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Als Tajirika von Kaniũrũs kaum Aufsehen erregender Heirat erfuhr, vermutete er, dass mehr dahintersteckte, als auf den ersten Blick erkennbar war. Bescheidenheit war nicht Kaniũrũs Art. Tajirikas Misstrauen wuchs, als er später herausfand, dass Jane Kanyori in einer Bank arbeitete. Unterstanden die Banken nicht seinem Ministerium?
Er beschloss, Nachforschungen anzustellen.
Die Ermittlungen erwiesen sich als einfach, vor allem, nachdem Tajirika Kopien der Bankunterlagen in die Hände bekommen hatte und entdeckte, dass alle Transaktionen, an denen Sikiokuu und Kaniũrũ beteiligt waren, immer mit Jane Kanyoris Unterschrift beglaubigt worden waren. Danach war es nur noch eine Sache von gesundem Menschenverstand und einfacher Rechenübungen. Tajirika ging nun, ausgerüstet mit seinem neuen Wissen und den Bankunterlagen, auf direktem Weg zum Herrscher, in der festen Überzeugung, dass dieser, wenn er erst einmal realisiert hatte, dass Kaniũrũ der Einzige war, der mit Marching to Heaven Geld gemacht hatte, ihm sofort das Verteidigungsministerium entziehen würde. Jetzt konnte Kaniũrũ nichts mehr vor dem Zorn des Herrschers bewahren.
Der Herrscher nahm die Unterlagen, sah sie sehr sorgfältig durch und schüttelte dann den Kopf. Er konnte kaum begreifen, wie dieser Kerl es geschafft hatte, sie alle hinters Licht zu führen. Zu Tajirikas Überraschung fing er an, lauthals zu lachen.
„Was für ein Gauner!“
„Stimmt, ein Gauner ersten Ranges“, pflichtete Tajirika rasch bei.
„Aber was tut so ein Gauner als mein Verteidigungsminister?“
„Sehr gefährlich, Eure Vortrefflichkeit“, stimmte Tajirika zu.
Der Herrscher schickte nach Kaniũrũ.
Ein Blick auf Tajirika, den Herrscher und schließlich auf die Papiere auf dem Tisch, und Kaniũrũ wusste, dass er in der Klemme steckte. Doch anstatt in Panik zu verfallen, sah er die Gelegenheit, sich an Kanyori zu rächen. Zumindest konnte er ihren Charakter so sehr in den Schmutz ziehen, dass der Herrscher ihr nicht glauben würde, sollte sie jemals verraten, dass er die Unterschrift des Herrschers gefälscht hatte. Als er mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, Geld mit Marching to Heaven gemacht und andere damit beschuldigt zu haben, schien er es zu genießen, alle Einzelheiten herauszulassen. Er wisse nicht, was in ihn gefahren sei, dem Wort einer Frau zu glauben. „Nachdem ich mich schon einmal von einer Frau habe täuschen lassen, die sich später als Staatsfeindin herausgestellt hat, hätte ich es besser wissen müssen, aber ich habe mich in Kanyoris Lügengespinst verfangen.“ Doch er wolle sich nicht zu sehr selbst bemitleiden, denn auch ein Kriegsheld wie Samson sei einst von einer gewissen Delilah in den Schlaf gewiegt worden.
„Eure Ewig Allmächtige Vortrefflichkeit, meine Delilah ist meine zweite Frau Jane Kanyori“, sagte Kaniũrũ und schloss mit der Behauptung, der Plan für diesen großen Betrug und seine Ausführung sei von Kanyori entworfen worden.
„Und warum hast du sie geheiratet, wenn du all das über sie gewusst hast?“, fragte Tajirika, der fürchtete, der Herrscher könnte sich einwickeln lassen.
„Soll ich dir die Wahrheit sagen?“, fragte Kaniũrũ rhetorisch. „Sie hat damit gedroht, alles auffliegen zu lassen und mir die Schuld zuzuschieben. Es war Erpressung!“
„Du meinst, sie ist eine noch größere Gaunerin als du?“, fragte der Herrscher und lächelte ein wenig.
Die Geschicklichkeit, mit der er die Sache verdrehte und alles Kanyori anlastete, funktionierte, dachte Kaniũrũ und erfand weitere Details.
„Auch wenn sie meine Frau ist, kann ich Eure Allmächtige Vortrefflichkeit nicht anlügen: Kanyori, meine Frau, ist gefährlich. Sie kann Zahlen verdrehen wie niemand sonst. Sie kann sogar den Teufel täuschen.“
Der Herrscher setzte ein ernstes Gesicht auf und die beiden schauten ihn verängstigt an.
„Kaniũrũ, du bist am falschen Platz. Das Verteidigungsministerium braucht jemanden, der vertrauenswürdig ist, keinen Gauner, zumindest keinen Gauner, der seinen Oberbefehlshaber auf Abwege führt. Es braucht jemanden, dem ich vollkommen vertrauen kann, jemanden, der mit Abschreckungstaktiken den Feind dazu bringt, sich zu ergeben, und gleichzeitig so furchtsam lebt, dass er nicht versucht, etwas gegen seinen Herrn und Meister zu unternehmen, jemanden, der für mich lügt, mich aber nicht belügt, jemanden, der bewiesen hat, dass er lieber sein eigenes Grab schaufeln würde, als mir gegenüber unehrlich zu sein, jemanden wie Tajirika. Im Zeitalter von Baby D brauche ich einen solchen Mann an der Spitze meiner Streitkräfte. Tajirika, du bist mein neuer Verteidigungsminister.“
Heute mache ich eine Flasche Champagner auf, dachte Tajirika, und selbst Vinjinia wird sich, auch wenn sie nicht trinkt, ein Glas genehmigen müssen.
„Und nun wieder zu dir“, sprach der Herrscher, schaute Kaniũrũ an und konnte beim Gedanken an diesen Mann, der von einer Frau übers Ohr gehauen worden war, sein Lachen kaum zurückhalten. „Ich will fünfzig Prozent von dem Geld, das du aus Marching to Heaven gestohlen hast, plus Zinsen, und das Ganze geht in den Ruler’s Smog Disaster Fund. Ich gebe dir aber noch eine Chance. Deine Gerissenheit eignet sich am besten für die Jugend und für Geldangelegenheiten. Du bist mein neuer Minister für Finanzen und Jugendangelegenheiten. Was deine Frau Jane Kanyori angeht, so wünsche ich, dass sie unverzüglich aus der National Bank of Commerce and Industry abgezogen und an strategischer Stelle in der Central Bank eingesetzt wird. Ich will sie zur neuen Rechnungsprüferin der Central Bank ernennen. Aber lass dich warnen. Ich lasse dich und Mrs. Kaniũrũ an der langen Leine, und die könnte euch zum Verhängnis werden. Keine Lügen mehr! Sonst werdet ihr Gauner mich kennenlernen“, schloss der Herrscher sichtlich zufrieden damit, wie er alles umgeordnet und eine Technokratin in eine Position monetärer Autorität gesetzt hatte. „Wirkliche Betrüger lassen sich vom Realismus leiten.“
Dieser Satz stammte eigentlich aus der „Politischen Theorie“ des Herrschers, in der Machokali formuliert hatte, dass Betrüger oft realistischer an die Beurteilung einer Lage gingen als bloße Idealisten.
Die beiden Minister sahen einander an, als wüssten sie nicht genau, wer bei dieser ersten Kabinettsumbildung im Zeitalter von Baby D mehr gewonnen hatte. Aber beiden war klar, dass der Kampf zwischen ihnen, ähnlich dem zwischen Machokali und Sikiokuu in der vorangegangenen Ära, gerade erst begonnen hatte.