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Hunters und Garcias Blicke klebten förmlich an ihren Monitoren, während sie versuchten, die seltsamen Bilder zu deuten, die sie sahen. Da war zunächst einmal ein großer rechteckiger Behälter. Er schien aus Glas zu bestehen, doch es konnte auch Acryl oder ein anderes transparentes Material sein. Hunter schätzte, dass die Seiten des Behälters etwa anderthalb Meter lang und mindestens einen Meter achtzig hoch waren. Der Behälter war oben offen und sah selbstgebaut aus. Ein Rahmen aus Metall sowie dicke Streifen weißer Dichtungsmasse hielten die vier Wände zusammen. Die Konstruktion hatte Ähnlichkeiten mit einer verstärkten Duschkabine. Im Innern des Behälters, einander gegenüber, befanden sich zwei Metallrohre von etwa sieben Zentimetern Durchmesser. Sie führten senkrecht vom Boden in die Höhe und oben aus der Kabine hinaus. Die Rohre hatten zahlreiche Löcher, die in etwa so groß waren wie ein handelsüblicher Bleistift.
Es gab zwei Dinge, die Hunter beunruhigten. Das eine war der Umstand, dass es sich bei den Bildern offenbar um ein Live-Streaming handelte. Das Zweite war das, was sich in der Mitte des Behälters, genau zwischen den beiden Rohren, befand.
Dort saß, an einen stabilen Metallstuhl gefesselt, ein Mann. Er war hellhäutig, schätzungsweise Mitte bis Ende zwanzig und hatte dunkelblondes, kurz geschnittenes Haar. Als einziges Kleidungsstück trug er gestreifte Boxershorts. Er war korpulent mit rundem Gesicht, Pausbacken und dicken Armen. Er schwitzte stark, und obwohl er nicht verletzt zu sein schien, ließ sein Gesichtsausdruck keinen Zweifel daran, was er empfand: nackte Angst. Er hatte die Augen weit aufgerissen und atmete schnell und flach durch den Stoffknebel in seinem Mund. Die hektische Bewegung seiner Bauchdecke verriet Hunter, dass der Mann kurz davor war zu hyperventilieren. Er zitterte am ganzen Leib, und sein Blick huschte umher wie der einer orientierungslosen, verängstigten Maus.
Die Bilder hatten einen Grünstich, ein Hinweis darauf, dass sie von einer Kamera mit Nachtsichtobjektiv aufgenommen wurden. Wer auch immer dieser Mann war, er saß also in einem dunklen Raum.
»Ist das echt?«, zischte Garcia, die Hand über der Muschel des Telefonhörers.
Hunter zuckte die Achseln, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden.
Wie aufs Stichwort meldete sich der Anrufer zurück. »Falls Sie sich fragen, ob das hier live ist, Detective, erlauben Sie mir, dass ich es Ihnen demonstriere.«
Die Kamera schwenkte nach rechts zu einer nicht weiter bemerkenswerten gemauerten Wand, an der eine runde Uhr hing. Die Zeiger standen auf zwei Uhr siebenundfünfzig. Hunter und Garcia sahen auf ihre Armbanduhren – vierzehn Uhr siebenundfünfzig. Als Nächstes machte die Kamera einen Schwenk nach unten. Auf dem Boden am Fuß der Wand lag eine Tageszeitung. Die Kamera zoomte auf das Datum im Titel. Es war eine Ausgabe der aktuellen L. A. Times.
»Zufrieden?« Der Anrufer lachte leise.
Kurz darauf nahm die Kamera wieder den Mann im durchsichtigen Behälter aufs Korn. Dem lief mittlerweile der Rotz aus der Nase, und sein Gesicht war tränenüberströmt.
»Der Behälter, den Sie hier sehen, ist aus verstärktem Glas hergestellt – stark genug, um einer Kugel standzuhalten«, erklärte der Anrufer mit eiskalter Ruhe. »Die Tür hat einen überaus sicheren Schließmechanismus und ist luftdicht versiegelt. Sie lässt sich nur von außen öffnen. Kurz: Der Mann, den Sie auf Ihrem Bildschirm sehen, ist gefangen. Er hat keine Möglichkeit zu entkommen.«
Der verängstigte Mann blickte direkt in die Kamera. Rasch betätigte Hunter die Tastenkombination für einen Screenshot und sicherte diesen in der Zwischenablage seines Rechners. Jetzt hatte er ein Bild vom Gesicht des Mannes, anhand dessen man ihn, so hoffte er zumindest, später würde identifizieren können.
»Also. Der Grund, weshalb ich Sie anrufe, Detective, ist folgender: Ich brauche Ihre Hilfe.«
Der Mann im Bild begann heftig zu keuchen. Sein ganzer Körper war mit Angstschweiß bedeckt. Jeden Moment würde er eine Panikattacke bekommen.
»In Ordnung, ganz ruhig«, antwortete Hunter, um einen besonnenen, aber festen Ton bemüht. »Sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann.«
Schweigen.
Hunter wusste, dass der Anrufer noch in der Leitung war. »Ich tue, was ich kann, um Ihnen zu helfen. Sagen Sie mir nur, wie.«
»Nun …«, erwiderte der Anrufer. »Sie können entscheiden, wie er sterben soll.«