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„Staat“ und „Geheimnis“ sind oft eins. Die Geheimnisse sind nur wenigen bekannt. In einigen Ländern tragen sie den Titel Sekretär, in anderen heißen sie Minister, aber beide Bezeichnungen verweisen auf ihre Rolle als Hüter von Staatsgeheimnissen. Der Große Diktator von Aburĩria alias Herrscher der Freien Republik Aburĩria traute jedoch niemandem, wenn es um die Bewahrung seiner Geheimnisse ging. Selbst die Minister, von denen es hieß, sie stünden ihm nahe, weil sie abends die Letzten und morgens die Ersten waren, die ihn sahen, konnten sich weder ihres Schicksals sicher sein noch genau wissen, ob sie ihre Posten bei Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang noch hatten.
Dafür gab es eine furchteinflößende Abfolge.
Wie oft hatte der Diktator einige von ihnen gefördert, Loblieder auf sie gesungen, sie zu jeder Zeremonie mitgenommen und ihnen genau in dem Augenblick, als sie anfingen zu glauben, sie wären tatsächlich „Vaters Liebling“, den Zauberteppich unter den Füßen weggezogen. Nach ihrem Absturz krochen die ehemaligen Lieblinge, verletzt und gebrochen, auf allen vieren und bettelten um Gnade und Vergebung – einen Tag, eine Woche, einen Monat, manchmal mehrere Jahre lang. Dann plötzlich, aus heiterem Himmel, erhörte der Diktator das Flehen des Mannes und schickte politische Geschenke, um sein Elend zu lindern. Steh auf und gehe, sagte der Diktator zum Erlösten, und fortan schwärmte dieser dankbar von der grenzenlosen Großzügigkeit des Diktators, vor allem, wenn er mit dem Vorstandsposten dieses oder jenes Aufsichtsrates gesegnet wurde oder dem Vorsitz irgendeiner Gesellschaft zum Schutz der wilden Tiere, vielleicht sogar mit einem neuen Ministerposten.
Die Fähigkeit des Diktators, einen Minister gegen den anderen auszuspielen, eine Region gegen die andere aufzustacheln oder Gemeinde gegen Gemeinde kämpfen zu lassen, war inzwischen legendär. Er stellte sich auf die Seite einer Kriegspartei, die über die Allianz mit der Macht frohlockte, nur um eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass sich der Diktator auf die Seite ihrer Kontrahenten geschlagen hatte, zumindest vorübergehend, bevor er erneut die Seiten wechselte oder eine weitere Gruppe in die Auseinandersetzung trieb. Der Diktator aber machte einen guten Eindruck, wenn er zu Frieden und Verständigung aufrief, er schien darüberzustehen, und alle sich befehdende Parteien sahen in ihm den salomonischen Friedensbringer.
Obwohl sie sich dessen bewusst waren, wurden die Betuchten, die selbsternannten Führer von Gemeinschaften, die Mitglieder des Parlaments und vor allem die Minister des Kabinetts niemals müde, um den Platz auf der richtigen Seite des Vaters zu streiten. Der Sieger lebte in der ständigen Angst, von einem Rivalen, der die Kunst der Speichelleckerei vollendeter beherrschte, verdrängt zu werden. Die Schwierigkeit war, dass der Herrscher nie zeigte, was er von demjenigen erwartete, der seinen Ehrenplatz behalten wollte. Selbst Demut und Selbstverleugnung, wie kriecherisch auch immer, konnten den Sturz nicht verhindern. Denn während seines langen Aufstiegs zur Autorität letzter Instanz war der Herrscher selbst zum unvergleichlichen Meister von Demut und Selbsterniedrigung geworden.
Über seinen Aufstieg zum Gipfel der Macht sind viele Berichte im Umlauf. Einer Version zufolge erscheint er in der Historie als Meister blinder Demut vor der Macht. In der Kolonialzeit war er bekannt dafür, sich gegenüber jedem Weißen, mit dem er in Kontakt kam, sehr unterwürfig und höflich zu verhalten. Alle Berichte der weißen Siedler und Missionare beschreiben ihn als „guten Afrikaner“ und später als „unseren Mann“. Ob in der Schule, in der Regierungsbürokratie oder in der Armee, sein devotes Verhalten beförderte seinen Aufstieg. Er hatte das High-School-Diplom nicht geschafft, wurde aber trotzdem zum stellvertretenden Leiter einer Schule für Afrikaner auf einem Siedlerhof in Westaburĩria berufen. Als er erkannte, dass die Schulleitung für ihn der Gipfel des Erreichbaren im Bildungswesen war, gab er den Beruf auf und trat der Kolonialarmee bei, wo er sich selbst zum Militär-Pressesprecher ernannte. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Flugblätter zu verfassen, in denen die Heldentaten der Kolonialarmee gegen die nationalistischen Aufrührer in höchsten Tönen besungen wurden. Er wurde zum Korporal befördert, und mehr wäre auch hier nicht möglich gewesen, hätten die nationalistischen Rebellen das koloniale Mutterland nicht dazu gezwungen, seine Strategie zu überdenken. Als die weißen Siedler begriffen, dass sie die Unabhängigkeit Aburĩrias nicht länger verhindern konnten, wurde der zukünftige Herrscher bei der anstehenden Neuordnung der Dinge ein weiteres Mal zu „ihrem Mann“. Die Wahl fiel ganz natürlich auf ihn, die Vorbereitungen aber erforderten sorgfältige Planung, die mehrere Jahre in Anspruch nahm. Zunächst hängten sie ihm ein nationalistisches Mäntelchen um. Obwohl die künftige Exzellenz damals nur einfacher Journalist war, erlebte er innerhalb weniger Wochen seinen Aufstieg im Militär vom Korporal zum Sergeanten und zum Sergeant Major. Darum verfasste die zukünftige Exzellenz ein Statement in sorgfältig gesetzten Worten, das sich vollkommen von den Flugblättern unterschied, die er bislang geschrieben hatte. Jetzt forderte er bessere Arbeitsbedingungen für die Schwarzen in der Armee; er schwor, andernfalls seinen Posten beim Militär zu verlassen und auf versprochene Ehren zu verzichten, um für die Rechte seines Volkes zu kämpfen. Eine Woche später nahm er seinen Abschied und verkündete die Absicht, seine eigene nationalistische Partei zu gründen.
Diese Partei würde nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen der schwarzen Aburĩrier in der Armee und die Beförderung von Schwarzen in höhere Dienstgrade kämpfen, sondern sich auch den Belangen all der kleineren ländlichen Gemeinden widmen und für deren Recht eintreten, traditionelle Kleidung und Waffen wie Pfeil und Bogen, Speere und Keulen zu tragen. Lieber würden sie auf Schulen und sogar angemessene Weideflächen verzichten, als von diesen kulturellen Symbolen zu lassen, die eminent wichtig für die Verteidigung ihrer Tradition waren. Diese überlieferten Werte waren nun von größeren ethnischen Gemeinschaften bedroht, meistens unterstützt von den sogenannten progressiven Parteien, die sich mit Terroristen zusammengetan hätten, um „Freiheit jetzt“ zu fordern. Freiheit jetzt? Sie hätten lediglich im Sinn, sich nach dem Abzug der Weißen die Weideflächen und Wasserlöcher der kleinen Gemeinschaften einzuverleiben und ihre Kultur zu zerstören. Während diese Parteien Land und Freiheit verlangten, wolle die Partei des künftigen Herrschers Freiheit in Würde.
Er spottete über die Idee eines Fahrplans zur Freiheit. Das koloniale Mutterland war glücklich. Die weißen Siedler waren glücklich. Die Schwarzen in der Kolonialarmee jubelten. Jetzt hatten sie einen Helden und mussten um ihren Platz innerhalb der neuen schwarzen Ordnung nicht mehr fürchten.
Als die Unabhängigkeit verhandelt wurde, scharten sich die weißen Siedler hinter diesem Mann und seiner Partei, gaben heimlich Geld, übten Geheimdiplomatie und drängten ihn zu fordern, als Repräsentant der kleineren Gemeinschaften Stellvertreter des ersten Präsidenten werden zu müssen, da dieser aus einer der größeren Gemeinschaften stamme. Sollte es nicht dazu kommen, sollten die kleineren Gemeinschaften die Selbstverwaltung verlangen und sich, falls nötig, abspalten. Am wichtigsten aber war, dass er und seine Partei nichts mit den Aufrührern zu tun hatten. Die ehemalige Kolonialarmee, die bereits vor Beginn der Verhandlungen in Nationalarmee umbenannt wurde, machte ebenfalls ihre Präferenzen deutlich. Die nationalistischen Aufrührer wurden von den direkten Verhandlungen in Europa ausgeschlossen. Alles Weitere folgte einer vorherbestimmten Logik. Warum nicht Gespräche zwischen den „Hauptparteien“ führen, um künftig ethnische Auseinandersetzungen zu vermeiden? Das Ergebnis war vorauszusehen. Die Übereinkunft, alle nationalistischen Parteien zu einer Einheitspartei zu vereinigen, um die Harmonie zwischen den großen und kleinen ethnischen Gruppierungen zu sichern, wurde allseits als Triumph der Mäßigung gefeiert, vor allem vom ehemaligen kolonialen Mutterstaat. Der künftige Herrscher war jetzt der zweite Mann hinter dem Ersten Herrscher, einem Mann in fortgeschrittenem Alter.
Das ist eine Version von vielen. Doch alle stimmen in einem Punkt überein: Der Aufstieg des Herrschers zur Macht hatte etwas mit seiner Allianz mit der Kolonialmacht und den weißen Kräften dahinter zu tun. Einig ist man sich auch, dass er die Selbsterniedrigung als Verhandlungsstrategie bei jeder Person anwandte, deren Autorität die seine überstieg.
Im Umgang mit dem Ersten Herrscher der Freien Republik Aburĩria erniedrigte er sich auf jede erdenkliche Art, nahm von seinem neuen Chef alles hin, trat als Vizepräsident buchstäblich auf der Stelle, nutzte aber seine Zeit. Seine Fähigkeit, auch die größte Beleidigung zu schlucken, wurde legendär, und niemand, der ihn vor dem Chef knien, kriechen und zusammenzucken sah, erkannte die spätere Größe dieses Mannes.
Aber je mehr er sich vor seinen Vorgesetzten krümmte, desto mehr erwartete er dasselbe von seinen Untergebenen, um seine tief sitzenden Selbstzweifel zu mildern. Dieses Bedürfnis nach Bestätigung mündete in eine unerbittliche Gewalt gegen Schwächere. Kaum war er nach dem mysteriösen Tod des Ersten Herrschers an die Macht gelangt, verlangte er eine Liste aller Häftlinge, die auf einen Gnadenakt warteten, und unterzeichnete den Befehl zu ihrer sofortigen Hinrichtung. Er begriff, dass seine Unterschrift auf einem Papier oder ein Wort aus seinem Mund das unmittelbare Ende eines Lebens bewirken konnten, und glaubte fortan an seine Allmacht. Jetzt war er der unumschränkte Herrscher.
Was jedoch selbst die ihm am nächsten Stehenden damals nicht erkannten, war, dass das Schlimmste noch bevorstand. Sein Blutdurst offenbarte sich, als eine Splittergruppe der Einheitspartei die Sozialistische Partei gründete und bei den einfachen Leuten schnell eine Anhängerschaft gewann. Zu dieser Zeit war der Kalte Krieg in vollem Gange und seine Freunde im Westen verlangten, etwas dagegen zu unternehmen. Unverzüglich erklärte er Aburĩria zum Einparteienstaat. Die Einheitspartei erhielt den Namen Ruler’s Party und wurde zur einzigen legalen politischen Kraft des Landes. Die Führer der sozialistischen Splittergruppe gingen in den Untergrund, nachdem sie angekündigt hatten, zu den Waffen zu greifen und sich die Unterstützung der Kubaner und Russen zu holen. Einige behaupten, die Sozialisten hätten sehr unvorsichtig und verantwortungslos gehandelt und seien auf die Folgen schlecht vorbereitet gewesen. Andere haben jedoch anhand von Dokumenten bewiesen, dass der Ruf zu den Waffen eine Erfindung des Herrschers war. Jedenfalls brauchten ihn seine Freunde im Westen, damit er die Rolle des Führers von ganz Afrika und der Dritten Welt einnahm, denn Aburĩria war für sie von strategischer Bedeutung, um eine weltweite Vorherrschaft der Sowjets einzudämmen. Der Herrscher beschuldigte die Sozialistische Partei, ein Glied in der Kette sowjetischer Ambitionen zu sein. Aburĩria habe nicht gegen den westlichen Kolonialismus gekämpft, um nun unter dem kommunistischen Kolonialismus des Ostens zu enden, deklamierte er. Es war das erste Mal, dass er die Phrase „gegen den westlichen Kolonialismus gekämpft“ in einem positiven Kontext verwendete.
Es wird berichtet, er habe in nur einem Monat eine Million aburĩrischer Kommunisten niedermetzeln lassen. Das brachte ihm im Westen höchsten Respekt ein. Als allseits geschätzter afrikanischer Führer erhielt er zahlreiche Einladungen von Königen, Königinnen und Präsidenten, die ihn in ihren Palästen mit üppigen Staatsbanketten empfingen. Die westlichen Medien überschlugen sich in ihren Lobeshymnen. Einige nannten ihn „ein Bollwerk gegen den Weltkommunismus“, andere schrieben: „Ein Führer, der sich zu führen nicht fürchtet .“ Auf einer Titelseite prangte die Schlagzeile: EIN AFRIKANISCHER STAATSMANN VON WELTGELTUNG. Zahllos waren die Fotos, die ihn beim Handschlag mit den mächtigsten europäischen und amerikanischen Staatsmännern zeigten.
Der Herrscher brach dem organisierten Widerstand das Rückgrat, und die Opposition brauchte Jahre, um sich neu zu formieren, die Scherben der Erinnerung einzusammeln und zusammenzusetzen. Sie existierte nur noch im Untergrund oder im Exil, wie im Falle von Luminous Karamu-Mbu-ya-Ituĩka und Yunity Immaculate Mgeuzi-Bila-Shaka, als diese noch mit revolutionären Ideen herumspielten. Gegenüber diesem Untergrund erwies sich der Herrscher als äußerst geschickt, indem er den sich regenden Widerstand mit Zuckerrohr und Peitsche erstickte. Das Zuckerrohr erhielten die Eliten der verschiedenen ethnischen Gruppierungen, wer sich jedoch widersetzte, bekam die Peitsche zu spüren. Seine ganze Liebe aber galt der Armee, wo man seinen dramatisch inszenierten Rücktritt vom Posten des Militär-Pressesprechers noch in guter Erinnerung hatte. Die Militärs hatten mit ihm während des Kolonialismus gedient. Unseren Mann im State House nannten ihn einige Generäle, und der Herrscher erwiderte diese Huldigung, indem er die Nation regelmäßig daran erinnerte, dass allein die Stimmen zählten, die die Armee für ihn abgab.
Wer nicht von Gier getrieben war, brachte ihn aus der Fassung. Diese Typen, die immer von kollektiver Erlösung statt persönlichem Überleben redeten, konnte er nicht verstehen. Wie sollte man mit diesen Umstürzlern verfahren? Ein Fischer befestigt einen Wurm am Ende der Angelschnur, aber wie soll der Angler den Fisch fangen, wenn der nicht anbeißen will?
Deshalb konnte er auch nicht begreifen, was die Frauen zu ihrer Tat getrieben hatte. Wenn sie sich an ihn gewandt hätten, um Geld zu bekommen, er hätte ihnen mit Freuden Tausende Burĩ geschenkt. Wenn sie wegen eines Stücks Land zu ihm gekommen wären, er hätte ihr Flehen erhört. Wenn sie vor ihm erschienen wären, um Klage gegen ihre Männer zu führen, die Geld und Zeit in Bars verschwendeten, er hätte sie voller Mitgefühl angehört und eine Rede an die Nation gehalten. Aber sie hatten keine Gunst von ihm erbeten. Er hatte ihnen nichts verweigert. Woher also ihr Bedürfnis, die Nation mit Schande zu überziehen?
Vor diesem Ereignis hätte der Herrscher noch geschworen, er würde die Frauen durch und durch verstehen. Wie viele Männer, vor allem seine Minister, hatte er in all den Jahren durch den Befehl gedemütigt, ihm ihre Frauen, Töchter oder Geliebten zu schicken? Anfangs hatte er vermutet, die Frauen würden seinen Annäherungsversuchen zumindest etwas Widerstand entgegensetzen. Doch war er immer wieder überrascht, wie sie sich seiner amourösen Annäherung ergaben und sie als Akt persönlicher Anerkennung und Ehre werteten! Manch eine spielte die Entrüstete, wenn sie dem Herrscher das Bett bereiten sollte, doch sobald ihr Mann ihr den Rücken zukehrte, wollte sie gefallen und fühlte sich geschmeichelt, der Macht zu dienen!
Warum verhielten sich diese Frauen nicht genauso? Wie konnten sie seiner Allmächtigkeit gegenüber so gleichgültig sein? War Rachael nicht ein leuchtendes Beispiel dafür, was er ihnen antun konnte?
Die Rache ist mein, sprach der Herr. Und war er nicht der Herr aller Frauen in Aburĩria? Doch wie angestrengt er auch darüber nachdachte, er blieb unsicher, was er unternehmen und wo oder bei wem er anfangen sollte, um auf ähnliche Weise Rache zu üben wie bei Rachael. Er war unfähig zu handeln, und die quälenden Gedanken kehrten immer wieder zu der hochverräterischen Schmach von Eldares zurück, bei der die Frauen vor den Augen ausländischer Würdenträger und, was noch schlimmer war, vor der Global-Bank-Delegation Schande über die ganze Nation gebracht hatten.
Nach der Schmach von Eldares zog sich der Herrscher tagelang zurück. Erfüllt von der Angst, was dieses Schweigen für ihre Zukunft bedeuten könnte, beschäftigte sich jeder einzelne Minister mit strategischen Plänen für die Rettung der eigenen Haut. Einige versuchten, unter dem einen oder anderen Vorwand im State House anzurufen, doch der Herrscher weigerte sich, ihre Anrufe entgegenzunehmen. Sikiokuu und Machokali waren am stärksten betroffen. Wie sehr ihre Seelen litten, zeigte sich an Sikiokuus hängenden Ohren und Machokalis leerem Blick.
Machokalis Nöte wurden noch größer, als ihm die Global-Bank-Delegation eines Tages mitteilte, sie würde nach New York zurückkehren. Im Bewusstsein, dass sein Ansehen durch die jüngsten dramatischen Ereignisse ernsthaft gelitten hatte und die Aussicht auf seine Wiederherstellung von ihrer Präsenz im Land abhing, flehte Machokali die Delegierten an, nicht abzureisen, ohne sich in aller Form vom Herrscher verabschiedet zu haben. Sie erklärten sich bereit, ihre Abreise um einige Tage zu verschieben, aber Machokali gelang es nicht, eine Zusammenkunft im State House zu organisieren. Sie um einen weiteren Aufschub zu bitten, fehlte ihm der Mut. Er gab ein allgemeines Unwohlsein als Grund für die Unzugänglichkeit des Herrschers an. Die Delegierten verstanden die Notlage des Ministers und beruhigten ihn, er solle sich keine Sorgen machen. Wenn es sich ergeben sollte, dass er oder der Herrscher sich in New York aufhielten, seien sie stets willkommen, in der Bank vorbeizuschauen und weitere Gespräche zu führen. Sie dachten, sie hätten sich diplomatisch verhalten, und waren verblüfft, als Machokali sie anflehte, ihm die Einladung schriftlich zu geben. Auch diesen Wunsch erfüllten sie ihm und bestätigten einige Tage später den Rückflug nach New York.
Machokali klammerte sich an diesen Brief wie an einen Talisman und sehnte den Tag herbei, an dem er ihn dem Herrscher vorlegen konnte. Anders als sein Erzfeind, hatte er immerhin etwas in der Hand, tröstete er sich.
Aber er irrte sich, was seinen Erzrivalen anging. Im Kielwasser von Kaniũrũs hervorragender Schnüffelarbeit fühlte sich Sikiokuu zunehmend besser und glaubte, den Sturm überstehen zu können. Nyawĩra mochte zwar noch frei herumlaufen, doch Sikiokuu tappte immerhin nicht mehr völlig im Dunkeln, was diese Bewegung für die Stimme des Volkes anging. Er war bester Dinge. Vinjinia war Tajirikas Frau. Nyawĩra war Tajirikas Angestellte. Tajirika hatte den mächtigen Posten des Vorsitzenden von Marching to Heaven durch Machokali bekommen. Vinjinias Schuld würde Machokali in Verbindung mit der Bewegung für die Stimme des Volkes bringen und damit vielleicht sogar mit den Frauen, die die Nation mit Schande befleckt hatten.
Die fortdauernde Schweigsamkeit des Herrschers nützte Sikiokuu, weil sie ihm Zeit ließ, die nächsten Züge in dem Spiel zu planen, das Machokali und er spielten, um endgültig zu entscheiden, wer der Stärkere war: die Augen oder die Ohren des Staates.
Man erzählt sich, der Herrscher wäre sieben Tage, sieben Stunden, sieben Minuten und sieben Sekunden zurückgezogen im State House geblieben, bevor er eine Krisensitzung seines Kabinetts einberief. Zwar hatte er immer noch keine befriedigende Strategie, wie er mit den Frauen – wer immer sie waren – verfahren wollte, in der Zwischenzeit jedoch konnte er immerhin seine Wut an weniger schwer zu fassenden Opfern auslassen: an seinen Ministern.