Nachglühen und Echos

Es fällt ein bisschen schwer, zu begreifen, wie die Kosmologen darauf kommen, dass diese extrem niedrige Temperatur so etwas wie ein «Nachglühen» des Urknalls sein soll. Wie wir bereits gesehen haben, klingt eine typische Erklärung ungefähr so: Als unmittelbare Folge des Urknalls war die (relativ winzige) Ausdehnung des Raums undurchlässig. Die darin enthaltene Materie war so heiß, dass das überhitzte Plasma eine Menge freier Elektronen enthielt, die alle Photonen streuten und umlenkten, was bedeutet: Kein Licht konnte da durchkommen. Als es ausreichend abgekühlt war, wurde es durchsichtig. Die elektromagnetische Strahlung, die damals vorhanden war, «zirkuliert» seitdem ständig, und es ist dieses Nachglühen, diese Reststrahlung, die wir im kosmischen Mikrowellenhintergrund erkennen.

Das klingt alles sehr schön, aber als Erklärung ist es äußerst unbefriedigend. Sollte dies das «Nachglühen» sein, muss man fragen, was die Zeitverzögerung vom ursprünglichen Ereignis zum heutigen Glühen verursacht hat. Das ist typisch für eine Beschreibung, die die Wirklichkeit zu stark vereinfacht bis zu dem Punkt, an dem es von selbst verwirrend wird, sobald man darüber nachdenkt, statt sich einfach nur mit dem vagen Gefühl zufriedenzugeben, das es einem gibt. Nachbeben und Nachglühen eignen sich gut als Metaphern, aber was will uns die Metapher sagen?

Das wahre Bild ist nicht das eines Nachbebens, das um das Universum kreist und Echos in alle Richtungen abgibt. Es ähnelt auch nicht einem Nachglühen, das den Himmel nach einem großen Brand erfüllt. Stattdessen sprechen wir über Licht, das sich durch das erstmals durchlässige junge Universum bewegte und das wegen der enormen Expansion, die das Universum durchgemacht hat, noch immer unterwegs ist. Da die Strahlung ursprünglich überall war, sollte sie, egal wo im Universum wir uns aufhalten, noch immer an uns vorbeirauschen.

Zweifellos war die Entdeckung dieser Strahlung eine sinnvolle Unterstützung der Urknalltheorie. Aber man kann dabei auch zu weit gehen. In seinem im Übrigen ausgezeichneten Buch «Big Bang: Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen Naturwissenschaft» schreibt Simon Singh: «Wer auch immer diese sogenannte Mikrowellen-Hintergrundstrahlung entdeckte, würde beweisen, dass es wirklich einen Urknall gegeben hatte.» Singh müsste es eigentlich besser wissen. Niemand würde dergleichen tun.

Wie wir bereits gesehen haben, kann man eine wissenschaftliche Theorie nicht beweisen. Man kann entweder Indizien für ihre Unterstützung liefern, oder man kann sie widerlegen, indem man Indizien liefert, die im Widerspruch zu ihr stehen. Die Existenz der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung war ein nützliches und bekräftigendes Indiz für die Urknalltheorie, aber sie ist ein eher indirekter Beweis, denn es könnte viele andere Gründe für ihr Dasein geben. Später sollte sie zur Anwendung kommen, um etliche entgegengesetzte Theorien zu unterstützen. Auf keinen Fall aber kann sie als absoluter Beweis gelten.

Vor dem Urknall
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