Das Quanten-Multiversum
Die Quantenphysik als Wissenschaft des äußerst Kleinen hat viele Geheimnisse, die sich jedoch im Gegensatz zu denen der Kosmologie experimentell erforschen lassen. Im Mittelpunkt der Quantentheorie steht die Vorstellung, ein Quantenteilchen sei unscharf. So gibt es zum Beispiel statt einer eindeutigen Position nur einen Messbereich von Wahrscheinlichkeiten für seinen Aufenthaltsort. Wenn man daher ein Photon – das definitive Quantenteilchen – auf ein Paar von Schlitzen abfeuert, verhält es sich so, wie es in der Wirklichkeit unmöglich erscheint. Es geht durch beide Schlitze zugleich hindurch und legt sich erst auf einen Schlitz fest, wenn man eingreift und misst, durch welchen Schlitz es ging.
Viele Quantentheoretiker akzeptieren dies als Wesen der Realität auf der Ebene dieser winzigen Teilchen. Im gerade genannten Beispiel befindet sich das Photon buchstäblich an zwei Orten zugleich, es sei denn, man macht eine Messung. Andere jedoch empfinden dieses Phänomen so sehr als Widerspruch zu ihrer eigenen Intuition, dass sie glauben, jedes Mal, wenn ein Quantenteilchen eine «Entscheidung» treffen muss, durch welchen Schlitz es geht, gäbe es – statt beider Werte mit jeweils einer gewissen Wahrscheinlichkeit – zwei separate Universen. In dem einen Universum geht das Teilchen durch den linken Schlitz, im anderen durch den rechten.
Dieses Konzept gibt es in zwei Versionen. In der einen existieren bereits unendlich viele Universen. In einigen davon nimmt das Photon den einen Weg, und in einigen anderen nimmt das Photon den anderen (in vielen weiteren gibt es gar kein Photon, oder aber es verpasste beide Schlitze). Die zweite Version der Viele-Welten-Interpretation auf Quantenebene behauptet: Jedes Mal, wenn ein solches Quantenereignis geschieht, spaltet sich unser Universum auf in eines für jede Möglichkeit. So muss das Photon nicht gespenstisch entscheiden, welchen Weg es nimmt, wenn eine Messung vorgenommen wird. Diese Messung findet einfach nur in diesem speziellen Universum statt.
Beide «Geschmacksrichtungen» dieser Theorie teilen uns mit, dass wir in einem Multiversum oder in «vielen Welten» leben: die erste Version mit einer bereits existierenden unendlichen Reihe von Variationen unseres eigenen Universums und die zweite, in der sich das Universum ständig aufspaltet. Angesichts der Menge von wahrscheinlich mehr als einem Googol (eine 1 mit 100 Nullen dahinter) Quantenteilchen im Universum, von denen viele regelmäßig solche Ereignisse durchlaufen, kommen ziemlich viele Universen zusammen, die sich aufspalten müssen. Dieses Quantenmultiversum unterscheidet sich ziemlich von der kosmologischen Idee eines Multiversums mit separaten Urknallereignissen in unterschiedlichen Blasen. Das kosmologische und das Quanten-Multiversum könnten voneinander isoliert existieren. Wir könnten sie aber auch gleichzeitig haben – ein Multiversum von Multiversen.