Z W E I T E R T E I L
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Es war der Lärm des landenden Flugzeugs, der die Rückkehr des Herrschers von seinem legendären Besuch in Amerika ankündigte, denn er war lauter als Donner. Die Leute sagten, nur Seine Allmächtigkeit könne einen Donner ohne Blitz und Regen bewirken, aber irgendetwas stimme nicht, fügten sie hinzu, weil der Herrscher wie ein Dieb im Schutz der Dunkelheit zurückkam. Die Prozession aus Diplomaten, Ministern und Tänzern, die ihn empfingen, wenn er von Auslandsbesuchen heimkehrte, war nirgends zu sehen. Und als er nicht im Fernsehen auftauchte, versicherten die Leute voller Überzeugung: Jawohl, irgendetwas stimmte nicht, der Herrscher war immer live im Fernsehen zu sehen, wenn er aus dem Ausland zurückkam. Als nach Tagen immer noch keine Fotos oder Fernsehberichte über seine Rückkehr erschienen, begannen die Leute zu flüstern: Ist sein Leichnam per Schiff aus Amerika zurückgebracht worden?
Selbst als der Informationsminister Big Ben Mambo eine Erklärung abgab, der Herrscher habe sich ins State House zurückgezogen, um über die Zukunft des Landes nachzudenken, ließen die Gerüchte nicht nach. Im Gegenteil, die Erklärung goss nur Öl ins Feuer.
Viele Minister tappten im Dunkeln, warum sich der Herrscher im State House verschanzt hatte, und nur wenige wussten, dass er schluchzte wie ein Kind, auch wenn ihm dabei keine Tränen aus den Augen rannen. Sie ahnten nicht, dass ihn das Verlangen nach Rache am Herrn der Krähen völlig verzehrte. Doch anders als sonst, da seine Tränen mehrere Fässer füllten, fiel diesmal wirklich nicht ein Tropfen, was seine Niedergeschlagenheit verstärkte und ihn nur noch mehr schluchzen ließ. Die unvergossenen Tränen eines ungestillten Racheverlangens sind nervenaufreibend und verlangen nach Zurückgezogenheit.
Nur die Befehlshaber der Streitkräfte hatten Zutritt, weil er ihren Rapport hören wollte, bevor er Sikiokuu und andere Minister vorließ. Nachdem sie berichtet hatten, befahl er ihnen, vom State House aus zu kommandieren, denn er wollte ein Auge auf sie haben, da er einen Militärputsch fürchtete. Doch auch wenn der Herrscher durch das Militär abgeschirmt und beschützt wurde, fanden die Worte aus der Nachricht des Zauberers weiterhin einen Weg in sein Bewusstsein – der Herrscher ist schwanger –, und wenn das geschah, schrak er zusammen, als flüsterte ihm jemand diese Worte tatsächlich ins Ohr. Gerüchte besagen, dass der Herrscher einmal einen Armeeführer packte, der zufällig anwesend war, und ihn fragte: „Hast du etwa gewagt zu sagen, ‚Der Herrscher ist schwanger‘?“ Und der Mann stieß hervor: „Oh, nein, nein, ich habe kein Wort gesprochen.“ Als dem Herrscher sein Versehen klar wurde, tat er so, als wäre alles ein Scherz gewesen: „Ich wollte nur prüfen, ob du auch jederzeit wachsam bist.“ Dennoch schärfte er dem Mann ein, niemandem von diesem Vorfall zu erzählen, nicht einmal sich selbst. Der Offizier antwortete: „Wovon sprechen Sie? Ich kann mich an nichts erinnern.“ Aber diese offensichtlich ehrliche Antwort machte dem Herrscher nur noch mehr Angst. Wenn der Mann so leicht vergessen konnte, was gerade geschehen war, wie konnte der Herrscher dann sicher sein, dass er nicht genauso schnell vergaß, gerade gewarnt worden zu sein, weder sich selbst noch jemand anderem von diesem Vorfall zu erzählen? Er mochte ihn aber nicht fragen, woran er sich nicht erinnere, denn er wollte vermeiden, dass der Offizier die Worte „der Herrscher ist schwanger“ wiederholte. Sein Gemüt war in heller Aufregung, und weil er sich nicht zu helfen wusste, schluchzte er in solchen Momenten tränenlos mit noch größerer Niedergeschlagenheit und Verbitterung, während seine Schultern zuckten und sein Körper zitterte. Einige Leute vermuteten, irgendwo bebe die Erde oder ein Vulkan sei ausgebrochen.
Wie konnte dieser Bastard von einem Herrn der Krähen wagen, mich als Frau zu bezeichnen? Will er damit andeuten, dass meine Macht schwindet? Haben mich die westlichen Herrscher deshalb nicht empfangen?
Vielleicht hatten sie auf ihn herabgesehen, weil in letzter Zeit kein Blut geflossen war wie in den frühen Tagen seiner Herrschaft, in denen er unerschrocken scharenweise aburĩrische Kommunisten umgebracht hatte. Wie soll ich ihnen beweisen, immer noch derselbe zu sein?, fragte er sich. Doch beachtete er weiterhin das selbst auferlegte Moratorium zum Blutvergießen, um die Global Bank zu beeindrucken. Ein Ohnmachtsgefühl verstärkte seine Niedergeschlagenheit. Er fühlte sich von seinen Freunden im Westen verlassen und von seinem Volk verschmäht. Wie konnte ein Zauberer es wagen, ihm ins Gesicht zu sagen, er sei eine Frau? Und nicht nur der Zauberer. Sogar die Frauen selbst …
Diesen Gedanken verfolgte er nicht zu Ende, weil er ihm plötzlich die Frauen der Schmach von Eldares ins Gedächtnis rief, und die Erinnerung an diese Tat in Anwesenheit von Diplomaten aus allen Teilen der Welt heizte sein Hirn erneut mit Wut auf. Dieses schändliche Schauspiel war die Quelle des gegenwärtigen Mangels an Furcht und Respekt. Nyawĩra fiel ihm ein. Hatte man sie gefasst?, fragte er sich. Er dachte an die jüngste Welle des Ehemännerverprügelns. Hatte ich Sikiokuu nicht die Aufgabe übertragen, die Rolle der Frauen und ihrer Verwicklung in abweichlerische Politik zu untersuchen? Er beschloss, nach Sikiokuu zu schicken, und brach damit zumindest die selbst auferlegte Abschottung von seinen Ministern. Sikiokuu, Staatsminister im Büro des Herrschers, spürte, wie Stolz in ihm aufkam, weil er das erste Kabinettsmitglied war, das seit der Rückkehr des Herrschers aus Amerika zu einer Audienz geladen wurde.
Der Herrscher verschwendete keine Zeit mit Einleitungen und kam gleich auf den Punkt. „Bevor ich mich auf den Weg nach Amerika machte, habe ich dir mehrere Aufgaben übertragen: Nyawĩra festzunehmen, der Bewegung für die Stimme des Volkes das Rückgrat zu brechen und den Schlangenwahn zu untersuchen. In Amerika haben mich jedoch Berichte erreicht, dass in Aburĩrias Wohnzimmern jetzt die Frauen regieren und einige so dreist geworden sind, Volksgerichte einzusetzen und am helllichten Tag Männer zu verprügeln. Was hast du dazu zu sagen?“