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»Alles in Ordnung?«, fragte Hunter seinen Partner, als er am nächsten Morgen ins Büro kam. Er merkte sofort, dass Garcia etwas belastete.

Garcia erzählte ihm, was am Sonntag im Park passiert war.

»Es tut mir leid, dass Anna das mit ansehen musste«, sagte Hunter.

»Ich habe das Gefühl, als würde ich in letzter Zeit vom Tod verfolgt«, gab Garcia zurück. »Und ich kann nichts tun, um irgendeinem dieser Leute zu helfen.«

»So wie ich es verstanden habe, hast du gestern doch alles Menschenmögliche getan, Carlos. Und du weißt, dass wir auch in diesem Fall alles tun.« Hunter lehnte sich gegen die Kante seines Schreibtischs. »Genau das will der Täter doch. Wenn wir zulassen, dass unser Frust die Oberhand gewinnt, fangen wir an, Fehler zu machen und Dinge zu übersehen.«

Garcia atmete einmal tief durch und nickte. »Ja, ich weiß. Ich bin einfach noch ziemlich durch den Wind wegen der Sache gestern. Ich dachte, ich könnte ihn retten. Ich habe es wirklich geglaubt. Und ich wünschte, Anna hätte nicht mit ansehen müssen, wie er stirbt.« Er stand auf und sah sich um, als suche er nach etwas.

»Ich gehe runter zum Automaten«, verkündete er dann und zählte sein Kleingeld. »Ich brauche einen Energy Drink oder so was. Willst du auch einen?«

Hunter schüttelte den Kopf. »Für mich nichts.«

Garcia nickte, steckte die Münzen ein und verließ das Büro.

Zwanzig Minuten später bekamen Hunter und Garcia zwei Berichte auf den Tisch. Der erste war eine Liste aller auf Kevin Lee Parkers Telefon eingegangenen oder von dort aus geführten Gespräche der letzten zwei Wochen. Es gab absolut keine Auffälligkeiten. Alle Telefonate hatte er entweder mit seiner Frau oder Emilio geführt. Es war, wie Emilio gesagt hatte: Kevin hatte kein sehr reges Sozialleben gehabt.

Der zweite Bericht befasste sich mit möglichen Bedeutungen des Kürzels SSV, das während der zweiten Übertragung links oben am Bildschirmrand gestanden hatte. Er war unterteilt in fünf Kategorien: Informationstechnologie (sechsundzwanzig Einträge), Militär und Behörden (zweiundzwanzig Einträge), Wissenschaft und Medizin (zweiunddreißig Einträge), Organisationen, Schulen und Ähnliches (vierundzwanzig Einträge) sowie Geschäftswelt und Finanzen (achtzehn Einträge).

Sie verbrachten eine lange Zeit damit, alles durchzu­gehen.

»Klingelt es da irgendwo bei dir?«, fragte Garcia irgendwann.

Hunter schüttelte langsam den Kopf, während er die Blätter zum x-ten Mal überflog. Keine der aufgelisteten Bedeutungen schien für ihren Fall irgendeine Relevanz zu haben.

»Sinfonieorchester Silicon Valley, Society for the Suppression of Vice?« Garcia runzelte die Stirn, als er die ersten zwei Einträge aus der Kategorie »Organisationen, Schulen und Ähnliches« vorlas. Er blätterte um und überflog die Einträge unter »Militär und Behörden«. »Soldier Surviva­bility, Space Shuttle Vehicle? Das ist doch alles völliger Blödsinn.«

In einem Kommentar am Ende des Berichts stand, dass zur Bedeutung von SSV678 oder 678SSV keinerlei mög­liche Bedeutungen gefunden worden seien. Man habe alles versucht, sogar die Zahlen als Koordinaten auf einer Karte eingetragen. 6° N, 78° O war, wie sich herausstellte, ein Punkt irgendwo in der Lakkadivensee südwestlich von Sri Lanka. 67° N, 8° O lag ebenfalls im Wasser, einige Meilen westlich von Norwegen im Norwegischen Meer. Auch die übrigen Kombinationen hatten nichts ergeben.

Hunter ließ den Bericht sinken und rieb sich die Augen. Bislang ergab nichts einen Sinn. Es war genau, wie Michelle Kelly gesagt hatte: Sie liefen permanent gegen Wände. Und die Vermisstenstelle hatte die Frau auch noch nicht identifiziert.

Hunters Blick schweifte zur Pinnwand und blieb an einem Bild aus der Anfangsphase der Übertragung hängen. Zu dem Zeitpunkt war das Schicksal der Frau noch offen gewesen. Sie hatte einfach nur in ihrem Glassarg gelegen, starr vor Angst, verwirrt, und hatte um ein Wunder gebetet. In ihrem Gesicht war noch Hoffnung gewesen. Auf dem Bild war BEGRABEN bei 325 und GEFRESSEN bei 388.

Garcia hatte den Bericht über die Abkürzungen nun doch zugeklappt und legte ihn auf seinen Tisch, als sein Telefon klingelte.

»Detective Garcia, Morddezernat I«, meldete er sich.

»Detective, hier ist Emilio Mendoza.« Eine kurze Pause. »Die Frau auf dem Foto, das Sie mir dagelassen haben … Ich weiß jetzt wieder, woher ich sie kenne. Ich hab sie jetzt gerade vor mir.«

Der Totschläger
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