33. KAPITEL

Mattie stieg aus dem Auto und sah Jameson direkt auf sich zukommen. Er ließ ihr keine Zeit, etwas zu sagen. Stattdessen packte er sie so kräftig an den Armen, dass sie fast den Halt verlor. "Was zur Hölle ist los, Mattie? Bist du in Ordnung? Du hast gerade mit meinem Wagen diesen Mercedes gerammt."

"Ich habe ihn nicht gesehen. Und dich habe ich auch nicht gesehen." Sie konnte nicht mehr als flüstern. "Ich werde für den Schaden aufkommen – oder meine Versicherung. Für beide Autos."

Gott, hielt er sie fest. Seine Hände waren wie Anker. Sie wusste nicht, ob er wütend war oder entschlossen, sie vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Egal, es tat gut. Mattie brach tatsächlich gerade zusammen.

"Geht es dir gut?" Sein heißer Atem streifte ihr Gesicht. "Wohin wolltest du fahren?"

Unfähig zu antworten, schüttelte sie den Kopf. Sie wartete darauf, dass die Parkwächter auftauchen würden. Der Zusammenstoß hatte für sie wie ein Donnerhall geklungen. Vielleicht hatte der Partylärm den Krach übertönt.

"Lass uns hineingehen", sagte er. "Ich hole dir einen Drink, und wir unterhalten uns."

"Nein, ich muss hier verschwinden. Können wir fahren? Bitte? Ich erkläre dir alles auf dem Weg."

Jameson zögerte keine Sekunde. Sobald er Mattie zum Beifahrersitz geleitet und seine Visitenkarte unter den Scheibenwischer des Mercedes' geklemmt hatte, fuhren sie los.

Der Zusammenstoß hatte nicht mehr als einen kleinen Blechschaden verursacht. Aber er hatte Mattie einen Höllenschrecken eingejagt, besonders nachdem sie Jameson im Rückspiegel gesehen hatte.

Als sie an den Toren des Anwesens vorbeikamen, hatte sie sich so weit gesammelt, dass sie mit ihm reden konnte. "Du warst verschwunden", sagte sie. "Ich habe dich nirgendwo auf der Party gesehen."

"Ich hatte ebenfalls einen Unfall."

Mattie hob den Kopf. Ein seltsamer Geruch stieg ihr in die Nase. "Wonach riecht es hier? Du bist es", stellte sie fest und sah ihn an. "Du riechst nach …"

"Margaritas? Die Dame vor mir jonglierte mit vier Gläsern davon, ich machte den Fehler, meine Hilfe anzubieten. Jetzt trage ich immer noch zwei davon."

Mit schmerzvoller Miene zupfte er an seinem Hemd. Es klebte ihm an der Brust.

Mattie lachte leise. Hätte sie es nicht gerochen, sie hätte ihm die Geschichte kaum geglaubt. "Darum bist du verschwunden? Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?"

"Du und Frank, ihr scheint euch prächtig unterhalten zu haben. Ich wollte nicht stören."

Als Jameson südlich auf den Highway 131 bog, fragte sich Mattie, wohin er fuhr. Die Dunkelheit war so undurchdringlich, dass sie die Straße nicht von den Hügeln oder dem Himmel unterscheiden konnte. Es war, als hätte jemand einen schwarzen Umhang über das Auto geworfen. Das einzige Licht kam vom Armaturenbrett, und es strahlte Jamesons Gesicht auf eine Weise an, die Mattie verblüffte.

Sein Profil lag halb im Schatten. Es erinnerte sie an sein Haus: zur einen Hälfte beleuchtet, zur anderen Hälfte dunkel. Nicht dass ihr sein Aussehen nicht vorher schon aufgefallen wäre. Nur erlaubte sich Mattie nicht, darüber nachzudenken, besonders nicht jetzt. Soweit sie wusste, konnte er der Teufel in Person sein. Wahrscheinlich war er ihr Teufel.

Er schien zu spüren, wie sie ihn musterte. Sein fragender Blick verursachte ihr ein eisiges Gefühl im Bauch. Sie verstand nicht, warum Jameson überhaupt in ihr Leben getreten war. Jetzt ahnte sie, dass er sie wieder mit zu sich nach Hause nehmen wollte.

"Ich treffe mich morgen mit Frank", erzählte sie ihm. "Er ist nicht nur bereit, sich mit mir über das Video zu unterhalten, er scheint es sogar gern zu tun."

"Also war es nicht Frank, der dich erschreckt hat?"

Mattie sah keinen Grund, es ihm zu verheimlichen. "Es war seine Frau Lane. Wir waren zusammen in Rowe, sie war nicht gerade eine Freundin für mich." Lane Davison hatte an jenem Tag im Büro der Direktorin am härtesten zugeschlagen. Sie hatte die Zähne gebleckt wie ein Tier und Mattie so fest in die Rippen getreten, dass sie brachen.

"Sie hat dich so erschreckt?", fragte Jameson. "Was hat sie getan?"

"Sie hat nichts getan." Mattie beugte sich nach vorn und fegte sich die Erde von den Schuhen. Sie hatte es nicht eilig, Jameson alles zu erklären. "Ich dachte, dass sie mich vielleicht erkennt und meine Deckung auffliegen lässt, also bin ich durch die Hintertür verschwunden. Es war dunkel und – das ist jetzt peinlich, aber ich glaube, ich bin einfach in Panik geraten. Ich habe gehört, wie jemand meinen Namen flüsterte, und ich dachte, dass mich jemand verfolgt."

Matties Oberteil war verschwitzt. "Da war wahrscheinlich gar nichts", sagte sie. "Es tut mir leid wegen des Wagens."

"Um das Auto mache ich mir keine Sorgen."

Beide schwiegen, und Mattie lauschte dem Wind, der leise an den Autofenstern pfiff. Es war fast so laut wie das Geräusch, das entstand, wenn Luft durch ihre Nasenflügel in ihre Lungen strömte. Was rauschte in ihr – Angst? Schrecken? Es fühlte sich an, als würde sie hyperventilieren und noch einen dieser verflixten Panikanfälle bekommen.

Der Teil ihres Gehirns, mit dem sie noch logisch denken konnte, sagte ihr, dass jemand versuchte, ihr Angst einzujagen. Nicht sie umzubringen, sondern sie einzuschüchtern. Sie hatte ihren Namen da draußen gehört, und sie hatte ein Gesicht gesehen.

Aber die Direktorin war schon lange tot, und Mattie glaubte nicht an Gespenster, außer an diejenigen, mit denen die Erinnerung sie quälte. Sie versuchten, sie auf diese Weise loszuwerden: Sie beschworen die finstere Vergangenheit, um Mattie zum Schweigen zu bringen.

"Wir fahren zu mir", sagte Jameson.

Sie versuchte nicht einmal zu protestieren. Es gab keinen Grund. Sein Tonfall verriet, dass er sich auf keine Diskussion einlassen würde. Ob sie Angst haben oder froh darüber sein sollte, wusste Mattie nicht. Vielleicht hatte Jameson ihr mit den Videos und der Augenbinde keine Fallen stellen wollen. Vielleicht versuchte er einfach nur, dasselbe Rätsel zu lösen wie sie. Außer mit Jane und Breeze hatte sie sich nie mit irgendwem verbündet – und selbst damals war Mattie von keinem der beiden abhängig gewesen. Die meiste Zeit hatte sie für alle gekämpft. Sie hatte nicht riskieren können, dass jemand sich ihnen in den Weg stellte, sie behinderte. Das wäre zu gefährlich gewesen.

Jetzt schien sie schwächer zu sein. Sie ließ sich von Jameson helfen, obwohl sie stärkere Nerven und mehr Kraft als jemals zuvor brauchte. Sie fühlte sich wieder wie das blutende Kind, das Jane seine Wunden nicht zeigen wollte. Wenn es hart auf hart kam, schlug Mattie sich lieber allein durch. Es war einfach sicherer.

Jameson lehnte mit der Schulter gegen den Türrahmen, beobachtete Mattie beim Schlafen und fragte sich, warum er das tat – Vögel mit gebrochenen Flügeln retten, Katzenjungen von Bäumen holen, was auch immer am dringendsten Hilfe brauchte. Er hatte die schlechte Angewohnheit, Streuner mitzunehmen und Geld in jede offene Hand zu legen. Dass es damit zu tun hatte, sein schlechtes Gewissen wegen Billy zu beruhigen, das war Jameson klar. Lebenslanges Retten verlorener Seelen als Buße dafür, dass er die seines Bruders nicht gerettet hatte. Das war Jamesons Strafe.

Aber das mit Mattie war etwas anderes. Ein gewöhnlicher Streuner war sie nicht. Sie könnte sogar die Mörderin seines Bruders sein. Mattie Smith, die knallharte Richterin, hatte möglicherweise selbst Leichen im Keller. Und damit nicht genug, sie brachte Leute ins Gefängnis, während er für gewöhnlich versuchte, diese Menschen mittels seiner Bücher wieder herauszuholen. Jetzt wollte er sie ins Gefängnis bringen.

Was zur Hölle machte er bloß?

Wenn er sich jemals überlegt hatte, dass es gut sei, nahe am Feind zu bleiben, hatte er diese Gedanken in der Nacht über Bord geworfen, als er Mattie gebadet und neben ihr geschlafen hatte. Sie hatte seinen Namen im Schlaf gerufen, und er wusste nicht, was er tun sollte … also hatte er nichts getan, außer zu flüstern, dass er da war.

"Ich will bloß wissen, wer du bist."

Auch das hatte sie im Schlaf gesagt.

Offensichtlich reichte es ihm nicht, ihr das Leben zu retten. Heute Abend hatte er sie mit auf eine Party genommen, sie getröstet, nachdem sie sein Auto zerbeult hatte, sie zu sich nach Hause gebracht und ihr sein Bett angeboten. Um seine Gedanken zu Papier zu bringen, war er aufgeblieben. Danach hatte er es sich auf einem der Sofas im Wohnzimmer bequem gemacht, aber der Schlaf wollte stundenlang nicht kommen. Jetzt war das ganze Loft dunkel, und Jameson fühlte sich wie ein Gespenst, das in seinem eigenen Haus herumgeistert. Von Raum zu Raum war er gewandert, bis er in seinem Schlafzimmer angekommen war. Er wusste, dass er das die ganze Zeit gewollt hatte und diesem Wunsch jetzt nachgab: sie ansehen.

Was zum Teufel tat er?

So wie sie sich auf der einen Seite zusammengerollt hatte, um das verletzte Knie zu schonen, sah sie mehr wie ein neugeborenes Fohlen aus als ein Katzenjunges. Ein Eisbeutel lag auf dem Boden und nässte den Teppich. Jameson war natürlich auch nicht entgangen, dass die Decke weggerutscht war und sein geliehenes Hemd Matties Po und ihre Oberschenkel entblößte.

Hübsch, musste er zugeben. Sehr hübsch. In seinem Körper wallte plötzlich eine Hitze auf, als bereite er sich auf einen langen Winter vor. Ein hoffnungsvolles kleines Prickeln strömte in seine Magengrube, die Wangen wurden warm, und seine Muskeln versteiften sich dort, wo sie es nicht sollten.

Seine Gedanken beschäftigten sich mit Dingen, über die er nicht nachdenken sollte. Er konnte sich nicht gegen die Überlegung wehren. Wie wäre es, mit einer Kratzbürste wie ihr Sex zu haben? Eine glühende Abbitte? Oder ein glühender Tod? Danach gäbe es sicher keine Rettung mehr. Für keinen von beiden.

Schon einmal hatte Jameson den schlimmen Fehler gemacht, einem seiner Fälle zu nahezukommen, und es hätte ihn fast zu Fall gebracht. Ein prominenter Banker der Bay Area war bestialisch ermordet worden, und die Polizei hatte die Söhne des Opfers, beide im Teenageralter, festgenommen. Jameson war die Witwe aufgefallen, als sie im Fernsehen abstritt, dass ihre Jungs schuldig seien, und um Gnade für sie flehte.

Das Leid schien der Frau einen Schleier von Würde und Schönheit zu verleihen, den sie sonst vielleicht nicht gehabt hätte. Um Jameson war es auf den ersten Blick geschehen. Er nahm Kontakt auf und bot seine Hilfe an, die die Hinterbliebene gern annahm. Schließlich erfuhr der Fall eine bizarre Wendung, als Jameson den Beweis für die Schuld der Söhne fand und der Witwe die Nachricht überbringen musste. Sie gab vor, es zu akzeptieren. Doch in derselben Nacht nahm sie sich mit Schlafmitteln das Leben, weil sie die grausame Wahrheit nicht ertragen konnte. Jameson war dabei gewesen, sich in sie zu verlieben, und hatte es nicht kommen sehen. Noch Jahre später fühlte er sich für ihren Tod verantwortlich. Vielleicht sogar jetzt noch.

Tragödien schienen ihn magisch anzuziehen, und hier war sie wieder, in seinem Bett. Natürlich fühlte er sich zu Mattie Smith hingezogen. Er war von allem fasziniert, was dem Untergang geweiht war, und wenn das auf irgendjemanden zutraf, dann auf sie.

Was zur Hölle dachte er sich bloß dabei?

Frank O'Neills Büro war in einem Gerichtsgebäude in San Rafael untergebracht, mit dem Wagen brauchte Mattie nur etwa eine halbe Stunde vom Hotel. Schon einmal war Mattie da gewesen, deshalb fand sie das Gebäude ohne Schwierigkeiten. Aber als sie in die Einfahrt bog, beschlich Mattie ein ungutes Gefühl. Glücklicherweise war sie früh dran. So hatte sie noch Zeit, sich etwas zu sammeln und sich zu orientieren.

Sie hatte am Morgen bei der Autovermietung angerufen und den Dodge Stratus am Krematorium abholen lassen. Anschließend hatte Jameson sie zur Autovermietung gebracht, damit sie sich einen neuen Wagen geben lassen konnte. Es war ein teurer Tausch. Man hatte ihr eine Gebühr für die Abholung und weitere Kosten in Rechnung gestellt. Trotzdem war es jeden Penny wert gewesen. Mattie hatte sich den unauffälligsten Wagen ausgesucht. Darin fühlte sie sich, als würde sie ganz neu anfangen.

Jetzt zog sie sich ihre Leinenjacke über – der Tag hatte so kühl und bewölkt begonnen, wie es um diese Jahreszeit üblich war – und stieg aus dem Auto. Ihr Knie tat immer noch weh, wenn sie es belastete. Zum Glück hatte Mattie sich von Jameson zwei extrastarke Schmerztabletten geben lassen.

Als er heute Morgen anbot, das Frühstück zuzubereiten, war Jameson anders gewesen als sonst, irgendwie reservierter. Mattie hatte nichts außer Toast essen wollen. Nachdem sie die Spannung zwischen ihnen gespürt hatte, zog sie es vor, sich das Frühstück selbst zu machen. Sein Stimmungswechsel hatte Mattie klargemacht, dass sie sich zurückziehen sollte. Am Abend zuvor hatte sie tatsächlich überlegt, ob sie sich ihm öffnen sollte, ob sie ihm vertrauen könnte, wenn auch nur ein bisschen. Seltsam, wie allein die Vorstellung sie erschreckte. Andererseits war ein Teil in ihr zu erschöpft, jede Last allein zu tragen. Inzwischen war das Aufflackern von Verletzlichkeit verschwunden. Vielleicht hatte er diese Veränderung in ihr auch bemerkt.

Sie sah sich im Hof um und warf prüfende Blicke auf die Umgebung. Zwar war es taghell. Aber wenn Mattie in den letzten Tagen etwas gelernt hatte, dann dass sie nicht zu vorsichtig sein konnte. Dem Wetter angemessen, hatte sie graue Leinenhosen und einen seidenen Rollkragenpullover angezogen. Breeze hätte das Outfit nicht gutgeheißen, obwohl Mattie sich Zeit für die Frisur und das Make-up genommen hatte. Um ihre blauen Augen zu betonen, hatte sie sogar etwas Lidschatten aufgetragen. Diese Sache mit der Attraktivität hatte was für sich, ob es Mattie nun gefiel oder nicht. Sie bezweifelte zwar, dass etwas so Oberflächliches nach dem ersten Eindruck noch weiter von Bedeutung war. Nur war sie mit Frank O'Neill ja auch noch nicht weitergekommen.

Auf dem Weg ins Gebäude überprüfte Mattie am Aushang, ob O'Neill da war. Sie hatte sehr viel über das Gespräch auf der Party nachgedacht. Seine Offenheit und Ehrlichkeit hatten Mattie beeindruckt. Aber ihr war auch klar geworden, dass dies für ihn ein Glücksfall sein könnte. Der Mord an William Broud war ein großes Thema in den Medien gewesen. Nach dreiundzwanzig Jahren den echten Mörder von Millicent Rowe zu finden, das wäre ein echter Coup – besonders wenn das bedeutete, dass O'Neill Nachforschungen über die Arbeit seines eigenen Büros anstellen müsste.

Er konnte nur gewinnen, wenn das Band gefunden würde. Mattie könnte alles verlieren. Das war der Fallstrick bei der gesamten Untersuchung. Sie und ihre Freundinnen waren nicht schuldlos. Das Beweisstück, nach dem sie suchte, könnte sie entlasten oder zu Verbrechern machen. Mattie konnte es nicht wissen, bevor sie es sehen würde. Und dann wäre es vielleicht zu spät.

Deshalb musste sie das Video unbedingt als Erste finden. Das war der einzig sichere Weg.

Als Mattie durch die Lobby des Gebäudes auf den Fahrstuhl zuging, sah sie eine wandgroße Gedenktafel, die die Sponsoren des neuen Gerichtsgebäudes ehrte. Ihr Blick fiel auf den Namen, der an erster Stelle stand: David Grace, einer der reichsten Männer im Land, der sein Geld mit Risikokapitalanlagen im Silikon Valley gemacht hatte.

Mattie wusste nur sehr wenig über Grace, außer dass er auf sehr intelligente Weise trotz des Börsencrashs in den Neunzigern Finanzspritzen an aufstrebende Jungunternehmen verteilt hatte und dass er Naturwissenschaftler war. Aus irgendeinem Grund blieb sein Name bei ihr hängen. Erst als sie aus dem Lift stieg, glaubte Mattie, zu wissen warum.

David Grace. D. G.? Es war weit hergeholt, aber nicht auszuschließen. Er könnte der Mann sein, der Miss Rowe Blumen geschickt hatte. Außerdem war es wahrscheinlich, dass er der Grace war, der die Stipendien für sie und die anderen Mädchen an der Rowe-Akademie finanziert hatte. Sie waren die Grace-Stipendiatinnen genannt worden.

Als sie den Warteraum betrat, warf Mattie einen Blick auf die Uhr. Sie hatte immer noch etwas Zeit, und sie musste ein paar Anrufe machen. Die Empfangsdame, eine ältere Dame mit schwarz gefärbtem Haar und rosigem Aussehen, begrüßte Mattie und teilte ihr mit, dass Mr. O'Neill sich um ein paar Minuten verspäten würde. Daraufhin entschuldigte sich Mattie und zog sich auf den Flur zurück.

Zuerst hörte sie ihre Mailbox ab, übersprang die Nachrichten von Jane und Jaydee – denen würde sie sich später widmen – und hörte schließlich die Stimme von Tansy Black. Tansy war davon überzeugt, dass jemand William Broud zum Schweigen hatte bringen wollen. Sie erinnerte sich daran, in der Mitschrift der Verhandlung gelesen zu haben, dass die Direktorin Herzwein zu kosmetischen Zwecken verwendet hätte. Tansy hielt es für keinen Zufall, dass das Gift in Brouds Körper gefunden worden war. Mattie löschte die Nachricht.

Als Nächstes rief sie Jane und Breeze an. Keine von ihnen ging ans Telefon. Also hinterließ Mattie ihnen die Nachricht, dass sie vielleicht Miss Rowes mysteriösen Liebhaber identifiziert habe. So wie ihr Herz raste, wusste sie, dass sie auf etwas Wichtiges gestoßen war. Doch es war zu früh, sich allzu große Hoffnungen zu machen.

Gerade als sie zurück in den Empfangsbereich ging, klingelte ihr Telefon. Das plötzliche Schrillen erschreckte sie. Janes Stimme allerdings erschreckte sie noch mehr.

"Mattie? Du und Breeze, ihr müsst so schnell wie möglich herkommen. Am Flughafen in San Francisco wartet ein Flieger. Kannst du kommen?"

"Jane, ich treffe mich gleich mit Frank O'Neill, dem Staatsanwalt."

"Verschieb den Termin, Mattie. Es ist ernst. Ich frage dich nicht, ich befehle es dir. Nimm den Flieger."

"Worum geht es, Jane?"

"Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Wir reden, wenn ihr hier seid."

"Hast du Breeze erreicht?"

"Sie ist schon am Flughafen. Der Pilot wartet auf dich."

"Jane, was zum Teufel ist los? Hast du meine Nachricht bekommen?"

"Ja. Wir reden darüber, wenn du hier bist. Verdammt, Mattie, beweg deinen Hintern zum Flughafen. Ich sehe euch dann in ein paar Stunden."

Jane legte auf, und Mattie stand verblüfft da. Es gab keinen Zweifel, was sie tun musste – und sie hatte keine Zeit, zusammenzubrechen. Um sich zu sammeln, atmete sie ein paar Mal tief ein, dann ging sie an den Empfang und sagte den Termin mit Frank O'Neill ab. Wegen eines Notfalls müsse sie die Stadt verlassen, erzählte sie der Empfangsdame. Sie würde sich melden, sobald sie zurück sei.