13

„Wo waren wir?“

Vinjinia bremste unvermittelt, und das Auto schlitterte an den Straßenrand. Zum Glück befanden sich keine anderen Fahrzeuge in der Nähe. Sie traute ihren Ohren nicht. Hatte ihr Mann gerade etwas gesagt? Sie wagte nicht, ihn anzusehen.

„Was hast du gesagt?“, fragte Vinjinia, um sicherzugehen, sich nicht verhört zu haben.

„Ich habe dich gefragt, wo wir waren“, wiederholte Tajirika, als wäre er aus einem tiefen Schlaf erwacht.

Sie sah über ihre Schulter, konnte seinem Gesichtsausdruck aber nicht viel entnehmen. Seine Stimme klang wie vor den „Wenns“.

„Geht es dir wieder gut? Gott sei Dank!“, sagte sie, ohne ihre Freude zu verbergen, und fügte hinzu, als hätten sie den Hausarzt aufgesucht: „Wir waren im Schrein des Herrn der Krähen!“

„Was? Im Schrein eines Zauberers?“, fragte er mit müder Stimme.

Vinjinia wollte nichts verheimlichen und erzählte ihm, er sei seit der Nacht, in der er drei Taschen voller Burĩ nach Hause gebracht habe, sehr krank gewesen. Gewöhnliche Ärzte hätte diese Krankheit vor Rätsel gestellt, und sie, Vinjinia, sei froh, mit ihm zum Schrein des Heilers gefahren zu sein, denn es gehe ihm bereits viel besser. Obwohl der Herr der Krähen mit seiner heilenden Arbeit noch gar nicht begonnen habe, sei das das erste Mal seit langer Zeit, dass er wieder spreche.

„Wer hat das Gerücht verbreitet, dass ich krank bin?“, unterbrach Tajirika sie. „Wenn ich krank gewesen bin, dann kannst du sehen, dass es mir jetzt bestens geht, vielen Dank.“

„Wir müssen aber noch mal hin“, meinte Vinjinia.

„Wozu?“, fragte er zunehmend irritiert

„Um ihm die drei Säcke mit dem Geld zu bringen. Das Böse steckt in diesen Säcken.“

Tajirika war, als müsste er über den Vordersitz klettern und Vinjinia ein paar Ohrfeigen verpassen.

„Genau das ist der Grund, warum ich immer sage, afrikanische Frauen sind naiv. Du willst dich wirklich von den Märchen eines Hexenmeisters einwickeln lassen? Ich kann es nicht glauben: Eine erwachsene Frau, die Mutter meiner Kinder und gläubige Kirchengängerin, ist drauf und dran, drei große Säcke voller Geld zu einem Hexenmeister zu schleppen!“

„Du entscheidest, was du tust. Ich wollte nur, dass du wieder gesund wirst, obwohl ich dadurch Orte besuchen musste, an denen ich mich normalerweise nicht aufhalte. Denk an die Tausenden Burĩ, die du verloren hast, seit du krank geworden bist!“

„Und da hast du dir gedacht, du vergrößerst den Verlust einfach, indem du mein Geld einem Hexenmeister in den Rachen wirfst?“

„Ich habe deine Vorwürfe nicht verdient. Wenn es dir gut geht, dann fahren wir eben nicht zum Schrein. Wir schulden ihm nichts. Er hat seine Heilung noch nicht durchgeführt.“

Zu Hause angekommen, wollte Tajirika sofort wissen, wo Vinjinia die drei Säcke mit dem Geld aufbewahrte. Sie zeigte auf den Safe und ging, enttäuscht über sein mangelndes Interesse an dem, was ihm widerfahren war, und wütend über die Undankbarkeit.

Er öffnete die Säcke einen nach dem anderen, um sicherzugehen, dass alle Geldscheine noch da waren. Nachdem er sie wieder verschnürt hatte, hob er sie einzeln an, als wollte er sie wiegen, und stellte sie dann nebeneinander ab. Danach kniete er vor dem mittleren nieder und streckte die Arme zur Seite und bildete mit seinem Körper ein Kreuz. Anschließend versuchte er, wie im Gebet die Augen zu schließen, aber es gelang ihm nicht. Er versuchte, etwas zu sagen, doch er brachte kein Wort zustande. Angestrengt versuchte er, die Worte herauszuwürgen, bis plötzlich der Husten wieder da war, und mit dem Husten kehrten die „Wenns“ und „Wenn ich bloß“ zurück.

Vinjinia eilte zu der Stelle, an der er kniete. Das war der Beweis. Der Herr der Krähen war der Einzige, der das Böse austreiben konnte, und nach dem Exorzismus würde sie keine Macht der Welt mehr dazu bringen, die verhexten Geldsäcke wieder mit nach Hause zu nehmen.

Herr der Krähen
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