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Der Mann stand an der überfüllten Bushaltestelle nahe der Nordwest-Ecke des City Hall Park und beobachtete in aller Ruhe, was sich auf dem South Lawn abspielte. Er musste zugeben: Er war überrascht.
Er hatte überlegt, ob er mit dickem blutroten Filzstift »Detective Robert Hunter – LAPD« auf die Sandwichtüte schreiben sollte, die er nicht mal eine Stunde zuvor an der nordöstlichen Ecke des Parks im Mülleimer deponiert hatte. Hätte dann jemand anders die Tüte gefunden, zum Beispiel ein Müllsammler (Obdachlose, die in Mülleimern wühlten, waren im Park aufgrund seiner Nachbarschaft zum Police Administration Building eher selten), hätte der sie eventuell beim PAB abgegeben. Doch letzten Endes hatte er sich dagegen entschieden. Er hatte in den vergangenen Monaten viel über Detective Robert Hunter in Erfahrung gebracht. In einigen Artikeln war er als absoluter Ausnahme-Ermittler bezeichnet worden – und wie gut konnte er sein, wenn er nicht einmal begriff, dass es einen Grund dafür gab, weshalb das LAPD den letzten Anruf hatte zurückverfolgen können? Und dieser Grund war nicht allein das diebische Vergnügen, das es dem Mann bereitete, direkt vor ihrer Haustür zu stehen, während er sie quälte.
Trotz allem musste er einräumen, dass es ihn ein wenig verblüffte, wie schnell alles gegangen war. Schneller, als er vorhergesehen hatte. Unmittelbar nach Ende der Abstimmung war ein Team von fünf uniformierten Polizisten aus dem PAB gekommen und zielstrebig über die Straße in Richtung Park gegangen. Einer von ihnen, ein Officer mit pickligen Wangen und spitzer Nase, hätte ihn dabei fast umgerannt. Geleitet wurde das Team von einem übergewichtigen Officer, vermutlich einem Sergeant, zu alt und zu fett für jede körperlich auch nur ansatzweise herausfordernde Tätigkeit. Die ihm untergeordneten vier jüngeren Polizisten waren zweifellos angewiesen worden, den Park zu durchkämmen, nicht aber mit den Leuten zu reden.
Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem kleinen trockenen Lächeln. Vielleicht ist Detective Hunters Ruf ja doch gerechtfertigt. Er war sicher, dass der Befehl, nur den Park zu durchsuchen, statt sinnlos Zeit mit der Befragung von Passanten zu vergeuden, aus Detective Hunters Büro gekommen sein musste. Was wiederum bedeutete, dass dieser sehr schnell vom Ort des Anrufs auf die Möglichkeit eines zurückgelassenen Hinweises oder einer Botschaft geschlossen hatte.
»Nicht schlecht, Detective Hunter«, murmelte er halblaut. »Gar nicht schlecht.«
Sein Lächeln wurde ein klein wenig breiter, als er sah, wie Detective Hunter persönlich, gefolgt von Detective Garcia, aus dem PAB trat und in Richtung Park strebte. Ihre Mienen sprachen Bände. Er las Frust, Niedergeschlagenheit, nagende Sorge, ja vielleicht sogar ein wenig Angst darin. Die gleichen Gefühle, die andere viele Jahre lang in seinem Gesicht gesehen hatten. Aber das war vorbei.
Die Schmerzen im linken Bein waren zurückgekehrt, und als er sich das Knie mit der Handfläche zu reiben begann, sah er, wie der junge Officer, der den nordöstlichen Teil des Parks durchsuchte, den beiden Detectives und seinem Sergeant ein Zeichen machte.
Das Lächeln des Mannes wurde noch breiter, und ein Schauer der Erregung durchrieselte ihn.
Der Officer hatte sie gefunden.
Als der Bus Nummer 70 Richtung El Monte an der Haltestelle vorfuhr, klappte Detective Hunter soeben das Display der Kamera auf. Sein Gesichtsausdruck weckte in dem Mann den fast unwiderstehlichen Drang, den Kopf in den Nacken zu legen und aus tiefstem Halse zu lachen, doch stattdessen wandte er sich ab, bestieg den Bus und suchte sich einen Platz im hinteren Teil.
Bald war es an der Zeit, die Sache zu Ende zu bringen.