .«
»Reden«, sagte er und lächelte.
»Willst du mir erzählen, dass du privat hier bist?«
»Ich bin doch nur 'n Schutzmann aus der Heide«, sagte er.
»Fünfzig. Kommst du?«
Er ging hinter ihr her durch einen engen Gang und dann ein paar Stufen hinauf. Ihr Zimmer war klein und schwach beleuchtet, aber es gab ein winziges Bad, das sehr sauber aussah.
Sie baute sich vor ihm auf und schob die Hüften herausfordernd vor. Sie trug ein knapp sitzendes schwarzes Satinhöschen und ein Oberteil mit langen Ärmeln und tiefem Ausschnitt.
»Erst das Geschäftliche«, sagte sie.
Er legte einen Fünfzigmarkschein auf den kleinen Tisch neben der Couch. Sie ließ das Geld verschwinden und drehte sich wieder um. Rasch streifte sie das Oberteil bis zu den Schultern hoch. Anders als beim ersten Mal, als er ihre großen festen Brüste gesehen hatte, betrachtete er sie jetzt mit einem gewissen männlichen Interesse.
»Zieh die Hose aus«, sagte sie und wippte auf den Fußballen.
»Zieh das Ding ganz aus«, sagte er.
Sie lächelte kurz und streifte das Oberteil über den Kopf. Er griff nach ihrem linken Arm und bog ihn so, dass er die Armbeuge sehen konnte.
Die Haut war unversehrt.
Sie holte scharf Luft und zog den Arm weg. Mit der anderen Hand schnappte sie das Oberteil und hielt es vor ihre Brüste.
»Ich wollte nur sehen, ob ich mit dir reden kann«, sagte er ruhig.
»Von uns fixen viel weniger, als ihr Spießer alle denkt!«, stieß sie wütend hervor. »Klar schlucken wir schon mal irgendwelche Pillen, ohne die kommst du hier nicht klar! Was ist jetzt, willst du, oder willst du nicht?«
»Ich wollte mit dir reden, sonst nichts.«
Sie zog das Oberteil wieder an. »45 Mark sind schon weg. Schönes Wetter heute, nicht? Gehste am Sonnabend zum HSV?«
»Hör auf!«, sagte er.
»Was willst du?« Sie deutete auf ihre Oberlippe, wo noch die Spur einer Narbe zu erkennen war. »Du bist aus der Heide, du weißt nicht, was hier los ist! Wenn ich meinen Kerl an euch Bullen verpfeife, schütten mir seine Freunde Säure ins Gesicht. Da spielt sich also nichts ab.«
»Ich will weder was von dir noch von deinem Kerl«, sagte Jochen. »Von wem kriegt ihr die Pillen?«
»Ach, die besorgt mal die und mal die«, antwortete sie ausweichend.
»Und mal der und mal der«, sagte er.
»Mann, du bist ja 'n ganz Schlauer!«
»Wann war der Johnny zuletzt hier?«
»Welcher Johnny?«
»Der Hamburger Johnny.«
»Mensch, jeder zweite Loddel hier heißt Johnny!«
»Ich meine den, der schon mal mit Pillen vorbeikommt.« Er sah sie an, und er sah, wie sich ihre Augen kurz verengten.
»Willste den hochnehmen?«, fragte sie.
»Ich kann hier niemanden hochnehmen«, antwortete er.
»Dann versteh' ich nichts mehr.«
»Ich will 'nem Freund 'nen Gefallen tun. Dieser Johnny, den ich meine, der war mal in Uhlenbeck . . .«
»Im Heidehof?« Sie schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht!«
»Nein, nicht da. Der Johnny hat sich da mit einem Burschen getroffen, der was von einem Mädchen hier weiß. Verstehst du jetzt?«
»Nee«, sagte sie. »Ich muss jetzt wieder runter.«
»Augenblick noch!«, bat er. »Bitte!«
Sie verdrehte die Augen, wartete aber.
»Da fiel noch ein Name. Reimers.«
Er beobachtete sie genau. Der Name Reimers erzeugte keine Reaktion.
Aber es musste eine Verbindung geben. Maria war an einen Kriminellen namens Peter Reimers geraten, einen professionellen Verführer. Harry Böhme aus Sennefeld wusste etwas über Maria. Harry Böhme unterhielt eine Beziehung zu einem Hamburger Ganoven namens Klein, der auch Hamburger Johnny genannt.wurde und möglicherweise ein gesuchter Schläger oder ein Dealer oder beides zugleich war. Also musste es über Böhme und Klein eine Verbindung zu Peter Reimers geben.
»Der Johnny ist auf Ibiza«, sagte Marion Kreutzer kurz angebunden. »Der ist alle paar Wochen auf Ibiza. Die Jungs haben da ihre Häuser.« Ihre Stimme klang bitter. »Nächsten Monat ist er wieder da. Und jetzt muss ich runter.«