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Garcia setzte Anna bei ihren Eltern in Manhattan Beach ab und fuhr dann auf direktem Weg zurück zu ihrer gemeinsamen Wohnung. Es war, wie er Anna gesagt hatte: Der paranoide Cop in ihm schrie »überprüfen, überprüfen und noch mal überprüfen«, auch wenn die Vernunft ihm sagte, dass der Killer nicht bei ihnen zu Hause gewesen war.
Garcia und Anna wohnten im obersten Stock eines sechsgeschossigen Gebäudes in Montebello im Südwesten von Los Angeles. Es gab weder Balkon noch Feuertreppe, der einzige Weg hinein führte durch die Wohnungstür. Als er noch Uniform getragen hatte, war er zu vielen Wohnungseinbrüchen gerufen worden, und er hatte einiges daraus gelernt. Er hatte ein Hochsicherheits-Hebelschloss mit Ziehschutz und einen Querriegel an der Wohnungstür installieren lassen. Das Schloss war extrem resistent gegen Picking oder Bohren, selbst wenn man über spezielles Werkzeug verfügte. Hätte jemand das Schloss geknackt, hätte es überall Spuren gegeben. Und es gab keine Spuren.
Zufrieden rief er Hunter an und erfuhr, dass dieser auf dem Weg ins FBI-Hauptquartier war, wo er sich mit Michelle beraten wollte. Garcia versprach, ihn dort zu treffen.
Hunter hatte noch nicht mal fünf Minuten gewartet, da bog Garcia schon auf den Parkplatz hinter dem FBI-Gebäude am Wilshire Boulevard ein.
»Wie geht’s Anna?«, fragte Hunter, als sein Partner aus dem Wagen stieg. Er vermutete, dass Garcia seiner Frau die Wahrheit gesagt hatte.
»Sie ist ziemlich durcheinander, aber du kennst Anna ja, sie gibt sich tapfer. Ich habe sie bei ihren Eltern abgeliefert, bis ich fertig bin. Wie bist du weitergekommen?«
Garcia musste Hunter nicht erst erklären, dass Anna nicht einfach ihre Sachen packen und Los Angeles verlassen würde, ganz egal was ihr Mann sagte. Hunter wusste, wie ernst sie ihre Arbeit nahm, und obwohl er glaubte, dass der Killer sie nur aufs Korn genommen hatte, um ihnen etwas zu beweisen, waren weder er noch Garcia bereit, irgendwelche Risiken einzugehen. Da sie nicht eigenhändig vierundzwanzig Stunden am Tag auf sie aufpassen konnten, waren sie übereingekommen, dass jemand anders diese Aufgabe übernehmen sollte.
»Der Papierkram ist so weit erledigt«, sagte Hunter. »Captain Blake hat es bereits abgesegnet. Anna bekommt rund um die Uhr Polizeischutz, so lange, bis wir ihn abberufen. Ein Streifenwagen wurde gerade zu eurer Wohnung geschickt.«
Garcia nickte, ohne etwas zu sagen. Sein Blick war abwesend und nachdenklich.
»Warum fährst du nicht nach Hause, Carlos?«, schlug Hunter vor. »Hol Anna ab und bleib bei ihr. Sie braucht dich jetzt … und du brauchst sie.«
»Das weiß ich. Und genau deswegen bin ich hier. Selbst wenn ich bei Anna bleibe … die beste Bewachung der Welt … all das wird nicht das Geringste nützen, solange dieser Wahnsinnige frei rumläuft. Das hat er heute unter Beweis gestellt.« Garcia hielt inne und sah Hunter an. »Selbst der kleinste Hinweis darauf, wie der Täter tickt, kann uns seiner Ergreifung einen Riesenschritt näherbringen … Das habe ich von dir gelernt, weißt du noch?«
Hunter nickte.
»Eine Art, ihm näherzukommen, ist, möglichst viel über seine Vorgehensweise in Erfahrung zu bringen, und Michelle und Harry sind die Einzigen, die uns dabei helfen können.« Er atmete tief durch, um sich zu sammeln. »Gleich nachdem wir hier fertig sind, fahre ich Anna abholen, aber im Moment kann ich sie am besten beschützen, indem ich hier meine Arbeit mache.« Mit diesen Worten setzte sich Garcia in Bewegung und marschierte aufs Gebäude zu.