11

Als Tajirika von Kaniũrũs kaum Aufsehen erregender Heirat erfuhr, vermutete er, dass mehr dahintersteckte, als auf den ersten Blick erkennbar war. Bescheidenheit war nicht Kaniũrũs Art. Tajirikas Misstrauen wuchs, als er später herausfand, dass Jane Kanyori in einer Bank arbeitete. Unterstanden die Banken nicht seinem Ministerium?

Er beschloss, Nachforschungen anzustellen.

Die Ermittlungen erwiesen sich als einfach, vor allem, nachdem Tajirika Kopien der Bankunterlagen in die Hände bekommen hatte und entdeckte, dass alle Transaktionen, an denen Sikiokuu und Kaniũrũ beteiligt waren, immer mit Jane Kanyoris Unterschrift beglaubigt worden waren. Danach war es nur noch eine Sache von gesundem Menschenverstand und einfacher Rechenübungen. Tajirika ging nun, ausgerüstet mit seinem neuen Wissen und den Bankunterlagen, auf direktem Weg zum Herrscher, in der festen Überzeugung, dass dieser, wenn er erst einmal realisiert hatte, dass Kaniũrũ der Einzige war, der mit Marching to Heaven Geld gemacht hatte, ihm sofort das Verteidigungsministerium entziehen würde. Jetzt konnte Kaniũrũ nichts mehr vor dem Zorn des Herrschers bewahren.

Der Herrscher nahm die Unterlagen, sah sie sehr sorgfältig durch und schüttelte dann den Kopf. Er konnte kaum begreifen, wie dieser Kerl es geschafft hatte, sie alle hinters Licht zu führen. Zu Tajirikas Überraschung fing er an, lauthals zu lachen.

„Was für ein Gauner!“

„Stimmt, ein Gauner ersten Ranges“, pflichtete Tajirika rasch bei.

„Aber was tut so ein Gauner als mein Verteidigungsminister?“

„Sehr gefährlich, Eure Vortrefflichkeit“, stimmte Tajirika zu.

Der Herrscher schickte nach Kaniũrũ.

Ein Blick auf Tajirika, den Herrscher und schließlich auf die Papiere auf dem Tisch, und Kaniũrũ wusste, dass er in der Klemme steckte. Doch anstatt in Panik zu verfallen, sah er die Gelegenheit, sich an Kanyori zu rächen. Zumindest konnte er ihren Charakter so sehr in den Schmutz ziehen, dass der Herrscher ihr nicht glauben würde, sollte sie jemals verraten, dass er die Unterschrift des Herrschers gefälscht hatte. Als er mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, Geld mit Marching to Heaven gemacht und andere damit beschuldigt zu haben, schien er es zu genießen, alle Einzelheiten herauszulassen. Er wisse nicht, was in ihn gefahren sei, dem Wort einer Frau zu glauben. „Nachdem ich mich schon einmal von einer Frau habe täuschen lassen, die sich später als Staatsfeindin herausgestellt hat, hätte ich es besser wissen müssen, aber ich habe mich in Kanyoris Lügengespinst verfangen.“ Doch er wolle sich nicht zu sehr selbst bemitleiden, denn auch ein Kriegsheld wie Samson sei einst von einer gewissen Delilah in den Schlaf gewiegt worden.

„Eure Ewig Allmächtige Vortrefflichkeit, meine Delilah ist meine zweite Frau Jane Kanyori“, sagte Kaniũrũ und schloss mit der Behauptung, der Plan für diesen großen Betrug und seine Ausführung sei von Kanyori entworfen worden.

„Und warum hast du sie geheiratet, wenn du all das über sie gewusst hast?“, fragte Tajirika, der fürchtete, der Herrscher könnte sich einwickeln lassen.

„Soll ich dir die Wahrheit sagen?“, fragte Kaniũrũ rhetorisch. „Sie hat damit gedroht, alles auffliegen zu lassen und mir die Schuld zuzuschieben. Es war Erpressung!“

„Du meinst, sie ist eine noch größere Gaunerin als du?“, fragte der Herrscher und lächelte ein wenig.

Die Geschicklichkeit, mit der er die Sache verdrehte und alles Kanyori anlastete, funktionierte, dachte Kaniũrũ und erfand weitere Details.

„Auch wenn sie meine Frau ist, kann ich Eure Allmächtige Vortrefflichkeit nicht anlügen: Kanyori, meine Frau, ist gefährlich. Sie kann Zahlen verdrehen wie niemand sonst. Sie kann sogar den Teufel täuschen.“

Der Herrscher setzte ein ernstes Gesicht auf und die beiden schauten ihn verängstigt an.

„Kaniũrũ, du bist am falschen Platz. Das Verteidigungsministerium braucht jemanden, der vertrauenswürdig ist, keinen Gauner, zumindest keinen Gauner, der seinen Oberbefehlshaber auf Abwege führt. Es braucht jemanden, dem ich vollkommen vertrauen kann, jemanden, der mit Abschreckungstaktiken den Feind dazu bringt, sich zu ergeben, und gleichzeitig so furchtsam lebt, dass er nicht versucht, etwas gegen seinen Herrn und Meister zu unternehmen, jemanden, der für mich lügt, mich aber nicht belügt, jemanden, der bewiesen hat, dass er lieber sein eigenes Grab schaufeln würde, als mir gegenüber unehrlich zu sein, jemanden wie Tajirika. Im Zeitalter von Baby D brauche ich einen solchen Mann an der Spitze meiner Streitkräfte. Tajirika, du bist mein neuer Verteidigungsminister.“

Heute mache ich eine Flasche Champagner auf, dachte Tajirika, und selbst Vinjinia wird sich, auch wenn sie nicht trinkt, ein Glas genehmigen müssen.

„Und nun wieder zu dir“, sprach der Herrscher, schaute Kaniũrũ an und konnte beim Gedanken an diesen Mann, der von einer Frau übers Ohr gehauen worden war, sein Lachen kaum zurückhalten. „Ich will fünfzig Prozent von dem Geld, das du aus Marching to Heaven gestohlen hast, plus Zinsen, und das Ganze geht in den Ruler’s Smog Disaster Fund. Ich gebe dir aber noch eine Chance. Deine Gerissenheit eignet sich am besten für die Jugend und für Geldangelegenheiten. Du bist mein neuer Minister für Finanzen und Jugendangelegenheiten. Was deine Frau Jane Kanyori angeht, so wünsche ich, dass sie unverzüglich aus der National Bank of Commerce and Industry abgezogen und an strategischer Stelle in der Central Bank eingesetzt wird. Ich will sie zur neuen Rechnungsprüferin der Central Bank ernennen. Aber lass dich warnen. Ich lasse dich und Mrs. Kaniũrũ an der langen Leine, und die könnte euch zum Verhängnis werden. Keine Lügen mehr! Sonst werdet ihr Gauner mich kennenlernen“, schloss der Herrscher sichtlich zufrieden damit, wie er alles umgeordnet und eine Technokratin in eine Position monetärer Autorität gesetzt hatte. „Wirkliche Betrüger lassen sich vom Realismus leiten.“

Dieser Satz stammte eigentlich aus der „Politischen Theorie“ des Herrschers, in der Machokali formuliert hatte, dass Betrüger oft realistischer an die Beurteilung einer Lage gingen als bloße Idealisten.

Die beiden Minister sahen einander an, als wüssten sie nicht genau, wer bei dieser ersten Kabinettsumbildung im Zeitalter von Baby D mehr gewonnen hatte. Aber beiden war klar, dass der Kampf zwischen ihnen, ähnlich dem zwischen Machokali und Sikiokuu in der vorangegangenen Ära, gerade erst begonnen hatte.

Herr der Krähen
titlepage.xhtml
cover.xhtml
copy.xhtml
titel.xhtml
wid.xhtml
zitate.xhtml
inhalt.xhtml
book1.xhtml
ch01.xhtml
ch02.xhtml
ch03.xhtml
ch04.xhtml
ch05.xhtml
ch06.xhtml
ch07.xhtml
ch08.xhtml
ch09.xhtml
ch10.xhtml
ch11.xhtml
ch12.xhtml
ch13.xhtml
ch14.xhtml
ch15.xhtml
book2.xhtml
book2p1.xhtml
ch16.xhtml
ch17.xhtml
ch18.xhtml
ch19.xhtml
ch20.xhtml
ch21.xhtml
ch22.xhtml
ch23.xhtml
ch24.xhtml
ch25.xhtml
ch26.xhtml
ch27.xhtml
ch28.xhtml
ch29.xhtml
ch30.xhtml
ch31.xhtml
ch32.xhtml
book2p2.xhtml
ch33.xhtml
ch34.xhtml
ch35.xhtml
ch36.xhtml
ch37.xhtml
ch38.xhtml
ch39.xhtml
ch40.xhtml
ch41.xhtml
ch42.xhtml
ch43.xhtml
ch44.xhtml
ch45.xhtml
ch46.xhtml
ch47.xhtml
ch48.xhtml
ch49.xhtml
ch50.xhtml
ch51.xhtml
ch52.xhtml
ch53.xhtml
book2p3.xhtml
ch54.xhtml
ch55.xhtml
ch56.xhtml
ch57.xhtml
ch58.xhtml
ch59.xhtml
ch60.xhtml
ch61.xhtml
ch62.xhtml
ch63.xhtml
ch64.xhtml
ch65.xhtml
ch66.xhtml
ch67.xhtml
ch68.xhtml
book3.xhtml
book3p1.xhtml
ch70.xhtml
ch71.xhtml
ch72.xhtml
ch73.xhtml
ch74.xhtml
ch75.xhtml
ch76.xhtml
ch77.xhtml
ch78.xhtml
ch79.xhtml
ch80.xhtml
ch81.xhtml
ch82.xhtml
ch83.xhtml
ch84.xhtml
ch85.xhtml
ch86.xhtml
ch87.xhtml
book3p2.xhtml
ch88.xhtml
ch89.xhtml
ch90.xhtml
ch91.xhtml
ch92.xhtml
ch93.xhtml
ch94.xhtml
ch95.xhtml
ch96.xhtml
ch97.xhtml
ch98.xhtml
ch99.xhtml
ch100.xhtml
ch101.xhtml
ch102.xhtml
ch103.xhtml
ch104.xhtml
ch105.xhtml
ch106.xhtml
ch107.xhtml
ch108.xhtml
ch109.xhtml
ch110.xhtml
book3p3.xhtml
ch111.xhtml
ch112.xhtml
ch113.xhtml
ch114.xhtml
ch115.xhtml
ch116.xhtml
ch117.xhtml
ch118.xhtml
ch119.xhtml
ch120.xhtml
ch121.xhtml
ch122.xhtml
ch123.xhtml
ch124.xhtml
ch125.xhtml
ch126.xhtml
book4.xhtml
book4p1.xhtml
ch127.xhtml
ch128.xhtml
ch129.xhtml
ch130.xhtml
ch131.xhtml
ch132.xhtml
ch133.xhtml
ch134.xhtml
ch135.xhtml
ch136.xhtml
ch137.xhtml
ch138.xhtml
ch139.xhtml
ch140.xhtml
ch141.xhtml
ch142.xhtml
ch143.xhtml
ch144.xhtml
ch145.xhtml
ch146.xhtml
ch147.xhtml
ch148.xhtml
ch149.xhtml
ch150.xhtml
ch151.xhtml
book4p2.xhtml
ch152.xhtml
ch153.xhtml
ch154.xhtml
ch155.xhtml
ch156.xhtml
ch157.xhtml
ch158.xhtml
ch159.xhtml
ch160.xhtml
ch161.xhtml
ch162.xhtml
ch163.xhtml
ch164.xhtml
ch165.xhtml
ch166.xhtml
ch167.xhtml
ch168.xhtml
ch169.xhtml
ch170.xhtml
ch171.xhtml
ch172.xhtml
book4p3.xhtml
ch173.xhtml
ch174.xhtml
ch175.xhtml
ch176.xhtml
ch177.xhtml
ch178.xhtml
ch179.xhtml
ch180.xhtml
ch181.xhtml
ch182.xhtml
ch183.xhtml
ch184.xhtml
ch185.xhtml
ch186.xhtml
ch187.xhtml
ch188.xhtml
ch189.xhtml
ch190.xhtml
ch191.xhtml
ch192.xhtml
ch193.xhtml
ch194.xhtml
ch195.xhtml
ch196.xhtml
ch197.xhtml
book5.xhtml
book5p1.xhtml
ch198.xhtml
ch199.xhtml
ch200.xhtml
ch201.xhtml
ch202.xhtml
ch203.xhtml
ch204.xhtml
ch205.xhtml
ch206.xhtml
ch207.xhtml
ch208.xhtml
ch209.xhtml
ch210.xhtml
ch211.xhtml
ch212.xhtml
ch213.xhtml
ch214.xhtml
ch215.xhtml
ch216.xhtml
ch217.xhtml
ch218.xhtml
ch219.xhtml
ch220.xhtml
ch221.xhtml
ch222.xhtml
ch223.xhtml
ch224.xhtml
ch225.xhtml
ch226.xhtml
book5p2.xhtml
ch227.xhtml
ch228.xhtml
ch229.xhtml
ch230.xhtml
ch231.xhtml
ch232.xhtml
ch233.xhtml
ch234.xhtml
ch235.xhtml
ch236.xhtml
ch237.xhtml
ch238.xhtml
book5p3.xhtml
ch239.xhtml
ch240.xhtml
book6.xhtml
ch241.xhtml
ch242.xhtml
ch243.xhtml
ch244.xhtml
ch245.xhtml
ch246.xhtml
ch247.xhtml
ch248.xhtml
ch249.xhtml
ch250.xhtml
ch251.xhtml
ch252.xhtml
ch253.xhtml
ch254.xhtml
dank.xhtml
author.xhtml
bm2.xhtml