116
Weder Garcia noch Captain Blake konnten glauben, was sie auf Hunters Bildschirm mit ansehen mussten.
UHR: 0:10, 0:09, 0:08 …
RETTEN: 34 171.
HINRICHTEN: 34 177.
»Meint er das ernst?«, fragte Captain Blake, und zum ersten Mal überhaupt hörte Garcia so etwas wie Furcht in ihrer Stimme mitschwingen.
Er antwortete nicht, bewegte sich nicht, blinzelte nicht, atmete nicht. Seine Augen klebten am Bildschirm. Angst strömte durch seine Venen wie vergiftetes Blut. Er merkte nicht einmal, dass seine Hände zitterten.
UHR: 0:06, 0:05, 0:04 …
RETTEN: 34 184.
HINRICHTEN: 34 196.
Endlich erwachte Hunter aus seiner Erstarrung. Die Zeit schien sich zu verlangsamen.
Zuerst ließ er die linke Hand, die zuvor die Waffe gestützt hatte, sinken. Dann trat etwas Trauriges in seinen Blick, das Garcia noch nie bei seinem Partner gesehen hatte – als begriffe er, dass es keinen Ausweg mehr gab. Als hätte er erkannt, dass er von einem klügeren Gegner überlistet worden war und nun seiner Niederlage ins Auge sehen musste.
Dann nahm Hunter den rechten Arm an den Körper, und mit ihm die Waffe.
»O mein Gott!« Captain Blake schlug sich die Hände vors Gesicht. Sie zitterten genauso stark wie Garcias.
Hunter setzte sich den Lauf der Waffe unters Kinn.
Blake spürte, wie sich in ihrem Magen ein klaffender Abgrund auftat. Sie kannte Hunter gut genug, um zu wissen, dass er wirklich sein Leben opfern würde, um das eines anderen zu retten, erst recht das Leben eines Menschen, den er kannte, eines Menschen, der ihm wichtig war, so wie die Ehefrau seines Partners. Ihr kamen die Tränen. Sie kniff die Augen ganz fest zu und wünschte, dass sie, wenn sie sie wieder aufschlug, in ihrem Schlafzimmer lag und gerade aus einem schrecklichen Alptraum erwachte. Doch sie wusste, dass dieser Wunsch vergeblich war. Dieser Tag war so real und so grausam, wie kein anderer Tag in ihrem Leben je sein würde.
Captain Blake hielt die Augen geschlossen. Sie wusste genau, was gleich geschehen würde. Sie musste und wollte es nicht mit ansehen.
Garcia hingegen starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Monitor. Er sah zu, wie eine Gelassenheit in Hunters Züge trat, weil er erkannt und akzeptiert hatte, dass es nur eine einzige Wahl gab.
UHR: 0:03, 0:02, 0:01.
Genau in diesem Augenblick, als hätte Graham es so programmiert, wurde das Bild auf dem Monitor langsam schwarz. Unmittelbar bevor die Übertragung abbrach, hörte man einen einzelnen Pistolenschuss.
»Nein, nein, nein …« Garcia sprang auf, packte den Monitor mit beiden Händen und rüttelte daran. »Was ist das? Wo ist das Bild?« Sein Herz hörte für einen Moment lang auf zu schlagen. Verzweiflung überkam ihn, weil er nicht wusste, ob der Schuss aus Hunters oder aus Grahams Waffe abgefeuert worden war.