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Der Motorradfahrer kehrte nach sieben Tagen zurück und machte auf einige den Eindruck eines Verrückten. Seine Erzählung war zwar zusammenhängend, das schon, aber er rollte dabei mit den Augen, als fiele es sogar ihm schwer, die Geschichte zu glauben, die er seinen Einsatzkollegen erzählte.
Diejenigen, die seinen Bericht kennen, berichten von seiner unglaublichen Behauptung, er, der Motorradfahrer, habe sieben Tage lang – das Megafon in der einen Hand, mit der anderen das Motorrad lenkend – nichts weiter getan, als der Warteschlange zu folgen; er stieg nicht ein einziges Mal ab, sondern schlief während der Fahrt, weil er – sich seiner Pflicht als loyaler Polizist bewusst – so schnell wie möglich ans Ende der Schlange gelangen wollte, um unverzüglich und fundiert berichten zu können. Aber jedes Mal, wenn er glaubte, sich dem Ende der Schlange zu nähern, musste er feststellen, dass sich bereits neue Arbeitssuchende angestellt hatten.
Während der ersten beiden Tage war er die Schlange abgefahren, um am dritten schließlich zu bemerken, dass sich immer mehr anstellten. Er war unsicher, in welche Richtung er sich wenden sollte, weil er sich nicht wie die Hyäne verhalten wollte, die einst versucht hatte, mehrere Pfade gleichzeitig zu nehmen. Was zu tragischen Ergebnissen geführt hatte. Also entschied er, sich an den Hauptzweig zu halten, beziehungsweise an das, was ihm als die Hauptschlange erschien.
Zu Beginn seiner Mission hatte er den Schlange stehenden Leuten noch verkündet: „Vorsitzender Titus Tajirika ist heute nicht im Büro. Bitte gehen Sie nach Hause und kommen Sie morgen wieder.“ Allerdings wurde ihm das bald zu anstrengend, auf dem Motorrad sitzend mit dem Megafon in der Hand. Während er bei den einen anfing, seine Botschaft zu verkünden, hatte er sich, noch bevor er seine Mitteilung zu Ende führen konnte, längst weit von ihnen entfernt. Die Wartenden erhielten nur Bruchteile der Information. Also überlegte der Fahrer, dass es besser wäre, die Sätze zu verkürzen. Als Erstes entfernte er alle überflüssigen Worte wie „Vorsitzender Titus Tajirika“. Danach alle Erklärungen, dass der Chef heute nicht im Büro sei. Schließlich hörte er auf, den Leuten zu sagen, dass sie lieber nach Hause gehen sollten und verkürzte es auf „Kommen Sie morgen wieder“. Was er zuletzt zu einem einzigen Wort abkürzte: „Morgen“. Trotzdem schnappten einige Leute noch immer nur einzelne Silben auf, manche ein „Mor“, andere ein „or“ und dritte ein „gen“.
Er wurde zum Gegenstand hitziger Debatten unter den Wartenden, und sie meinten, er müsse von jenen Dämonen besessen sein, die normalerweise die Politiker dazu zwingen, Wörter auszuspucken, nur um sich selbst reden zu hören, unabhängig davon, ob das, was sie sagten, einen Sinn ergab oder nicht. Sie verpassten ihm den Spitznamen Motorisierter Schwachkopf, was bald zum Synonym für alle Verkehrspolizisten wurde.
Nachdem er auf der Suche nach dem Ende der Schlange sieben Tage lang durch die Städte in der näheren Umgebung von Eldares gekreuzt war, fand er sich schließlich in Santamaria wieder. Der Schwanz der Warteschlange war irgendwie wieder am Kopf angelangt und hatte einen riesigen Kreis gebildet, der aus Sicht der Analytiker das eigentliche Problem für den Motorradfahrer darstellte. Er war immer im Kreis gefahren, und erst, als er das Mars Café entdeckte, wurde ihm klar, dass er an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt war. Wie oft er die Stadt umfahren hatte, ohne es zu merken, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Selbst ihm. Wenn er nicht zufällig das Mars Café wiedererkannt hätte, er wäre für den Rest seines Lebens auf der Suche nach dem Ende der Schlange gewesen.
Natürlich konnte er nur über die eine Warteschlange etwas sagen, um die er sich gekümmert hatte, doch tauchten in allen Winkeln von Eldares zahllose andere auf. Eine Zeit lang sah es so aus, als ob in Eldares jeder besessen war. Wenn jemand nur einen Schaufensterbummel machte und für einen Augenblick vor einem Schaufenster stehen blieb, bildete sich hinter ihm eine Schlange. Die Leute fragten sich nicht einmal, warum es diese Schlange gab; sie nahmen einfach an, dass sie aus gutem Grund existierte, und wollten ihren Anteil an dem, was da verteilt wurde. Gerüchte, dass mit Marching to Heaven bereits begonnen worden war und die Finanzmissionare der Global Bank Geld verteilten, trugen dazu bei, das Fieber noch ansteigen zu lassen. Manchmal fand sich jemand am Kopf einer Warteschlange, ohne zu merken, dass er diese ausgelöst hatte, ging nach Hause und stellte sich am nächsten Tag hinten wieder an und wusste immer noch nicht, dass er selbst ihr Verursacher war. Die Menschenreihen entwickelten ein Eigenleben.
Nachdem er seinen mündlichen Bericht abgeschlossen hatte, sank der Polizist im Polizeihauptquartier erschöpft in tiefen Schlaf. Sieben Tage und Nächte wälzte er sich in seiner Verstrickung, als befände er sich in den Klauen eines Albtraums. Als er nach sieben Tagen erwachte und lautstark nach seiner Yamaha verlangte, um die unerledigte Aufgabe, alle Warteschlangen zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, zu Ende zu bringen, lieferte man ihn zur Beobachtung in eine geschlossene Anstalt ein und suspendierte ihn später auf unbestimmte Zeit – ohne Dienstbezüge –, damit er sich erholte.
Als sein Bericht dem Herrscher zu Ohren kam, rief dieser unverzüglich seine Minister zu einer Krisenkabinettssitzung zusammen, um mit ihnen zu beraten, wie das Übergreifen dieser dämonischen Warteschlangen auf andere Städte verhindert werden konnte.