Machos und Wimps
In Wirklichkeit ist das Konzept der Dunklen Materie als einzelner Substanz eine allzu starke Vereinfachung. Weitgehend teilen Kosmologen ihre Vorstellung von der Beschaffenheit Dunkler Materie in zwei Kategorien ein. Es gibt wissenschaftliche Bezeichnungen, die einfach richtig klingen. Das Photon gehört dazu. Andere erscheinen ausgesprochen verschroben wie zum Beispiel das Gen «Sonic Hedgehog» (wörtlich: akustischer Igel). Aber gelegentlich versuchen Wissenschaftler, witzig zu sein, und das Ergebnis lässt einen dann zusammenzucken. So unterteilen die Kosmologen die potenziellen Quellen der Dunklen Materie in Machos und Wimps. Ein Macho ist ein «Massive Astrophysical Compact Halo Object». Es sind Objekte aus konventioneller Materie. Sie können alltäglich sein wie ein Komet oder extremerer Natur wie ein Schwarzes Loch, das man nicht sehen kann, weil es nicht genügend Strahlung abgibt. Man nimmt an, sie existieren im galaktischen Halo, in dem Raum, der die Galaxie umgibt.
Unglücklicherweise gibt es kaum Beweismaterial dafür, dass die Machos irgendwo auch nur annähernd genügend Masse liefern. Wir brauchen ja eine Menge Dunkle Materie, die gut siebenmal mehr wiegen muss als die gesamte gewöhnliche Materie im Universum. Deshalb greift man auf die noch exotischere Alternative der WIMPS zurück: «Weakly Interacting Massive Particles» – «schwach wechselwirkende massereiche Teilchen», im Englischen auch deutbar als «wimp» wie Schwächling. Die Wimps lassen sich nicht wie normale Materie aufspüren, wechselwirken wahrscheinlich überhaupt nicht mit dem Licht, sind aber wenigstens noch schwer. Wir kennen ein paar leichtgewichtige Teilchen – Neutrinos, auf die die Unfähigkeit zur Wechselwirkung zutrifft, aber sie reichen nicht aus, um die ganze notwendige zusätzliche Masse im Universum aufzubringen. Es könnte allerdings etwas anderes da draußen geben – eine Art Sumo-Neutrino –, das genügend Masse ergeben würde.
Einen theoretischen Schub bekommt die Existenz Dunkler Materie durch die Resultate der COBE- und WMAP-Satelliten, die eben auch Einblicke in den Zustand kurz nach dem Urknall gewähren. Die geringfügigen Schwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung sind vermutlich das Ergebnis von Quantenfluktuationen, die zu größeren und geringeren Anhäufungen von Materie führten. Die etwas älteren Abschnitte spiegeln die Orte wider, wo Materie die Strahlung gestreut hat. Aber der Anteil der Materie, die von diesen Karten abgeleitet werden kann, legt nahe, dass es einfach nicht genügend Materie gegeben hat, um für den Gravitationsschub zu sorgen, der die Galaxien schuf, die wir heute sehen. Es hätte mehr Anziehungskraft geben müssen. Und die glaubt man der Dunklen Energie zuschreiben zu können.
Als das Universum anfing, ungleichmäßig zu werden, konnte sich die Dunkle Materie (die ja nicht mit Photonen in Wechselwirkung tritt) schneller verdichten, weil sie von der noch immer vorhandenen heftigen Strahlung nicht versprengt werden konnte. So bildeten sich die Kerne der Strukturen, die sich schließlich um sie herum anhäuften.
Wenn wir darauf hätten warten müssen, bis die gewöhnliche Materie den Beschuss der Strahlung überstanden und sich dank der Gravitation angehäuft hätte und alles sich so verhielt, wie wir es heute beobachten, dann hätte es für die Bildung der Strukturen im Universum einfach nicht genügend Zeit gegeben.
Selbst die Dunkle Materie, wie sie bis jetzt dargestellt wurde, reicht nicht ganz aus, um die Probleme der Strukturbildung zu bewältigen. Obwohl es halbwegs vernünftig ist, zu zeigen, wie die Galaxien zusammengekommen sein könnten, erklärt dies nicht die großmaßstäbliche Struktur, die Gruppen von Galaxien miteinander zu verbinden scheint. Dafür müssen die Theoretiker eine zweite Form von Dunkler Materie vorschlagen, nämlich heiße Dunkle Materie, die energiereicher ist und daher weniger von der lokalen Gravitationsanziehung beeinflusst wird. Manche sehen dies einfach als notwendiges Dilemma, während andere die Gründe aufzählen, warum das existierende kosmologische Modell viel zu wackelig und zusammengeflickt ist und dringend ersetzt werden muss.