München, 2. Mai 2010, Krankenhaus Schwabing, morgens

 

„Guten Morgen, Herr Santa Cruz. Ich bin Dr. Gabriela Gruber, Ihre behandelnde Ärztin. Wie geht es Ihnen heute?“ „Wo bin ich? Wie spät ist es?“ Er war kurz zuvor erwacht, war sich bewusst, in einem Einzelzimmer in einem Krankhaus zu liegen – privater Krankenversicherung sei gedankt – aber er dachte so eine Frage ist durchaus angebracht. „Sind im Schwabinger Krankenhaus, Station 8, Zimmer 201. Wir konnten Sie mittlerweile auf die Pflegestation verlegen. Es ist heute Sonntag, der 2. Mai, es ist 12:30 Uhr und Sie haben mehr als 48 Stunden geschlafen. Sie sind schwer verletzt, aber auf dem Weg der Besserung. Jedenfalls ist es schön, dass sie nun wieder bei uns sind. Ihre Mutter und ihre Schwestern warten seit gestern an Ihrem Bett und machen sich große Sorgen. Ihr Vater soll wohl auch gleich kommen. Darf ich ihre Familie nach der Visite hereinbitten?“ „Ja unbedingt, wie schlimm ist es bei mir?“ „Vier gebrochene Rippen, schwere Quetschungen am gesamten Körper, speziell an Unterarmen und Beinen, drei gebrochene Zehen am linken Fuß, zahlreiche, oberflächliche Schnittwunden an Kopf, Oberschenkeln und im Bauchraum, leichte Verbrennungen an beiden Händen und schwerere am linken Bein, verstauchte Knöchel und starke Muskelzerrungen an den Waden und am rechten Arm, Bänderriss an der linken Ferse – ist operiert. Innere Verletzungen: keine.“

„Gut, wenn´s nicht mehr ist. Da hat das eine oder andere Eishockey-Spiel schon mehr Schaden bei mir angerichtet. Rechter Arm – Shit, das Fliegenfischen wird mir schwer fallen“. „Schön, dass Sie ihren Humor noch haben! Sie hatten sehr großes Glück! Aber Fliegenfischen wird für diesen Sommer wohl ausfallen!“ „Machen Sie bitte keine Witze mit so etwas! Das mit dem Fliegenfischen ist eine sehr ernste Angelegenheit, Totalausfall für den ganzen Sommer ist völlig indiskutabel und ein NO-GO!“ „Herr Santa Cruz, sie haben mit sehr viel Glück eine schwere Explosion lebend überstanden. Sie sind traumatisiert. Es sind Menschen dabei schwer zu Schaden gekommen. Sie werden jetzt ihre volle Energie in ihre Genesung investieren! Sie werden mindestens zwei Wochen an dieses Bett gefesselt sein. Danach werden sie sich unter Schmerzen bewegen können. Jegliche körperliche Anstrengung wird für mindestens vier bis sechs Wochen zur absoluten Tortur. Sie werden genau das tun, was ich ihnen sage und dann, wenn sie Glück haben, dann können Sie im Juni ihren ersten Spaziergang im Park machen. Haben wir uns verstanden?“

Mensch, diese Lady war gerade heraus, das imponierte ihm! Dr. Gabriela Gruber hatte Klasse und hübsch war sie auch noch. Zierlich, sportlich, dunkle Haare und sehr energisch! Das war genau sein Typ Frau! Das mit „jegliche körperliche Bewegung zur Tortur“ würde er gerne mit ihr ausprobieren, irgendwann zumindest. „Schon gut, schon gut, Dr. Gruber. Darf ich dennoch eine Bitte und einen Wunsch äußern?“ „Schießen Sie los.“ „Die Bitte: Ich sitze so unbequem, könnten sie mein Kopfteil ein wenig höher stellen? Ah ja, danke, viel besser!“ Dr. Gruber kam ihm nahe, ihr Parfum war einfach umwerfend. Nur ganz zart, aber dennoch.... JP hatte es schon mehrfach gerochen, er erkannte es sofort, es ist Gucci by Gucci. Himmlisch auf Ihrem Hauttyp. Fast so gut wie damals bei Claire. Mensch ist das ewig her, über zweieinhalb Jahre. Sie müsste in etwa einem Jahr wieder entlassen werden aus dem New Yorker Frauengefängnis, aber das ist eine andere, traurige Geschichte. „Gerne, und nun ihr Wunsch, Herr Santa Cruz?“ Sie stieß beim „z“ von Cru“z“ ein bisschen mit der Zunge an – Teufel, Teufel, JP, die wird Dir gefährlich! Junge, reiß Dich am Riemen! Wenn Du mit deiner Jagd beginnst, sollte wenigstens „jegliche körperliche Bewegung“ nicht mehr so eingeschränkt sein wie jetzt. „Wenn ich dann irgendwann wieder meinen ersten Spaziergang machen darf, darf ich Sie auf einen Eiskaffee oder einen Spritz-Aperol  im La Piazza einladen?“ „Sie kennen sich hier aus? Schön, dass sie schon wieder zu flirten versuchen. Aber werden Sie erst einmal gesund.“ Flugs, und sie war entschwunden. Eine zarte Röte hatte sich auf Ihre Wangen gelegt....

„Gianni, mein Liebling! Ich bin ja so froh und glücklich, dass Du wieder wach bist. Wir haben uns ja so schreckliche Sorgen gemacht! Eine furchtbare Tragödie! Gott sei Dank bist Du mit dem Leben davongekommen! Lass dich drücken, mein Sohn! Oh das tut weh, Excuse moi, Cherie! Ich bin ja so aufgeregt. Papa landet auch gerade im Moment. Er kommt aus Buenos Aires. Ich habe ihm erzählt, was Dir passiert ist! Carla und Claudia sind auch da! Kommt rein Mädels, Euer Bruder ist wach! Gebt ihm einen Kuss, vorsichtig, er hat Schmerzen.“ „Aua, Mama, erdrück mich nicht mit deiner Liebe.“ „Hi Bruderherz, du machst ja Sachen! Wieder so eine coole Nummer wie in New York? Du bist doch sicher wieder Schuld an dieser ganzen Misere? Hast Du den Laden in die Luft gesprengt?“ „Himmel, NEIN! Ich bin das Opfer!“

Die lieben Zwillingsschwestern, Carla und Claudia, ruppig wie Holzfäller, warmherzig wie ein Eisblock, aber messerscharf im Verstand wie ein Skalpell. Wenn sie wüssten, wie recht sie haben!

Ohne Skrupel
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