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Die nächste Vorstellung.
Die Worte schienen eine Ewigkeit lang in Hunters Büro widerzuhallen. Sie alle wussten genau, was damit gemeint war, und es erfüllte sie mit Grauen.
Als Erstes beauftragte Hunter sein Rechercheteam damit, eine Liste der möglichen Bedeutungen von »SSV« zusammenzustellen, die drei Buchstaben, die zu Beginn der Übertragung oben links am Bildschirm erschienen waren. Außerdem bat er um ein Dossier zum Thema Tarantulafalken. Waren die Tiere auch in Kalifornien heimisch? Konnte man sie bei sich im Garten züchten, oder benötigten sie eine besondere Umgebung, spezielle Aufzuchtbedingungen usw.
Garcia rief erneut bei der Vermisstenstelle an und mailte ihnen einen Screenshot vom Gesicht der Frau. Es galt, sie so schnell wie möglich zu identifizieren.
Kurz nach dem Telefonat mit dem Täter meldete sich die Zentrale bei Hunter. Diesmal hatte er das Signal nicht quer durch Los Angeles gelenkt, sondern ein Prepaid-Handy benutzt. Kein GPS. Außerdem hatte der Anruf nicht lange genug gedauert, als dass man ihn hätte triangulieren können. Er war irgendwo aus Studio City gekommen.
Die Internetübertragung und Hunters Gespräch mit dem Killer hatten alle aufgewühlt, aber Hunter wusste, dass er sich davon nicht aus der Fassung bringen lassen durfte. Er und Garcia verließen das PAB und fuhren zum Busdepot nach Athens im Süden von Los Angeles. Sie mussten herausfinden, ob Kevin Lee Parker, das erste Opfer, am Montagabend in einen Bus der Linie 207 eingestiegen war. Anhand dieser Information würden sie ermitteln können, ob das Opfer zwischen Bushaltestelle und seinem Haus in Jefferson Park oder auf dem kurzen Fußweg vom Next-Gen Gamestore zur Haltestelle in Hyde Park verschleppt worden war.
Vier der sechs Fahrer, die am besagten Montagabend für die Route 207 eingeteilt gewesen waren, hatten an diesem Abend Dienst. Beim dritten Fahrer, den sie befragten, hatten sie Glück. Nachdem sie ihm ein Foto von Kevin Lee Parker gezeigt hatten, nickte der große, hagere Mann und teilte ihnen mit, dass er sich an Kevin erinnern könne, weil dieser regelmäßig die Strecke fahre – er steige immer an der Haltestelle Hyde Park Boulevard Ecke 10th Avenue ein, normalerweise so gegen neunzehn Uhr. Nach der Aussage des Fahrers war Kevin immer höflich gewesen und hatte ihn beim Einsteigen jedes Mal gegrüßt. Er konnte sich nicht zu hundert Prozent daran erinnern, ob Kevin am fraglichen Abend allein gewesen war, nahm es jedoch an. Der Fahrer wusste auch nicht mehr, ob Kevin an seiner regulären Haltestelle Crenshaw Ecke West Jefferson Boulevard ausgestiegen war.
Zu genau dieser Kreuzung fuhren Hunter und Garcia, nachdem sie das Busdepot verlassen hatten. Kevin Lee Parkers Haus lag etwa zehn Minuten Fußweg von der Haltestelle entfernt. Sie parkten den Wagen und gingen die Strecke zweimal ab. Falls Kevin den West Jefferson Boulevard genommen hatte und dann rechts in die South Victoria Avenue abgebogen war, wäre er auf dem Heimweg zwar die ganze Zeit auf gut beleuchteten, belebten Straßen unterwegs gewesen, allerdings hätte ihn der Umweg drei zusätzliche Minuten gekostet. Die schnellste Route hätte ihn über den Parkplatz der West Angeles Church, an der Chevron-Tankstelle Ecke Crenshaw und West Jefferson vorbei und dann durch einige kleinere Nebenstraßen hinter der South Victoria Avenue geführt.
Die West Angeles Church verfügte im Außenbereich über keine Überwachungskameras, und ihr Parkplatz lag hinter dem Gebäude, so dass man ihn von der Straße aus nicht einsehen konnte. Dem vor der Kirche aushängenden Kalender zufolge fanden montagabends keine Gottesdienste statt. Der Parkplatz war folglich sicher leer gewesen – und nur von drei trüben Laternen beleuchtet. Kevin dort oder in einer der kleinen Gassen auf dem Weg zu seinem Haus aufzulauern wäre ein Kinderspiel gewesen: Niemand hätte etwas bemerkt.